
Europäer befürworten starkes
Europa in der Raumfahrt
Eine viermonatige Konsultation über
die Zukunft Europas in der Raumfahrtendete mit einer Schlußkonferenz
in Paris, auf der EU-Forschungskommissar Philippe Busquin, Generaldirektor
Antonio Rodotàvon der Europäischen Weltraumorganisation
(ESA) und andere führende Akteure des Raumfahrtsektors eine
erhebliche Verstärkung der europäischen Anstrengungen
in der Weltraumforschung und einen erweiterten institutionellen
Rahmen forderten. Claudie Haigneré, die französische
Ministerin für Forschung und Neue Technologien, und Letizia
Moratti, dieitalienische Ministerin für Bildung, Hochschulwesen
und Wissenschaftliche Forschung, die ebenfalls an der Konferenz
teilnahmen, schlugen konkrete Maßnahmen zur Verwirklichung
der Ziele Europas in der Raumfahrt vor. Als vorrangig wurden auf
der Konferenz auch eine bessere Koordinierung zwischen allen Sektoren
auf EU- und internationaler Ebene, die Sicherung eines eigenständigen
Zugangs Europas zum Weltraum und ein flexibles System zur Finanzierung
der Programme bezeichnet. Die Teilnehmer unterstrichen die Notwendigkeit
der Entwicklung von Weltraumtechnologien wie satellitengestützte
Internetverbindungen und Sicherheitsanwendungen. Die Konferenz erarbeitete
Beiträge für das angekündigte EU-Weißbuch über
Weltraumpolitik, das die Europäische Kommission im Oktober
2003 veröffentlichen will.
Philippe Busquin meinte: „Die Konsultation
hat sich als erfolgreiches Beispiel demokratischen Zusammenwirkens
und gemeinschaftlicher Kreativität erwiesen. Die Europäer
erwarten von der EU, daß sie eine stärkere Rolle in der
Raumfahrt spielt, und wir müssen bereit sein, diesen Erwartungen
zu entsprechen. Wir werden aufbauend auf den Erkenntnissen aus der
Konsultation einen ehrgeizigen Aktionsplan für die europäische
Weltraumpolitik aufstellen. Mit einem starken politischen Engagement
seitens aller maßgeblichen Raumfahrtakteure und anhaltender
Unterstützung durch die Öffentlichkeit können wir
Europa zur führenden Raumfahrtmacht des 21. Jahrhunderts machen.“
Claudie Haigneré erklärte: „Ich
begrüße die bemerkenswerte Arbeit, die die Europäische
Kommission und die ESA geleistet haben. Dank dieser eingehenden
Debatte über unsere künftigen Ziele sind wir zu gemeinsamen
Ansichten über die jetzige Situation und zur einhelligen Anerkennung
der strategischen Bedeutung der Raumfahrt für Europa gelangt.
Diese Bemühungen werden zur selben Zeit wie die Arbeiten des
Verfassungskonvents über einen neuen Vertrag für die Europäische
Union unternommen und bieten uns die Gelegenheit, für die EU
Zuständigkeiten im Raumfahrtbereich vorzuschlagen. Wir befürworten
voll und ganz diese Initiative, die es uns gestatten dürfte,
einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung der Zukunft Europas im
Weltraum zu leisten. Wir haben uns sehr viel vorgenommen: Wir wollen
der Raumfahrt die ihr auf europäischer Ebene gebührende
Bedeutung sichern, um ein starkes und zunehmend bürgernahes
Europa aufzubauen.“
Antonio Rodotà fügte hinzu: „Wir
sind sehr erfreut über die Güte und Menge der Beiträge,
die im Rahmen der Konsultation eingegangen sind: Diese zeigen, daß
nicht nur in den Kreisen der Wissenschaft und in der Geschäftswelt,
sondern auch in der breiten Öffentlichkeit ein echtes Interesse
an einer stärkeren Rolle Europas in der Raumfahrt besteht.
