Das PBeM-Team der CREST VPERRY RHODAN ONLINE CLUB (PROC) HomepageErschienen am:
01.08.2003

CREST V - Das Chaos geht weiter (3)

Gesucht und gefunden (04.10.3431)

Was bisher geschah

Diesmal ist der Start der CREST V nicht so chaotisch verlaufen wie beim erstenmal. Aber auch diesmal geht nicht alles reibungslos. Ein Teil der Offiziere und Mannschaften haben es nach dem Chaos vom ersten Flug vorgezogen von Bord zu gehen und somit müssen sich neue Personen in die Mannschaft integrieren.

Der Auftrag der CREST hört sich nicht einfach an: Ein Experimentalschiff mit neuartigen Schutzschirmen ist in der Zentrumsregion der Galaxis verschwunden und muss wiedergefunden werden. Die Bordsicherheit wird von geheimnisvollen Diebstählen, die sie aufklären muss, auf Trab gehalten.

Am zweiten Tag muss die CREST einen Raumkampf zwischen einem Springer und einer Freihändlerin am frühen Morgen beenden. Außerdem gibt es einen Roboteraufstand, ein Überbleibsel der Saboteure.

Ebenso wurde von einem Beiboot eine Sonde zurückgebracht, die bislang Rätsel aufgibt, da sie um etliches älter ist, als sie eigentlich sein dürfte …

Hauptpersonen

Allan Dean Gonozal – erster Offizier der CREST V

Jean Stiletto – der Erste Emotionaut der CREST

Todd Chasen – ein Wissenschaftler

Taii'C'Ektor Abladur – ein lemurischer Schiffbrüchiger

Hauptmann Warner Storm und Kelesha SinGharn – Mitglieder des Bergungsteams

Prolog. Ein neuer Morgen

Quartier (BZ: 6:00 Uhr)

Der Wecker klingelte pünktlich, wie jeden Morgen, doch Natalie saß schon grinsend im Bett und sah zu, wie die Anzeige umsprang und nunmehr 6 Uhr anzeigte. Sie hatte sich schon vor langer Zeit daran gewöhnt, ein paar Minuten vor dem Weckerklingeln wach zu werden, egal auf welche Uhrzeit er gestellt war. So wurde sie morgens zumindest nicht aus dem Schlaf gerissen.

Frohen Mutes stand sie auf – sie war eine der Personen die recht gerne früh aufstanden und morgens sogar schon so fröhlich waren, dass sie andere, schlechter gelaunte Personen fürchterlich damit ärgerten – und erledigte ihr übliches »Morgenprogramm«, wie sie es nannte. Ein wenig Frühsport, damit die Knochen nicht einrosteten, duschen, anziehen und ein Blick in die Bordnachrichten.

Knapp eine Stunde später stand sie fertig vor dem Spiegel. Doch erst, als sie durch die Tür trat, fiel ihr auf, dass sie heute Morgen eigentlich überhaupt keinen Dienst hatte.

1. Frühstück

Jean Stilettos Kabine (BZ: 6:45 Uhr)

Der schrille Klang des Weckers riss Jean aus seinen Träumen. Er brauchte ein paar Sekunden um sich zu orientieren. Verschlafen kroch er aus den Federn und versuchte die Müdigkeit mit einem halben Kubikmeter kalten Wassers aus seinem Gesicht zu spülen. Danach zog er seine Trainingskombination an, legte sein Multifunktionsarmband an und begann mit seinem morgendlichen Lauftraining durch die breiten Gänge des Schlachtschiffes.

Etwas aus der Puste beendete Jean einige hundert Meter vor seiner Kabine sein Lauftraining. Den restlichen Weg legte er im normalen Schritttempo zurück um seinen Kreislauf wieder zu normalisieren. Auf den Gängen der Mannschaftsquartiere herrschte jetzt geschäftiges Treiben, viele waren jetzt auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz oder zur Messe um zu frühstücken.

Jean betrat seine Unterkunft und entledigte sich seiner Trainingskombination, die er sorgfältig auffaltete und an ihren Platz legte. Danach ging er unter die Dusche. Etwa 15 Minuten später war er fertig und zog sich seine Uniform an, die er gestern auf dem Stuhl deponiert hatte. Allerdings nicht ohne sich penibel davon zu überzeugen, dass keine Saftflecken von Antheas kleinem Missgeschick zu sehen waren.

Offiziersmesse

Gut gelaunt machte Jean sich auf den Weg zu Offiziersmesse um sein Frühstück einzunehmen. Wie immer nach seinem Lauftraining hatte er großen Hunger. Am Frühstücksbuffet versorgte er sich mit einem halben Dutzend frischer Brötchen nebst entsprechender Mengen Wurst und Käse sowie Marmelade. Dazu wanderten vier hart gekochte Eier und eine große Schüssel Müsli mit Jogurt und Milch auf sein Tablett. Außerdem noch eine Kanne Kaffee, die schließlich noch Gesellschaft in Form eines Kruges mit Orangensaft fand.

Nachdem er sich überzeugt hatte, dass alles auf das Tablett passte schaute er sich nach einem freien Platz in der Messe um.

Zentrale

Am nächsten Morgen war Allan etwas spät dran, und kam wieder nicht dazu sich in Ruhe mit Kiril hinzusetzen. Als er an seinen Platz kam, waren dort die Berichte der Wissenschaftler über die Sonden.

Diese Sonden, derweil drei an der Zahl, waren nur eins, verwirrend. Die Daten der Sonden waren so schwer beschädigt, dass sie immer noch nicht wirklich entschlüsselt waren. Die Flugvektoren und das Alter der Sonden wurden wohl durch das Wort: »uneinheitlich« am treffendsten beschrieben.

Um 8:00 Uhr hatte Allan die Berichte überflogen und besprach sie kurz mit Oberst Strader. Lasitus Strader hatte diese Berichte auch schon gelesen und war kaum einen Deut schlauer daraus geworden als Allan. Nach einer kurzen Besprechung, insbesondere darüber was man mit den beiden anderen Schiffen in diesem System machen wolle, verabschiedete Allan Da Gonozal sich von Oberst Strader, um sich mit dem Leiter der mit der Untersuchung der Sonden Beauftragten zu treffen, um vielleicht eine Übersetzung des Wissenschaft-Kauderwelschs zu bekommen.

Offiziersmesse (BZ: 8:00 Uhr)

David Halman saß jetzt schon seit einer halben Stunde an seinem Tablett, ohne sein Essen auch nur angerührt zu haben. Er stocherte nicht einmal darin herum, sondern drehte nur sein Glas gedankenverloren in den Händen – allerdings ohne daraus zu trinken.

Da seine Schicht erst um 15 Uhr begann, hätte er noch im Bett bleiben und lange ausschlafen können. Aber die Ereignisse des gestrigen Tages ließen ihm einfach keine Ruhe, zu tief saß noch der Schock über die überstandene Gefahr. Er hatte stundenlang wach gelegen und mit offenen Augen an die Zimmerdecke gestarrt, und irgendwann hatte er es nicht mehr ertragen. Nun saß er hier allein an einem Tisch und schottete sich von seiner Umgebung komplett ab.

Was ihm am meisten zu schaffen machte, das war seine panische Reaktion auf die durchgedrehten Roboter. Er hatte schließlich eine exzellente Ausbildung bei der Solaren Raumflotte genossen und sollte auf solche Situationen mental vorbereitet sein. Und dann machte er sich vor Angst fast in die Hosen!

Sich nähernde schwere Schritte ließen den Terraner aufblicken, und er sah den Emotionauten Jean Stiletto mit einem überladenen Tablett von der Ausgabetheke kommen. Aus einem Impuls heraus winkte David dem Epsaler zu und wies auf den freien Platz an seinem Tisch.

Ich brauche dringend etwas Ablenkung, sonst drehe ich noch durch, dachte sich der Zweite Navigator.

Gerade hatte Jean sich einen freien Tisch an der Wand ausgesucht und war mit großen Schritten darauf zugegangen, als ihm der zweite Navigator David Halman zuwinkte und ihn mit einer Geste aufforderte ihm Gesellschaft zu leisten.

»Hallo Dave. Was gibt’s Gutes?« Jean machte ein fröhliches Gesicht und nahm auf dem Stuhl gegenüber von David Halman Platz. Jean und der zweite Navigator der CREST kannten sich schon eine ganze Weile, denn schließlich arbeiteten sie beide in der Kommandozentrale des Schlachtschiffes. Auch wenn sie meist unterschiedliche Schichten hatten gab es immer wieder Gelegenheiten an denen die beiden miteinander zu tun hatten. Sowohl dienstlich bei Einsatzbesprechungen, als auch beim privaten Plausch beim Schichtwechsel. David hatte eine Eigenart die manche als oberlehrerhaft bezeichneten. Er mischte sich gern ein und nutzte gern die Gunst der Stunde um mit seinem, durchaus fundierten, Wissen anzugeben. Jean machte das wenig aus. Er wusste dass David es nur gut meinte und meist nur helfen wollte.

Heute war David allerdings anders. Er gab sich zwar Mühe einen fröhlich Eindruck zu machen, aber irgendetwas schien ihn zu bedrücken. Auch auf Jeans locker gemeinte Frage antwortete er nur Gegenfrage: »Und selbst?« ohne auf die Frage selbst einzugehen.

Der Emotionaut sortierte sorgfältig sein Frühstück auf und um sein Tablett und antwortete gleichzeitig: »Och ich kann eigentlich nicht klagen, aber …«

Er hielt inne. Ein Brötchen in seiner Linken das Messer in der rechten Hand und schaute David mit einer Mischung aus kollegialer Sorge und ebensolcher Neugier an und fuhr fort »Dich scheint irgendwas zu beschäftigen oder?«

»Du hast recht«, gab David nach kurzem Zögern zu. »Der Vorfall gestern hat mich ganz schön mitgenommen. Ich hatte sogar schon mit dem Leben abgeschlossen.«

»Übertreibst du da nicht etwas?«, warf Jean ein.

»Nein nein, ich hatte tatsächlich panische Angst«, gestand David offen ein. »Und genau das beschäftigt mich seitdem. Warum kann ein ausgebildeter Offizier der Solaren Raumflotte so die Nerven verlieren? Wenn das nun in einem Kampfeinsatz passiert wäre?«

»Jetzt mach' dich nicht selber fertig«, erwiderte Jean. »Immerhin hast du nicht durchgedreht und was Dummes angestellt. In so einer Situation können selbst die erfahrendsten und abgebrühtesten Leute so reagieren. Du hast das Problem jetzt erkannt und kannst daran arbeiten, dann wird dir das beim nächsten Mal nicht mehr passieren.«

David warf seinem Gegenüber ein dankbares Lächeln zu.

Offiziersmesse (BZ: 8:12 Uhr)

Nachdenklich betrat Natalie die Offiziersmesse. Sie war selbst schuld, wenn sie ihren eigenen Dienstplan nicht im Kopf hatte. Also, nun hatte sie zumindest den Vormittag zur freien Verfügung, und hatte sich entschlossen, zuerst einmal ausgiebig zu frühstücken. So stand sie eine Weile im Raum und starrte ins Leere.

Bald darauf hatte sie sich entschieden und suchte sich ihr Frühstück zusammen, das so ziemlich jeden Tag ähnlich ausfiel: Müsli mit Joghurt, dazu Obst, wenn es welches gab, und Milch. Sie stellte alles auf ein Tablett und sah sich in der Messe um, die zu dieser Zeit recht voll war. Überall saßen Menschen und andere Wesen, aßen, tranken, unterhielten sich und lachten. Natalie mochte die angenehme Atmosphäre, aber ein freier Platz wäre ihr trotzdem lieber gewesen.

Die Rettung erbot sich in Form eines Offiziers, der mit einem anderen Offizier an einem Tisch saß. Da zumindest einer der beiden Natalie bereits bekannt war, hatte sie keine Probleme damit, auf Jean Stiletto zuzugehen und zu fragen: »Darf ich mich zu Ihnen setzen?«

Jean schaute verwundert auf und erkannte Natalie, die ihn freudig anlächelte. »Ja, klar kannst du dich setzen.«

Sagte er und zog mit der rechten Hand den Stuhl neben sich ein Stückchen vor, so dass Natalie sich ohne Probleme hinsetzen konnte. Außerdem schaffte er auf dem Tisch etwas Platz für Natalies Tablett indem er die Kanne mit dem Kaffee auf die andere Seite verfrachtete. Natürlich nicht ohne sich vorher noch einen Becher voll einzugießen. Gleichzeitig fragte er »Kennt ihr euch?« dabei schaute er die beiden abwechselnd an.

»Nein ist mir bisher noch nicht begegnet«, antwortete Natalie und auch David machte eine Geste mit ähnlicher Aussage.

»Na gut, dann stelle ich euch mal vor«, tönte der Epsaler. »Das hier ist Major Natalie Jackie Daniels. Sie kommandiert eines der Beiboote und das ist unser zweiter Navigator David Halman.«

Antheas Quartier

Anthea schlief tief und normalerweise lange, aber dieses Mal wachte sie erstaunlich früh auf. Ihr Magen schrie »Hunger«, eigentlich der einzige Grund aufzustehen. Dann machte sie sich auf den Weg in die Messe.

Offiziersmesse

Als erstes schnappte sie sich einen Teller und futterte noch beim Nachdenken über der Frühstücksauswahl einen Apfel, dem sich bald eine Banane hinzugesellte. Wieder einigermaßen gestärkt lud sie sich den Teller voll und suchte nach einem Sitzplatz. Sie sah Natalie und Jean zusammen sitzen und beschloss ihr den jungen Mann nicht ganz kampflos zu überlassen.

Bevor Jean mit dem Gespräch von vorhin fortfahren konnte oder besser ein neues Thema anschneiden konnte ließ sich Anthea auf den Stuhl neben Natalie fallen.

»Guten Morgen, ihr Süßen. Und jetzt stört mich bitte nicht, bis ich das alles niedergemacht habe«, ließ sie dabei verlauten.

Jean der Anthea gestern auch schon mit solchen Kommentaren erlebt hatte, musste schmunzeln und schüttelte dabei ein wenig mit dem Kopf. Auch Natalie versuchte ein Schmunzeln hinter ihrer Hand zu verbergen. Nur David schien aufgrund ihres doch sehr forschen Verhaltens ein wenig verwundert zu sein. Jedenfalls machte er einen solchen Gesichtsausdruck. Schnell vervollständigte Jean die Vorstellung und widmete sich dann seinem Müsli. Zwischen zwei Löffeln fragte er, an Natalie gewandt: »Ihr seid heute wieder auf Suchrasterflug, oder?«

Offiziersmesse (BZ: 8:15 Uhr)

Renie war Frühstücken gegangen. Sie war früh auf, obwohl sie eigentlich nichts zu tun hatte, jedenfalls nicht viel. Aber in der letzten Zeit hatte sie sich eh angewöhnt, weniger zu schlafen. Das war auf einem unterentwickelten Planeten mit viel Landwirtschaft normal, auch auf dem Freihändlerschiff war sie nicht zur Langschläferin geworden. Verdammte Chiara Karadin!

Außerdem, dachte sie sarkastisch, hab ich ja gestern genug gepennt.

Die ganze Sache mit den Robotern stank ihr immer noch. Für eine IPC-Diplomatin war die Angelegenheit nicht grade rühmlich. Andererseits würde sie jetzt wahrscheinlich kaum eines der Crewmitglieder verdächtigen, dass sie mehr war, als sie zu sein vorgab, jedenfalls, so lange sie sich nicht zu verdächtig benahm. Man musste die Angelegenheit immer positiv sehen. Auch ihr gestriger überlanger Aufenthalt in der Krankenstation nach ihrer Paralyse musste irgendetwas Positives an sich haben, irgendwas.

Nun ja, immerhin hatte sie jetzt so ein bisschen was, wie eine Aufgabe. Sie sollte sich mit um Sibylle, die »Ehefrau« des Springers kümmern. Besser als nichts. Auch, wenn die Saboteure wichtiger gewesen wären. Aber da nachzuforschen war zu riskant und würde sie verdächtig machen. Außerdem, ohne ihr Geheimnis preiszugeben machte eine Forschung da eh keinen Sinn und dann war das Ergebnis fraglich. Renie konnte nur auf Gerüchte hören, die in der Mannschaft kursierten. Da war etwas über eine Diebesserie. Die Leute wetteten sogar, wer das nächste Opfer sein würde. Scheinbar war Kommandanten Strader absoluter Topfavorit. Andere wetteten auf Allan oder Sulae.

Robert hatte es gewusst. Ihm ging es an diesen Morgen nicht grade gut. Nachdem er sich mit ziemlich viel für das Frühstück eingedeckt hatte, dass heute, wie er erfreut feststellte, aus typischem »English Breakfast« bestand, eingedeckt hatte, ging er zu einem Tisch an dem ein ziemlich frustrierter Sicherheitsmann saß. Robert begrüßte Vron Habel, der wohl nicht grade die besten zwei Tage seines Lebens hinter sich hatte.

Neben den Robotern waren dafür sicher auch die Diebstähle verantwortlich, die inzwischen öffentlich waren. Bei Opfern wie Tsuran, Wilford, Takashi und Kiril sowie dem Versuch bei Kassotakis war das nicht wirklich lange geheim zu halten gewesen. Robert nickte noch schnell den Leuten am Nebentisch zu, bei denen er unter anderem Halman und Natalie erkannte, die sich mit dem Piloten Jean Stiletto unterhielten, den er vom Sehen her kannte.

Er sprach aber erst mal Vron an: »Schrecklicher Tag gestern, oder?« Nicht der beste Einfall um ein Gespräch anzufangen, aber es ging schlechter.

Vron nickte. »Ja, erst dieser frühe Alarm, dann die Diebstähle und dann noch die Roboter. Alleine die Diebstähle würden mir reichen. Jedes der Opfer kann Ärger bedeuten, sehr viel Ärger, und der Drache hat sich inzwischen auch eingeschaltet. Dazu heute noch die Bordnachrichten. Kassotakis hat das zu einem Thema gemacht, was Besseres hätte seiner Sendung kaum passieren können. Wenn, wir den Dieb bekommen, wird der wohl versuchen ihn zu zerfleischen.«

Robert nickte. Er kannte den Bordmoderator nicht, aber nach seinen Sendungen, war das anzunehmen. Tsuran war seiner Meinung aber das größere Probleme. Wenn der Dieb mit dem konfrontiert wurde, konnte er einem Leid tun. »Und ich nehme an, die Nachricht, dass Freiwillige für ein Prisenkommando gesucht werden, die das Freihändlerschiff nach Olymp bringen, gefällt ihnen auch nicht grade?«, fuhr Robert fort.

Vron nickte. »Davon können sie ausgehen. Eine gute Gelegenheit für den Dieb sich zu verdünnisieren. Aber wenn er das plant«, ein Lächeln zeigte sich auf Vrons Lippen, »wird er eine unangenehme Überraschung erleben.«

Während des Gesprächs sah Robert, wie Todd Chasen den Raum betrat.

Wissenschaftliche Abteilung (BZ: 08:00 Uhr)

Todd Chasen war total fertig. Er hatte nun die ganze Nacht an den zwei Sonden gearbeitet und versucht herauszufinden was es mit ihnen auf sich hatte. Aber bisher war er dabei erfolglos geblieben. Seine Aufgabe war es gewesen das genaue Alter der Sonden zu bestimmen. Immer wieder hatte er unterschiedliche und sich widersprechende Analyseergebnisse erhalten. Egal was Todd machte, das genaue Alter ließ sich einfach nicht bestimmen. Andere Forschungsteams, die mit anderen Untersuchungsrichtungen beschäftigt waren hatten schon mehr Erfolg und waren schon im Laufe der Nacht mit ihrer Aufgabe fertig geworden.

Warum nur hatte man mir diese gegeben! Das fragte er sich die ganze Zeit. Da in den letzten Stunden seine Konzentration rapide nachgelassen hatte entschloss er sich, sich erst einmal frisch zu machen und danach ein kräftiges Frühstück zu sich zu nehmen. Danach könnte er bestimmt wieder mit mehr Elan und vor allem mit mehr Konzentration wieder an seine Arbeit gehen.

Quartier (BZ: 8:20 Uhr)

Kurze Zeit später kam Todd in seinem Quartier an, zog sich aus und ging in die Nasszelle um zu duschen. Todd ließ sich Zeit und stand so 10 Minuten lang unter der Dusche. Danach fühlte er sich schon etwas besser. Seine Lebensgeister kehrten langsam zu ihm zurück, aber damit auch gleichzeitig der Hunger, der sich durch ein Knurren in der Magengegend bemerkbar machte.

Er zog sich eine neue Uniform an und nahm noch ein aufputschendes Mittelchen zu sich, was den letzten Schlaf aus seinen Knochen vertreiben sollte. Todd wusste nicht, warum das Mittel nicht legal war, denn es rief weder eine Abhängigkeit hervor noch hatte es schädliche Nebenwirkungen. Das einzige was das Mittel bewirkte war, dass Energiereserven aktiviert wurden und man nach dem Abflauen der Wirkung länger schlief als sonst. Nachdem er 2 Pillen davon geschluckt und den korrekten Sitz seiner Uniform überprüft hatte machte er sich auf den Weg zur nächstgelegenen Kantine um ein kräftiges Frühstück zu sich zu nehmen.

Offiziersmesse (BZ: 8:19 Uhr)

»Ihr seid heute wieder auf Suchrasterflug, oder?«, fragte Jean Stiletto zwischen zwei Bissen.

»Das würde mich auch interessieren«, mischte sich David ein, der langsam wieder zu sich selbst zurückfand. »Man erzählt sich, dass die HUITZILOPOCHTLI eine Sonde gefunden hätte und deshalb früher als vorgesehen zur CREST V zurückgekehrt sei. Ist unser Auftrag, das vermisste Schiff zu finden, vielleicht schon so gut wie erfüllt?«

Als Vron hörte, was David am Nebentisch sagte, konnte er nicht anders. Er fing einfach lauthals an zu lachen. Als er überraschte Blicke bemerkte die ihn trafen beruhigte er sich wieder: »Entschuldigen sie, Mr. Halman, aber sie sind doch schon seit der ersten Mission an Bord, glauben sie wirklich, dass hier etwas ganz einfach und ohne Schwierigkeiten funktionieren wird?«

Jetzt musste auch Robert grinsen. »Na ja vielleicht haben wir ja mal Glück. Probleme haben wir ja auch so genug. Apropos Schwierigkeiten, könnte sich die Sicherheit mal darum kümmern die ehemalige Kabine von Viktoria Beypur mal ganz zu räumen?«

Er erzählte ganz schnell, was er gestern passiert war. Als er auf Wunsch Vrons seinen Helfer beschrieb, der ihn vor den Robotern gerettet hatte, legte sich dessen Stirn in Falten.

»Ich werde mich darum kümmern, darauf können sie sich verlassen!«, versprach der Sicherheitsoffizier.

Etwas beleidigt über den Einwurf vom Nebentisch setzte David eine grimmige Miene auf und sagte: »Das war ja auch nur rhetorisch gemeint. Aber im Ernst, was hat sich bei der Suche inzwischen alles ergeben, Ms. Daniels?«

Jean konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als er jedoch merkte, das David über den Einwurf vom Nebentisch etwas erbost zu sein schien stopfte er sich schnell das letzte Brötchen in den Mund und hoffte, das David es nicht gesehen hatte.

Messe (BZ: 8:20 Uhr)

Natalie sah von ihrem Müsli auf und wandte sich zuerst an Jean Stiletto: »Das werde ich sicherlich nachher erfahren. Ich gehe mal davon aus, dass noch eine Besprechung anberaumt ist. Ich muss schließlich noch Takashi Meldung machen.«

Kurze Zeit später wandte sich auch David an sie, und sie antwortete auch ihm: »Tja, wir haben eine Sonde gefunden, und soweit ich weiß, waren wir nicht die Einzigen. Die sind alle im Moment im wissenschaftlichen Labor zur Untersuchung, und ich denke, ich werde schon erfahren was dabei herauskommt.«

Sie aß ihr Müsli zu Ende und stand auf. »Entschuldigen Sie mich, meine Herren, aber ich muss sehen, wie es meiner Crew geht.«

Sie brachte ihr Geschirr zurück und verließ die Messe in Richtung Beiboothangar.

