PBeM-Team der CREST VPERRY RHODAN ONLINE CLUB (PROC) HomepageErschienen am:
29.05.2003

CREST V - Das Chaos geht weiter (2)

Liebe, Triebe, Schiffsgeschütze (3.10.3431)

Was bisher geschah

Diesmal ist der Start der CREST V nicht so chaotisch verlaufen, wie beim erstenmal. Aber auch diesmal geht nicht alles reibungslos. Ein Teil der Offiziere und Mannschaften haben es nach dem Chaos vom ersten Flug vorgezogen von Bord zu gehen und somit müssen sich neue Personen in die Mannschaft integrieren.

Der Auftrag der CREST hört sich nicht einfach an: Ein Experimentalschiff mit neuartigen Schutzschirmen ist in der Zentrumsregion der Galaxis verschwunden und muss wiedergefunden werden.

Die Bordsicherheit wird von geheimnisvollen Diebstählen, die sie aufklären muss, auf Trab gehalten.

Hauptpersonen

Allan Dean Gonozal – erster Offizier und sein Schützling Kiril

Sulae Shalannan – die Sicherheitschefin mit dem Lästersinn

Emerson Ostrog – der erste Navigator ist ein Veego

Agnus Cosh – ein Sicherheitsbeamter

Robert Alun – Anthea Ernchester und andere

Prolog. Frühes Erwachen

Kabine Agnus Cosh (BZ: 4:00 Uhr)

Rrrrriiiiiinnnnggggggggggg!!!!!

Der Wecker klingelte in der Kabine des Sicherheitsmanns Agnus Cosh.

Der Ertruser war nicht sehr wach, dementsprechend waren auch seine Gedanken: Sch … schon wieder 7:30 Uhr und in 45 min ist Dienstbeginn. Schnell eine kurze Schalldusche und einen Kaffee. Warum gibt's auf der CREST nur keine USO-Verpflegung? Ich werde noch ganz krank von diesem Syntho-Gesöff! Nun noch meine Kabine mit dem Zeitschloss absichern und dann 

Warum steht denn da 04:01 Uhr? Ist mein Zeitschloss kaputt, das teure Stück?

Schnell einen kurzen Blick auf mein Terminal werfen: Irgend etwas ist hier faul! Sollte schon wieder mein Wecker, mein Erbstück, für das ich – beinahe – einen Monatssold habe hinblättern müssen … NEIN!!!

Dieses blöde Ding ist schon wieder stehen geblieben. Kaum 1.150 Jahre alt und nichts funktioniert mehr. Wie kann ein Gerät, dass rein mechanisch konstruiert ist, eigentlich klingeln, wenn es stehen geblieben ist. So was geht doch gar nicht.

Und schon gar nicht um 04:00 Uhr morgens!!!

Ich … Ich … Ich … Ruhig Blut, sonst bekomme ich wieder meine Migräne. Oh nein, ich spüre sie schon kommen, als ob sie nur darauf gewartet hätte, dass ich an sie denke.

Der Tag fängt ja wieder klasse an, oder wird mal wieder klasse anfangen, wenn er endlich angefangen hat, aber jetzt ist es ja noch Nacht. Eineinhalb Stunden Schlaf – nach so einer Bordfeier – ist einfach nicht genug. Schließlich habe ich noch nicht so lange Trinkerfahrung wie mein Boss, dass ich das einfach so wegstecken könnte.

Obwohl … eigentlich bin ich ja doch ganz regulär geweckt worden und wenn ich mich nun einfach an meine Weckzeit halte ist es ja schon Tag. Und dann könnte ich meinem Boss eigentlich jetzt gleich einen guten Morgen wünschen.

Er grinste innerlich.

Das werd' ich mir merken und wenn ich heute nicht endlich damit beauftragt werde, den Einbrecher zu verfolgen, der fast jeden Tag bei mir einbricht und irgendwelche Sachen hier hinein packt, die keiner haben will, dann werde ich mich morgen auf genau diese Art rächen.

Und wenn er mich wieder von oben herab behandelt oder versucht, auf mich herab zu blicken, und das tut er den ganzen Tag, dann wird er morgen erfahren, was es heißt, mir mitten in der Nacht solchen Ärger zu bereiten. Jawohl!

Das wird »Symphonie« sicher auch dabei helfen, sein Problem mit der Pünktlichkeit in den Griff zu kriegen. Ich meine natürlich meine Pünktlichkeit. Kann ja auch gar nicht gesund sein, immer pünktlich zu sein, oder?

Und was mache ich nun mit der angefangenen Nacht? Noch fast drei Stunden, bis die Tortur wieder losgeht.

Was habe ich nur getan, um einen Vorgesetzten wie Pavel Syntony zu verdienen? Ok, ok, ich weiß ja – aber ich hatte so gehofft, es endlich vergessen zu können.

»LICHT AUS!«, sagte er und freute sich darüber, dass wenigstens das funktionierte.