Die ESA wird daher zusammen mit der Kommission und den anderen Raumfahrtakteuren
auf ein höheres Profil der Raumfahrt in Europa und die Festlegung
einer sachgerechten Agenda für die Zukunft der Weltraumpolitikhinarbeiten.“
Eine breite Konsultation
Andere prominente Teilnehmer der Konferenz waren
der designierte Generaldirektor der ESA, Jean-Jacques Dordain, der
sein Amt am 1. Juli 2003 antreten wird, der ehemalige schwedische
Premierminister Carl Bildt und Ministerialdirigent Herbert Diehl
vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Einige europäische Astronauten waren ebenfalls anwesend.
Zu der Konferenz waren über 400 Vertreter
aus der Politik, Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft zusammengekommen.
Sie bot Gelegenheit, aus den mehreren Tausend Beiträgen, die
im Rahmen der Konsultation eingegangen waren, entscheidende Erkenntnisse
zur Bestimmung der Handlungsprioritäten und zur Planung konkreter
Maßnahmen zu gewinnen, die notwendig sind, um Europas Rolle
in der Raumfahrt zu verstärken und die Nutzung des Weltraums
im Dienste der europäischen Bürger soweit wie möglich
zu fördern. Ein entsprechender Aktionsplan soll in einem Weißbuch
der EU Ende 2003 veröffentlicht werden.
Wirtschaftliche Bedeutung
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Raumfahrt
dürfen nicht übersehen werden. Das amerikanische Verteidigungsministerium
rechnet damit, daß bis zum Jahr 2010 die Zahl der die Erde
umkreisenden Satelliten von heute 600 auf über 2000 anwachsen
wird. Im selben Zeitraum dürften sich die amerikanischen Investitionen
auf rund 500 Milliarden Dollar belaufen. In Europa wird geschätzt,
daß im Jahr 2010 die Raumfahrtindustrie und die damit verbundenen
Aktivitäten etwa 10 % des Bruttoinlandsprodukts ausmachen werden.
Andererseits ist das Fördervolumen für raumfahrtrelevante
Forschung und Entwicklung in Europa sechsmal niedriger als in den
USA, wo die NASA und das Verteidigungsministerium den Großteil
der Finanzmittel bereitstellen.
Eine neue Ära für die Raumfahrt in Europa
Das Grünbuch über die europäische
Weltraumpolitik, das von der Europäischen Kommission am 21.
Januar 2003 verabschiedet wurde, ist ein in Zusammenarbeit mit der
Europäischen Weltraumorganisation ausgearbeitetes strategisches
Dokument, das für die Raumfahrt in Europa eine neue Ära
einleitet. Sein Ziel bestand darin, eine breit angelegte Debatte
über die mittel- und langfristige Nutzung des Weltraums im
Dienste der Bürger Europas in Gang zu setzen. Am 13. Mai nahmen
die für den Wettbewerb zuständigen EU-Minister eine Entschließung
an, in der sie sich für den raschen Abschluß einer Rahmenvereinbarung
zwischen der ESA und der Europäischen Kommission sowie für
dringende Maßnahmen auf EU-Ebene zur Bewältigung der
sich Europa im Raumfahrtsektor stellenden Herausforderungen aussprachen.
Am 15. Mai nahm das Europäische Parlament eine ähnliche
Entschließung an, in der es fordert, daß der EU im neuen
Verfassungsvertrag eine geteilte Zuständigkeit für die
Raumfahrt zuerkannt wird.
Auf seiner Tagung auf Ministerebene am 27. Mai,
die sich mit einer Reihe von Schlüsselfragen einschließlich
der Zukunft der Trägerrakete Ariane und des Satellitennavigationssystems
Galileo befaßte, nahm der ESA-Rats einerseits eine Entschließung
an, in der er die Bereitschaft der ESA zu einer verstärkten
Zusammenarbeit mit der EU unter Berücksichtigung der unterschiedlichen
Aufgaben und institutionellen Grundlagen der beiden Organisationen
und unter Würdigung ihrer Komplementarität bekräftigte.
Anfang Juni wurde im Entwurf der EU-Verfassung bestätigt, daß
die Raumfahrt eine der neuen Zuständigkeiten der EU werden
soll.