HUITZILOPOCHTLI

Auf ihrem Beiboot herrschte reges Treiben, denn einige Dinge mussten ausgebessert oder repariert werden. Das vorherrschende Thema war natürlich die Sonde und was bei der Untersuchung geschehen würde. Die Spekulationen reichten von plausibel bis vollkommen wirr. Als Natalie auf der Brücke ankam, erwarteten sie dort neben ihrem ersten Offizier auch Yohko Takashi und ein weiterer Gast.

Offiziersmesse (BZ: 8:30 Uhr)

Nachdem Renie ihr Frühstück beendet hatte, verließ sie die Messe. Sie war zuversichtlich, dass sie mit Sibylle sprechen konnte. Normalerweise war die medizinische Versorgung im gesamten terranischen Staat recht gut und die Flotte hatte seit Urzeiten einen sehr guten Ruf. Sie nahm nicht an, dass sich das während ihrer zweijährigen Abwesenheit so sehr geändert hatte.

Krankenstation (BZ: 8:40 Uhr)

Renie betrat die Krankenstation, jedenfalls den Besucherteil davon.

»Guten Tag, ich würde gern mit der Patientin Sibylle sprechen!«, begann sie und sah erschreckt in das Gesicht Dr. Tsurans. Der Mann war ihr unheimlich.

»Ich frag mal bei Dr. Drake nach!«, sagte dieser finster.

Während er ging um diese zu befragen, sah sich Renie kurz um. Die Krankenstation war inzwischen natürlich sehr viel leerer als gestern, die Paralyseopfer waren, solange sie nichts anderes hatten, entlassen. Renie hoffte bloß, dass sie schnell wieder weg kam und es nicht einige neue Routineuntersuchungen gab. Nebenher hörte sie die Bordnachrichten. Als sie die Nachricht von dem Prisenkommando hörte, bekam sie einen Schrecken. Sie wollte nicht auf das Schiff der Freihändlerin zurück. Sie war sich sicher, dass sie, wenn sie das Schiff betreten würde, durch Karadin sterben würde. Ganz sicher!

Offiziersmesse (BZ: 8:30 – 8:43 Uhr)

Nachdem das Gespräch halbwegs beendet war, ging Vron. Die interessanteste Geschichte hatte sicherlich Robert Alun geliefert. Obwohl der Galaktopsychologe ausgeschlossen hatte, dass er ihnen helfen würde, wenn einer seiner Patienten darin verwickelt sein sollte, würde er solange vielleicht noch nützlich sein.

Verdammt, ich sollte nicht jeden nach seiner Nützlichkeit beurteilen! Robert hat die Pflicht über seine Arbeit zu schweigen. Und alle zu überprüfen, die zu ihn kommen, wäre schon logistisch unmöglich, außerdem wer immer diese Schnapsidee umsetzt, kann sich schon mal einen neuen Job suchen!

So ging Vron seinen trüben Gedanken nach, die vor allem damit zu tun hatten, dass er den Dieb immer noch nicht hatte und betrat die Sicherheitszentrale.

Nachdem Natalie Daniels gegangen war, sah sich David um und stellte fest, dass Vron Habel die Messe inzwischen verlassen und Robert Alun allein zurückgelassen hatte. Da Anthea Ernchester sich nach wie vor nur auf ihr Frühstück konzentrierte und alles andere zu ignorieren schien, blieb außer Jean Stiletto also nur noch der Bordpsychologe als potentieller Gesprächspartner.

»Mr. Alun, setzen sie sich doch zu uns«, bot David dem Mann an.

Ja, gute Idee!« Jean deutete auf den freien Platz auf dem vorhin noch Natalie gesessen hatte. »Erzählen sie mal ein bisschen von ihrer Arbeit. Mich interessiert mit welchen Sorgen sich die Besatzung so herumschlägt. Wir beide …« Jean deute abwechselnd auf David und auf sich selbst. »… bekommen ja auf der Brücke meist nicht so viel mit. Zumal die Zentrums-Region eine ganze Menge Aufmerksamkeit abverlangt.«

Jean bemerkte, dass der Psychologe zögerte und fügte hinzu: »Nun kommen sie schon. Sie sollen mir ja keine Geheimnisse verraten und ihre Schweigepflicht brauchen sie auch nicht gleich verletzen, nur ein kleines Stimmungsbild der Besatzung.«

Robert nickte. »Okay, allerdings muss ich sie enttäuschen. Bis gestern Mittag war die Stimmung noch recht harmonisch. Ich hatte recht wenig mit großen Problemen zu tun. Natürlich das der eine oder andere Vorgesetzte nicht wirklich beliebt ist, kommt vor. Wir sind ja noch am Anfang der Mission, da ist viel entweder eingespielt oder noch sind die Probleme klein. Allerdings ab heute denke ich werden mich wohl vor allem 2 Probleme beschäftigen, die neue Angst vor den Saboteuren, die durch den gestrigen Vorfall ausgelöst wurde und dieser Dieb und seine Diebeszüge, von denen sie vielleicht schon in den Bordnachrichten gehört haben.«

Jean folgte Roberts Ausführungen und nickte verstehend. »Sicher habe ich davon gehört und wenn ich ehrlich bin erschreckt mich der Gedanke, dass wir solche »Kameraden« an Bord haben. Das trifft allerdings auch auf die Saboteure zu.«

Jean hielt einen Augenblick inne und fuhr dann fort: »Halten sie es für möglich, Mr. Alun, dass der Saboteur und der Dieb die gleiche Person sind?«

Robert und David warfen sich einen fragenden Blick zu und der Psychologe schien sich mit diesem Gedanken nicht so richtig anfreunden zu können. Bevor er jedoch Einspruch erheben konnte, setzte Jean hinzu: »Immerhin … Wenn man das Ganze mit etwas mehr Abstand betrachtet, könnte man sich eine oder auch mehrere Personen vorstellen deren Ziel es ist die Moral der Besatzung zu untergraben. Ich könnte mir gut vorstellen, dass wenn diese Aktionen so weitergehen, hier bald jeder jedem misstraut, weil jeder der Dieb oder ein Saboteur sein könnte!«

Beunruhigender Gedanke!«, antworte Robert auf Jeans Spekulation.

»Ich hoffe, Sie haben Unrecht. Nach allem, was ich weiß könnten die Roboter nur ein nicht zustande gekommener Plan der Saboteure aus der alten Mission sein. Dafür spricht auch, dass die ganze Aktion keinen nennenswerten Schaden verursacht hat. In mehr als 7 Stunden haben die Roboter was erreicht? Ein paar Crewmitglieder paralysiert und die Sicherheitszentrale in Gefahr gebracht. Nicht gerade effektiv. Außerdem hatten die Saboteure in der ersten Mission bessere Mittel um Furcht und Misstrauen zu verbreiten, als Diebstähle. Ich hoffe, die sind wir los und alle ihre hinterlassenen Geschenke werden wir bald los sein.«

Robert wusste, dass der ruhige Ton, der er versucht hatte zu bewahren, ihm recht schwer viel. Dazu war mit den Saboteuren, vor allem mit Ron Laska, zu viel passiert. Also versuchte er das Thema zu umgehen: »Der Dieb ist da ein eher harmloses Kaliber. Ich weiß, dass eines seiner ersten Opfer der nicht sehr beliebte Arzt Michael Tsuran war und dazu unser Kommunikationsoffizier. Das sind nicht grade die Leute die man bestiehlt wenn man eine Panik auslösen will. Ich weiß nicht wer die anderen Opfer sind, außer unserem Bordmoderator. Die anderen Opfer wurden in den Bordnachrichten nicht mit Nahmen genannt, aber wenn sie ähnliche Kaliber sind, ist die Frage ob der Dieb bei allen unbeliebt ist.«

Jean hatte den Ausführungen des Psychologen aufmerksam zugehört und dabei sogar fast sein Müsli vergessen. Als Robert die Frage stellte ob der Dieb wirklich unbeliebt sei, musste Jean auflachen. »Na dann sollte man vielleicht besser aufpassen, das man sich allseits großer Beliebtheit erfreuen kann.«

»Aber mal ernsthaft: Sie haben natürlich recht. Die Diebereien sind im Vergleich zu den Saboteuren ein sehr kleines Problem. Zumal die Wahrscheinlichkeit zum Opfer des Diebes zu werden beinahe verschwindend gering ist.«

Jean löffelte ein bisschen Müsli und fügte nach ein paar Augenblicken hinzu: »Trotzdem hätte ich gern gewusst wer die anderen Bestohlenen sind. Wissen sie etwas genaueres, David?«

Jean schaute zu dem Navigator der gerade darin vertieft war eine Brötchenhälfte sorgfältig mit Marmelade zu bestreichen.

Nein, leider nicht«, erwiderte David lakonisch und fragte sich, warum Jean ihn auf einmal siezte. Vielleicht war der Emotionaut unzufrieden damit, dass David sich an dem Gespräch mit dem Bordpsychologen nicht beteiligte. Das war in der Tat ziemlich unhöflich, besonders da er Alun an ihren Tisch geholt hatte. Aber irgendwie fiel dem Terraner nichts Sinnvolles ein, dass er zu der Unterhaltung beitragen könnte. Deshalb widmete er sich auch so gewissenhaft seinem Frühstück, damit er überhaupt etwas tat.

Robert nahm den Faden wieder auf: »Tja, da müssen sie wohl darauf warten, dass jemand von der Bordsicherheit die Nahmen rausposaunt oder der Klatsch zuschlägt, wobei wir dann wohl 100 Bestohlene haben. Na ja, ich mache mir auch keine großen Sorgen zu den Opfern des Diebes zu gehören. Ich hab nichts Wertvolles in meiner Kabine! Okay«, fügte er nach einigem Zögern hinzu, »nichts was ich vermissen würde.«

Offiziersmesse (BZ: 8:45 Uhr)

Nachdem das Thema Diebstähle wohl beendet war und auch Jean seine Vermutung wohl nicht mehr aufrechterhielt, begann Robert schneller zu essen. Er hatte zu viel gequatscht und außerdem hatte er bei einem Frühstück nach Art seiner Heimat zugeschlagen, auch wenn dieses zumindest auf der Erde als sehr mies galt. Schließlich beendete er das Essen und verabschiedete sich von Jean, der auch zur Arbeit musste, von Anthea, die immer noch nichts gesagt hatte, und von David.

Auf dem Gang ging er noch seinen Gedanken nach. Wie er es auch Jean erzählt hatte, hoffte er das die Saboteure endgültig erledigt waren. Bei Leuten wie Toran konnte er sich mit Hass trösten, über Tsuran ärgern (okay, etwas Angst war auch dabei, aber die hatte er im Griff), aber bei den Saboteuren empfand er panische Angst. Okay, Laska war erledigt und hoffentlich auch der Rest, aber alleine der Gedanke …

Robert ging in seine Kabine, begann zu arbeiten und später beantragte er bei der Sicherheit Informationen über den weiteren Verbleib der Saboteure an ihn weiterzugeben.

Nachdem Robert sich verabschiedet hatte warf Jean einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass er sich auch langsam auf den Weg machen musste. Schnell steckte er sich die übrig gebliebenen zwei Äpfel in die Tasche, räumte alles wieder auf sein Tablett und verabschiedete sich dann von den anderen.

Als er die Messe verließ dachte er einen Augenblick über das eigenartige Verhalten von Anthea nach: Warum ist sie so schweigsam gewesen? Hatte es vielleicht mit gestern Abend zu tun?

Unwillkürlich zuckte Jean mit den Achseln und beschleunigte seinen Schritt um pünktlich in der Kommandozentrale zu sein.

Nach Robert Alun hatte nun auch Jean Stiletto die Messe verlassen, und David blieb allein mit der immer noch schweigenden Anthea Ernchester zurück. Da sich jedoch der Essensvorrat auf ihrem Tablett dem Ende zuneigte, wagte der Zweite Navigator der CREST V einen Versuch und sprach sie an: »Und wie läuft es bei Ihnen so, Ms. Ernchester?«

2. Schichtbeginn

Kommandozentrale (BZ: 8:50 Uhr)

Als Jean die Zentrale betrat herrschte hier das typisch rege Treiben wie immer um diese Zeit und wie auch zu allen anderen Schichtwechseln. Jean ließ seinen Blick schweifen. Oberst Strader schien auch gerade erst erschienen zu sein, denn er führte das obligatorische Übergabegespräch mit dem Offizier der Nachtschicht. Danach würde er sich wie immer einen Überblick über die Lage verschaffen und dann, nach der üblichen morgendlichen Besprechung, die Tagesbefehle ausgeben. Jean grüßte lässig als der Oberst zu ihm herüber sah. Strader nickte nur kurz und schenkte dann seine Aufmerksamkeit den Berichten des Offiziers ihm gegenüber.

Auch Jean musst jetzt ein Übergabegespräch führen und zwar mit den Piloten, die während der Abwesenheit der Emotionauten die CREST V manuell steuerten. Natürlich war diese Form der Steuerung weniger effektiv als die Technik der SERT-Haube, aber die Anzahl der Personen die diese Technik benutzen konnten war beschränkt, so dass nur wenige Raumschiffe der Solaren Flotte über mehr als ein oder zwei Emotionauten verfügten. So gesehen war die CREST V schon relativ gut ausgestattet, denn zu ihrer Crew gehörten zwei Emotionauten. So konnten Jean und der zweite Emotionaut Major Finley Hawk sich die Zeiten der Rufbereitschaft und der Anwesenheit in der Zentrale teilen.

Trotzdem war immer zusätzlich ein eingespieltes Pilotenteam anwesend, das im Notfall die Steuerung übernehmen konnte. [… oder wenn der Emotionaut mal pinkeln musste ;-)] Während ihres Aufenthaltes in der Zentrumsregion hatte Oberst Strader ohnehin erhöhte Bereitschaft für die Emotionauten befohlen. So konnte es also passieren, das Jean bei kritischen Manövern oder im Alarmzustand auch außerhalb seiner normalen Schicht in die Zentrale beordert wurde.

Nachdem Jean mit einem der Piloten gesprochen hatte und sich von ihm die Vorkommnisse in seinem Aufgabenbereich angehört hatte machte er sich daran seine übliche allmorgendliche Prozedur durchzugehen. Als erstes organisierte er sich dazu eine große Tasse Kaffee. Dann machte er sich auf den Weg zu seinem Platz, wo er zunächst alle Anzeigen überflog.

Soweit keine Besonderheiten, dachte er bei sich. Dann holte er sich auf eines der Displays die Checkliste für den Dienstantritt und begann diese Punkt für Punkt durchzugehen.

Sicherheitszentrale (BZ: 8:50 Uhr)

In der Sicherheitszentrale stand Africa Goimez. Der Drache machte mal wieder einen etwas gequälten Eindruck.

»Haben sie wenigstens inzwischen einige Ergebnisse, Mr. Habel?«, fragte sie auf ihre gewohnt »liebenswürdige« Art. »Der Diebstahl sollte doch langsam aufgeklärt sein!«

Vron widerstand der Versuchung sie zu fragen, warum sie es dann nicht mal selbst schnell in einer Kaffeepause erledigte, aber auch nur gerade so und antwortete stattdessen: »Die Ermittlungen gehen so voran, aber auch nur gerade so. Gestern waren Ermittlungen durch die Roboter auch nicht gerade leicht. Wir können bloß hoffen, dass der Dieb, wenn er wieder zuschlägt einen Fehler macht. Gestern hat er das, nach dem Diebstahl bei Miss da Gonozal ja nicht mehr getan. Vielleicht wurde er aber auch durch die Roboter behindert, oder er hat Angst, weil die Sicherheit hinter ihm her ist.«

Während der Drache wieder einiges losließ schaltete Vron auf Durchzug und ging dann zu seinen normalen Arbeitsplatz, um einige Bitten an die Sicherheitschefin zu richten, die mit dem Prisenkommando zusammenhingen. Nachdem er um die Liste aller Freiwilligen und Durchsuchung der Teilnehmer gebeten hatte, etwas was wahrscheinlich auch ohne seine Hilfe recht bald angeordnet worden wäre, dachte er weiter über das Gespräch bei Frühstück nach.

Schon komisch, dass Robert genau Skip Rudolexos beschrieben hatte. Und zu dumm das der Lepsoner sich zwar verdächtig machte wie der Teufel, aber das selbst die Indizien für seine Vorgesetzten lächerlich sein würden. Bei Allan waren sie ja noch ausgeprägter.

Mitten in seine trüben Gedanken platzte Timotha a König herein. Der Marsianer grinste wie ein Honigkuchenpferd.

»Was ist denn so komisch?«, fragte Vron der nicht grad die beste Laune hatte.

»Ach du hast es noch gar nicht gehört?«, antwortete Timotha mit einer Gegenfrage. »Du hast doch gestern das Tagebuch von Viktoria Beypur mit untersucht. Seitdem geht eine gewisse Textzeile um, die sich mit unserem Drachen beschäftigt. Sie wird darin als saudoof bezeichnet. Beypur meinte sie wäre die schlechteste Sicherheitsoffizierin, die sie jemals getroffen hätte. Sie hätte die Saboteure nicht in 1000 Jahren erwischt und weil sie wüsste, dass sie so mies sei, würde sie jeden so mies behandeln, weil jeder besser sei.«

Bei dem Bericht musste sogar Vron grinsen und vergaß seine schlechte Laune für einen Moment. Er hoffte, dass Sulae die Vorschläge genehmigte und um Skip würde er sich bald persönlich kümmern.

Kommandozentrale (BZ: 8:55 Uhr)

Kurz vor 9 Uhr betrat Emerson die Kommandozentrale und ging sogleich zur Galaktonautischen Station hinüber, wo der Offizier von der Nebenschicht sich für den Schichtwechsel bereit machte. Wie immer führten die beiden Navigatoren ein routinemäßiges Übernahmegespräch, bevor der Veego seinen Kollegen ablöste und seinen Posten antrat. Offenbar war während der letzten Schicht nichts von Bedeutung vorgefallen, außer dass man einen Funkspruch von der Korvette KC-13 mit der Eigenbezeichnung STERNENSTAUB empfangen hatte, der ihre baldige Rückkehr ankündigte.

Mit Belustigung registrierte Emerson, dass »Sternenstaub« die Übersetzung des englischen Namens »Stardust« von Perry Rhodans legendärem Mondraumschiff war. Aber es kam ihm komisch vor, dass nun schon die zweite Korvette unplanmäßig zurückkehren würde. Die HUITZILOPOCHTLI, die gestern gegen 18:30 Uhr angekommen war, hatte angeblich eine Sonde gefunden. Doch nähere Informationen über dieses Thema hatte er nicht in Erfahrung bringen können.

Was mag wohl der Grund für die Rückkehr der STERNENSTAUB sein?, fragte sich der Veego. Haben die vielleicht auch etwas gefunden?

Nach einer routinemäßigen Überprüfung der Navigationssysteme und der Kontrollterminals lehnte Emerson sich zurück und schaute sich die Sterne auf den Bildschirmen der Außenbeobachtung an. Für´s erste würden sie nirgendwohin fliegen, zumindest nicht bevor die Angelegenheit mit den Springern und den Freihändlern geklärt wäre. Beim Frühstück in der Offiziersmesse hatte er aus dem Bordklatsch erfahren, dass in Kürze ein Prisenkommando zu den Freihändlern übersetzen, das Schiff übernehmen und dann nach Olymp fliegen sollte. Die Springer hingegen fielen nicht in ihre Zuständigkeit, weshalb man mit ihnen nicht genauso verfahren konnte. Allerdings war der Patriarch der Springer nach wie vor an Bord der CREST V in Gewahrsam.

Sicherheitszentrale (BZ: 9:00 Uhr)

Vron wusste nicht was er tun sollte. Nachdem er in der Sicherheitszentrale angekommen war, versuchte er in den Berichten der anderen, die am Fall beteiligt waren, irgendwas Besonderes zu finden, aber Fehlanzeige. Er würde sich die Erklärungen für die Chefin wohl aus den Fingern saugen müssen. Auch Agnus Coshs Observierung von Allan Dean Gonozal hatte keinen Anhaltspunkt ergeben.

Vron nahm sich vor sich persönlich darum zu kümmern. Er sandte an den ersten Offizier der CREST die Bitte, sobald es ging sich mit der Sicherheit wegen der Diebstähle in Verbindung zu setzen, weil er vielleicht etwas gesehen hätte, das die Diebstähle aufzuklären helfen würde, und weil er mehrere der Opfer (wenn man diesen Bordmoderator mal ausließ, eigentlich alle) recht gut kannte.

Als er das Zeug abgeschickt hatte, wurde sein mulmiges Gefühl stärker. Allan Dean Gonozal könnte ihn mit einem Fingerschnippen fertig machen, wenn er keine Beweise hatte und etwas zu forsch handelte. Nun ja, wahrscheinlich könnte der Arkonide das sogar, wenn er auf frischer Tat mit dem Diebesgut ertappt werden würde.

Als er gerade begann sich vorzustellen, wie Allan wohl auf einen Arkonidenschiff mit ihm umgegangen wäre, wahrscheinlich sofortige Exekution für alle Verantwortlichen, kam eine junge Frau herein, die ziemlich verstört wirkte.

»Was kann ich für sie tun«, fragte er sie.

»Ich komme her, um eine Aussage zu machen!«, brachte sie stammelnd heraus. »Es geht darum, was heute in den Bordnachrichten gemeldet wurde. Ich bin dafür verantwortlich.«

Vron überlegte kurz, aber außer den Diebstählen kam ihn allerdings nichts in den Sinn, was gepasst hätte. Er musterte die Frau und war enttäuscht. Er wusste nicht was er erwartet hatte, aber das sich der Täter selbst stellen würde nie im Leben. Goimez würde sich totlachen und keine Ahnung wie die Shalannan reagieren würde. Na ja die Häme war harmlos gegen das, was Gonozal tun könnte. Trotzdem es war enttäuschend, dass der Meisterdieb einfach eine Unbekannte sein sollte, die plötzlich auftauchte.

»Also sind Sie für die Diebstähle verantwortlich?«, fragte er tonlos.

»Diebstähle?«, die Dame schien nun wirklich geschockt. »Nein! Ich hab doch nur … Bitte sagen Sie Oberstleutnant Dawn nichts.«

Vron starrte fassungslos darauf, wie die Frau in Tränen ausbrach. Verdammt! Mit solchen Situationen kann ich gar nicht umgehen.

»Beruhigen Sie sich erst mal!«, versuchte er die Frau zu beruhigen. »Was ist denn genau passiert. Ich bin sicher, dass wir die Situation, falls sie nicht all zu schlimm ist, lösen können. Wenn sie einfach erzählen, was los ist, wird die Sache sicher nicht all zu schwer.«

Das Crewmitglied nickte und fing zu erzählen an. Sie gehörte zur Beibootflottille unter dem Kommando von Oberstleutnant Dawn. Vorgestern war sie nach der Beförderungsfeier für den Überschweren Beceefha mit einigen Kollegen und einigen Leuten aus der Feuerleitzentrale noch privat ein bisschen feiern gegangen. Dabei hatte sie wohl zu viel Alkohol intus gehabt. Auf dem Weg zurück in ihre Kabine, gestern Morgen war sie wohl etwas falsch gegangen und hatte versucht die falsche Kabine zu öffnen. Erst nachdem es mehrmals nicht geklappt hatte das Ding zu öffnen, hatte sie endlich erkannt das es nicht ihre Kabine war und war weiter durchs Schiff getorkelt. Heute Morgen hatte sie dann vom Einbruchsversuch bei Nico Kassotakis erfahren und eins und eins zusammengezählt.

Vron konnte nicht anders, er musste lauthals lachen, was sie noch mehr in Verlegenheit brachte.

Die junge Frau fasste sich wieder halbwegs: »Und was wird nun mit mir?«

Vron sah sie an: »Zu schlimm wird's nicht werden. Die Sache mit der verwechselten Tür wird ziemlich folgenlos bleiben und auch unser Bordmoderator wird die Sache nicht an die große Glocke hängen. Die Trunkenheitssache wird Folgen haben, aber wahrscheinlich keine allzu großen. Sie haben sich ja freiwillig gestellt. Seien sie aber lieber in Zukunft mit Alkohol vorsichtiger!«

Die junge Frau nickte und Vron nahm ihre Daten auf, froh, dass wenigstens einer der Vorfälle geklärt war.