So ein Mist – jetzt kriege ich im Dunkeln diesen blöden Verschluss an der Kombi nicht auf. Dann bleibe halt zu!, war sein nächster, mehr oder weniger wütender Gedanke. Die Putzkolonne kann ja morgen – also eigentlich heute – das Bett neu beziehen. Nein, doch lieber morgen, denn morgen fängt ja – nach dem großen Philosophen Claudius Maximus – erst mit dem Aufstehen an. Und bis dahin ist alles Andere noch immer heute! Auch so ein blöder, unbrauchbarer, zu verschrottender Plagegeist von einem Wecker …

Danach schlief er einfach weiter.

1. Kleines Raumgefecht am Morgen …

Ortungszentrale (BZ: 4:30 Uhr)

Mertens Thort saß in der Ortungszentrale und gefiel sich darin, schlechte Laune zu haben. Hätte er sich bloß nicht bequatschen lassen und seinen Dienst getauscht. Er war viel zu gutmütig. Allerdings war für jetzt ein Ortungsaustritt vorgesehen und da sollte jemand da sein.

Während die Ortung lief, bemerkte Thort, dass irgend etwas nicht stimmte. Da war etwas.

Während er noch versuchte, es zu identifizieren, gab er einen stillen Alarm für die Führungsoffiziere Strader, Gonozal und Seek sowie für die Leiter der Trägerwaffen und diverse Beibootkommandanten.

Auch Emotionaut und Navigator ließ er wecken, Feuerleitoffizier und Kommunikationsoffizier konnten jedoch weiterhin schlafen.

Durch Neeson war die Feuerleitzentrale besetzt und nach seiner Beförderungsfeier war es vielleicht besser, den Überschweren schlafen zu lassen. Auf Wilford konnten sie wirklich verzichten.

Leider klappte nicht alles so, wie es sich Thort wünschte. Strader war anscheinend nicht fit, betrunken traf es wohl besser. Ob er überhaupt zu irgend etwas zu gebrauchen war, würde sich zeigen.

Seufzend wartete Thort auf die Meldung der anderen Geweckten.

Emersons Kabine (BZ: 4:30 Uhr)

Die ganze Nacht über hatte sich Emerson nicht beruhigen können und war die meiste Zeit in seinem Quartier auf und ab gelaufen. Die mysteriösen Worte der neuen Sicherheitschefin klangen in seinem Bewusstsein nach, und er wusste immer noch nicht so recht, wie er die Bemerkung einordnen sollte.

Um sich von der nervenzermürbenden und unnützen Grübelei abzulenken, war er dazu übergegangen, über Dr. Tsuran nachzudenken, war jedoch auch hier zu keinem sinnvollen Ergebnis gekommen.

Auch wenn Vron Habel behauptete, dass er einen positiven Einfluss auf den Mediziner hätte, so konnte er gegen das durch den Zwischenfall mit Alaska Saedelaere erlittene Trauma nichts ausrichten. Dazu hätte es eines Psychologen bedurft, doch zu einer Therapie ließ sich der Doktor einfach nicht bewegen.

Irgendwann hatte er sich geduscht und eine neue Uniform angezogen, weil ihm einfach nichts Besseres mehr eingefallen war. Für eine weitere Folge von »Dr. Who« war er einfach nicht in Stimmung, und zum Lesen fehlte ihm die Ruhe.

Gegen 4:30 Uhr begann auf einmal sein Armbandchronometer zu vibrieren. Als Emerson erkannte, dass man ihn soeben per stillem Alarm in die Kommandozentrale rief, sprang wie vom Okrill gebissen auf und stürzte aus seinem Quartier.

Kirils Kabine (BZ: 4:31 Uhr)

Als sich das Pulsieren seines Multifunktionsarmbandes langsam steigerte, regte sich Allan. Dadurch rutschte er etwas aus dem Sessel, in dem er eingenickt war.

Noch etwas schlaftrunken griff er danach, schaute auf die Markierungen und sah dabei auch die Uhrzeit, was ihn zu einigen nicht gerade angenehmen Gedanken verleitete.

Wenn das wieder diese Marsianische Trockenpflaume der Güteklasse A ist, werde ich ihn die Impulsgeschütze polieren lassen – von außen und innen.

Er deaktivierte das Gerät und stand auf. Nachdem er sich etwas gestreckt hatte, um die durch die ungewöhnliche Schlafposition entstandenen Verspannungen zu lösen, schaute er nochmal nach der schlafenden Kiril.

Diese war zwar nicht allzu deutlich im abgedunkeltem Raum zu erkennen, bot aber trotzdem ein Bild für die Götter. Wie sie sich um die Decke geschlungen hatte und zusammengekauert wie um etwas zu beschützen dalag, so ruhig, so verletzlich, machte ihm wiederum klar welche Verantwortung er übernommen hatte.

Er wollte die leichte Decke etwas über sie drapieren, doch sie hielt diese zu stark umklammert und er wollte sie nicht wecken. Sie würde noch früh genug wach werden und dann das Wachsein verfluchen.