Von Brüssel nach Paris: Die Europäer
äußern sich zur Raumfahrt
Die Konsultation zum Grünbuch umfaßte eine Reihe von
Veranstaltungen wie Arbeitstagungen, Diskussionsforen und Konferenzen,
die den gesamten Kontinent überspannten und in der Öffentlichkeit
auf beträchtliches Interesse stießen. Nach der Eröffnungskonferenz
in Brüssel stand auf dem Treffen in Madrid der Beitrag des
Industriesektors im Vordergrund, während auf der Arbeitstagung
in Berlin die wissenschaftliche Gemeinschaft zusammenkam.
In Rom wurden wichtige institutionelle Fragen
erörtert, worauf in London und Prag Debatten über Anwendungen
bzw. die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit stattfanden.
Weitere Veranstaltungen in Lissabon, Athen und Wien folgten. Darüber
hinaus wurden hochrangige bilaterale Konsultationen geführt,
und viele Organisationen sandten ihre Stellungnahme unmittelbar
der Kommission zu. Gleichzeitig wurden die Bürger aufgefordert,
ihre Ansichten über das Internet bekanntzugeben.
Was befürworten die Raumfahrtakteure?
Auf die Konsultation ging eine Vielfalt von Beiträgen
aus ganz Europa ein. Im Rahmen einer offenen, transparenten und
demokratischen Debatte zeichnete sich ein breiter Konsens über
eine Reihe von Schlüsselaktionen ab; hierzu gehören:
· Erweiterung des institutionellen Rahmens
der Weltraumpolitik, gegebenenfalls durch Schaffung eines Rates
der Raumfahrtminister;
· Einsatz derselben Satellitensysteme sowohl
für Zivil- als auch für Verteidigungs- und Sicherheitszwecke
(Mehrzwecksysteme);
· Schaffung eines institutionellen Marktes,
der die Bedeutung der Raumfahrt zur Verwirklichung zivilpolitischer
Ziele wie Kommunikation und Navigation anerkennt;
· eigenständiger, verläßlicher
und erschwinglicher Zugang zum Weltraum durch das Programm für
den Garantierten Zugang Europas zum Weltraum(EGAS);
· Notwendigkeit einer Europäischen
Sicherheits- und Verteidigungsagentur;
· verbesserte Laufbahnaussichten und Fort-
und Weiterbildung für in Weltraumforschung und -technik Beschäftigte;
· Verdoppelung der Fördermittel für
die europäische Forschung;
· Abstimmung der Datenerfassung und -verarbeitung
auf europäischer Ebene und Hilfestellung der Kommission für
ein leistungsfähiges Datenverarbeitungssystem für Klimavorhersagen
und die Überwachung globaler Veränderungen; · Ausgestaltung
der Internationalen Raumstation als Stützpunkt fürSchwerelosigkeitsforschung;
· weitere Unterstützung für das
Aurora-Programm der ESA, das in den nächsten 30 Jahren unter
anderem eine bemannte Mission zum Mars anvisiert;
· Entwicklung weltraumtechnischer Anwendungen
zur Förderung des technologischen und wissenschaftlichen Fortschritts
und der Sicherheit der Bürger;
· Einführung eines Programms für
nahtlose Breitbandkommunikation für jedermann in Europa und
· Unterstützung des Erweiterungsprozesses
und der europäischen Integration durch Satellitentechnologien
und gemeinsame politische Ziele.
Nächste Schritte
Zur weiteren Klärung der Weltraumpolitik
Europas sind folgende Etappen geplant:
· Juli 2003: Die gemeinsame Task Force
der EU und der ESA gibt einen zusammenfassenden Bericht über
den Konsultationsprozeß heraus.
· September 2003: Das Europäische
Parlament nimmt seinerseits zum Grünbuch Stellung.
· Oktober 2003: Die Kommission veröffentlicht
das Weißbuch zur europäischen Weltraumpolitik, das dann
dem Rat und dem Parlament vorgelegt wird. Das Weißbuch wird
einen Aktionsplan umreißen, der eine künftige Strategie
für Weltraumtätigkeiten in der Europäischen Union
absteckt. Es wird die eingegangenen Beiträge würdigen
und Vorschläge zum Inhalt, zur Organisation und zum Umfang
der künftigen europäischen Weltraumtätigkeiten enthalten.
· November 2003: Das Weißbuch soll
vom Rat der Europäischen Union auf der Tagung der für
Wettbewerb zuständigen EU-Minister unter italienischem Vorsitz
erörtert werden.
Quelle: ESA
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