3. Eine delikate Befragung

Labortrakt (BZ: 9:35 – 9:55 Uhr)

Allan langweilte sich bereits längere Zeit in dem Labor, in dem die Sonden untersucht worden waren. Vor ihm standen vier Wissenschaftler, die sich mit den Dingern beschäftigt hatten, und einer war gerade dabei, seit fünf Minuten auf Allans Frage zu antworten, die mit einem »Ja« oder »Nein« wesentlich klarer beantwortet gewesen wäre.

Stattdessen musste er sich hier eine langatmige Erklärung anhören, warum diese klare Antwort nicht gegeben werden könne. Das Technobabble nervte ihn. Innerlich war er kurz davor, eine Waffe zu ziehen und dem Schiff damit einen Gefallen zu tun, aber er trug ja keine Waffe, da diese immer noch unter Verschluss waren. Also versuchte er ein Gesicht zu machen, das seine Langeweile nicht zu sehr ausdrückte.

Er war regelrecht erleichtert, als sich sein Armbandkommunikator bemerkbar machte. Er warf nur einen flüchtigen Blick darauf und verabschiedete sich dann eiligst von den Eierköpfen mit der Bemerkung, dass die Pflicht rufen würde.

Kaum hatte sich das Schott hinter ihm geschlossen, atmete er erst mal tief durch und schaltete das Kommunikationsgerät so, dass es die letzte Nachricht wiederholte.

»Was will der denn?«, entfuhr es ihm, als er die Nachricht las, die ihn zu einem Gespräch in die Sicherheitszentrale bat. Dieser Ausruf sorgte für das Drehen einiger Köpfe der sich hier befindlichen Personen. Etwas woran man gut erkennen konnte, dass man im nicht militärischen Bereich der CREST V war. Militärangehörige lernten schnell, Ausrufe höherer Offiziere zu ignorieren.

Allan überlegte und kam kurz drauf zu dem Schluss, dass es sich um etwas im Zusammenhang mit dem Diebstahl bei seiner Adoptivtochter drehen musste. Nun er würde dem diensteifrigen Offizier nicht groß helfen können, er hatte das Amulett nur einige Male gesehen.

Nach einer kurzen Rücksprache mit dem Kommandanten orientierte er sich um die beste Route zur Sicherheitszentrale zu ermitteln.

Sicherheitszentrale (BZ: 10:10 Uhr)

Allan kam den Gang runter zur Sicherheitszentrale.

Vron sah Allan und sagte: »Danke, dass sie die Zeit gefunden haben uns zu helfen. Sie kennen ja alle Opfer zumindest flüchtig«

Allan setzte sich Vron gegenüber hin. »Sie glauben gar nicht wie sie mir geholfen haben mit Ihrer Anfrage, ich wurde gerade von mehreren Wissenschaftlern gefoltert.« Allan lächelte.

»Dann beginnen wir mal bei ihrer Adoptivtochter, wir wissen nicht, wann der Diebstahl passiert ist, können sie uns sagen, ob sie den Gegenstand noch bei ihr gesehen haben, als sie sie in die Kabine brachten?«

Allan hörte geduldig zu, langsam tropfte ihm der verpackte Vorwurf von wegen »kannte alle« ins Bewusstsein.

Dennoch antwortete er: »Nun der Abend war einigermaßen turbulent, aber ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht um ihren Hals hing, als ich sie in ihren Raum brachte. Sie war ja alkoholisiert und da hab ich sie ins Bett gebracht, dabei wäre mir das sicher aufgefallen.«

Vron nickte: »Okay, danke. Damit ist der Tatzeitraum etwas eingeschränkt, die Anzahl der potenziell Verdächtigen allerdings eher nicht.«

Allan schaltete sofort: »Jeder auf Oberstleutnant Beceefhas Beförderungsfeier! Allerdings weiß ich nicht ob sie das Amulett überhaupt dabei hatte, wenn nicht, dann natürlich jeder andere.«

»Sie war sich nicht sicher, ob sie das Amulett am Morgen oder schon auf der Party nicht mehr hatte.«

»Da kann ich nun leider auch nicht weiterhelfen, sie trug es unter dem Gewand, wodurch es natürlich nicht frei sichtbar war.«

Vron seufzte. »Na ja, versuchen kann man es ja.«

Allans Augenbrauen verengten sich. »Wie meinen?«

»Meinte bloß, dass ich gehofft habe, sie hätten das vielleicht erkannt, weil Kiril selber durch den Vorfall auf der Partie für den Morgen danach nicht so zuverlässig als Zeugin ist.«

»Die Borduniformen sind zwar einigermaßen figurbetonend, aber doch nicht ganz so, dass man solche Details erkennen könnte.« Allan lächelte etwas entschuldigend.

»Ich weiß ja nicht wie Kiril das Amulett normalerweise trägt, hätte auch offen sein können, und an dem Abend weiß ich, dass sie ohne ihre Hilfe kaum in ihre Kabine gekommen wäre.«

Allan ging darauf ein: »Nun, die Bowle war wohl gewürzt und da sie Alkohol nicht wirklich gewöhnt ist, hat es sehr stark gewirkt; noch dazu, da sie kaum was gegessen hatte!«

Vron versuchte abzuwinken: »Ja, der Vorfall ist inzwischen schiffsweit bekannt.«

Allan blieb am Thema Bowle: »Ich bin sicher sie wissen, wie das reinhauen kann.«

»Ja, dass weiß ich.«

Jetzt wechselte der 1. Offizier das Thema: »Wen hat es denn bisher alles erwischt, sie sagten ich kenne mehrere der Opfer? Ich bin leider aufgrund der momentanen Probleme nicht dazu gekommen, diesen Vorfällen die gebührende Aufmerksamkeit zu gewähren.«

Vron antwortete: »Unseren Kommunikationsoffizier, Doktor Tsuran«, hier seufzte der Sicherheitsoffizier leicht. »Yohko Takashi und Kiril, ein weiterer Vorfall hat sich als falscher Alarm rausgestellt.«

»Dr. Tsuran? Mit ihm gab es doch während der ersten Tage des Fluges Probleme, wenn ich mich recht erinnere?« Das war ein Witz des ersten Offiziers. Selbst ohne sein arkonidisch ausgebildetes Gehirn wären diese Ereignisse schwer zu vergessen gewesen.

Vron fuhr fort: »Ja, ich war zufällig dabei, als er mit einer Waffe auf der Brücke war. Wilford, der Kommunikationsoffizier, hat es laut Gerüchten geschafft sich mindestens bei der halben Crew unbeliebt zu machen, also nach Feindschaften müssen wir bei den Beiden nicht suchen.«

Allan lehnte sich zurück. » Sie haben noch keinerlei Spuren?«

»Wenige, der oder die Diebe gehen sehr geschickt vor, wir haben nur ein Haar gefunden, dass aber eine natürliche Erklärung hatte.«

»Wir können uns nicht leisten, dass Misstrauen in der Crew entsteht! Die Crew muss im Notfall einander blind vertrauen können. Mir ist diese ganze Sache, insbesondere die Berichte des Bordmoderators, ÄUSSERST unangenehm. Wenn ich ihnen irgendwie behilflich sein kann, dann bitte zögern sie nicht es zu sagen.«

Vron, der erkannte das Allan das Ganze absolut ernst meinte lächelte: »Ich denke die Berichte des Bordmoderators werden nun nicht mehr so die Diebstähle betonen, sie vielleicht kaum noch erwähnen.«

Dieser Satz ließ den 1. Offizier aufhorchen, Vron fuhr jedoch fort: »Er hat sich etwas ins Fettnäpfchen damit gesetzt. Ich hoffe bloß das Tsuran und Co nichts unüberlegtes machen.«. Auf fragenden Blick Allans sagte er etwas mehr. »Nun ja, sie haben ja gehört, dass er von dem Diebstahlversuch bei sich erzählt hat, das hat sich ziemlich in Rauch aufgelöst. Ich hoffe das da nur Tsuran und vielleicht Wilford das Problem sind. Kiril ist etwas ruhiger aber bei Miss Takashi habe ich da keine Ahnung.«

»Es ist eine Schande dass man wegen einer solchen Sache nicht die Privatsphärenschutzfunktionen der Positronik abschalten kann, dann wüssten sie aufgrund der Bewegungsprofile sogleich wer es war.«

Vron der nicht wusste, wie er diese Worte bewerten sollte, war erst mal vorsichtig: »Nun ja, andererseits wir sind auf einem terranischen Schiff, ein Polizeistaat ist für die Meisten nicht erstrebenswert.«

»Da sind wir einer Meinung. Immerhin wollt ihr ja auch eure Heuer verdienen, nicht war?«

Vron der nicht gern verschaukelt wurde, versuchte darauf zu antworten: »Hm, also die Roboter sind soweit ich weiß nicht Standardaufgabe. Hier verdiente sich die Crew schon ihr Geld. Außerdem die Sicherheit ist oft auch nur eine Notfalleinrichtung, falls was passiert. Allerdings wäre es im Moment schon nützlich, die 10 begabtesten Schlossknacker an Bord zu kennen.«

Allan wurde wieder ernster: »Nun soviel kann ich ihnen aus der Lektüre der Personalakten verraten, ohne gegen irgendwelche Vorschriften zu verstoßen, wir haben einige Leute mit einschlägiger Erfahrung an Bord.«

Vron nickte: »Ja, leider. Aber um das Schloss von Miss Takashi zu knacken, muss man sehr gut sein, oder die Kombination kennen. Was komisch ist, Wilford und Tsuran hätte wohl fast jeder beklauen können.«

»Nun, Mrs. Takashi hat gewisse Talente, mich wundert, dass überhaupt jemand in ihre Kabine rein UND wieder RAUS kam.«

Vron stimmte Allan zu. »Ja, vor allem jemand den sie nicht drin haben will. Ich habe das Türschloss gesehen, dass ist kein Standard.«

Allan lächelte. »Soso, das ist zwar nichts, dass mich sehr wundert, aber ich glaube nicht das sie dafür eine Genehmigung hat.«

»Müsste ich nachprüfen, Sonderschlösser sind an Bord nichts Besonderes, unser Bordmoderator hat auch eins, allerdings nichts so Spezielles wie Miss Takashi.«

Allan fand das nun doch sehr interessant.

Vron fuhr fort: »Ich befürchte, wenn es mal wieder einen Landeurlaub gibt, hat fast keiner mehr ein normales Standardschloss.«

Allan lachte leise auf: »Ich hab gerade genau das gedacht; ich werd mir wohl einen Tipp bei Mrs. Takashi holen.«

Vron dämpfe seinen Optimismus etwas: »Was scheinbar aber im Moment nichts hilft, selbst da ist der Dieb reingekommen.«

»Auch wieder wahr, nun ich habe kaum etwas das sich lohnt: einige Dekowaffen, ein paar Familiensymbole, aber nichts von Verkaufswert.«

»Hm, also ich weiß nicht, ob ein alter goldener Füller, ein gedrucktes Buch mit Hokuspokus oder ein paar alte Animekristalle so viel bringen. Kirils Medallion scheint mir da vielleicht etwas mehr wert zu sein.«

Allan reagierte darauf fragend: »Eine merkwürdige Liste!«

»Am Anfang hab ich gedacht, da startet jemand einen Rachefeldzug, aber Miss Takashi hat weniger gepasst und ihre Adoptivtochter gar nicht. Tsuran und Wilford haben eigentlich recht viele Feinde an Bord, aber Kiril doch wenige bis keine. Manchmal denke ich da klaut einer alles woran er kommt.«

Allan brachte den Einwand der diese Theorie, auch für Vron unglaubwürdig sein ließ: »Aber dann würde er doch sich nicht solche Umstände machen, wie mit Takashis Tür?«

»Tja, vor allem da so gut wie niemand den Code kennt.«

»Ein Kleptomane mit hochwertiger Ausrüstung und Ausbildung?« Allans Stimme klang zweifelnd.

»Das ist der eine Gedanke.« Vron begann sich sichtlich unwohl zu fühlen, der andere Gedanke war unangenehmer.

»Nun da kann ich ihnen nicht helfen, auf keiner Akte stand ›Achtung Elster‹.«

Vron nahm allen seinen Mut zusammen: »Die andere Möglichkeit ist das jemand die Kombination beider Kabinen kennt.«

Allan verstand sofort: »Wenn sie mich verdächtigen, ich kannte die Kombination zu Mrs. Takashis Kabine nicht.«

»Ich weiß, dass sie nach Mrs. Takashi Wissen die Kombination nicht kennen, aber ich weiß auch, dass sie beide wohl miteinander befreundet sind. Darauf dass sie nicht einmal Miss Takashi zu ihrer Kabine begleitet haben und sich dabei die Nummer gemerkt haben würde ich nicht wetten. Der Gedanke kam mir schon mal, das gebe ich zu.« Vron sagte das letzte um die Sache abzumildern, aber Allan war nun doch etwas verärgert.

»Nun ich gestehe ihnen zu, dass sie auf diesen Gedanken kommen könnten, aber 1. achte ich nicht auf solcherlei, und 2. hat sie mit Sicherheit des Öfteren die Kombination geändert. Sie könnten abgleichen, ob ich die Kombination überhaupt in Erfahrung gebracht haben KÖNNTE

»Das stimmt, ich gebe ihnen Recht. Tut mir leid, man sucht halt nach einer einfachen Erklärung und die war einfacher, als unser Supereinbrecher.« Vron wusste die Entschuldigung war lahm, verdammt warum war er nicht redegewandter.

»Nun; Ich kann ihnen versichern, dass ich's nicht war, aber DAS ist sicher kein Argument?«

Vron versuchte weiter den ersten Offizier zu beruhigen: »«Keine Angst, es ist nur ein Gedanke, ›seufz‹, ich wünschte mir der Dieb würde sich stellen und das Zeug einfach zurückgeben.«

Allans Armbanduhr piepte. Er warf einen Blick drauf und fragte Vron: »Haben sie noch Fragen? Ich werde noch woanders gebraucht.«

Vron schüttelte den Kopf, irgendwie war er froh aus der Situation rauszukommen: »Ich sehe sie sind beschäftigt, falls ihnen irgendwas einfällt melden sie sich bitte.«

»Grüßen sie mir bitte Mrs. Shalannan, und wenn sie was rausbekommen, bitte informieren sie mich«, sagte der Arkonide, stand auf und ging.

Vron bestätigte das, verabschiedete sich von Allan und bedankte sich für die Auskünfte.

Auf den Weg nach draußen sah Allan noch, wie ihn ein gewisser Sicherheitsoffizier von Lepso nachdenklich ansah.

Sicherheitszentrale (BZ: 10:00 Uhr)

Als Vron beobachtete, wie Skip Allan hinterher sah, schnappte er sich diesen sofort. Zu seinem merkwürdigen Verhalten kam noch die Nachricht hinzu, dass sich der Lepsoner freiwillig zum Prisenkommando gemeldet hatte.

»So, es ist Zeit für ein paar Antworten, Mr. Rudolexos!«, fuhr er ihn an. »Welches Spiel spielen Sie an Bord der CREST

Der Lepsoner ließ sich nicht aus der Ruhe bringen: »Ach sieh mal an, statt Skip und du plötzlich Mr. Rudolexos und Sie, aber du sollst deine Antworten haben, Vron.«

»Ich bin sehr gespannt.«, kam als Antwort zurück.

»Tja, ich nehme an, du verdächtigst mich. Typisch! Sobald ein Verbrechen passiert, heißt es wieder der Lepsoner war's! Das wusste ich, seitdem der erste Diebstahl passiert ist!« Skip schien richtig wütend zu sein.

Vron blieb ruhig. »Nun mal langsam, du stehst nicht wegen deiner Heimat auf der Verdächtigenliste. Du hast dich in diese Ermittlungen ganz schön eingemischt, mit sehr viel Interesse und Möglichkeiten die Ergebnisse zu fälschen. Du hast in interessanten Gegenden rumgeschnüffelt …«

»Gute Ermittlungen, Sherlock Vron, aber leider falsches Ergebnis. Ja, ich ermittle und ich weiß inzwischen, wer der Täter ist und wenn du mal eins und eins zusammenzählen würdest, mal den ganzen Stress hier vergessen und rein logisch nachdenken würdest, kämst du vielleicht auch drauf. Die Fakten liegen auf dem Tisch.«

Und dann dachte Vron noch mal kurz über alles nach, sortierte die Fakten und schloss nichts aus. Plötzlich war da was, erst verrückt, dann immer klarer und schließlich wusste er zumindest was Skip meinte.

Vron blickte auf. »Oh Scheiße!«, brachte er nur heraus.

4. Ein überraschender Fund

CREST V, Deck 27, Hangar der KC 13 (BZ: 10:43 Uhr)

Hautmann Warner Storm, der Kommandant der KC 13 oder »Sternenstaub«, wie die Crew sie liebevoll nannte, stand vom Pilotensitz auf. Die Einschleusung war geschafft.

»Der letzte Einsatz war ein hartes Stück Arbeit«, sagte er zu seinem 1.O.

Oberleutnant Reginald Nomo stimmte zu: »Das Navigieren hier im Zentrumssektor ist immer anstrengend, aber zur Zeit ist es besonders unangenehm. Ich hoffe, die anderen Boote haben es auch zurück geschafft.«

Als Warner sich langsam zum Ausstieg bereitmachte, dachte er an die letzten Tage und was sie alles erlebt hatten. Die KC 13 hatte den Auftrag bekommen, im weiteren Umkreis der CREST V gemeinsam mit neun anderen Korvetten nach Spuren des vermissten Experimentalkreuzers zu suchen.

Zwei Tage zuvor

Die ersten fünf Linearetappen lagen hinter der KC 13. Jede gefolgt von Stunden des konzentrierten Arbeitens der Orter und Taster des Beiboots.

Bislang ohne Erfolg.

Warner Storm gab den Befehl zur Fahrtaufnahme, die die Sternenstaub in den Halbraum bringen sollte, als er den Unteroffizier der die Funkstation des Bootes bediente rufen hörte.

»Sir, ich habe da seltsame Signale im Telekom. Sie sollten sich das möglicherweise ansehen.«

Warner übergab das Kommando an seinen Copiloten und ging zur Funkabteilung hinüber. Mit einem Blick sah er was der Funker meinte. Es war wirklich außergewöhnlich. Auf der Wasserstoffalphalinie kamen gepulste Signale. Nachdem er vorher auf Explorerschiffen gedient hatte, war ihm klar, dass auf dem 21 cm-Frequenzband laufend natürliche Phänomene strahlten. Aber diese Signale waren zu regelmäßig um natürlichen Ursprungs zu sein. Das weckte sein Interesse.

»Reg«, sagte er zu seinem Copiloten. »Bringe uns vier Millionen Kilometer nach Steuerbord. Ich möchte wissen, ob wir das Signal einpeilen können.«

»Aye«, bekam er zur Antwort.

Eine halbe Stunde später bremste die Korvette ab und der Funker nahm seine Arbeit auf. »Sir, ich habe das Signal wieder. Die Positronik sagt, dass die Quelle in nur 12 Lichtstunden Entfernung liegt. Ganz in der Nähe des blauen Überriesen voraus.« meldete der Unteroffizier.

»Dann werden wir mal nachsehen was wir gefunden haben« bemerkte Storm grimmig, beschleunigte das Boot und ging in den Linearraum.

»Volle Alarmbereitschaft!«, befahl Warner. Die STERNENSTAUB hatte den Halbraum verlassen. Der blaue Stern war nur 5 Lichtminuten entfernt. Wie viele Sterne des galaktischen Zentrums war auch er ein kräftiger Hyperstrahler wie das Krachen im Hyperkom bewies.

»Volle Sensorabtastung«, sagte er, als die KC 13 auf die berechnete Position der Funkquelle zutrieb.

»Da! Wir haben es!«, rief die Ortungsspezialistin. »Heute ist ein Tag voller Überraschungen. Sie werden es nicht glauben, aber das ist eine alte Funksonde, wie sie seit Jahren nicht mehr benutzt werden.«

Wenn das so ist, dann ist es wirklich merkwürdig, dachte Warner.

»Okay, Leute. Ich brauche einen abgeschirmten Frachtraum und zwei Freiwillige, die mit mir das Ding an Bord holen«, gab er bekannt.

Eine Stunde später lagerte die Sonde im Frachtraum, neugierig beäugt von allen beteiligten Crewmitgliedern. Sie wies keine äußeren Beschriftungen auf. Das war mehr als ungewöhnlich.

»Ich denke, wir sollten das Ding zur CREST bringen«, meinte Nomo, Storms Stellvertreter. Storm gab ihm recht. »In Ordnung. Kurs nach Hause.«

Fünfzehn Minuten später beschleunigte die Korvette zum abgesprochenen Rendevouspunkt und eilte der CREST V entgegen.

Gegenwart

Als Warner Storm das Antigravband von der Polschleuse herabglitt, sah er Techniker und Wissenschaftler, die die Funksonde von Bord der Korvette und in die wissenschaftliche Abteilung der CREST brachten.

Ich bin gespannt, was da wohl noch rauskommen wird, dachte er als er sich zur Meldung an seine Flottillenkommandeurin auf den Weg machte.

CREST V, Deck 27, Gang zum Hangar der »KATANA« (BZ: 10:59 Uhr)

Warner Storm ging gedankenverloren den Gang entlang, der zum Hangar der Korvette seiner Flottillenchefin führte. Noch immer beschäftigte ihn die mysteriöse Funksonde, die er mit der KC 13 gefunden hatte.

»Ohayo gosaimasu, Hauptmann!« Oberstleutnant Takashi, seine direkte Vorgesetzte kam ihm entgegen. »Es ist fast Zeit, um zu Mittag zu essen, und es scheint, als würden Sie noch schlafen.«

»Verzeihen Sie bitte meine Unaufmerksamkeit«, entgegnete Storm. »Aber ich war gerade auf dem Weg zu Ihnen, um die STERNENSTAUB zurückzumelden.«

»Ich suche Major Daniels. Sie können mir auf dem Weg berichten.«

Warner trat in ihre Seite. »Die KC 13 und die Crew sind wohlauf. Es gab keine technischen oder navigatorischen Schwierigkeiten.«

Zögernd erzählte er weiter: »Aber wir haben einen seltsamen Fund gemacht. Eine Funksonde älteren Typs, ohne äußerliche Markierungen. Noch eigenartiger ist aber das sie keine 5-D-Signale, sondern nur im H-Alpha-Band rhythmische Impulse abstrahlt.«

Takashi sah auf. »Haben Sie schon Prof. Hawk informiert?«

»Nein«, erwiderte Storm. »Aber ich konnte Hauptmann Wellogy erreichen. Er hat die Sonde schon von Bord und in die Untersuchungsräume bringen lassen.«

»Ich habe ihn gebeten, sich persönlich um das Problem zu kümmern«, fügte er hinzu.

»In Ordnung«, meinte seine Chefin.

Schweigend gingen sie weiter. Wieder fiel Storm auf wie groß das Ultraschlachtschiff eigentlich war. Besatzungsmitglieder gingen oder glitten auf Laufbändern an ihnen vorbei. Viele grüßten die beiden Beibootkommandeure. Es handelte sich meistens um Mitglieder der technischen Crew die sich um die Trägerwaffen kümmerten. Hier in die Außenbezirke des Schiffes verirrte sich kaum ein Mitglied der Schiffsführung. In der Zwischenzeit hatten sie die Schleuse, die zum Hangar der KATANA führte, erreicht.

»Major Daniels hat nämlich auch etwas gefunden, müssen Sie wissen«, überraschte Yohko Storm. »Eine zweite Sonde. Aber die dürfte regulär zu unserem vermissten Kreuzer gehören. Details soll Ihnen Daniels persönlich erzählen.«

Damit betraten beide den Hangar und gingen auf die KATANA zu.