Er erinnerte sich nur allzu gut an die letzte durchzechte Nacht während des letzten Landurlaubes auf Terra. Am nächsten Morgen hatte er einige Minuten ernsthaft überlegt, wie eine tote Maus in seinen Mund gekommen war, bis er bemerkt hatte, dass es sich um seine eigene Zunge handelte, welche er wohl am Abend vorher versucht hatte zu rasieren.

Diese eine Kneipe in Atlanvillage hatte in dieser Nacht einige bösartige Drinks serviert. Immerhin war das seine Abschiedsfeier von den Leuten des alten Schiffs gewesen, und irgendwann würde er schon noch den erwischen, der eine Bluesstripperin auf diese Veranstaltung bestellt hatte.

Bei dieser Erinnerung musste er wehmütig lächeln und er begab sich langsam zum Schott.

Als sich dieses öffnete, murmelte Kiril auf einmal etwas und schien im Schlaf zu versuchen, unter ihr eignes Bein zu krabbeln.

Schnellen Schrittes begab er sich zum nächsten Hauptkorridor und ließ sich vom Laufband in Richtung Zentrale tragen.

Zentrale

Als er den massiven, ungefähr 150 Meter hohen Dom der Zentrale betrat, fiel im wieder einmal auf, wie unheimlich leer dieser enorme Raum scheinen konnte, denn in den Nebenschichten war normalerweise nur eine Rumpfbesatzung auf ihren Posten, aber leider hielten sich Probleme nicht immer an die Zeitpläne.

Er setzte sich an sein Pult und rief die Meldungen auf, wechselte ins Ortermenü. Auf dem Holofeld vor seinen Augen baute sich der Grund des Alarmes auf.

Mit einem Blick zum Kommandantenpult vergewisserte er sich, dass der Kommandant immer noch nicht da war.

Wahrscheinlich ins Koma gesoffen, war alles, was Allan zu dem Thema einfiel.

Die Nebenschichtvertretung hielt sich zum Glück im Hintergrund. Allan hatte momentan einiges zu überdenken, aber Kompetenzgerangel war nicht darunter.

Nur fünf Minuten nach dem stillen Alarm stürmte der Veego in die Kommandozentrale und eilte zum Navigationsterminal, wo er sich neben den gerade Dienst habenden Navigator setzte.

Nach einem kurzen Rundumblick stellte er fest, dass die CREST V gerade einen von ihm programmierten Orientierungsaustritt durchführte.

Ein etwas genauerer Blick auf die Ortungsdaten zeigte ihm, dass in geringer Entfernung offenbar eine Raumschlacht stattfand.

Das Schiff befand sich schon relativ nahe am Zielpunkt, noch drei oder vier Navigationsaustritte, aber momentan lagen andere Probleme auf der Hand: Die CREST V war mittlerweile schon ein einem Bereich, in dem die Sterne im Durchschnitt weniger als ein halbes Parsec zusammenstanden und das Schiff war in der Nähe eines Roten Riesensterns heraus gekommen.

So war es fast ein Wunder, dass das verhältnismäßig winzige Ortungsecho aufgezeichnet worden war. Das geortete Objekt, nein, die Georteten mussten enorme Energiemengen emittieren und das ließ wiederum auf ein künstliches Gebilde, wahrscheinlich mehrere Raumschiffe, schließen.

Dazu kam noch die Feinanalyse, und die Orterabteilung hatte wirklich alles heraus gekitzelt, was irgendwie möglich war. Ungewöhnliche Energieverteilungen wurden angezeigt, einige Spitzen wiesen darauf hin, dass dort geschossen wurde.

Mit einem Seufzen und einem Blick zum Kommandantenpult wies Allan da Gonozal die Navigation an, eine Kurzetappe zu dem Orterecho zu berechnen, was diese schon ohne Allans Wissen vorher begonnen hatte.

Ein paar Minuten darauf hatte Ostrog den Kurs an Gonozal übermittelt, der seine Zustimmung gab. Gleich darauf beschleunigte der Emotionaut Jean Stiletto das Schiff und brachte es wenig später in den Linearraum.

Allan haderte mit sich. Eigentlich hätte er Gelb/Manöveralarm geben müssen, immerhin näherte sich das Schiff einer möglichen Gefechtszone. Auf der anderen Seite schien es sich nicht um ein größeres Gefecht zu handeln, die Energieechos sahen auch nicht allzu bedrohlich aus, und sie würden sowieso in wenigen Minuten dort sein.

Schließlich entschied er, die »Aktion 5« zu starten, die jene zufällig ausgewählten Großbeiboote, welche sowieso momentan Bereitschaftsdienst hatten und binnen zehn Sekunden im freien Raum sein konnten, in erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen.

Yohkos Kabine

Yohko erwachte, als sie den stillen Alarm mitbekam und hatte etwas Kopfschmerzen. War wohl doch etwas zu viel Sake gewesen.

Verdammt! Was ist jetzt wieder los?, fragte sie sich. Doch nicht Raumschiffe der Antiterranischen Koalition oder diese komischen Raumer, die seit März in der Milchstraße aufgetaucht sind?