Kommandozentrale (BZ: 11:45 Uhr)

Nachdem die Korvette zusammen mit der Springerwalze und dem Freihändlerschiff aus der Ortung verschwunden war, bereitete sich Emerson innerlich auf den baldigen Abflug vor. Längst hatte er eine Vielzahl von Kursvarianten berechnet, die sie in das Zielgebiet bringen würden – immerhin hatte er beinahe 32 Stunden Zeit dafür gehabt. Und tatsächlich befahl Oberst Strader nur wenig später den Platz der STARDUST im Suchraster einzunehmen.

Darauf war der Veego vorbereitet und konnte daher sofort einen geeigneten Kurs an den Emotionauten Jean Stiletto übermitteln, der die CREST V kurz darauf auf relativistische Geschwindigkeit beschleunigte und um kurz nach 12 Uhr in den Linearraum brachte.

Kaum hatte Oberst Strader den Befehl gegeben, die Position der fehlenden Korvette im Suchraster einzunehmen, erschienen auch schon die nötigen Navigationsdaten auf einem seiner Displays. Emerson musste den Befehl des Kommandanten erahnt und die Kursdaten im Voraus berechnet haben. Jean warf einen kurzen Blick zu dem Navigator und schmunzelte.

Genau das macht schließlich einen guten Offizier aus.

Dann zog Jean die SERT-Haube über den Kopf und unvermittelt »verschmolz« er mit der CREST. Alle Aggregate und Abteilungen meldeten Grünwerte. Das Schlachtschiff wartete nur auf seine geistigen Befehle. Der Emotionaut »dachte« einige Schaltungen und die CREST beschleunigte und verschwand kurz darauf im Linearraum. Für Jean war es immer wieder ein gutes Gefühl wenn er sich mit der CREST verbinden und die elementaren Kräfte des Schiffes entfesseln konnte. Er ließ seine Sinne schweifen, kontrollierte Einstellungen, nahm zahllose Schaltungen innerhalb eines einzigen Augenblickes vor und beobachtete gleichzeitig hunderte von Messwerten von den verschiedensten technischen Einrichtungen irgendwo im kugeligen Leib der CREST.

Schon komisch, dachte er, ich kontrolliere Maschinen, die ich in meinem Leben noch nie gesehen habe, und trotzdem fühlt es sich fast so an, als ob ich die Finger meiner Hand bewege.

Ein warnender Impuls drang in Jeans Gedanken und lenkte ihn davon ab, sich weiter über dieses eigenartige »Verhältnis« zwischen ihm und dem Schiff nachzudenken. Die Navigationspositronik meldete den Austritt aus dem Linearraum in 10 Sekunden. Offenbar hatte Emerson einen Orientierungsaustritt geplant, trotz der geringen Distanz von nur einigen Lichtjahren.

Sicherlich keine schlechte Entscheidung. Wenn man bedenkt, wie dicht die Sterne und Materieanhäufungen hier im Zentrumsgebiet stehen. Der kurze Aufenthalt im Einsteinraum würde sie nur wenige Minuten kosten, aber die Positroniken hätten die Möglichkeit die theoretisch errechneten Daten mit den tatsächlichen abzugleichen und so den Flug insgesamt sicherer zu machen. Außerdem war keine große Eile geboten.

Noch 5 … 4 … 3 … 2 … 1 … Austritt!

Plötzlich sah es aus, als ob Tausende von Sternen auf dem Panoramaschirm explodierten und obwohl die Positronik die Helligkeit sofort regulierte bot der grün leuchtende Stern, in dessen Nähe sie aus dem Linearraum getreten waren, einen atemberaubenden Anblick. Doch um diesen zu bewundern hatte Jean keine Zeit. Denn kaum hatten sie das eigenartige Wallen des Zwischenraumes hinter sich gelassen, schrillte die Alarmglocke des Massetasters los.

Auf einem von Jeans Displays erschienen zahllose Orterreflexe. Doch Jean hatte keinen Blick dafür. Ihm wurden diese Bilder direkt über die SERT-Haube vermittelt. Er erkannte tausende metallische Objekte aller Größen. Sie hatten unregelmäßige Formen und waren im gesamten System verstreut. Gleichzeitig spürte er wie einige dieser Objekte mit den Prallfeldern kollidierten und teilweise verglühten. Die Positronik markierte die »Dicken Brocken« mit einem roten Rahmen. Eine Kollision mit ihnen hätte, bei der hohen Austrittsgeschwindigkeit, der CREST schwere Schäden zufügen können, wenn nicht sogar zur völligen Zerstörung geführt. Jean schaltete die Triebwerke auf volle Leistung um die CREST abzubremsen und gleichzeitig manövrierte er in einen Bereich in dem weniger Objekte ausgemacht wurden. Zur Sicherheit aktivierte er mit einem einzigen Gedanken die -Schirmstaffel. Nach ein, zwei Minuten fand er endlich Zeit Oberst Strader Bericht zu erstatten. Trotzdem behielt er die SERT-Haube auf um weitere Ausweichmanöver fliegen zu können.

Kommando Zentrale (BZ: 12:02 – 12:30 Uhr)

Die Linearetappe brach planmäßig ab, und kaum war der rötlich wabernde Tunneleffekt mit dem winzigen Sichtbereich, mit dem Zielgebiet in der Mitte, vom Bildschirm verschwunden, jaulte der Kollisionsalarm durch das Schiff. Dann krachten schon die Schotten, als zur Sicherheit der Verschlusszustand hergestellt wurde, um im Falle einer Kollision möglichst vielen das Überleben zu ermöglichen.

Man hörte verschiedene Flüche, während die Triebwerke korrigierend feuerten und die gigantische Masse der CREST V träge Ausweichmanöver flog. Immerhin bewegte sich die CREST V mit 80 % Lichtgeschwindigkeit mitten in ein Meteoriten- oder Trümmerfeld hinein. Mit solchen Überraschungen musste man im faktisch unerforschten galaktischen Zentrum schon rechnen, aber niemand wünschte sich so was.

Der Emotionaut reagierte wie es seiner Qualifikation entsprach und verhinderte das Schlimmste, während er das Schiff hohen Werten abbremste. Die gesamte Zentrale-Crew war in heller Aufregung, und man konnte diverse Flüche hören. Die Magnetresonanz- und Massentaster meldeten der Ortungszentrale erste Ergebnisse. Sonden wurden ausgeschickt und schwärmten aus. Die Funker lauschten …

Es gab faktisch niemanden dessen Finger nicht im wilden Flug über die Konsolen waren. Die Feuerleitzentrale meldete Feuerbereitschaft und peilte die näheren Materiebrocken als Ziele ein. Der einzige der ruhig dasaß war Jean Stiletto unter seiner schweren SERT-Haube.

Strader lächelte, während er konzentriert auf die Displays vor ihm schaute. Er freute sich sichtlich wie eingespielt seine Mannschaft sich verhielt, trotz der erst kurzen Zeit, die sie miteinander Dienst taten. Allzu viel konnten die kommandierenden Offiziere im Moment eh nicht tun. Sie verschafften sich einen Überblick, aber eigentlich waren sie alle miteinander zur Passivität verurteilt.

In all der Hektik dachte Allen daran, dass dieser ganze Krach wohl Kiril verschrecken würde. Und er hoffte, dass sie in ihrer Kabine war und lernte, wie es der von ihm aufgestellte Lehrplan von ihr verlangte. Sicher war er sich nicht. Immerhin war bereits Mittag nach Bordzeit und viele würden sich momentan auf dem Weg zu oder in den Schiffsmessen befunden haben, was ja gar nicht so schlecht war, da die Messen allesamt besonders sichere Überlebenszonen darstellten.

Etwa eine Viertelstunde später hatte das Schlachtschiff soweit verzögert, dass es im Verhältnis zu der Trümmerwolke still stand.

Messe (BZ:11.30 – 11.50 Uhr)

Kel rührte lustlos in ihrem Kaffee herum. Die Übung, zu der sie und ihre Staffel-Kameraden keine 60 Minuten zuvor angetreten waren, war sehr schnell beendet gewesen. Die feindlichen Jäger hatten schon in den ersten Minuten eine deutliche Überlegenheit demonstriert und fast die Hälfte der Ausbildungsstaffel war abgeschossen worden, bevor sie auch nur die Gelegenheit hatten einen einzigen Schuss abzufeuern. Alles in allem hatte es keine 20 Minuten gedauert, bis auch der letzte Pilot aus seinem Simulator gestiegen war.

Nachdem sie wieder alle im Besprechungsraum anwesend waren, hatte ihnen Major Janaus mit einem breiten Grinsen ihre Punkte bekannt gegeben und sie für 15:00 Uhr in den Jägerhangar bestellt. Danach waren sie entlassen worden.

Das heißt, alle bis auf Kel, die sich erst noch einen Vortrag über Sicherheit auf Raumschiffen anhören durfte, der sich gewaschen hatte.

Kel war so in Gedanken versunken, dass sie Puck Ilaheus erst bemerkte, als dieser sie direkt ansprach.

»Ist der Platz noch frei?«

»Klar.«

Als Puck sich gesetzt hatte holte er seine Ausbildungsunterlagen aus der Tasche und schlug das Technik-Kapitel auf.

»Meinst du wirklich, Janaus brummt uns schon wieder eine Lektion Primärtechnik auf?«

»Bestimmt … tss, hör' dir das an, Kel: ›Ein Pilot muss im Notfall immer in der Lage sein, die primären Systeme seines Jägers notdürftig in Stand zu setzen‹.«

»Ja, ich weiß. Ich hab's schon gelesen. Der Stoff hat's in sich.« Kel was inzwischen dazu übergegangen, mit dem Löffel kleine Figuren auf den Tisch zu malen.

Puck verdrehte die Augen. »Was, ha …«

In diesem Augenblick lief ein deutliches Rucken durch die CREST und die Andruckneutralisatoren schienen für einen Moment nicht mehr mitzukommen. Kel hatte einige Augenblicke das Gefühl ihr Magen hinge zwischen ihren Knien. Sie schluckte krampfhaft.

»Wasch … mischt.« Kel starrte Puck irritiert an.

»Tschunge gebischen«, nuschelte der.

Der Alarm gellte inzwischen durchs ganze Schiff, der Verschlusszustand wurde hergestellt.

»Beweg deinen Hintern, Puck. Wir müssen runter zu den Hangars!« Kel packte ihren Kollegen am Arm und zog ihn hinter sich her.

Kurz vor dem Hangardeck

Der Zustand an Bord der CREST wäre wohl am besten mit »geordnetem Chaos« zu umschreiben. Jedes Mannschaftsmitglied versuchte auf kürzestem Weg zu seiner Station zu gelangen, was, vor allem in der Nähe der Messen, ziemlich chaotisch wirkte.

Auf halbem Weg zu den Jäger-Hangars fiel Kel plötzlich siedend heiß ein, dass sie sich immer noch nicht umgezogen hatte. Sie zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen und drehte sich mitten im Lauf zu Puck Ilaheus um.

»Lauf schon mal vor! Ich hab noch was vergessen!« Bevor Puck irgendwas antworten konnte, war sie schon um die Ecke.

Hangar der KATANA (BZ: 12:05 Uhr)

Warner Storm stand mit Hauptmann Daniels im Hangar vor der Korvette. Sie hatten sich lange über die Funde unterhalten, die beide gemacht hatten, aber sie kamen auf keinen grünen Zweig, was sie davon halten sollten.

Oberstleutnant Takashi war schon vor einiger Zeit gegangen, da sie zur Planung des Einsatzes eines Prisenkommandos gerufen worden war.

»Ich denke, Ihre Gedanken sind eine Überlegung wert«, sagte Warner gerade, als plötzlich der Kollisionsalarm aufheulte.

Daniels rief: »Wir werden unsere Unterhaltung später fortsetzen müssen.«

Gleichzeitig lief sie auf die Bodenschleuse ihres Bootes zu.

Storm nickte nur kurz und rannte ebenfalls los. Die Vorschriften der Solaren Flotte sahen vor, dass im Alarmfall alle Beiboote zu bemannen seien. Aber Warner kam nicht weit. Durch die abrupte Verzögerung wurden die Andruckabsorber für Sekundenbruchteile überlastet. Warner wurde zu Boden geschleudert.

»Sch …«, war das einzige, das er durch aufgebissene Lippen durchbrachte. Dann lief er weiter in Richtung seiner Korvette, der STARDUST.

Kommandozentrale (BZ: 12:05 Uhr)

Als die CREST V wie vorgesehen nahe einer grünen Sonne aus dem Linearraum auftauchte, um ein kurzes Orientierungsmanöver durchzuführen, war sie völlig unerwartet von einer ausgedehnten Wolke aus kleinen Objekte umgeben, die sie mit irrsinniger Geschwindigkeit durchflog.

Was bei ESTARTU soll das jetzt wieder?, dachte der Veego erschrocken. In den Sternenkarten sind keine Asteroiden oder Ähnliches in diesem System verzeichnet! So eine Schlamperei habe ich ja noch nie erlebt!

Erst jetzt erkannte er, dass es sich um metallische Trümmer von zumeist geringer Größe handelte, die er auch mit seinem »Kurzen Blick« niemals hätte entdecken können. Doch bei relativistischen Geschwindigkeiten stellten auch solche relativ kleinen Objekte eine Gefahr für ein Schiff wie die CREST V dar, weshalb in den galaktonautischen Daten eigentlich eine Warnung hätte stehen müssen.

Wenn diese Metallbrocken aber erst seit kurzer Zeit hier sind, dann können sie gar nicht verzeichnet sein, überlegte Emerson und beobachtete gebannt, wie der Emotionaut Jean Stiletto die CREST V mit hohen Werten abbremste und zusätzlich die -Schirmstaffel aktivierte. Andererseits kommen hier nicht gerade oft Schiffe vorbei. Vielleicht existieren die Trümmer ja doch schon seit Jahrhunderten.

Als die unmittelbare Gefahr vorüber war, entspannte sich die Atmosphäre in der Kommandozentrale wieder. Emerson und Jean Stiletto erstatteten Bericht über den Vorfall, wobei der Veego betonte, dass es nicht seine Schuld gewesen war.

Inzwischen hatte die Ortungszentrale damit begonnen, das Trümmerfeld zu vermessen und zu untersuchen. Schon recht bald gab es eine interessante Entdeckung zu vermelden.

Gang vom Hangar der KATANA zum Hangar der STARDUST (BZ: 12:07 Uhr)

Warner Storm hastete mit blutigen Lippen weiter. Er hatte sich gebissen als er aufgrund des plötzlichen Manövers gefallen war. Es waren wahrscheinlich nur einige Zehntel Gravos durchgeschlagen, aber es hatte gereicht ihn zu Fall zu bringen. Wie auch immer, die Lippe tat trotzdem weh. Er nahm sich vor dem verantwortlichen Piloten die Meinung zu sagen.

Man hört ja immer, dass die Emotionauten gedanklich mit ihrem Schiff verschmelzen, dachte er. Also sollten auch alle Manöver viel ruhiger erfolgen. Es muss den Piloten total überrascht haben.

KC 13 – STARDUST (BZ: 12:10 Uhr)

Warner Storm hatte vor einigen Minuten seine Korvette erreicht. Jetzt stand er in einer Nische der Zentrale des Beibootes und sprühte sich etwas Biomolplast auf seine aufgebissene Lippe. Er wusste noch immer nicht genau was eigentlich passiert war. Die CREST hatte eine plötzliche Ausweichbewegung gemacht und gleich darauf war Verschlusszustand hergestellt worden. Storm war kurz vor der geschlossenen Schleuse des Hangars gestanden, aber nachdem er sich legitimiert hatte öffnete die Zentralpositronik eine kleine Mannluke für ihn.

»Wir scheinen da auf etwas gestoßen zu sein«, rief der Dienst habende Unteroffizier. »Von der Ortungszentrale werden uns soeben die Daten über ein großes Trümmerfeld überspielt in das wir beinahe geflogen wären.«

»Danke«, antwortete Warner.

Das ist die Erklärung für die Manöver der CREST, dachte er. Trotz der relativ langsamen Fahrt die man hier im Zentrumssektor beibehalten muss, ist so ein Trümmerfeld ein überraschendes Hindernis.

Storm wanderte zum Kontursessel des Kommandanten. Er wollte gerade seinen Flottillenkommandeur rufen, als auf dem Schirm des Interkomms das Gesicht eines jungen weiblichen Unteroffiziers erschien.

»Zentrale interne Kommunikation«, meldete sie sich. »Herr Hauptmann, kommen Sie bitte sofort in die Zentrale. Der 1.O. stellt ein Einsatzteam zusammen an dem Sie teilnehmen sollen. Sie werden zum Briefing erwartet.«

»Ich mache mich gleich auf den Weg«, erwiderte Storm. Mit einem Lächeln unterbrach er die Verbindung.

»Sie haben das Boot«, sagte er zum Dienst habenden. »Ich bin unterwegs zur Hauptzentrale. Bitte informieren Sie mich wenn der Rest der Crew auf der STARDUST zurück ist und lassen Sie Startbereitschaft herstellen.«

Damit stand er auf und ging zum zentralen Antigravschacht, in dem er zur unteren Polschleuse schwebte. Als er das Laufband hinunterglitt, dass die KC 13 mit dem Boden des Hangars verband stellte er fest, dass in der Zwischenzeit der Verschlusszustand aufgehoben war. Na, wenigstens wird es kein Hindernislauf hinüber zur Zentrale.

Nachdem er auf schnellen Laufbändern die Strecke von knapp einem Kilometer zum Hauptantigravschacht zurückgelegt hatte ließ er sich in nämlichen fallen und trieb nach oben. Auf dem Zentraldeck angekommen wurde er nach den üblichen Sicherheitskontrollen in die Hauptzentrale eingelassen.

Ein Leutnant des Sicherheitsdienstes erwartete ihn. »Mahlzeit Herr Hauptmann. Ich bringe Sie rüber zum Konferenzraum.«

»Danke«, antwortete Warner.

Er grüßte kurz zum Emotionauten vom Dienst, den er flüchtig kannte, stellte aber fest, dass dieser noch immer die SERT-Haube trug.

Als sie den Konferenzraum erreichten, sah Warner, dass er der erste war.

Der Leutnant, der ihn begleitete, sagte: »Nehmen Sie bitte Platz, der 1. Offizier kommt sofort.«

5. Ein Überlebender

Wrack der GALADOR

Ein fürchterliches Krachen riss Techniker Abladur aus seinem unruhigen Schlaf. Fluchend richtete er sich auf und suchte mit der rechten Hand nach dem provisorischen Lichtschalter. Früher konnte das Licht wie beinahe alle anderen Annehmlichkeiten über einen sprachgesteuerten Servo bedient werden, doch der hatte schon vor langer Zeit seinen Geist aufgegeben. Also hatte Abladur die Elektronik überbrücken müssen und stattdessen manuelle Schalter angebracht. Er fand den Schalter und die Deckenbeleuchtung flammte auf und verbreitete übergangslos grelles Licht im Raum.

Ich muss unbedingt wieder eine Helligkeitsregelung einbauen, dachte er bei sich, während er sich die Augen rieb, in der Hoffnung sie würden sich dadurch schneller an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnen. Seine Unterkunft konnte man durchaus als geräumig betrachten.

Außer seinem Bett gab es eine gemütliche Sitzecke und einen bis zu Decke reichenden Schrank, der ursprünglich persönliche Ausrüstung und Kleidung enthalten hatte. Außerdem waren ein Großteil der Wände mit Regalen bedeckt auf denen sich die verschiedensten Gegenstände stapelten. Dominiert wurde der Raum jedoch von dem großen Schreibtisch gegenüber der Eingangstür.

Abladur hatte ihn zu einer Werkbank umfunktioniert und auf ihm fanden sich jetzt verschiedene elektronische Geräte, eine Lötstation, Messgeräte und allerlei Werkzeuge. In der Mitte dieses Chaos lag der geöffnete Energietornister eines Kampfanzuges. Kabelstränge und kleinere Bauteile ragten aus dem Gerät oder hingen herunter. Der Rest des Anzuges lag auf einem Polsterstuhl in der Nähe der Tür, zusammen mit einigen schmutzigen Overalls und roten Kitteln. Auch das Sofa der Sitzecke war mit Ausrüstungsgegenständen bedeckt, von dem kleinen Tisch ganz zu schweigen.

Es roch nach angeschmorter Isolierung, Ozon und Ölrückständen. Abladur setzte sich auf den Rand des Bettes. Dabei erwischte er mit den nackten Füssen die scharfen Kanten eines kleinen Energierelais, welches er schon vor einiger Zeit achtlos zu Boden geworfen hatte. Abladur quittierte es mit einem weiteren Fluch und schob das Relais vorsichtig mit dem Fuß auf die Seite. Er fragte sich welcher Krach ihn da geweckt haben könnte. Er hielt einen Moment inne und lauschte nach den Geräuschen seiner Umgebung. Mit seinem routinierten Gehör konnte er die einzelnen Geräusche schnell identifizieren. Eines jedoch fehlte.

»Bei allen Planeten!« Wieder ein Fluch. »Nicht schon wieder die verdammte Luftumwälzung.«

Abladur durchquerte das Zimmer, griff mit der einen Hand nach dem Polsterstuhl und warf mit der anderen die Kleidungstücke hinunter. Dann stellte er den Stuhl vor die Tür und stieg hinauf. Mit einigen geübten Handgriffen entfernte er das Lüftungsgitter über der Tür. Dünne schwarze Rauchfäden wehten ihm entgegen. Der Gestank nach verschmorter Isolierung kam eindeutig von hier. Er fächelte ein wenig mit der Hand, um besser sehen zu können. Etwa 20 cm hinter dem Gitter befanden sich die beiden Lüfter der Umwälzanlage. Sie drückten die künstlich aufbereitete Luft aus der zentralen Klimaanlage in seine Unterkunft. Auch sie wurden ursprünglich über den Servo gesteuert und auch hier hatte Abladur die Kontrollen überbrücken müssen.

Der Erfolg war zwar eine funktionierende Lüftung, jedoch fehlte auch die Überwachung durch die Elektronik. Dies führte von Zeit zu Zeit zu einer Überlastung des Gerätes und der Techniker musste wieder einmal für eine Reparatur sorgen. Seufzend stieg er vom Stuhl und schob ihn wieder auf seinen alten Platz. Er fischte einen halbwegs sauberen Overall unter dem Kampfanzug hervor und zog ihn an. Dann verließ er sein Quartier.

Als er auf den Korridor trat flammte die Beleuchtung auf.

Wenigstens funktionieren die Bewegungsmelder noch, dachte er bei sich während er der leichten Biegung des Gangs nach links folgte. Nach wenigen Metern erreichte er einen Antigravschacht, den er aber links liegen ließ. Stattdessen öffnete er den Zugang zur Nottreppe. Die Antigravschächte hatte er abgeschaltet. Abladur hatte auf die harte Tour feststellen müssen, dass sie nicht mehr zuverlässig funktionierten. Beim dem Sturz hatte er sich den Arm mehrfach gebrochen. Zum Glück konnte er sich auf der Krankenstation versorgen, so dass sein Arm mittlerweile wieder vollständig verheilt war. Allerdings hatte ihn die vorübergehende Behinderung davon abgehalten die Antigravschächte zu reparieren und auch so manche andere Sache war aus dem gleiche Grund verfallen.

Abladur folgte der engen Wendeltreppe etwa 25 Meter nach oben. Dort angekommen öffnete er eine weitere Tür und stand wieder auf einem Flur, der demjenigen weiter unten beinahe entsprach. Auch hier schaltete sich die Beleuchtung sofort ein, jedoch flackerten einige der Leuchtfelder. Der Techniker beachtete dies jedoch gar nicht als er dem Gang folgte. Für das Austauschen einer Glühbirne fehlte ihm einfach die Zeit. Nach einigen Minuten betrat er dann durch ein großes Schott einen ehemaligen Lagerraum. Inzwischen hatte Abladur hier eine Art hydroponischen Garten angelegt. Quer durch den Raum hatte er spezielle Netze gehängt, die bereits mit den Sporen einer schnellwachsenden Pilzart imprägniert waren. Sie gehörten zur Notausrüstung und stellten nicht nur die Versorgung mit Nahrung sicher sondern waren auch besonders effektive Sauerstoffproduzenten. Noch dazu unglaublich anspruchslos und sehr vermehrungsfreudig. Im Gegensatz zu den Fluren schaltete sich hier das Licht nicht automatisch ein.