Yohko meldete sich kurz in der Zentrale und machte sich auf den Weg zu den Beibooten. Sie war mal gespannt, ob Dawn auftauchen würde.

Es gab das Gerücht, dass ihr Kollege das Talent hatte, selbst bei rotem Alarm – was dann erst recht für stillen Alarm galt – seelenruhig weiter zu schlafen.

Yohko kam erst an, als die Beiboote fertig waren. Sie betrat noch schnell eins der größten und wartete auf weitere Befehle aus der Zentrale, mit der sie dauernd in Verbindung stand.

Seeks Kabine

Seek streifte im Schlaf das Armband ab, das so lästig pulsierte und warf es in eine Ecke seines Quartiers.

Sekunden später strafte er sich selbst dafür, als er versuchte es wiederzufinden, während er auf einem Bein, einen Stiefel und die Uniformjacke halb angezogen, durch die Kabine in Richtung Nasszelle sprang.

Er stolperte über den anderen Stiefel und schlug unsanft auf dem Teppich seiner Kabine auf. Vor ihm auf der Erde summte etwas leise und gab ein pulsierendes Licht von sich. Als sich der Blick wieder geklärt hatte, erkannte Seek sein Multifunktionsarmband. Er ergriff es und legte es an, als er in die Hygienezelle stolperte.

Einige Hände Wasser machten das zerknautschte Gesicht des 2. Offiziers, der sich gleich nach der Verabschiedung der Sicherheitschefin zu Bett begeben hatte, auch nicht glatter. Artor rieb sich die Augen und seinen Kopf.

Dann griff er den zweiten seiner Stiefel, der immer noch am Boden lag und zog ihn hüpfend über seinen Fuß. Dabei begab er sich schon in Richtung Ausgang.

Auf dem Laufband richtete er die Uniform, so gut es ohne Spiegel möglich war und meldete sich in der Zentrale an.

Kommandozentrale

Dort angekommen sah er nur den ersten Offizier. Entgeistert fragte er diesen: »Was ist los? Wo sind die anderen?«

Allan hatte nicht mitbekommen, dass der zweite Offizier eingetreten war, bis dieser ihn ansprach. Mit einem Blick zu ihm sagte er mit beißendem Unterton: »Guten Morgen, hoffe wohl geruht zu haben. Wir haben einen Ortungsalarm. Da schießt wer. Ich habe gerade Kursänderung befohlen.«

Mit einem Nicken zum Kommandantensessel fuhr Allan fort: »Der Alte scheint heute ausschlafen zu wollen.«

Nur einen Augenblick nach dem Sprung in den Linearraum verließ die CREST V ihn auch schon wieder. Das Ultraschlachtschiff materialisierte in wenigen Lichtminuten Entfernung zu den beiden kämpfenden Schiffen, die nun mühelos identifiziert werden konnten.

Der eine Raumer war eine typische Springerwalze von ungefähr 500 m Länge, das andere Schiff offenbar ein Kugelraumer der Freihändler mit einem Durchmesser von etwa 250 m.

Während die CREST V mit vollem Schub verzögerte und ihre Paratronschirmstaffel aufbaute, kam auch schon ein Funkanruf herein. Allan Dean da Gonozal ließ ihn in die Kommandozentrale durchstellen.

Ein fetter und schwitzender Springer, anscheinend der Kommandant des Walzenschiffes, brüllte vom Hauptschirm herab: »Wer immer Sie auch sind, halten Sie sich ja aus diesem Gefecht heraus! Das ist allein unsere Angelegenheit, wir brauchen keine fremde Einmischung!«

Zento war gespannt wie Gonozal, der das Kommando im Moment hatte, auf diese Forderung reagieren würde. Der Ertruser würde sich nicht einmischen, da es die CREST wirklich nichts anging, außerdem galt Terra immer noch als zerstört.

Schon aus diesem Grund sollte man nicht zu großes Aufsehen erregen.

Roberts Kabine

Robert schlief gerade und erholte sich von der Party. Plötzlich hörte er Krach aus der Nebenkabine und schaute auf die Uhr.

Mitten in der Nacht, dachte er sich. Wahrscheinlich irgend jemand von der Nebenschicht! Morgen stehe ich um 7:00 Uhr auf, das ist früh genug.

In der Nebenkabine hörte man daraufhin einen lauten Krach und wilde Flüche.

Na ja, wenn der so flucht, kann es ja nicht so schlimm sein!, dachte Robert und schlief weiter.

5 Minuten später hatte er alles schon wieder vergessen.

Zentrale

Das Gebrüll des Springers hallte noch in der Zentralkuppel nach, als Allan die Optionen wälzte. Zu Seek gewandt meinte er nach einigen Sekunden, als die Wiederaufnahme des Gefechts gemeldet wurde: »Ein sehr diplomatischer Herr, was halten Sie davon, etwas Energie zu verschwenden?«, während er sich eine Kommunikationsleitung zum Hauptfeuerleitpult in der Feuerleitzentrale schalten ließ.