Hier brannten spezielle Pflanzenstrahler die das Wachstum der Pilze positiv beeinflussten. Abladur ging durch den schmalen Gang zwischen den Reihen der Pilznetze und kontrollierte deren Wachstum. Er war zwar nicht auf die Pilze als Nahrung angewiesen, musste sie aber dennoch regelmäßig ernten um zu verhindern das sie unkontrolliert wucherten. Als er die andere Seite des Raumes erreicht hatte überprüfte er die dort angebrachten Ventilatoren und Luftschächte, die die sauerstoffreiche Luft der Pilze absaugten und der Klimaanlage zuführten. An einer der anderen Wände befand sich ein weiterer Luftschacht der die verbrauchte, sauerstoffarme Luft wieder in den Raum brachte. Allein für das Anlegen dieser Gärten sowie der Umleitung der Luftzirkulation hatte er mehrere Monate gebraucht. Dies war eines der ersten Projekte gewesen welches er damals nach dem fürchterlichen Unglück vor etwa 15 Jahren angefasst hatte. Damals hatte er noch Hilfe von einem weiteren Überlebenden, einem einfachen Arbtam aus einer anderen Technikergruppe. Seinerzeit hatten sie noch nicht geglaubt, dass sie eine so lange Zeit hier verbringen sollten. Warum sie sich trotzdem die Mühe gemacht hatten die Gärten anzulegen konnte er heute nicht mehr sagen.

Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass hier alles so funktionierte wie es sollte, betrat er durch eine weitere Tür wieder den Flur. Er folgte den provisorisch verlegten Luftrohren zum Maschinenraum der Klimaanlage. Dort angekommen überzeugte er sich anhand der angebrachten Messgeräte und Anzeigen von der ordnungsgemäßen Funktion dieser lebensnotwendigen Anlage. Gewissenhaft notierte er die abgelesen Messwerte auf einem schmutzigen Stück Papier. Noch nie hatte er diese Aufzeichnungen benötigt, als gewissenhafter Techniker notierte er sie trotzdem jeden Tag bei seinem Rundgang. Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Sauerstoffgehalt, Schadstoffe, alle Werte waren in vertretbarem Rahmen.

»Wenigstens etwas das hier zuverlässig funktioniert.«, murmelte er vor sich hin. Dabei schien er jedoch die zahllosen Tage, die er schon mit verschiedensten Reparaturen an der Anlage verbracht hatte zu vergessen. Nach etwa einer Stunde hatte er seinen Kontrollgang beendet. Energieanlagen, Wasser- und Nahrungsvorräte, Deuteriumtanks und zahlreiche andere Stellen kontrollierte er täglich. Nur so konnte er eventuelle Schäden oder Probleme früh genug erkennen um sie zu beseitigen, denn die automatischen Überwachungsanlagen waren größtenteils außer Betrieb, von unzerstörten automatischen Reparatureinrichtungen konnte Abladur ebenfalls nur träumen. Auf dem Rückweg zu seinem Quartier nahm er aus einem kleinen Ersatzteillager, welches er sich angelegt hatte, das Ersatzteil für die Luftumwälzung mit. Außerdem kehrte er noch einmal zu den Gärten zurück um eine Schale des Schaums zu ernten den die Pilze als Frucht hervorbrachten.

Abladur war Lemurer! Nach terranischer Zeitrechnung im Jahre 50.045 vor Christus auf Lemuria geboren und im Alter von 35 Jahren in den Dienst der Flotte eingetreten, als die Bestien in die lemurischen Tamanien eingefallen waren. Er wollte seinen Anteil zur Verteidigung seiner Heimat ableisten. Etwa 10 Jahre tat er Dienst als Techniker auf einem 1200 Meter durchmessenden Schlachtschiff mit dem Namen GALADOR. Zwischenzeitlich hatte er sich zum Taii'C'Ektor hochgearbeitet. Wörtlich übersetzt bedeutet das etwa »Großer Techniker« und gemeint war damit der Chefingenieur eines Raumschiffes. Er hatte während seiner Karriere zahlreiche Belobigungen erhalten, weil er es verstand das äußerste an Leistung aus seinen Maschinen und seinen Leuten zu holen. Man sagte ihm sogar nach, er könne sich mit den Maschinen unterhalten und sie würden ihm auf eine geheimnisvolle Weise ihre Defekte mitteilen. Abladur glaubte es war sein Glaube der ihn zu diesen Leistungen anspornte. Doch auch diese Fähigkeit hätte ihn und das Schiff nicht vor der Katastrophe bewahrt die ihm vor 16 Jahren widerfahren war.

Der Larkam, zu dem auch die GALADOR gehörte, erhielt einen geheimen Auftrag durch das Große Tamanium. Natürlich hatte man Abladur nicht über den genauen Wortlaut des Auftrages in Kenntnis gesetzt, aber er hatte erfahren, dass ihr Ziel der Sonnentransmitter nach Andromeda war. Doch als sie dort ankamen ereignete sich die Katastrophe.

Abladur war nicht in der Lage den genauen Hergang oder die Ursache des Unglückes zu rekonstruieren. Dem Bordgehirn konnte er diese Informationen nicht entlocken, da dieses zum größten Teil zerstört war. Außerdem hatte er ohnehin nicht die nötigen Berechtigungen und Freischaltcodes um sich Zugang zu den Informationen zu verschaffen. Er selbst hatte zum fraglichen Zeitpunkt innerhalb eines defekten Reaktors gearbeitet und daher nichts von den Vorgängen außerhalb des Raumschiffes mitbekommen. Allerdings hatte ihm dieser Arbeitsplatz wahrscheinlich das Leben gerettet. Die Abschirmung und Sicherheitseinrichtungen des Reaktors und sein schwerer Schutzanzug hatten ihn vor Schaden bewahrt.

Natürlich hatten auch noch andere die unmittelbaren Auswirkungen der Katastrophe überlebt, aber sie waren beinahe ausnahmslos schwer verletzt oder hatten eine sehr hohe Strahlungsdosis abbekommen. Abladur leistete Hilfe so gut er konnte, trotzdem konnte er nur eine Handvoll Kameraden vor dem sofortigen Tod bewahren. Von ihnen hatte er dann doch noch einige wenige Einzelheiten über die Katastrophe erfahren. Offensichtlich hatten die Schiffe den Hyperraum nicht an den berechneten Koordinaten verlassen, sondern einige 100.000 Kilometer davon entfernt. Dieser Umstand allein war nicht weiter tragisch zumal sie sich in einer Region mit einer hohen Konzentration an Sonnen und anderer kosmischer Materie bewegten. Jedoch überlagerte sich ihr Austrittspunkt mit dem Entmaterialisationsfeld des Sonnentransmitters.

Wahrscheinlich wurden sie dadurch wieder in den Hyperraum geschleudert und an einen unbestimmbaren Ort versetzt. Abladur wusste noch nicht einmal ob er sich in der Milchstrasse oder in Andromeda befand. Jedenfalls musste das Schiff, ebenso wie der Rest des Larkams übergangslos wieder vom Hyperraum abgestoßen worden sein und die dabei auftretenden Kräfte zermalmten die anderen Schiffe des Larkams und beschädigten die GALADOR schwer. Das Schiff bestand beinahe nur noch aus der inneren Kugelsphäre die die Zentrale mit den umgebenen vitalen Systemen beherbergte. Nachdem er und die anderen drei Gestrandeten tagelang ohne Erfolg das Wrack nach anderen Überlebenden durchsucht hatten, überlegten sie was sie wohl tun könnten.

Es gab zwar noch eine Rettungskapsel, diese war jedoch nur für eine Person ausgelegt. Abladur konnte zwar durch einige geschickte Umbauten Platz für einen zweiten Mann schaffen, das sie alle vier mitfliegen konnten vermochte er jedoch nicht zu vollbringen. Also losten sie zwei Leute aus, die mit der Rettungskapsel losfliegen sollten, um Hilfe zu holen. Abladur und der einfache Ektor'Arbtam, mit dem zusammen er auch die Gärten angelegte, hatten im wahrsten Sinne des Wortes den Kürzeren gezogen und mussten auf dem Schiff auf Hilfe warten. Um sich abzulenken machten sie sich an die Arbeit. Sie setzten Maschinen wieder in Gang, überbrückten zerstörte Elektroniken und trugen Vorräte und Ersatzteile zusammen. Innerhalb kürzester Zeit hatte sich zwischen den beiden eine Freundschaft entwickelt. Sie brauchten einander, um nicht wahnsinnig zu werden. Heute dachte Abladur nur noch selten an den anderen Techniker.

Einige Monate nach der Abreise der anderen arbeiten sie zusammen an einem beschädigten Fusionsmeiler. Sie hofften das Aggregat wieder in Betrieb nehmen zu können, um nicht mehr auf Energie aus Kernzerfallsbatterien angewiesen zu sein. Die Reparatur währe unter normalen Bedingungen gar kein so großes Problem gewesen. Jedoch fehlten den beiden nicht nur die Wartungsroboter sondern der Raum, in dem der Reaktor untergebracht war, war auch durch allerlei Trümmerteile versperrt. Dennoch schafften sie es beinahe alle Teile aus dem Weg zu räumen, doch dann passierte der Unfall. Abladur testete gerade die Versorgungsleitungen des Meilers. Dazu hatte er im Kontrollraum Stellung bezogen und bediente hier die Kontrollen. Der Ektor'Arbtam war noch damit beschäftigt die letzten Trümmerteile aus dem Raum des Reaktors zu beseitigen.

Dann passierte alles Schlag auf Schlag. Eine der Versorgungsleitungen riss und gleichzeitig versagten die zugehörigen Sicherheitsventile. Sofort strömte flüssiges Deuterium in den Reaktorraum. Abladur reagierte schnell und regelte die Zufuhr ab. Trotzdem zu spät. Hinter einer Verkleidung hatte sich ein explosives Gasgemisch entwickelt und Sekunden danach entzündete es sich. Die kleinen scharfen Splitter der Verkleidung flogen wie Hochgeschwindigkeitsgeschosse durch die Kammer des Meilers und erwischten den dort arbeitenden Arbtam am Schädel. Sein leichter Schutzanzug schützte zwar Oberkörper und Gliedmassen, bot aber dem Kopf keinen Schutz. Als Abladur den Körper des armen Technikers herumdrehte sah er die grässliche Verletzung an seiner rechten Schädelhälfte. Einige der Fragmente hatten sich durch den Knochen in sein Gehirn gebohrt und seinen Kameraden getötet. Daraufhin war der Taii'C'Ektor mehrere Wochen in tiefe Depressionen verfallen und mehr als einmal spielte er mit dem Gedanken seinem Leben ein Ende zu setzen. Doch sein Kampfeswille und der tiefsitzende Hass auf die Bestien halfen ihm über diese Krise hinweg.

Eine plötzliche Unruhe ließ Abladur von seiner Arbeit aufblicken. Er hatte sich wieder in seine Unterkunft begeben und bastelte wieder an dem Tornister des Kampfanzuges. Eine Schale mit gekochtem Pilzschaum stand mitten zwischen den Werkzeugen und Geräten und war mittlerweile kalt geworden. Verwundert sah sich Abladur in dem Raum um und wieder lauschte er nach den Geräuschen. Diesmal schien alles in Ordnung zu sein. Auch die Lüfter der Umwälzanlage surrten wieder. Abladur hatte sie durch eine gleiche Einheit aus einem anderen Quartier ausgetauscht. Nein irgendetwas anderes war passiert. Diesmal war es kein Defekt an irgendeiner Maschine. Er stand auf und ging nachdenklich zur ehemaligen Zentrale des Raumers. Da er sich in der Unterkunft des Kommandanten eingenistet hatte brauchte er nur ein paar Schritte zurückzulegen. Er betrat die Zentrale und setzte sich auf den Sitz des Navigators der als einer der wenigen Arbeitsplätze nicht völlig zerstört war.

Natürlich wollte er keinen Kurs berechnen, auch die Versuche zur Bestimmung seiner Position hatte längst aufgegeben, aber er hatte in mühseliger Kleinarbeit alle noch funktionierenden Kontrollen auf diese Konsole programmiert und umgeschaltet. So war es ihm möglich sich von hier aus einen Überblick zu verschaffen. In Gedanken schaltete er die wenigen noch funktionstüchtigen Kameras der Bordüberwachung durch. Sie zeigten Gänge, die Messe, seinen Garten und die wichtigen Maschinenräume. Dann sah er auf einen der anderen Bildschirme, der zu den beiden Kameras gehörte die er selbst außerhalb des Raumschiffes angebracht hatte. Die eine zeigte einen Grün leuchtenden Stern vor einem sternenreichen Hintergrund. Abladur hatte gehofft eine Spektralanalyse durchführen zu können, um so mit Hilfe der Sternenkarten seinen Standort zu bestimmen, aber daran war er kläglich gescheitert. Die zweite Kamera zeigte die Reste des einstigen Larkams zu dem die GALADOR gehörte. Als sich das Bild stabilisiert hatte stutzte Abladur. Hatte da gerade etwas aufgeblitzt? Oder war das nur wegen der schlechten Verbindung zur Kamera. Er zoomte das Trümmerfeld näher heran. Da! Wieder dieses Blitzen. Und dann konnte er es sehen.

Ein Raumschiff. Und für ihn war es zweifellos ein lemurisches Kugelschiff. Einen Augenblick dachte er an eine Halluzination, aber das Schiff war einfach zu deutlich. Man konnte sogar die Triebwerke arbeiten sehen und es war zweifellos kein Schiff der Bestien. Aber der geschulte Blick des Taii'C'Ektor erkannte auch kleine Unterschiede zu den ihm bekannten lemurischen Einheiten. Es musste sich also um einen in den letzten 16 Jahren entwickelten Schiffstyp handeln. Unwillkürlich blickte er auf die völlig zerstörte Konsole des Funkers.

Abladur musste schlucken. Seine Gedanken rasten. Bekam er nun doch noch die Chance es den Bestien heimzuzahlen? Oder hatte die glorreiche lemurische Flotte bereits gesiegt? Ein wahres Fieber hatte von ihm Besitz ergriffen. Er musste sich bemerkbar machen. Kontakt aufnehmen. Überstürzt verließ er die Zentrale. In seiner Kabine hatte er ein tragbares Funkgerät, damit musste er versuchen um Hilfe zu rufen. Leider war es kein Hyperfunkgerät sondern arbeitete auf normalenergetischer Basis und nur einfach lichtschnell.

Kommandozentrale (BZ: 12:30 Uhr)

Endlich lag der vorläufige Untersuchungsbericht der Wissenschaftliche Abteilung der CREST V vor. Die Untersuchung der Trümmer mittels ausgeschleuster Sonden und der Schiffssensoren hatte ergeben, dass es sich bei den Trümmerbrocken tatsächlich um die Überreste einer Raumschiffsflotte handelte. Die ursprüngliche Form der Raumer war nicht mehr zu erkennen, denn die Schiffszellen waren von unvorstellbaren Gewalten in Fetzen gerissen und teilweise zerschmolzen worden. Aus dem Verteilungsgrad der Fragmente und der Reststrahlung der Fusionsreaktoren konnte man abschätzen, dass die Katastrophe – welcher Art auch immer – erst vor etwa 10 bis 20 Jahren eingetreten war.

Doch dann geschah etwas, mit dem keiner gerechnet hatte. Irgendwo aus dem Trümmerfeld kam ein schwacher Normalfunkspruch in einer fremden Sprache, die der Translator jedoch sofort übersetzen konnte. Der letzte Überlebende der zerstörten Flotte wandte sich an das gerade eingetroffene Schiff und bat um Hilfe. Zum Erstaunen aller Anwesenden gab die Funkleitzentrale bekannt, dass der Absender des Funkspruches das uralte Idiom der Lemurer verwendete! Dazu passte die kurz darauf eintreffende Meldung der Metallurgen, die das Material der Schiffstrümmer eindeutig als das von OLD MAN bekannte rötliche Lemurer-Metall identifiziert hatten.

In der herrschenden Stille wandte sich Kommandant Lasitus Strader an den Kommunikationsoffizier Daniel Wilford: »Stellen Sie den Standort des Senders fest und sagen Sie dem Überlebenden auf lemurisch, dass wir ein Rettungsteam schicken. Lassen Sie ihn im Glauben, dass wir auch Lemurer sind.«

Dann sprach Strader mit dem Ersten Offizier: »Stellen sie ein Team aus Terranern zusammen, dass den Mann da rausholt. Er darf auf keinen Fall Kontakt zur Besatzung bekommen, und klären Sie ihn auch nicht über die wahren Gegebenheiten auf. Das werden später die Psychologen übernehmen, sonst bekommt der arme Kerl noch einen schweren Schock.«

Ein echter lemurischer Überlebender? Nach was? 520 Jahrhunderten? Das wäre ein ziemlich unwahrscheinliches Ereignis.«

»Nur phänotypisch nicht geänderte Terraner, Sir. Ich stelle einen Trupp zusammen, das Beste wird sein ich gehe selbst mit rüber, während die Hypnoschulungen in Alt-Tefroda eingespielt werden«, entgegnete Alan, während er eine Liste mit in Frage kommenden von SUN TZU abrief.

Er hatte sich aus historischem Interesse während seiner Ausbildung mit alten Sprachen, insbesondere Tefroda, dem engsten und fast unveränderten Verwandten der lemurischen Ursprache beschäftigt und sprach sie halbwegs fließend. Lange hatte er das für unnützes Wissen angesehen, aber nie vergessen; das arkonidische Gehirn leistete, was das nicht vergessen können anging, manchmal Erstaunliches.

6. Missionsplanung

Wrack der GALADOR (CREST-BZ: 12:35 Uhr)

»Wir schicken ein Rettungsteam. In etwa 30 Minuten kommen wir sie holen«, hatte die Stimme am Funkgerät in einem eigenartigen Dialekt gesagt. Nicht das es etwas an der Sprache auszusetzen gab, im Gegenteil: Die Person sprach perfekt wie aus dem Lehrbuch.

Abladur hatte jedoch überhaupt nicht auf diese Feinheiten geachtet. Sein Herz raste. Er wollte schlucken, aber seine Zunge klebte am Gaumen. Endlich wieder nach Hause! Endlich wieder andere Menschen sehen!

Abladur konnte es noch gar nicht richtig fassen. Wie in Trance verließ er die Zentrale des ehemaligen Schlachtschiffes, wo er das Funkgerät aufgebaut hatte und begab sich in seine Kabine. Unterwegs überkam ihn ein Glücksgefühl und er begann mit einem leicht federnden Schritt zu laufen. Als er seine Unterkunft erreicht hatte schaute er sich in dem Chaos um. Was sollte er mitnehmen? Die paar persönlichen Sachen, die er hatte stopfte er schnell in eine kleine Tasche.

Als er sich umschaute viel sein Blick zufällig auf den kleinen Spiegel in der Nähe des Bettes. Er war unrasiert und die Haare standen kreuz und quer vom Kopf ab. Außerdem trug er einen mittlerweile völlig verschmierten Overall. So wollte er seinen Rettern nicht gegenübertreten. Er verschwand in der kleinen Hygienekabine seines Quartiers und hatte sich innerhalb von nicht ganz 15 Minuten geduscht und rasiert. Jetzt öffnete er den Schrank und kramte aus der untersten Schublade eine nagelneue Uniform hervor. Er hatte sie in einer der anderen Kabinen gefunden und sie hatte genau sein Größe. Nachdem er sie angezogen hatte, und um die selbsthaftenden Rangabzeichen und sein Namensschild ergänzt hatte, betrachtete er sich erneut im Spiegel.

Wie ein neuer Mensch, dachte er und strich zufrieden über den Stoff der Uniformjacke. Er war etwa 1,80 groß und hatte damit ziemlich genau die lemurische Durchschnittsgröße. Seine dunkelbraunen Haare waren jetzt sorgfältig nach hinten gekämmt und seine samtbraune Gesichtshaut war glatt rasiert. Am rechten Kiefer hatte er eine nicht ganz verheilte Narbe noch aus Zeiten vor seinem Beitritt zum Militär. Bisher hatte er sie immer durch einen Vollbart versteckt. Jetzt aber wollte er jung und schneidig aussehen und hatte deshalb seinen Bart abrasiert. Zufrieden zog er die Uniform gerade und griff nach seiner Tasche.

Auf dem Weg zurück zur Zentrale holte er einen leichten Raumanzug aus einem kleinen Magazin neben der Kommandozentrale. Schließlich konnte das Rettungsteam nicht an dem Wrack andocken. Er musste wohl oder übel einen kleinen Weltraumspaziergang unternehmen. Danach setzte er sich wieder auf den ehemaligen Sitz des Navigators und beobachtete die Monitore.

Kommandozentrale (BZ: 12:35 Uhr)

Es war einfach unglaublich! Ein echter, lebendiger Lemurer hatte sie angefunkt und um Hilfe gebeten. Wie war das nur möglich, nach 50.000 Jahren? Doch halt, laut den Angaben der Wissenschaftler befand sich dieses Trümmerfeld erst seit höchstens 20 Jahren hier in diesem System. Was konnte das nur bedeuten? Hatten sie es hier etwa mit einem Zeitphänomen zu tun?

Kommandant Strader hatte überraschend schnell geschaltet und klare Anweisungen gegeben, um die Situation zu klären. Nach den letzten Wochen hätte das wohl kaum jemand von dem Mann erwartet, der sich selber schon aufgegeben zu haben schien. Doch zum wiederholten Male musste Emerson feststellen, dass man einen Terraner niemals unterschätzen sollte.

Der Erste Offizier traf in kurzer Zeit seine Vorbereitungen für die Zusammenstellung eines Einsatzteams. Es würde wohl nur wenige Besatzungsmitglieder geben, die für diese Mission in Frage kamen. Kurz vor 13 Uhr verließ Gonozal dann die Kommandozentrale, um sich mit den ausgesuchten Crewmitgliedern zu treffen.

Jägerhangar (BZ: 12:20 – 12:55 Uhr)

Als Kel im Hangar erschien, mal wieder zu spät aber dafür vorschriftsmäßig gekleidet, war der Rest der Ausbildungsstaffel bereits voll einsatzbereit. Als Major Janaus sie bemerkte gab er ihr mit Gesten zu verstehen, sie solle ihren Jäger ebenfalls startklar machen. Kel zog einen der leichten Schutzanzüge über, die Vorschriften bei einem Flug im Vakuum waren streng, und setzte sich ins Cockpit. Mit ein paar Handgriffen fuhr sie die Systeme hoch und überzeugte sich von der Einsatzbereitschaft des Jägers.

Major Janaus meldete sich über den Staffelkanal: »Nicht schlecht SinGharn, aber das nächste mal bitte pünktlich.«

»Ja Sir, kommt nicht wieder vor.«

Der Major seufzte. »Schön wär's, Leutnant.«

In seiner Stimme klang Resignation, aber auch etwas Belustigung mit. Kel schüttelte den Kopf. Sie musste unbedingt an ihrem Timing arbeiten...

Etwa fünf Minuten später wurde der Alarm abgebrochen, der Verschlusszustand wurde wieder aufgehoben.

»Na gut, Leute …« Das war wieder Janaus. »Die Herstellung der Einsatzbereitschaft hat diesmal ja ganz gut geklappt, wenn man von einer kleinen Verzögerung mal absieht. Wir treffen und dann später wieder hier. Bis dahin …«

In diesem Moment meldete sich Kels Kom. Da der Staffelkanal nach allen Seiten offen war, konnten natürlich auch alle anderen die Audionachricht empfangen. Kel wurde zu einem Briefing für eine Außenmission bestellt. Sie wäre am liebsten im Boden versunken. Es herrschte absolute Funkstille, als Kel den Empfang der Nachricht bestätigte.

»Ähm, Sir, ich …«

»Sie sind freigestellt Leutnant. Aber wenn Sie einen oder mehrere Kurse versäumen sollten haben Sie die gefälligst nachzuholen, verstanden?!«

Major Janaus hatte gar nicht erfreut geklungen. Kel beeilte sich die Anweisung zu bestätigen. Dann machte sie sich auf den Weg.

Kel brauchte circa fünf Minuten um vom Hangar in Richtung Schiffszentrum und dann durch einen Antigravschacht in den Zentralsektor zu kommen. Auf dem Zentraldeck angekommen, musste sie erst einmal einige Sicherheitskontrollen über sich ergehen lassen, dann wurde sie von einem Mitgliede der Brückencrew, das gerade nichts zu tun hatte zum Briefingraum dirigiert.

Kel zögerte kurz bevor sie eintrat. Sie war etwas nervös. Hier auf der CREST war es für jemanden in ihrer Position nicht unbedingt alltäglich zu einem Missionsbriefing bestellt zu werden. Sie hatte keine Ahnung was von ihr erwartet wurde. Es war bereits ein Mann anwesend. Kel kannte seinen Namen nicht, er kam ihr aber vage bekannt vor. Soweit sie sich erinnern konnte hatte er irgendetwas mit den Korvetten zu tun. Seine Rangabzeichen wiesen ihn als Hauptmann aus. Kel grüßte ihn dementsprechend, wartete seine Erwiderung ab und setzte sich.

Hauptzentrale Briefingraum (BZ: 12:56 Uhr)

Der Leutnant, der Hauptmann Storm den Weg gewiesen hatte, hatte gerade den Briefingraum verlassen als eine junge Frau mit den Abzeichen eines Leutnants eintrat. Sie trug eine Fliegermontur was sie als ein Mitglied der Jägerstreitkräfte auswies. Als sie Warner erkannte nahm sie kurz Haltung an und salutierte.

Storm stand auf und erwiderte den Gruß. »Guten Tag, Frau Leutnant. Ich bin Hauptmann Storm. Freut mich, Sie kennenzulernen. Wie es aussieht, werden wir zusammen in einen Einsatz gehen.«

»Auch einen guten Tag«, erwiderte sie. »Mein Name ist SinGharn. Wissen Sie, worum es geht?«

Warner sagte: »Nein, tut mir Leid, aber ich vermute, dass wir das Trümmerfeld erkunden sollen, auf das wir gestoßen sind.«

Gerade als er noch weitere Vermutungen anstellen wollte, piepte sein Armbandkom. »Storm hier«, sprach er ins Mikrophon, nachdem er es aktiviert hatte.

»Sir. Ich wollte nur mitteilen, dass jetzt das letzte Mitglied der Crew an Bord der STARDUST ist.«

»Okay. Der 1.O. Soll übernehmen und abwarten. Das Briefing hat noch nicht angefangen. Storm, Ende!«

Damit beendete er den Anruf.

»Verzeihung bitte«, wandte Warner sich an Leutnant SinGharn. »Da wir noch etwas Zeit zu haben scheinen können wir ja noch etwas plaudern.«

Briefingraum (BZ: 13:00 – 13:15 Uhr)

Pünktlich um 13:00 Uhr Bordzeit betrat Allan den Briefingraum. Wie es das Auftauchen »hoher Tiere« meist mit sich brachte wurde es sehr ruhig im Raum, und die fünf Anwesenden standen mehr oder minder stramm, während er zum Pult ging. Er ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen und erlaubte ihnen dann sich zu setzen.

»Sie wundern sich sicher, warum sie so kurzfristig zu dieser Veranstaltung befohlen wurden …«, leitetet er seinen Vortrag ein, in dem er zuerst ausführte, dass die CREST V auf ein Trümmerfeld gewaltigen Ausmaßes gestoßen sei und dass man einen Notruf empfangen habe. Während seines Vortrages projizierte SUN TZU, die Bordpositronik, dazu passende Orterbilder an der Wand seitlich hinter ihm.

Nach einigen wenigen Minuten kam er dazu, dass es wohl ein Überlebender der Ersten Menschheit war, was zu einiger Unruhe führte. Insbesondere die zwei Techniker im Team horchten auf, denn die lemurische Technik bot immer noch einiges an Interessantem.

»Wir wollen diesen Mann, der nun schon seit einigen Jahren subjektiver Zeit auf Rettung durch das lemurische Imperium, dem Tamanium, wartetet, nicht gleich mit der vollen Wahrheit konfrontieren. Der Schock könnte tödlich sein, weshalb wir mit Einsatzanzügen und Ausrüstung ohne jegliche Markierungen zu dem Bergungsmanöver aufbrechen werden. Mittelschwere Kampfanzüge werden momentan vom Zeugmeister rausgesucht und werden an Bord einer Spacejet auf uns warten. Es werden geschwärzte Infiltrationsanzüge sein, also wundern Sie sich nicht.

Sprechen werden nur jene die das Lemurische, zumindest das eng verwandte Tefroda selbst beherrschen. Translatoren sind auf Einwegkommunikation zu stellen. Für jenen Schiffbrüchigen werden wir als lemurisches Enterkommando auftreten. Noch Fragen?«

Briefingraum (BZ: 12:58 Uhr)

Als Todd Chasen den Besprechungsraum betrat, waren schon vier Personen anwesend, darunter ein ihm bekannter Techniker. Er grüßte mit einem knappen Nicken und setzte sich auf einen freien Stuhl. Der Zweck seines Hierseins war ihm unklar, und den anderen schien es auch so zu gehen, wie er den kurzen Wortwechseln entnahm.

Vor wenigen Minuten hatte man ihn zu einem Briefing mit dem Ersten Offizier bestellt, ohne ihn über den Grund aufzuklären. Hatte es vielleicht mit dem Trümmerfeld zu tun, in dem die CREST V bei ihrem letzten Linearraumaustritt materialisiert war? Todd wäre bei den ruppigen Ausweichmanövern beinahe hingefallen, als die Andruckabsorber für einen kurzen Moment die Beschleunigung des Schiffes nicht mehr vollständig hatten kompensieren können.

Der Wissenschaftler fragte sich ernsthaft, was er hier zu suchen hatte. Seine Fachgebiete waren Hyperphysik und Quantenmechanik, doch weder gab es in diesem System irgendwelche bemerkenswerten fünfdimensionalen Phänomene, noch eigneten sich seine Kenntnisse für eine Materialanalyse der Trümmerbrocken. Warum also hatte man ihn ausgesucht?

Doch die Ansprache des Ersten Offiziers, der wenige Minuten später eintraf, belehrte ihn eines Besseren. Es war weniger seine fachliche Qualifikation, sondern vor allem seine Kenntnisse des lemurischen Idioms, weswegen er für diese Mission ausgewählt worden war. Und er hatte doch tatsächlich gedacht, dass sein Studium einer toten Sprache und einer untergegangenen Kultur sich niemals praktisch auszahlen würde.

»Noch Fragen?«, wollte Gonozal abschließend wissen.

»Ja«, meldete sich Todd zu Wort. »Werden wir Gelegenheit haben, die lemurische Technologie zu studieren?«

Briefingraum (BZ: 13:15 bis 13:16 Uhr)

Allan musste innerlich lächeln, so was hatte er von einem terranischen Wissenschaftler erwartet.

»Wahrscheinlich wird nur wenig voll erhalten sein, immerhin ist er allein an Bord des Wracks und das schon eine Weile. Allein dies bedeutet schon, dass wir es hier mit einem hochqualifizierten Mann zu tun haben. Ich weiß wie sehr es Ihnen, Mr. Chasen, in den Fingern juckt; die lemurische Technik bietet noch etliche Geheimnisse. Und da drüben sind Anlagen die im Vergleich zu den gefundenen, vernichteten lemurischen Bunkersiedlungen im Marianengraben des terranischen Pazifiks und andernorts im Solsystem oder der Galaxie noch warm sind …

Aber bedenkt bitte alle: Die Technik, die wir da drüben sehen, ist nichts Ungewöhnliches für uns! Wenn ihr rumlauft und deren Linearkonverter oder Energieschirmgenerator bestaunt wie Kinder einen Weihnachtsbaum, dann sind wir aufgeflogen!

Ich hoffe das wir im Anschluss daran in alter terranischer Tradition bergen können was immer »nicht Niet- und nagelfest« ist, aber primär geht es um den Mann. Sonst noch Fragen?«

Briefingraum

Kel war anderen Personen gegenüber normalerweise sehr reserviert, besonders wenn sie in der Kommandokette über ihr standen. Doch die direkte Art von Hauptmann Storm machte ihn ihr gleich sympathisch. So kam innerhalb kurzer Zeit ein ungezwungenes Gespräch zustande, das sich jedoch hauptsächlich um allgemeine Themen und Spekulationen über den in Kürze anstehenden Einsatz drehte.

Nach und nach betraten auch die anderen Mitglieder des Einsatzteams den Raum. Kel beobachtete sie alle genau, ohne sich die Mühe zu machen ihr Interesse zu verhehlen. Die meisten der Anwesenden waren Techniker oder Wissenschaftler und Kel begann sich zu fragen, wie sie wohl in diese Truppe passen würde, als der Einsatzleiter den Raum betrat. Ein kurzer Blick auf ihr Chronometer sagte ihr, dass es genau 13:00 Uhr war. Allan Dean Gonozal schien sehr viel Wert auf Pünktlichkeit zu legen.

Alle Anwesenden standen auf und blickten den Oberstleutnant erwartungsvoll an. Dieser wiederum musterte sie alle so gründlich, als wolle er genau abschätzen, was er von ihnen zu halten habe. Dann bat er sie wieder Platz zu nehmen und begann die Einsatzparameter zu erläutern:

Man habe einen Notruf empfangen, der, wie Gonozal erst nach merklichem Zögern zugab, von einem Lemurer, also einem überlebenden Mitglied der ersten Menschheit zu stammen schien. Man wolle versuchen, diesen Überlebenden (und nebenbei auch noch einen Teil der lemurischen Technik) zu bergen.

Bei diesen Worten wurde es etwas unruhig. Was diese Entdeckung für Wissenschaft und Technik bedeuten mochte, konnte niemand in diesem Raum (abgesehen vielleicht Gonozal) abschätzen. Auch Kel war merklich zusammengezuckt. Sie suchte Blickkontakt zu Hauptmann Storm und formulierte lautlos die Frage: »Haben Sie das gewusst?«

Doch Storm schüttelte nur den Kopf und wandte sich wieder Oberstleutnant Gonozal zu. Nachdem sich die Unruhe wieder gelegt hatte sprach dieser weiter.

Da man verhindern wolle, dass sich der Lemurer einen Kulturschock holte, hatte man nur Personen ausgewählt, die Kenntnisse im Lemurischen oder Tefroda beherrschten.

Langsam begann Kel die Zusammenhänge zu verstehen. Vor einigen Jahren hatte sie auf Grund eines Einsatzes Tefroda gelernt. Das war also der Grund warum sie hier war …

Von allen Ausrüstungsgegenständen, sowie von der Kleidung seien außerdem die Abzeichen, sowie andere direkte Hinweise auf ihre terranische Abstammung zu entfernen.

Dies war ein nicht gerade übliches Procedere, das wiederum einiges Gemurmel auslöste. Kel zuckte jedoch nur die Schultern und notierte sich diesen Punkt. Sie hatte während ihrer USO-Zeit bereits einige Einsätze ohne Rang- und weitere Abzeichen absolviert. Da allerdings aus Gründen der Sicherheit.

Nachdem noch einige Fragen beantwortet wurden, erklärte Gonozal noch, dass die Einsatzausrüstung für das Team bereit läge und kurz vor dem Start ausgegeben würde. Er legte ihnen nahe, sich pünktlich um 14.00 Uhr einsatzbereit im Hangar einzufinden. Dann wurden sie entlassen.

Nachdenklich beobachtete Kel, wie alle anderen den Briefingraum verließen, dann klaubte auch sie ihre Notizen zusammen und machte sich auf den Weg zu ihrem Quartier.

Briefingraum

Vor wenigen Minuten waren noch drei Besatzungsmitglieder im Konferenzraum eingetroffen. Nach einer kurzen Begrüßung fingen die Spekulationen über den Grund des Briefings an. Warner plauderte gerade mit Lt. SinGharn, die er übrigens für sehr sympathisch hielt, als das Schott zum Briefingraum aufglitt und Obstleutnant Gonozal, der 1.O. der CREST, den Raum betrat.

Schlagartig wurde es still im Raum. Die Anwesenden nahmen Haltung an. Nach einer kurzen Musterung ließ er uns setzen. Er erzählte uns alles über das Trümmerfeld und den Notruf den die CREST empfangen hatte.

Nachdem er einige Minuten gesprochen hatte, ließ er aber die Bombe platzen als er berichtete, dass der Notruf von einem Lemurer stammte, also auch die Wrackteile die im All trieben mit großer Wahrscheinlichkeit lemurischen Ursprungs waren. Ein Raunen ging durch den Raum. Der 1.O. fuhr fort, dass geplant sei, den Lemurer zu bergen und das nach Möglichkeit unauffällig nach bisher unbekannten Technologien zu sehen sei.

Am Gesichtsausdruck Lt. SinGharns erkannte Warner das nicht nur er überrascht war. Mit einem Kopfschütteln verneinte er die lautlos gestellte Frage ob er davon wusste. Allerdings begann er jetzt zu verstehen. Seine Frau war Tefroderin. Deswegen sprach Storm ausreichend Tefroda. Und Tefroda war eng mit dem Lemurischen verwandt.

Obstleutnant Gonozal fuhr fort die Rahmenbedingungen des Einsatzes zu erklären. Am Ende seines Vortrags beorderte er die Mannschaft für 14:00 Uhr sich bei der CSJ-153 einzufinden, die zu diesem Zeitpunkt für die Mission vorbereitet wurde.

Warner stand wie die anderen auf und verließ den Briefingraum, um sich fertig zu machen. Als erstes suchte er die medizinische Abteilung auf. Dort erwartete ihn Dr. Talver.

»Obstleutnant Gonozal hat mich bereits über Ihren Einsatz informiert. Es ist alles vorbereitet.«

Nachdem er Warner in eine Behandlungsnische gebracht hatte, übergab er ihm eine Dose mit Creme. »Damit müssen Sie sich alle sichtbaren Hautteile eincremen. Die Creme sorgt für die bei den Lemurern übliche samtbraune Hauttönung. An den Haaren und den Augen müssen wir nichts ändern.«

Nachdem er sich verabschiedet hatte begab sich Warner in seine Kabine. Dort fand er auf seiner Koje liegend die mattschwarze unmarkierte Einsatzkombination. In der Nasszelle cremte er sich wie angewiesen ein. Anschließend zog er sich an, hängte sich den Waffengurt um und besah sich ein letztes Mal im Spiegel.

Wird schon gut gehen, dachte er bei sich. Als er auf sein Vielzweckarmband sah, stellte er fest, dass es kurz vor 14:00 Uhr war. Mit dem im Armband eingebauten Interkomm rief er die KC 13.

»Reg, Alarmbereitschaft aufgehoben«, sagte er zu seinem Stellvertreter. »Ich werde einige Stunden abwesend sein. Alles Interessante später.«

Damit beendete er den Anruf Er kontrollierte noch einmal ob er etwas vergessen hatte. Dann machte er sich auf den Weg zum Hangar der CSJ-153.

Den Sterngöttern sei Dank war der Hangar nicht allzu weit von der KC 13 entfernt, so dass er mittels der Laufbänder rasch den Bestimmungsort erreicht hatte. Als er in den Hangar trat, sah er nur die Wartungsmannschaft, die die letzten Interkosmo-Schriftzeichen innen und außen überklebten und durch lemurische ersetzten

Storm meldete sich beim U.O. vom Dienst und wurde ins Boot durchgelassen. In der Zentralkuppel angekommen setzte er sich in den Sitz des 2. Piloten um noch einmal die Unterlagen zu studieren und den Kurs zu berechnen.

7. Rettungseinsatz

Im Trümmerfeld (BZ: 13:58 Uhr)

Kurz vor dem vereinbarten Termin betrat Todd den Hangar, in dem gerade die letzten Vorbereitungen an der Spacejet vorgenommen wurden. Nachdem er sich beim Verantwortlichen gemeldet hatte, ging er an Bord des Beibootes und setzte sich in den hinteren Bereich der Steuerkanzel, in der sich bereits Hauptmann Warner Storm befand. Er saß am Platz des zweiten Piloten und befasste sich mit der Kursplanung. Nach und nach kamen auch die anderen Teilnehmer der Mission an Bord. Oberstleutnant Gonozal übernahm den Sitz des ersten Piloten und forderte die Startfreigabe an.

Todd sah auf seine Hände. Nach der Prozedur in der Krankenstation hatten sie eine samtbraune Färbung wie die eines Lemurers. Auch seine Haarfarbe hatte man geändert. Dennoch war er nervös. Konnten sie den Lemurer wirklich täuschen? Immerhin unterschied sich die Spacejet deutlich von den entsprechenden Beibooten seines Volkes, von der CREST V ganz zu schweigen. Auch wenn man sämtliche Beschriftungen und Symbole am und im Beiboot entfernt oder ausgetauscht hatte, konnte schon eine unbedeutende Kleinigkeit das Misstrauen des Mannes aus der Vergangenheit wecken.

Um das Risiko so klein wie möglich zu halten, würde man den Lemurer auf einer vorher festgelegten Route durch die Spacejet führen und nur in Räume ohne besondere technische Einrichtung lassen. Genauso würde man an Bord der CREST V verfahren. Ein speziell präpariertes Quartier wurde gerade vorbereitet, und die Schiffspsychologen berieten sich gegenwärtig darüber, wie man dem Mann die Wahrheit möglichst schonend beibringen konnte.

Schließlich traf die Startfreigabe ein, und Gonozal schleuste die Spacejet aus der CREST V aus. Dann startete der 1.O. die Impulstriebwerke und lenkte die Jet in das Trümmerfeld hinaus. Er folgte dabei dem Kurs, den Storm vorher ausgearbeitet hatte.

Schließlich näherte sich die Jet einem Gebilde, das nur noch entfernt an ein Raumschiff erinnerte. Die äußeren Schichten des einstmals kugelförmigen Gebildes waren von unvorstellbaren Gewalten weggerissen und zerschmolzen worden, so dass nur noch ein unförmiger Klumpen übrig geblieben war. Laut Angabe der Funkzentrale befand sich genau hier der Sender des Notrufes.

Gonozal brachte die Spacejet auf Parallelkurs zu dem treibenden Wrack und kontaktierte den Lemurer.

Im Trümmerfeld (BZ: 13:30 bis 14:02 Uhr)

Allan fühlte sich lebendig, das erste Mal seit langem saß er wieder selbst wirklich an den Kontrollen eines Schiffes. Im letzten Jahr hatte er beinahe seine Fluglizenz verloren, weil er nur knapp die nötigen Flugstunden zusammenbekam.

Der klobige schwarze Kampfanzug war zwar nicht unbedingt das geeignete Kleidungsstück für solche Feinarbeiten wie es das Manövrieren in dem Trümmerfeld darstellte, aber die kleine Spacejet gehorchte ihm perfekt. Es war ein wenig Geschick nötig, um zwischen den Felsbrocken und Wrackteilen hindurch zu gelangen. Zwar hätte der Schutzschirm sicher das Schlimmste verhindert, aber man musste es ja nicht drauf anlegen, und eine Kollision wäre Allan auch ziemlich peinlich gewesen.

Ziemlich schnell fanden sie das Trümmergebiet, aus dem die Signale des lemurischen Senders kamen. Und nachdem das Wrack mit dem Überlebenden identifiziert war ging's relativ einfach …

Die Spacejet flog sehr behutsam nur mit Manöverschubdüsen an das Wrack heran. Dann schaltete Allan die Scheinwerfer an.

Da das Licht der Sonne des Systems durch das Wrack selbst blockiert war, war der Effekt beeindruckend. Nur wenige hundert Meter »über« den Köpfen, der in der Zentrale der Spacejet angeschnallten Personen, wurde das Wrack aus der Finsternis gerissen. Wie ausgestanzt tauchte eine Fläche auf, die durch die perspektivische Verzerrung fast gerade wirkte. Durch die Eigenbewegung drifteten immer neue Bereiche des Wracks in Sicht, und andere verloren sich wieder in der absoluten Finsternis eines Gebiets ohne lichtstreuende Atmosphäre …

Jeder außer Allan, der sich auf die Steuerung konzentrieren musste, ließ es auf sich wirken. Irgendwer flüsterte: »So müssen sich die Entdecker der Titanic gefühlt haben.« Dies war wohl nicht für die Allgemeinheit bestimmt, aber das Kehlkopfmikrofon nahm das Wispern auf und übertrug es zu den anderen.

Als Allan endlich eine Schleuse entdeckt hatte, drehte er die Spacejet um 180 Grad. Über der Kommandokuppel der Spacejet verschwand die Fläche wie weggewischt und wurde ersetzt durch den nachtschwarzen Sternenhimmel mit der Vielzahl von Sternen, die man hier im Zentrumsbereich in großer Vielfalt sehen konnte. Dazu kamen noch einige Trümmer, die immer wieder unsichtbar wurden wenn sie in den Schlagschatten anderer Körper gerieten.

Allan verankerte die Spacejet und baute einen Prallfeldkorridor zwischen der Bodenschleuse der Spacejet und dem Schiff auf, und setzte diesen dann unter Druck.

»So, Ladies und Gentleman, wir sind »gelandet«. Beachtet dass wir nicht wissen in welchem Zustand die Schleusenanlage ist und das wir es ab der Schleusenkammer mit einer Gravitationsschwelle, einer Änderung des Gravitationsvektors zu tun haben.

Sicherheitszentrale (BZ: 14:00 Uhr)

Während sie alle gespannt auf Daten vom Außenteam warteten, herrschte in der Sicherheitszentrale nicht allzu große Aufregung. Es war einer der wenigen Momente, an dem es ruhig genug war, dass Sulae alles überblicken konnte. Die äußere Ruhe täuschte jedoch, denn überall waren die Sicherheitsleute damit beschäftigt, ihren Aufgaben nachzugehen oder möglichst unauffällig Pause zu machen. Sulae schmunzelte und kehrte in ihr Büro zurück.

Auch, wenn sie nicht direkt etwas mit dem Lemurer zu tun hatten, so waren Sulae und ihr Team dennoch für die Sicherheit verantwortlich – sowohl von der des Schiffes als auch der des Lemurers. Schließlich wusste trotz allem niemand, ob er nicht in irgendeiner Hinsicht gefährlich sein konnte. So hatten sie einige, alt aussehende Uniformen herstellen lassen und Sulae hatte Sicherheitsleute an den wichtigsten Punkten postiert.

Sie hoffte, dass keiner von ihnen zum Einsatz kommen würde, aber sie war schon immer vorsichtig gewesen – fast immer – und würde nun nicht mit der Tradition brechen.

Gib zu, du bist neugierig!, forderte Shalannan, und Sulae konnte nicht umhin, das zu bestätigen.

Natürlich bin ich neugierig eine solche Person kennen zu lernen, was denkst du denn!

Hm, gut!, meinte Shalannan darauf, in einem Ton, der an einen Lehrer erinnerte. Aber vergiss nicht, dass das nicht unsere einzige Aufgabe ist …

Sulae wusste eine Sekunde lang nicht, was ihr Extrasinn damit meinte, dann fiel es ihr wieder ein und sie eilte aus dem Büro. Sie fand Africa Goimez im hinteren Teil der Sicherheitszentrale in eine Nachricht vertieft. Als Sulae sich näherte, sah sie auf und salutierte knapp.

Sulae blieb stehen, umfasste eine Hand mit der anderen und sagte: »Major Goimez, ich weiß, wir sind alle neugierig wegen des Lemurers, dennoch sollten wir darüber nicht unsere anderen Aufgaben vergessen. Machen Sie bitte dem Team um den unbekannten Dieb ein wenig Feuer unter dem Hintern! Wir brauchen langsam Ergebnisse, die nicht nur ich, sondern auch der erste Offizier und der Kommandant sehen will!«

Goimez nickte knapp und erwiderte: »Ich werde mich darum kümmern, verlassen Sie sich drauf!«

Sulae lächelte ein liebenswürdiges Lächeln. »Danke. Melden Sie sich, sobald es etwas Neues gibt.«

Mit diesen Worten wandte sie sich um und kehrte abermals in ihr Büro zurück. Manchmal wünschte sie sich, sie könnte diese Dinge selbst in die Hand nehmen. Doch für den Augenblick hatte sie nichts weiter zu tun als wie der Rest des Schiffes gespannt auf Neuigkeiten zu warten.