Denn vom Offizier an diesen Kontrollen, im Jargon auch »Feuerorgel« genannt, ließ sich die Feuerkraft des Schiffes weitaus präziser als von den Katastrophenschaltungen der Zentrale steuern; und genau das wollte Allan in diesen Momenten.

Seek verbarg ein inneres Schmunzeln, als Allan ihn nach ein wenig Energieverschwendung fragte. Stattdessen nickte er ernst und nahm auf seinem Stuhl Platz.

»Wir schießen beide Schiffe kampf- und linearflugunfähig«, stellte Artor fest.

Die Worte »Wir wollen es ja nicht gleich übertreiben!«, konnte Allan gerade so noch unterdrücken.

Die von Artor angefachte Methode, beide Schiffe unter Feuer zu nehmen, bis die Schilde zusammenbrachen und dann selektiert die Bewaffnung zu zerstrahlen, sowie zu versuchen mit einem Energiestrahl quer durch die Schiffe die Überlichtantriebstechnik zu zerstören, war Allan mit einem viel zu großen Risiko verbunden und erschien ihm weit überzogen.

Nicht zu vergessen, dass die Bordinpotronik die Feuerfreigabe in einem solchen Fall verweigert hätte – unprovozierte Feuerüberfälle auf Privatschiffe waren nicht unbedingt leicht mit den Dienstvorschriften der Flotte in Einklang zu bringen.

Also bat er den Waffenoffizier, einige hübsche, kleine Kunstsonnen zwischen den beiden Zivilraumern entstehen zu lassen, in der Größenordnung ausreichend, um beiden Kommandanten klar zu machen, dass sie exakt gar keine Chance hatten.

Artor schien von dieser moderaten Demonstration der Macht des Schiffes etwas enttäuscht zu sein.

»Mr Seek, heute besonders blutrünstig? Wohl nicht ganz ausgeschlafen?«, scherzte der erste Offizier, dem das Fehlen des Kommandanten langsam egal war. »So schlimm, dass er dafür den Tod verdiente, war das Benehmen des Springers auch wieder nicht.«

Seek schaute recht erstaunt, als ihm der erste Offizier Blutrünstigkeit vorwarf. Es konnte nur ein Scherz sein und ein Anzeichen dafür, dass Allan den Humor von Artor nicht verstand. Seek wollte aber nicht mehr darüber nachdenken.

Statt dessen blickte er auf den Panoramaschirm und kniff die Augen leicht zusammen, als das Feuer der CREST begann.

Es dauerte keine Minute, bis den Funk zwei eingehende Nachrichten meldete.

»Sir, der Springerkommandant und der Kommandant des anderen Schiffes wünschen uns zu sprechen«, warf der Funker in den Raum.

Seek schaute Allan an. »Die Reaktion kam aber schnell«, schmunzelte er.

Auf seinen Anzeigen konnte der erste Offizier sehen, dass die Feindseligkeiten zwischen den beiden Raumern bereits eingestellt waren.

Allan stand in aller Ruhe auf, ging zu einem der am Rand stehenden Getränkeautomaten und ließ sich einen Fruchtsaft geben. Nach einem kleinen Schluck streckte er sich ein wenig, drehte den Kopf und machte einige Dehnungsübungen.

Auf diese Art und Weise hatte er fast drei Minuten verbraucht, bevor er sich wieder setzte.

»Mr Seek, was meinen Sie, wie lange wollen wir sie zappeln lassen?«

Seek beobachtete den stellvertretenden Kommandanten, wie er sich viel Zeit ließ auf die Anfrage zu antworten. Auch Artor hatte nicht vor, so schnell zur Sache zu kommen und beantwortete deshalb Allans Frage: »Trinken Sie ruhig noch aus.«

Sulaes Quartier

Sulae wurde geweckt, als der stille Alarm ausgelöst und vom Nachhall eines überaus lauten, altarkonidischen Marsches verstärkt wurde.

Shalannan veranstaltete also mal wieder ein Höllenspektakel in ihrem Kopf. Schnell setzte sich Sulae auf und wurde von heftigen Kopfschmerzen begrüßt. Noch während sich der Schleier vor ihrem Geist klärte, versuchte sie sich zu erinnern, was geschehen war.

Als es ihr gelang, durchlief ihr ein heißer Schock: Shalannan hatte die Kontrolle übernommen, und das war NICHT gut, absolut nicht gut!

Nachdem sie zweimal heftig geschluckt hatte, meldete sich Shalannan zu Wort: Ja, du hast recht, meine Liebste, ich habe die Kontrolle übernommen, und du konntest nichts dagegen tun, absolut gar nichts!

Das wird dir nicht noch einmal gelingen, Shalannan, das garantiere ich!, antwortete Sulae düster.

Warten wir's ab, meine Freundin, warten wir's ab …, war Shalannans einziger Kommentar, bevor sich der Extrasinn vollkommen zurückzog.

Ein paar Sekunden saß Sulae nur im Bett und versuchte, sich und ihre Kopfschmerzen unter Kontrolle zu bringen, bevor sie sich an den stillen Alarm erinnerte, der sie ja geweckt hatte.

Schläfrig schaute sie nach, wie viel Uhr es war und sprang dann aus dem Bett. Nach einer Weile unsicheren Taumelns und einem halben Eimer Wasser über dem Kopf fühlte sie sich endlich etwas besser.

Gang, Sicherheitszentrale (BZ: 4:40 Uhr)

Sie verließ das Quartier und ging in Richtung Sicherheitszentrale, wo sie sich zuerst über den aktuellen Status informieren ließ. Schließlich dachte sie, dass das eine gute Gelegenheit wäre, ihre Offiziere antreten zu lassen.

Also gab sie den entsprechenden Befehl raus und ging dann erst mal in ihr Büro, um das Durcheinander dort zu ordnen.

Kurze Zeit später meldete ein Offizier, dass alle angetreten seien. Sulae stand also auf und folgte dem Offizier in die Zentrale, wo sich alle Sicherheitsoffiziere, die zurzeit Bereitschaft hatten, aufhielten.

Viele sahen müde und unausgeschlafen aus, hielten sich jedoch ganz gut. Einer sah sie sehr besorgt an und Sulae blieb kurz stehen, um ihm einen prüfenden Blick zuzuwerfen. Als er nichts sagte, ging sie schließlich weiter.

Sie konnte nicht sagen, unzufrieden zu sein, denn die Schicht war vollzählig anwesend und im Notfall einsatzbereit.

Anschließend trat sie vor ihre Untergebenen und sagte: »Ich habe Sie herrufen lassen, weil ein stiller Alarm ausgelöst wurde und ich außerdem testen wollte, wie gut Sie im Ernstfall reagieren. Ich muss sagen, ich bin zufrieden! Nun gehen Sie bitte auf Ihre Posten, wir wissen nicht, wie gefährlich die Situation werden könnte, aber ich will vorbereitet sein! Wegtreten!«

Sie sah zu, wie sich die Gruppe langsam zerstreute.

Als ihr etwas einfiel, hielt sie einen Offizier am Arm fest und sagte zu ihm: »Ach, Vron, ich wollte noch etwas mit Ihnen besprechen, kommen Sie doch bitte mal in mein Büro …«

Vron war schrecklich müde. Er war gestern wohl doch zu lange auf der Beförderungsfeier gewesen. Aber wenn die Chefin nicht alle Offiziere hätte antreten lassen, wäre er ja auch noch nicht wach gewesen.

Sulae machte, wenn man bedachte, was gestern passiert war, noch einen sehr frischen Eindruck. Dennoch musterte er sie besorgt. Als sie ihn dann ansprach und ihn in ihrem Büro sprechen wollte, ging er natürlich sofort dorthin.

»Sie wollten mich sprechen?«, fragte er. »Geht es um die Diebstähle?«

Sulae sah aus den Augenwinkeln, wie Habel ihr folgte, also ging sie in ihr Büro voraus. Dieses war inzwischen, nach einigem Gemecker der äußerst penibel veranlagten Shalannan, sehr ordentlich, wie es sich ihrer Meinung nach für eine Sicherheitschefin gehörte.

Sulae trat hinter ihren Schreibtisch, während Habel davor geduldig, oder einfach nur müde, wartete. Dann drehte sie sich um und fragte: »Sagen Sie, Mr. Habel, wie geht es mit den Ermittlungen voran? Ich habe bisher noch keinen Bericht erhalten, daher wollte ich mich einmal persönlich erkundigen.«

Als Sulae den Bericht erwähnte, zuckte Vron etwas zusammen. Sollte er die Wahrheit nett verpacken, oder sie brutal aussprechen.

Er entschied sich eher für das zweite: »Es ist bisher kein Bericht eingetroffen, weil ich nicht viel zu berichten habe. In den Kabinen der zwei Opfer hat es keine verwertbaren Spuren gegeben, wobei diese bei der Verwischung möglicher Spuren mitgeholfen haben.

Einen Hauptverdächtigen haben wir auch noch nicht, genauso wie wir über das Motiv nur spekulieren können. Bei Tsuran und Wilford kann auch leicht davon ausgegangen werden, dass den beiden jemand eins auswischen wollte, womit wir viele kleine Verdächtige haben, das reicht hinauf bis in den Kommandostab.

Eigentlich können wir nur hoffen, dass der Dieb nervös wird und einen Fehler macht. Allerdings bin ich seit sieben Stunden nicht mehr an dem Fall dran. Es könnte neue Erkenntnisse geben.«

Vron wartete erst einmal ab, wie die Chefin auf den Bericht reagierte.

Sulae sah ihren Untergebenen stirnrunzelnd an, während sie ihn über nicht gewonnene Erkenntnisse reden hörte. Nachdem er geendet hatte, schwieg sie eine Weile, um selbst nachdenken zu können und Habel noch etwas im Ungewissen über ihre Reaktion zu lassen.