Im Trümmerfeld (BZ: 14:10 Uhr)

Endlich waren alle Teilnehmer des Einsatzes eingetroffen. Der 1.O, der auch den Einsatz befehligte, begrüßte alle formlos, aber benutzte bereits die lemurische Sprache dafür. Er wies noch einmal darauf hin, dass ab sofort nur noch lemurisch zu sprechen sei. Danach nahm er im Pilotensitz Platz. Warner Storm sprach ihn an.

»Die Flugdaten sind programmiert. Ich überspiele sie auf Ihren Platz Sir.«

Ihm fiel auf, dass sein Tefroda etwas holprig war. Aber Obstleutnant Gonozal zeigte keine Reaktion. Stattdessen bedankte er sich nur und leitete die Startprozedur ein. Warner forderte Starterlaubnis beim Hangarmeister an. Nachdem diese erteilt wurde, glitten die Hangartore auf und die Sterne des Zentrumssektors wurden sichtbar. Gonozal presste seinen Daumen auf den Knopf und die Spacejet wurde vom Gravitationskatapult in den Weltraum geschleudert.

Als der 1.O. die Jet in eine enge Kurve nach Steuerbord zog wurden auch die Trümmer und Wrackteile sichtbar. Warner wurde befohlen den Prallschirm hochzufahren. Aber aus Storms Sicht war das eine reine Vorsichtsmaßnahme. Gonozal flog die Jet souverän. Man sah ihm an, dass es ihm Freude machte das Boot zu steuern. Warner las seine Instrumente ab und stellte fest, dass sie genau auf Kurs waren.

Durch die Panzertroplonkuppel, die den Leitstand überspannte, hatte das Team einen überwältigenden Ausblick auf die Wracks. Ab und zu vergingen mit einem grellen Lichtblitz kleinste Trümmerteile im Prallschirm. Die großen Trümmer denen sie nahe kamen zeigten bizarre Verformungen. Es mussten gigantische Kräfte gewirkt haben. Warner wurde wieder einmal bewusst wie klein und nichtig die Menschen waren.

Nach kurzem Flug war das Wrack, das den Überlebenden beherbergte erreicht. Der 1.O. drehte die Jet aufs Heck und verankerte sie magnetisch über einer erkannten Schleuse. Das Team traf die letzten Vorbereitungen zum Verlassen der Spacejet. Die Raumkombinationen wurden noch einmal überprüft und verschiedene Ausrüstungsteile aus dem Magazin der Jet ausgegeben. Storm nahm sich einen schweren Desintegrator und einen transportablen Gravitationsprojektor neben einigen kleinen Gegenständen.

Nach einem kurzen Sicherheitshinweis gab Gonozal Befehl zum Betreten des Schiffes.

Todd wartete in der unteren Schleusenkammer der Space-Jet ab, bis die erste Gruppe endlich die äußere Schleusentür des Lemurerschiffes geöffnet hatte. Da die Stromversorgung für die Öffnungsautomatik nicht mehr funktionierte, hatte man es per Hand machen müssen. Erst als das vereinbarte Funksignal eintraf, schleusten auch die anderen Teammitglieder aus. Diese umständlich erscheinende Vorgehensweise war aus Sicherheitsgründen notwendig gewesen, da man schließlich nicht hatte wissen können, ob in der Schiffssektion hinter der Schleuse eine Atmosphäre vorhanden war oder nicht.

Todd betrat als erster den Prallfeldkorridor zwischen den beiden Schiffen. Die Prozedur war für ihn ziemlich ungewohnt, da er nur wenig Erfahrung mit Operationen im freien Weltraum besaß. Wie die anderen zuvor kletterte er in einen kurzen Schacht am Boden der Schleusenkammer der Spacejet, wobei er sich an in die Wandung eingelassenen Metallsprossen festhielt. Sein Körper geriet dabei allmählich aus dem Bereich der Bordschwerkraft hinaus und begann zu schweben, so als würde er in ein Schwimmbecken hinabsteigen. Kurz vor dem Ende des Schachtes ließ er sich dann fallen und driftete mit geringer Geschwindigkeit in den Prallfeldkorridor hinein.

Nun erst aktivierte Todd sein Antigravaggregat und ließ seinen Körper um 90° nach vorne rotieren, so dass sein Gesicht nun zum gegenüberliegenden Ende des Prallfeldkorridors zeigte. Als er nur noch wenige Meter von der Schleuse des lemurischen Schiffes entfernt war, verlangsamte er seinen Flug, aktivierte seine Magnetstiefel und setzte auf dem Boden der Schleusenkammer auf. Dann trat er etwas nach vorne, um den Nachfolgenden Platz zu machen.

Als alle sechs sich in der Schleuse befanden, wurde die äußere Schleusentür wieder geschlossen. Nun machte man sich daran, die innere Tür zu öffnen, was erneut Zeit in Anspruch nahm. Genauso wenig wie die Stromversorgung funktionierte die künstliche Schwerkraft in diesem Bereich des Schiffes. Aber wenigstens herrschte im Inneren normaler Atmosphärendruck, was die Sache etwas einfacher machte. Schließlich setzte sich der Trupp in Bewegung und drang tiefer in das Raumschiff ein.

8. Im Wrack

Wrack der GALADOR (CREST-BZ: 14:10 Uhr)

Die vergangenen 60 Minuten, die er jetzt schon auf das Rettungsteam wartete, waren für Abladur beinahe schlimmer als die ganzen 16 Jahre zuvor.

»Wir haben Schwierigkeiten mit der Annährung wegen der vielen Trümmer«, hatte man ihm zwischenzeitlich mitgeteilt. Er hatte den Anflug des Schiffes eine Weile genau beobachtet, jedoch war es kurze Zeit später aus dem Erfassungsbereich seiner provisorisch angebrachten Kameras verschwunden. Seit dem wartete er auf eine Meldung des eigentlichen Rettungsteams.

Ihm war klar, dass das Eindringen in das Wrack der GALADOR einige Zeit beanspruchen würde. An der Seite des Wracks an der der Techniker die Kameras montiert hatte gab es dazu praktisch keine Möglichkeit. Er selbst hatte sich damals durch einen beinahe völlig zerstörten Korridor zwängen müssen um den freien Weltraum zu erreichen.

Als Schleuse diente ihm ein kleiner Lagerraum der zur Notfallschleuse umfunktioniert werden konnte. Beinahe direkt hinter diesem Lagerraum begannen die großflächigen Verwüstungen an der Schiffsstruktur. Trotzdem musste man sich, wenn man den freien Weltraum erreichen wollte, noch einige 100 Meter durch seltsam verformte Teile verschiedenster Abstammung und Trümmer hindurch zwängen. Nachdem Abladur das erste Mal das Schiff auf diesem Wege verlassen hatte um sich die äußere Hülle genauer zu betrachten, hätte er beinahe den ziemlich versteckten Einstieg nicht wieder gefunden.

Das Rettungsteam musste also eine Schleuse auf der anderen Seite des Schiffes finden um ihn zu bergen. Aber dieses Hindernis schienen die Retter bereits überwunden zu haben, denn vor ein paar Minuten hatte sich der Chef des Rettungsteams, ein Kommandant Allan, über Funk gemeldet und mitgeteilt das sie jetzt die GALADOR betreten wollten. Sie würden sich wieder melden sobald sie genauere Angaben über ihren Aufenthaltspunkt machen konnten, damit Abladur ihnen entgegenkommen konnte.

Einige Minuten nach dieser Ankündigung sprach dann auch tatsächlich sein Funkgerät an und Allan gab eine Beschreibung ihrer Umgebung an. Dabei behalf er sich indem er einige Bezeichnungen von den Wänden des Korridors ablas. Abladur viel auf, das dieser Mann sich offensichtlich nicht mir diesem Schiffstyp auskannte, obwohl die Schlachtschiffe der 1200-Meter-Klasse zu der auch die GALADOR gehörte einen beachtlichen Teil der lemurischen Flotte ausmachten, aber es waren immerhin 16 Jahre vergangen da konnte sich einiges verändert haben.

Der Taii'C'Ektor Abladur kannte dieses Schiff jedenfalls wie die Taschen seines Overalls. Durch seine Erkundung des Wrack kannte er auch die GALADOR in ihrem jetzigen Zustand in und auswendig. So fand Abladur schnell heraus, das das Rettungsteam eine Schleuse benutzt haben musste die ursprünglich in der Rückwand eines der oberen Hangars eingelassen war. Hinter der Schleuse befand sich jetzt der freie Weltraum, wo früher zwei 90-Meter-Beiboote gestanden hatten. Abladur wusste außerdem, das einige große schwere Maschinenteile den direkten Zugang zu diesem Teil des Schiffes versperrten. Wollten die Retter also die Kommandozentrale und damit Abladur erreichen mussten sie sich wohl oder übel diesen Weg freischneiden.

Wrack der GALADOR (BZ: 14:10 bis 15:00 Uhr)

Das Missionsteam drang langsam in das Wrack ein, hier musste zwischenzeitlich ein Inferno gewütet haben... Sie durchquerten Hallen, die nur noch grotesk verdrehte Metalltropfen an Stellen hatten wo eigentlich Stützstrukturen hätten stehen sollen. Auch hatten wohl diverse Kollisionen stattgefunden. Dass es überhaupt einen Überlebenden gab war auch ohne die Zeitverzerrung schon ein Wunder.

Allan da Gonozal stand mit dem Schiffbrüchigen Taii'C'Ektor Abladur in Verbindung und versuchte von ihm Richtungsanweisungen zu bekommen. Er fürchtete schon, dass die Unkenntnis der genauen Gegebenheiten an Bord zu sehr auffallen würde.

Die Sektoren in denen sie sich anfangs bewegten waren noch luftleer. Doch mussten sie vor jeder Zwischenschleuse eine so genannte Notblase mit Spezialfolie errichten um zu verhindern, dass etwaige Luft in einen Sektor hinter dem jeweiligen Schott entweichen konnte. Sie mussten auch einige Trümmer zerschneiden. Sie kamen langsam aber stetig voran, und sehr bald war die ungewohnte Arbeit auch für die ungeübteren Mitglieder des Trips Routine. Nach etwa einer halben Stunde kamen sie in einen Sektor in dem Luft war.

»Wir sind im inneren Zentrumssektor, vor uns eine orange Markierung nach rechts, und eine violette nach links … Und links ist in einiger Entfernung eine zerborstene Umformerbank«, beschrieb er ihren Aufenthaltsort dem Lemurer.

Nachdem die Techniker des Teams einen Prallfeldkorridor zwischen der Bodenschleuse und dem äußeren Schott der Schleuse des Lemurerschiffes hergestellt hatten, glitt Warner als einer der letzten hinunter. Mithilfe des Flugaggregates seines Kampfanzuges sollte es ein leichtes sein, aber er konnte kein so elegantes Manöver fliegen, wie es vor ihm Todd Chasen gemacht hatte. Als er ankam wartete er auf den Spott der anderen.

Die Technikspezialisten konnten nach kurzer Zeit das Schott manuell öffnen und das Team betrat das Wrack. Als sie eindrangen, stellten sie fest, dass weder die Stromversorgung noch die künstliche Schwerkraft funktionierte. Im Bereich hinter der Schleuse gab es noch Atmosphäre. Aber nach kurzem Vordringen stießen sie auf einen luftleeren Bereich. Und damit fingen die Schwierigkeiten an. Sie mussten Vorsichtsmaßnahmen ergreifen um zu verhindern, dass es zu explosiver Dekompression kam, da sich von nun an die belüfteten und luftleeren Segmente abwechselten.

Gonozal befahl einem der Teammitglieder mit Abladur Funkkontakt aufzunehmen und ließ sich anschließend den Weg beschreiben. Aber das war leichter gesagt als getan. Storm erinnerte sich an einen Vorfall als er noch bei der Explorerflotte gedient hatte. Sie stießen damals auf einen havarierten Raumfrachter. Als sein Enterkommando nach Überlebenden suchte hatten sie ähnliche Schwierigkeiten wie jetzt, nur mit dem Unterschied, dass sie die Baupläne des Frachters kannten. Dieses Wrack aber in dem sie sich jetzt befanden war ein lemurisches Schlachtschiff über das sie so gut wie nichts wussten und das darüber hinaus zum Großteil zerstört worden war.

Warner wünschte sich, dass das bei den Lemurern übliche Lichtprojektions-Leitsystem noch funktioniert hätte. Trotzdem kamen sie unter der Anleitung des Schiffbrüchigen überraschend gut vorwärts. Storm musste des öfteren seinen schweren Desintegrator einsetzen um Trümmerteile die den Weg blockierten zu beseitigen. Der Gravoprojekter kam zum Einsatz wenn sperrige Bauteile zur Seite geräumt werden mussten.

Storm sah auf seinen Armbandchronometer. Sie waren jetzt ca. eine halbe Stunde in der GALADOR unterwegs. Als sie um ein besonders großes verformtes Bauteil herumgingen stießen sie auf eine Wand in die ein großes Schott eingelassen war. Warner sah auf seine Skizze, die er nach den Angaben des Lemurers angefertigt hatte.

»Wenn wir auf dem richtigen Weg sind muss das die Wandung der Zentralkugel sein, Sir«, sagte er zu Obstleutnant Gonozal. »Dahinter befindet sich dem Bericht des Überlebenden nach atembare Atmosphäre.«

Eine Notblase, eine provisorische Schleuse, wurde vor dem Schott errichtet. Nachdem das Schott geöffnet worden war, betrat das Rettungsteam die innerste Sektion des Schiffes. Wie erwartet gab es hier atembare Luft. Auch waren hier die Zerstörungen viel geringer. Oberstleutnant Gonozal beschrieb den letzten Wegabschnitt, der das Team zu Taii'C'Ektor Abladur führen sollte.

Nervös und angespannt, aber auch neugierig, setzte sich Warner Storm mit dem Rest der Gruppe in Bewegung.

Wrack der GALADOR (BZ: 15:00 bis 15:20 Uhr)

Sie hatten den Zentrumssektor der GALADOR vor etwa zehn Minuten betreten. Oberstleutnant Gonozal hatte sich nochmals mit dem Lemurer in Verbindung gesetzt und war gerade dabei ihren jetzigen Aufenthaltsort so präzise wie möglich zu beschreiben. Taii'C'Ektor Abladur schien schon nach kurzer Zeit eine ziemlich genaue Vorstellung von ihrem Aufenthaltsort zu haben, was eigentlich nicht verwunderlich war, da er sie fast den ganzen Weg hierher geführt hatte.

Kel wunderte sich schon seit einer Weile, dass der Lemurer keinerlei Anzeichen von Misstrauen erkennen ließ. Dass sie sich fast überhaupt nicht auf dem Schiff zurechtfanden hätte ihn schon längst stutzig machen müssen. Aber vielleicht war er auch einfach viel zu erleichtert endlich eine Aussicht auf Rettung zu haben und hatte diesen Aspekt, wenigstens vorerst, verdrängt. Sie schüttelte den Kopf. Es war müßig jetzt noch darüber nachzudenken. Die Sache war gelaufen, wie man so schön sagte.

Taii'C'Ektor Abladur gab Gonozal gerade eine weitere Wegbeschreibung durch und dieser gab einem Mitglied des Einsatzteams zu verstehen, die Angaben aufzuzeichnen.

Kel verfolgte das Gespräch nicht weiter; es war für sie jetzt nicht unmittelbar wichtig. Stattdessen wandte sie sich einer Umformerbank zu, die etwas weiter links in einem Gang stand. Sie war augenscheinlich explodiert. Einige Abdeckplatten waren von der Wucht der Explosion abgesprengt worden und hatten Dellen in die gegenüberliegende Wand geschlagen. Sie ging vor dem Umformer in die Hocke und betrachtete die Schäden näher. Sie hingen auf keinen Fall direkt mit den anderen Schäden an Bord zusammen. Kel wollte gerade einige Trümmerstücke zur Seite räumen, als Oberstleutnant Gonozal die Gruppe wieder zusammenrief.

»Ich habe soeben eine weitere Wegbeschreibung erhalten. Sie sollte uns jetzt direkt bis zur Zentrale der GALADOR bringen. Bitte achten Sie ab jetzt ganz genau auf jede Geste und jedes Wort. Auch nur eine unbedachte Bemerkung unsererseits könnte alles zunichte machten.«

Gonozal blickte jeden nochmals durchdringend an. »Also los!«

Etwa 5 Minuten lang folgten sie einem violett markierten Ringkorridor, dann bogen sie nach rechts in einen Gang ab, der weiter ins Zentrum des Schiffes führte. Eine nervöse Unruhe hatte sich in den letzten Minuten in der Gruppe ausgebreitet und sie schien mit jedem Schritt in Richtung Zentrale schlimmer zu werden.

Kel entsicherte so geräuschlos wie möglich ihre Waffe. Sie hatte keine Ahnung, inwieweit sie dem Lemurer trauen konnten, aber sie wollte es lieber nicht darauf ankommen lassen.

Am Ende des Ganges konnten sie bereits die Zentralschotte ausmachen. Die leisen Gespräche innerhalb der Gruppe verstummten. Sie wurden immer langsamer, je weiter sie sich den Schotten näherten. Kurz davor hielten sie an. Kel war auf den letzten Metern bis ans Ende der Gruppe zurückgefallen. Misstrauisch beäugte sie, wie Oberstleutnant Gonozal vortrat und nach einigem Zögern den Öffnungsmechanismus betätigte. Als das Schott auffuhr wechselte sie ihre Waffe von der rechten in die linke Hand.

Die Beleuchtung innerhalb der Zentrale wirkte in den ersten Augenblicken so grell, dass sie nur Schemen erkennen konnte...

Zentrale der GALADOR (BZ: 15:20 Uhr)

Abladur war in den letzten Minuten immer nervöser geworden. Um sich abzulenken begann er unbewusst damit eine der zerstörten Konsolen zu zerlegen, obwohl er seit mindestens 15 Jahren wusste das es keinen Sinn mehr machte sie zu reparieren. Der Taii'C'Ektor war vor allem glücklich darüber endlich wieder ein menschliches Gesicht sehen zu können. Zugleich trug aber die Vorstellung wieder unter Menschen zu kommen zu seiner Nervosität bei. Es musste sich einiges verändert haben in der langen Zeit die er hier zugebracht hatte. Schon während der Funksprüche waren ihm einige Dinge aufgefallen, die Abladur aber nicht zuordnen konnte.

Waren es womöglich gar keine Lemurer? Sondern vielleicht irgendwelche Weltraumstreuner oder Piraten die es auf die wenigen funktionierenden Geräte des Wracks oder sonstige Wertgegenstände abgesehen hatten? Oder waren sie vielleicht Spione der Bestien?

Abladur schüttelte den Kopf. »Jetzt bloß nicht verrückt werden« sagte er laut zu sich selbst. »Ich werde doch nicht etwa in den letzten Paar Minuten meiner Havarie auch noch eine Paranoia entwickeln.«

Er schmunzelte über seinen eigenen Witz und ließ von der ohnehin sinnlosen Arbeit ab. Er stand auf, strich sich die Uniform glatt und kontrollierte noch einmal seine Erscheinung in einem »erblindeten« Monitor. Plötzlich hörte er wie sich jemand an den Schotten zur Zentrale zu schaffen machte. Sie sind da, ging es ihm durch den Kopf.

Das Schott öffnete sich und ein groß gewachsener Mann mit dunklen Haaren und der für Lemurer typischen samtbraunen Haut betrat die Zentrale. Hinter ihm folgte eine Handvoll anderer Soldaten, die mit gezogenen Strahlern die Zentrale sondierten.

Was hatten die hier erwartet? Einen Hinterhalt der Bestien? Demnach scheint der Krieg noch nicht beendet zu sein, ging es Abladur durch den Kopf.

Der Mann der als erstes die Zentrale betreten hatte, interessierte sich nicht für seine Umgebung, er hatte Abladur sofort fixiert und schaute ihn mit festen Blick an.

Das muss dieser Kommandant Allan sein. Abladur straffte sich, nahm Haltung an und erhob seine Hand zum militärisch exakten Gruß. »Kommandant Allan. Taii'C'Ektor Chefingenieur des Schlachtschiffes GALADOR. Herzlich Willkommen an Bord.«

»Vielen Dank, Taii'C'Ektor.« Allan lächelte und erwiderte den Gruß. Dann ging er auf den Techniker zu und schüttelte ihm die Hand. Abladur war ein wenig erleichtert. Als er die gezogenen Strahler gesehen hatte war sein Misstrauen wieder aufgeflammt, aber nach der herzlichen Begrüßung hatte Abladur sich wieder beruhigt, wenn auch noch so ein mulmiges Gefühl zurückblieb. Aus den Augenwinkeln registriere er jedoch zufrieden, dass die Soldaten, eine Frau und zwei Männer die Strahler nicht mehr auf ihn gerichtet hatten.

Die beiden Männer hatten sie bereits wieder in den Schutzhüllen verstaut und begutachteten interessiert die technischen Einrichtungen der Zentrale. Nur die Frau hielt ihren Strahler noch in den Händen, wenn auch gesenkt, und betrachtete Abladur ein wenig misstrauisch.

Zentrale der GALADOR (BZ: 15:20 bis 15:30 Uhr)

Taii'C'Ektor Abladur begrüßte die Ankommenden. Allan sah den verwilderten Mann, wenn er auch unter den gegebenen Umständen wohl regelrecht kultiviert war. Er trat heran und sie umfassten sich nach altem Brauch die Unterarme.

Allan bemerkte erst dann, dass Mrs. SinGharn immer noch ihre Waffe gezogen hielt und versuchte ihr durch eine Grimasse zu bedeuten den Schießknüppel einzustecken.

Nach einigen Wortwechseln fragte Allan: »Sind Sie bereit, oder wollen Sie etwas mitnehmen? Wir haben einen Druckanzug für Sie mitgebracht.«

BZ: 15:30 Uhr

Abladur schaute auf seine Tasche, die er neben dem Eingang abgestellt hatte. Darüber lag auch der bereitgelegte Raumanzug. Abladur lehnte mit einem Lächeln den angebotenen Druckanzug ab.

»Danke. Ich nehme meinen eigenen. Ich habe ihn schon bereitgelegt.« Er ging zur Tasche und hob sie und den Raumanzug auf. Einer plötzlichen Idee folgend sagte er zu Allan gewandt: »Ich habe noch eine Kleinigkeit vergessen. Bitte entschuldigen sie mich einen Moment.«

Allan nickte und Abladur verließ die Zentrale. Er begab sich noch einmal in sein Quartier. Irgendetwas an dem Verhalten der Retter hatte ihn stutzig gemacht. Das sie bewaffnet das Schiff betreten hatten konnte Abladur ja noch verstehen, aber warum hatten sie auf ihn gezielt als sie die Zentrale betreten hatten? Und dann diese Frau. Das Misstrauen das in ihren Augen lag ließ den Techniker erschaudern. Und dann noch dieses eigenartige Verhalten, als ob sie noch nie auf einem lemurischen Schlachtschiff gewesen wären.

All diese Indizien bewogen Abladur dazu noch einmal in seine Kabine zurückzukehren. Am Ziel angekommen schaute er sich suchend in dem Chaos um, das 16 Jahre lang sein zu Hause gewesen war. Schon jetzt kam es ihm seltsam fremd vor. Nach ein paar Minuten fand er endlich was er gesucht hatte. Einen kleinen, aber sehr leistungsfähigen Kombistrahler. Den steckte er in die Innentasche seiner Uniformjacke. Dann betrachtete er sich im Spiegel. Der Strahler beulte die Jacke kaum aus und war auf den ersten Blick nicht zu sehen und wenn er erst den Raumanzug trug erst recht nicht.