Schließlich regte sie sich doch, sah Habel ins Gesicht und antwortete: »Nun gut, die Feier hat wohl alles unterbrochen, das kann ich verstehen.«

Sie machte eine kurze Pause.

»Sie sahen nur vorhin etwas besorgt aus und ich dachte, das habe etwas mit dem Fall zu tun. Doch wenn das etwas Privates ist und nichts mit dem Fall zu tun hat, will ich nicht weiter fragen. Ich hätte allerdings doch gerne in spätestens 72 Stunden einen kurzen, schriftlichen Bericht, auch wenn es nichts zu berichten gibt.

Gibt es sonst noch etwas? Falls nicht, sind Sie dann entlassen …«

Sie sah den Sicherheitsmann aufmerksam an und wartete.

Zentrale (BZ: 4:48 bis 4:50 Uhr)

Nach noch einem Schluck wies Allan den verschlafen wirkenden Kommunikationsoffizier an, die Signale der beiden Fremden durchzustellen. Auf zwei Sektoren der Panoramagalerie wurden die überlebensgroßen Gesichter eines Mannes mit traditioneller Springerbarttracht und einer Frau in einem altertümlichen Kostüm sichtbar.

Was beide Gestalten gemeinsam hatten, war ihr Geschrei in den Aufnahmesysteme und der ähnliche Text.

Während Allan sich in aller Ruhe setzte, vernahm er Sprüche, die von »Privatangelegenheit« und »keine Jurisdiktion« so wie »Frechheit« durchsetzt waren. Dazu kamen noch einige Flüche, welche Allan zwar zum größten Teil bekannt vorkamen, er aber selten in solcher Konzentration gehört hatte.

Insbesondere die Frau, wohl die Fürstin des Freifahrerschiffes, schien ein besonderes Talent zu haben, Schimpfwörter aneinander zu reihen. Allan nahm sich vor, die Aufzeichnungen der Minuten, die vor der Freischaltung ungehört dahin geplätschert waren, bei Gelegenheit nachzuholen.

Mit einer Geste schaltete er sich auf Sendung und hielt genervt eine kleine Ansprache, welche nach einigen Sekunden fürs Verstummen der Flüche sorgte.

Er begann: »Meine werten Herrschaften! Ich bin Oberstleutnant Allan da Gonozal vom Ultraschlachtschiff der Galaxisklasse CREST V der Solaren Raumstreitkräfte. Wie Sie bestimmt bemerkt haben, befinde ich mich hier an Bord eines Schlachtschiffes des Solaren Imperium, welches Sie beide gleichzeitig in Sekundenbruchteilen in schnell expandierende atomare Gaswolken verwandeln kann!

Was den juristischen Status angeht, über denn Sie ja so besorgt zu sein scheinen: Ich darf laut Verfassung, auf die ich vereidigt wurde, weder zulassen, dass ein Schiff mit terranischer Besatzung ohne Provokation vernichtet wird, noch dass es ein Schiff eines anderen Volkes vernichtet. Ich weiß, dass sich viele Freihändler nicht als Bestandteil des Solaren Imperiums sehen, aber um ehrlich zu sein, mir ist das egal.

Über den momentanen Status des Solaren Imperiums könnten wir gerne diskutieren, aber leider befinden wir uns auf einer Rettungsmission, und es ist«, er warf einen Blick auf sein Chronometer, »vor 5 Uhr Bordzeit. Also wäre ich Ihnen beiden dankbar, wenn Sie mir kurz und knapp erklären könnten, worum es hier geht, damit ich binnen der nächsten Stunde vermittelnd helfen kann – denn danach lässt mit Sicherheit die Wirkung dieser Brühe, die hier als Kaffee bezeichnet wird, nach und ich werde meine Geduld verlieren.

Das heißt dann: Beide Schiffe aufbringen und in eine Parkbahn um die nächste Sonne bringen, die Crew inhaftieren lassen und die Rettungsmission durchführen, bei der es schließlich auch um Leben geht.«

Als er den Sender wieder abstellte, waren die beiden Gesichter vom Monitor verschwunden.

Er nahm noch einen Schluck des auf dem Schiff auch gerne als Mottensaft bezeichneten Getränks und fragte sich, wie er seine Vorgehensweise dem Kommandanten erklären wollte, sollte dieser doch noch auftauchen.

An Bord des Freifahrer-Schiffes OLCON (BZ: 4:40 bis 4:50 Uhr)

Was bildeten die sich eigentlich ein, so mit mir umzuspringen?, dachte Chiara wutentbrannt. Sie haben kein Recht dazu, mich auf diese Weise von meinem Kampf abzuhalten. Schließlich ging der sie gar nichts an!

Während sie laut vor sich hin schimpfte, wurde sie das Gefühl nicht los, dass man ihr gar nicht zuhörte und das steigerte ihre Wut nur noch. Sie stieß ein Schimpfwort nach dem anderen aus, obwohl sie wusste, dass man darauf nicht reagieren würde!