Bevor er seinen Raumanzug dann überstreifte, dieser spezielle Typ konnte über der normalen Uniform getragen werden, steckte er noch schnell zwei Ersatzmagazine in die andere Innentasche. Mit geübten Bewegungen und technischem Sachverstand überprüfte er die einzelnen Anzugsysteme, die in dem flachen Rückentornister untergebracht waren. Klimaanlage, Sauerstoffaufbereitung, Energieversorgung und der kleine Individualschirmprojektor, der im Notfall selbstständig ein, wenn auch schwaches, Individualschutzfeld erzeugen konnte. Zum Schluss schloss er noch den Helm und führte eine Dichtigkeitsprüfung durch.

»So. Jetzt muss ich nur noch kurz an die Positronik, dann können wir aufbrechen.« Abladur hatte wieder die Zentrale betreten. Die Mitglieder des Rettungskommandos hatten sich in der Zentrale verteilt und betrachteten interessiert die technischen Einrichtungen. Interessanterweise, so fand Abladur, schienen sie sich dabei weniger um seine Modifikationen zu kümmern als um die ursprünglichen Anlagen. Abladur schritt auf die Positronik zu und erläuterte. »Ich muss noch die Logbücher und die Missionsdaten kopieren.«

Allan nickte. Der Taii'C'Ektor nahm einige Schaltungen an der Positronik vor. Er kopierte alle relevanten Daten aus den Speichern der Positronik auf eine kleine Datenspule und sicherte sie mit einem Passwort.

Nur für den Fall, dass …, dachte er.

Allan beobachtete den Lemurer während dieser die Kontrollen der Positronik bediente. Kelesha SinGharn schien ihr Misstrauen immer noch nicht abgelegt zu haben. Sie hatte zwar den Strahler wie befohlen eingesteckt, ließ aber den Lemurer nicht aus den Augen. Nach ein paar Minuten drehte der Schiffbrüchige sich plötzlich um und erkundigte sich ob es nach Allans Einschätzung möglich währe das Wrack zu bergen und in einer Werft zu reparieren.

Beinahe hätte Allan nach dieser Frage laut aufgelacht und denn Lemurer gefragt ob er das Schiff mal von außen gesehen hatte. Aber der Arkonide besann sich und sagte stattdessen: »Das halte ich eher für unwahrscheinlich, oder?«

Er schaute zu Todd Chasen und Warner Storm, die die Frage ebenfalls gehört hatten. Beide schütteten den Kopf und enthielten sich eines weiteren Kommentars.

»OK! Hatte ich auch schon fast befürchtet« war die Entgegnung des Lemurs. Dann drehte er sich wieder zu den Kontrollen um und hantierte jetzt an einer anderen Tastatur. Nach einem Blick auf das Display des Raumanzuges an seinem linken Arm fragte er noch: »Welche Bordzeit haben sie?«.

Allan klärte ihn auf, so dass er seinen Chronographen stellen konnte. Danach tippte er noch einmal kurz auf der Tastatur.

»So fertig!« verkündete der Lemurer. In der rechten Hand hatte er eine kleine Spule. Als Allan ihn darauf ansprach erklärte er: »Darauf habe ich alle Logbücher, Sensorendaten und Missionsdaten kopiert, vielleicht können wir damit noch was anfangen.«

Etwa 15 Minuten später hatten sie die Spacejet erreicht. Um den lemurischen Techniker nicht misstrauisch zu machen hatte Allan ihm beiläufig erklärt, dass es sich bei der Spacejet um einen ganz neu entwickelten Typ handelte. So hatte der Arkonide einen plausiblen Grund für die offensichtlichen baulichen Unterschiede geliefert und gleichzeitig den Lemurer davon abgehalten unangenehme Fragen zu stellen.

Warner Storm setzte sich wieder hinter die Kontrollen und startete in Richtung CREST V. Allan hatte neben ihm Platz genommen. Der Lemurer und Todd Chasen saßen hinter ihnen und unterhielten sich leise. Allan hoffte, dass der Wissenschaftler sich nicht verplapperte. Kelesha hatte sich in den Kontursessel links hinter dem Lemurer gesetzt und schaute scheinbar teilnahmslos durch die Panzertroplonkuppel in den Weltraum. Allan war sicher, dass sie den Techniker trotzdem aus den Augenwinkeln beobachtete.

Sie waren bereits einige Minuten unterwegs als Warner Storm. Allan anstieß um seine Aufmerksamkeit zu erregen »Sir. Schauen sie mal!«

Er deutete auf einen Monitor, der das Wrack der GALADOR zeigte. Es schien fast als ob das Wrack von innen heraus zu glühen begann. Auf die entsprechende Nachfrage Allans an den Lemurer eröffnete dieser: »Ich habe die Selbstzerstörung ausgelöst.«

Als Abladur die erschrockenen Gesichter seiner Retter sah regte sich wieder das seltsame Gefühl des Misstrauens. Schließlich war es Vorschrift, dass ein Wrack, welches nicht mehr geborgen werden konnte, vom letzten Mann zerstört werden musste. Diese konsequente Vorgehensweise sollte verhindern, dass die Bestien in Besitz einer funktionstüchtigen Gegenpolkanone kamen. Offensichtlich war diese Vorschrift geändert worden oder die Retter waren nicht das, was sie vorgaben.

Space-Jet (BZ: 15:57 – 16:03 Uhr)

Großer Gott, was hat dieser Wahnsinnige da nur getan!, war der erste Gedanke, der Todd durch den Kopf schoss. Die vielleicht ergiebigste Quelle noch intakter lemurischer Technologie, die man je gefunden hatte, war für immer vernichtet worden. Welcher Teufel hatte diesen Abladur geritten, als er die Selbstzerstörung des Schiffes aktiviert hatte?

Erst nachdem Todd sich wieder etwas beruhigt hatte und den verwirrten Gesichtsausdruck des Lemurers bemerkte, begann er die Zusammenhänge zu verstehen. Wahrscheinlich gab es in der lemurischen Raumflotte eine entsprechende Vorschrift, die verhindern sollte, dass lemurische Technologie in Feindeshand fiel. Aus diesem Grund musste jedes Schiff, dessen Reparatur sich nicht mehr lohnte, vollständig zerstört werden.

Wir hätten an so etwas denken sollen, dachte Todd verzweifelt. Dann hätten wir uns irgendwas ausdenken können, um ihn davon abzuhalten. Wenn wir ihm einfach gesagt hätten, dass wir das Wrack später bergen würden. Oder das wir vorhätten, die wertvolle Technologie auszuschlachten.

Niemand hatte es bisher gewagt zu sprechen, wohl aus Angst etwas Falsches zu sagen. Aber alle starrten den Lemurer erschrocken an und nahmen unbewusst eine abwehrbereite Körperhaltung ein. Kelesha SinGharn hatte ihre Hände sogar in die Nähe ihrer Waffe gebracht, als würde sie ernsthaft mit einem Angriff des Lemurers rechnen. Abladur seinerseits schien nun endgültig Verdacht geschöpft zu haben, dass mit seinen Rettern etwas nicht stimmte. Die Situation war extrem angespannt, und der ganze Schwindel drohte aufzufliegen. Er musste etwas unternehmen.

»Hm, nun«, räusperte Todd sich. »Kommandant Allan hat sich vorhin wohl etwas unklar ausgedrückt. Wir hatten eigentlich vor, die noch brauchbare Technologie aus der GALADOR zu bergen und wieder zu verwenden. Aufgrund der Kriegslage leiden nämlich große Teile unserer Flotte unter ernsthaften Versorgungsengpässen, was vor etwa fünf Jahren zu einer Aufweichung der ihnen noch bekannten Selbstzerstörungsvorschrift geführt hat. Da wir es jedoch fahrlässigerweise unterlassen haben, sie darüber aufzuklären, können wir ihnen auch nicht die Schuld für die Zerstörung kriegswichtigen Materials geben.«

Todd war ganz schön stolz auf sich, dass er das so ruhig hervorgebracht hatte. Innerlich hatte er nämlich den starken Drang, den Lemurer für seine Tat zu erwürgen.

BZ: 16:02 bis 16:20 Uhr

Seit der Taii'C'Ektor das Wrack der GALADOR vernichtet hatte, war die Stimmung an Bord deutlich gesunken. Die Konversation hatte sich auf das Nötigste beschränkt. Einzig Todd Chasen murmelte irgendwas vor sich hin und starrte verbissen geradeaus. Gerade für ihn als Techniker musste es bitter sein, die GALADOR zu verlieren.

Keiner von uns hatte damit gerechnet, dass der Lemurer das Schiff vernichten würde. Wir hätten vielleicht damit rechnen müssen, allerdings hatte keiner von uns sich wirklich auf diese Situation einstellen können. Wir hatten unbekanntes Terrain betreten, viel aufs Spiel gesetzt und alles verloren. Nun ja, fast alles: Taii'C'Ektor Abladur schien hin- und hergerissen. Einerseits wirkte er durchaus erleichtert endlich aus seiner Isolation befreit zu sein, andererseits misstraute er uns immer noch. Todd Chasens Geschichte hatte ihn allem Anschein nach nicht wirklich überzeugt, aber das hatte ich auch nicht wirklich erwartet. Der Lemurer war kein Dummkopf. Er hatte die Geschichte wahrscheinlich sofort als das erkannt was sie war: eine Ausrede!

Als Oberstleutnant Gonozal die Space-Jet in den Hangar manövrierte war ich beinahe erleichtert. Bald schon würde Taii'C'Ektor Abladur nicht mehr mein Problem sein …

CREST V (BZ: 16:25 Uhr)

Endlich hatte die Space-Jet im Hangar der CREST V eingeschleust. Die Stimmung an Bord war zuletzt auf einem Tiefpunkt angekommen, und jeder war froh, dass sich bald jemand anderes des Lemurers annehmen würde. Doch zuerst musste Abladur auf einer vorher festgelegten Route in die psychologische Abteilung gebracht werden. Diese letzte Aufgabe würden sie noch gemeinsam erledigen.

Die sechs angeblichen Lemurer führten Abladur durch für alle anderen Besatzungsmitglieder gesperrte Korridore, in denen man sämtliche Beschriftungen und Kennzeichnungen entfernt hatte. Auch in den Antigravliften gab es keine Hinweise auf die Herkunft des Schiffes.

Falls der Lemurer es merkwürdig fand, dass sie auf ihrem Weg keiner anderen Person begegneten, ließ er es sich nicht anmerken. Überhaupt erschien der Mann seit Verlassen der Spacejet ziemlich desinteressiert an den Vorgängen in seiner Umgebung, so als ob ihm alles egal wäre. Doch dieser Eindruck täuschte, wie sie sehr bald herausfinden sollten.

Als sie etwa die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten, erklang urplötzlich und ohne Vorwarnung eine Durchsage der Bordnachrichten, vorgetragen von Nico Kassotakis – und zwar auf Interkosmo! Verwundert blickte Abladur auf und stellte fest, dass seine Begleiter erschrocken zu sein schienen.

»Was geht hier vor?«, wollte der Lemurer wissen. »Was für eine Sprache ist das?«

Gang zur psychologische Abteilung der CREST V (BZ: 16:40 Uhr)

Abladur war völlig in seine Gedanken versunken und bekam nur am Rande mit, das sie das Mutterschiff erreichten und in einem der Hangars landeten. Keiner hatte nach dem Zwischenfall gesprochen. Die Soldaten des Rettungsteams einschließlich Kommandant Allan schienen sauer zu sein wegen der Zerstörung der GALADOR, aber sie schienen auch zu versuchen sich das nicht anmerken zu lassen. Abladur hingegen war durch die ganze Situation noch verwirrter als vorher. Einerseits hatte er ja bereits vorher eine gewisse Ahnung, das etwas nicht stimmte, andererseits klang die Erklärung des Soldaten sehr glaubwürdig, zumal sie auch die Enttäuschung des Rettungsteams erklären würde.

So gut die Erklärung auch war, sie bedeutete auch, dass die Situation des lemurischen Reiches sich grundlegend geändert hatte. Hatte die Bedrohung durch die Bestien etwa überhand genommen? Kommandant Allan hatte direkt nach der Landung der Jet darauf gedrängt, dass sie die medizinische Abteilung aufsuchten. »Für eine Routineuntersuchung«, wie er behauptete.

Daher hatte Abladur auch kaum Zeit sich in dem Hangar umzusehen. Sonst hätte sein geschulter technischer Verstand schnell eine Menge Unterschiede zu den ihm bekannten Hangars lemurischer Schlachtschiffe entdeckt. So aber nickte er nur zu der Aufforderung Allans ihm zu folgen. Und beschäftigte sich wieder damit eine Erklärung für das eigenartige Verhalten zu finden. Er war schon fast soweit sich einzugestehen, das er sich das ganze nur ein bildete oder die lange Isolation ohne menschlichen Kontakt ihm paranoid gemacht hatte, als plötzlich eine Durchsage in einer ihm völlig unbekannten Sprache erklang.

Sofort war er hellwach. Erschrocken schaute er seine Retter an, die ihrerseits noch erschrockener zurückstarrten.

»Was geht hier vor?«, fragte er. »Was für eine Sprache ist das?«

Gleichzeitig wich er ein paar Schritte zurück, so dass er alle in seinem Blickfeld hatte. Abladurs Puls raste.

Also doch, dachte er. Piraten oder Feinde des lemurischen Reiches.

Wie sollte er sich jetzt verhalten? An Flucht war so schnell nicht zu denken. Er hatte nicht auf den Weg geachtet und würde die Hangars womöglich nicht finden. Wenn er blieb würden sie ihn vielleicht angreifen.

Dort wo die Soldatin stand nahm er eine Bewegung war. Der Techniker hatte nicht vergessen wie sie ihn in der Zentrale der GALADOR mit dem Strahler bedroht hatte. Seine überspannten Nerven gaukelten ihm vor, dass sie auch jetzt wieder zum Strahler griff. Abladur ließ seine Tasche fallen und riss mit der anderen Hand seinen eigenen Strahler aus der Uniform und zielte auf die Gruppe.

»Redet; wer seid ihr!«, schrie er mit überschlagener Stimme. Er schluckte und fügte hinzu was er gerade in Gedanken vermutet hatte. »Piraten oder Feinde des lemurischen Reiches?«

Epilog. Schockierende Tatsache

Gang zur psychologische Abteilung der CREST V (BZ: 16:42 Uhr)

Allan lief es heiß über den Rücken, als er in die Abstrahlmündung des altlemurischen Hochenergiestrahlers blickte. Erst der Patzer der wahrscheinlich den größten archäologischen Fund seit den Marsruinen vernichtet hatte und nun DAS …

Das er falsch auf die Frage des Lemurers reagiert hatte und dadurch die Zerstörung des Wracks auf seine Kappe ging, DAS lastete schwer auf Allan und es wurmte ihn. Aber das die Bordsprechanlage in den gesperrten Sektoren nicht auch gesperrt worden war, DAFÜR würde er jemanden zur Rechenschaft ziehen …

Noch während Kassotakis den Veranstaltungskalender der kommenden Tage runterleierte, hatte der Lemurer verblüffend schnell reagiert. Nun stand er da, die Waffe im Anschlag.

Allan streckte die Waffen vom Körper und spreizte die Finger um ihm zu zeigen, dass er keine Waffe verborgen hatte und sagte: »Weder noch, wir sind von Ihrem Heimatplaneten und vertreten die rechtmäßige Regierung«, was irgendwie stimmte, und auch wieder nur für auf einen Teil der Besatzung zutraf. »Wenn wir Piraten wären dann wären sie schon tot, und wie Haluter sehen wir doch nun wirklich nicht aus.«

Hier merkte Allan, dass er sich falsch ausgedrückt hatte. Mit dem Wort Haluter konnte man zu Zeiten des Lemurischen Reiches nichts anfangen, das waren »die Bestien« …

Zum Bedauern war keine Zeit, also fuhr der 1. Offizier fort. Es wäre die Zeit für eine Lüge gewesen, aber Allan hatte sich entschlossen dem Lemurer offen zu begegnen, auch wenn das zu einem Schock führen konnte. Immerhin war medizinische Hilfe nur Sekunden weit weg. Auch wenn das nicht viel nutzen würde, wenn er Allans Gehirn aus dem Schädel brennen würde.

»Es ist nur so, dass der Krieg wesentlich schlimmer verlief und Sie hier im galaktischen Zentrum einer temporalen Verzerrung unterlagen; es ist mehr Zeit vergangen, als Sie denken … Das, was Sie gehört haben, das ist das was sich inzwischen als Sprache etabliert hat.«

Abladur war viel zu verwirrt um die Worte Allans sofort zu begreifen, er beschäftigte sich immer noch mit dem Gedanken an Flucht. Er benötigte einige Augenblicke bis ihm die ersten Konsequenzen aus Allans Erklärungen klar wurden, aber das brachte ihm auch nicht gerade die ersehnte Klarheit.

»Wenn der Krieg gegen die …« Er zögerte. »… Haluter so schlecht für uns verlaufen ist; warum leben dann noch Lemurer auf unserem Heimatplaneten?«

Er schaute sich hastig um und wich noch ein paar Schritte zurück. »Oder kooperiert ihr jetzt doch mit den Bestien« langsam sickerte eine weitere Frage in sein Bewusstsein. Er schluckte bevor er sie aussprechen konnte. Als ob er die Wahrheit ahnte, zögerte er diese entscheidende Frage zu stellen. Unwillkürlich fasste der Techniker den Strahler fester, als ob er so der Antwort auf die Frage besser begegnen konnte. Dann holte er Luft und fragte mit einigermaßen fester Stimme: »Wie viel Zeit ist denn vergangen?«

»Es waren über 50 Jahrtausende«, ergriff Todd das Wort. »Inzwischen hat sich auf Lemur, das heute Terra heißt, eine neue raumfahrende Zivilisation entwickelt. Wir wollten Ihnen die Wahrheit schonend beibringen, aber das hat leider nicht geklappt. Legen Sie bitte die Waffe weg, Mr. Abladur, hier will niemand Ihnen etwas antun.«

Sicherheitszentrale (BZ: ab 14:30 Uhr)

Africa Goimez machte Druck, wahrscheinlich von weiter oben ausgelöst. Die Situation war schwierig. Auch, wenn alle Indizien dafür sprachen, dass eine bestimmte Person der Täter war, beweisen konnte der Afroterraner gar nix, was in diesem Fall zumindest für die Karriere tödlich sein konnte, wenn nicht schlimmeres.

Also murmelte er eine Entschuldigung und dachte drüber nach, was er tun konnte. Zu Allan oder Sulae zu gehen, erschien ihn nicht ratsam. Gleich einen Strick zu kaufen, wäre weniger unangenehm gewesen. Er brauchte Beweise – und zwar SEHR gute – und es gab ein weiteres Problem: Einer der Bestohlenen war Tsuran und der war für wahnsinnige Aktionen bekannt und wahrscheinlich würde ihm nur ein Verdacht reichen.

Also musste er Beweise finden und durfte nicht auffällig sein. Andere Crewmitglieder da hineinzuziehen war auch problematisch. Sollte eine Karriere draufgehen, dann nur seine eigene! Er brauchte Beweise und er würde sie bekommen und dann handeln. Vron erledigte nebenbei einigen Papierkram und überlegte, was er tun konnte. Kabine durchsuchen konnte er legal vergessen, illegal verbot sich von selbst. Neben seinen Überlegungen bekam er alles andere nur so nebenbei mit.

Gang zur psychologischen Abteilung (BZ: bis 16:45 Uhr)

Zu sagen, dass Robert nicht neugierig auf den Lemurer war, wäre eine Lüge gewesen. Er hoffte, dass Allan und Co. ihn gut auf die Situation vorbereiteten, sonst war eine Katastrophe unausweichlich vorprogrammiert. Dass Kiril sich so gut eingelebt hatte, war gut, aber es war ein Glücksfall. Nur ein hoffnungsloser Optimist vertraute darauf, dass das zweimal klappte.

Er wartete auf dem Gang, so dass er mitbekam, was geschah, aber nicht gesehen wurde. Tja, dass es gut lief konnte man nicht gerade sagen. In diesen Moment hätte Robert den Bordmoderator am liebsten erwürgt. Aber auch Allan und der Techniker waren alles andere als geschickt. Robert konnte nur hoffen das der Lemurer nicht durchdrehte, und Däumchen drehen, denn eingreifen konnte er nicht. Dazu hätte es einer Waffe bedurft, die sie ja dank Allan nicht mehr hatten, oder er hätte viel näher dran sein müssen.

Gang zur psychologischen Abteilung der CREST V (BZ: 16:45 bis 17:00 Uhr)

»Ich … ich glaube Ihnen kein Wort!« Taii'C'Ektor Abladur umklammerte seine Waffe krampfhaft mit beiden Händen.

Todd Chasen trat mit einer beschwichtigenden Geste etwas näher an den Lemurer heran. »Hören Sie, wir wissen alle, dass das für Sie eine schwierige Situation ist. Aber darüber kann man reden. Jetzt nehmen Sie bitte die Waffe runter.«

Abladur ließ die Schultern hängen. »50.000 Jahre?«

Oberstleutnant Gonozal nickte. »Ja, leider.« Er machte eine kurze Pause. »Wir können Ihnen helfen, aber dazu müssen Sie uns vertrauen. Übergeben Sie uns Ihre Waffe.«

»Damit ist aber immer noch nicht klar, wen oder was Sie hier eigentlich repräsentieren Kommandant.« In Abladurs Stimme klang eindeutig eine Drohung mit.

Kel hatte dem Dialog bisher schweigend zugehört, doch als der Lemurer sich Gonozal zuwandte sah sie endlich eine Möglichkeit einzugreifen: Abladur sah sie zwar noch kommen, war aber nicht mehr schnell genug um zu reagieren. Gerade als Gonozal etwas erwidern wollte handelte Kel. Mit einer schnellen Bewegung schlug sie Abladur den Strahler aus der Hand und im nächsten Moment lag der Lemurer schon zusammengekrümmt auf dem Boden und schnappte nach Luft. Kel trat zwei Schritte zurück, bereit nochmals zuzuschlagen, doch das war bereits nicht mehr nötig. Todd Chasen hatte den Strahler Abladurs aufgehoben und auch die Anderen hatten ihre Waffen gezogen.

Unsanft zerrte Kel den Taii'C'Ektor wieder auf die Beine. »Haben Sie sich jetzt wieder beruhigt?«

Oberstleutnant Gonozal warf ihr einen wütenden Seitenblick zu, dann wandte er sich mit besorgter Miene an den Lemurer: »Alles in Ordnung?«

Abladur nickte gequält. Er wirkte etwas blass.

»Es tut mir wirklich leid, dass es soweit kommen musste. Das war nicht in unserem Sinne, aber Sie hätten in unserer Situation doch wahrscheinlich auch nicht anders gehandelt?!«

Für den Rest der Strecke nahmen sie Abladur in die Mitte. Teils, weil sie nicht wussten ob er versuchen würde zu fliehen, teils weil er immer noch etwas zittrig auf den Beinen war. Etwa 5 Minuten später erreichten sie die psychologische Abteilung.

ENDE

Das Universum ist doch immer wieder für Überraschungen gut. Da findet man doch 52 Jahrtausende, nachdem das lemurische Reich unterging, einen Überlebenden, für den nur 16 Jahre vergangen sind. Und durch ein Missgeschick des Bergungsteams geht diese Fundgrube für lemurische Technik, der Überrest des Kampfschiffes, gleich wieder verloren.

Aber die große Frage bleibt, was für Kräfte waren hier wieder am Werk, die diese Schiffe um 52.000 Jahre in die Zukunft versetzten und dann zerstörten? Hat vielleicht das verschwundene Experimentalschiff damit zu tun?

Und nicht zu vergessen, wer ist denn nun der geheimnisvolle Dieb an Bord?

PROC STORIES - Fan-Stories vom PROC - ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUBs. Kurzgeschichte »CREST V - Das Chaos geht weiter (3)« von Das PBeM-Team der CREST V. Erschienen am: 01.08.2003. Titelbild: Kai Lanio. Lektorat, Nachbearbeitung: Christian Lenz. Umsetzung in Endformate: Alexander Nofftz. Generiert mit Xtory (SAXON, LaTeX). Homepage: http://stories.proc.org/. eMail: stories@proc.org. Copyright © 2000-2003. Alle Rechte beim Autor!