In ihrem Kopf überschlugen sich ihre Gedanken: Man nahm ihr die Chance zur Rache! Endlich, endlich hatte sie diese bekommen und jetzt machte man ihr das zunichte.

Das würde sie nicht einfach so hinnehmen!

Sie kam sich schon langsam dumm vor, wie sie so dastand und vor sich hin brüllte, da erhielt sie endlich eine Reaktion, die sie nach ein paar Sekunden schon, vor lauter Zorn über diese Frechheit, verstummen ließ.

Empört stellte sie fest, dass man ihr, der Fürstin Chiara Karadin, drohte und von ihr eine friedliche Einigung verlangte! Das fehlte gerade noch.

Sie wollte Rache und jetzt verlangte man von ihr eine FRIEDLICHE Einigung! Oh nein, das Solare Imperium hatte ihr gar nichts zu sagen! Und der Kommandant von dem Schlachtschiff da drüben erst recht nicht, der konnte sich seine Rettungsmission sonst wohin stecken.

Sie hatte genug.

Langsam beruhigte sie sich wieder und langsam kam ihr auch die Erkenntnis, dass sie gar keine Wahl hatte; sie musste zustimmen. Das gefiel ihr zwar ganz und gar nicht, aber sie musste einsehen, dass es die einzige Möglichkeit war! Im Moment zerfetzte sie den Kommandanten zwar in ihren Gedanken, aber sie hatte sich entschieden.

Mit einem gequälten Gesichtsausdruck erklärte sie sich dazu bereit nach einer friedlichen Lösung zu suchen, also setzte sie wutschnaubend den Funkspruch mit ihrer »Zustimmung« ab.

Zentrale (BZ: 4:50 Uhr)

Seek schaute Allan an: »Gut gebrüllt, Löwe«, schmunzelte er. »Was gedenken Sie nun zu tun? Ich würde vorschlagen, dass wir jede Partei einzeln hören und uns eine Meinung bilden. Dann laden wir beide Streitpartner auf die CREST V ein und versuchen, das Problem zu bereinigen!«

Gespannt blickte er immer noch auf den ersten Offizier, der den letzten Schluck aus seinem Becher nahm. Sein Blick war immer noch auf den Schirm vor ihm gerichtet.

Wo war eigentlich der Kommandant? Der war doch für solche Sachen verantwortlich, dachte Artor bei sich.

Dann wandte er sich an den Funk: »Können Sie mal vorsichtig nachfragen, ob Oberst Strader schon sein Quartier verlassen hat?«

Der Mann am Funk nickte müde und betätigte einige Knöpfe auf seinem Pult.

Kaum hatte der zweite Offizier angefangen, nach dem Kommandanten zu forschen, kam dieser gerade durch einen der Zentralantigravs und stürmte »Status« rufend zu seinem Kommandopult.

Während Allan da Gonozal ihm einen kurzem Überblick über die Situation verschaffte, begann auf einmal Straders Multifunktionsarmband sich bemerkbar zu machen. Strader blickte auf die Anzeige und runzelte die Stirn. Sekunden später teilte er Artor Seek in einem etwas verwunderten Tonfall mit, dass sein momentaner Standort am Kommandantenpult gelegen sei.

Artor wollte gerade antworten, als fast gleichzeitig die beiden Schiffe wieder mit senden begannen, und nun bestand wieder das Problem darin, dass beide ihre Sicht der Dinge erzählen wollten, und dabei in der Kommandozentrale ein Durcheinander stifteten, da keiner verstehen konnte, was im Einzelnen gesagt wurde.

Dass sie ungebündelt sendeten und sich dadurch auch gegenseitig empfingen, konnte man spätestens dann bemerken, als sie sich gegenseitig als Lügner zu bezeichnen begannen.

Sich das Geschrei auf dem Panoramaschirm anschauend stützte der Kommandant seinen Kopf mit den Händen ab und warf einen gequälten Blick auf seine Umgebung.

»Dreht doch mal den Ton leiser, davon bekommt man ja Kopfschmerzen!«, stöhnte er.

Ganz im Gegensatz zum Alkohol von vorhin, schoss es Allan durch den Kopf, als der Kommunikationsoffizier den Ton herunter regelte.

»Mr Gonozal, beschreiben Sie doch bitte kurz die Situation!«, sagte der sichtlich angeschlagene Oberst.

Allan berichtete in knappem Ton, dass sie über zwei Schiffe »gestolpert« waren, welche damit beschäftigt waren sich gegenseitig zu grillen, und dass er eine Intervention genehmigt habe.

Nach dem, was man aus dem Geschrei der beiden Streithähne entnehmen konnte, schien die Terranische Freihändlerin ein ziemliches Hühnchen mit dem Springer zu rupfen zu haben und dieser fühlte sich komplett unschuldig verfolgt.

Schon seit Jahren, wie er jammerte, würde diese »Furie« versuchen ihn umzubringen, und das alles nur, weil sie nicht rechnen könne.

Dies löste wieder eine ziemliche Kanonade von Flüchen seitens der Terranerin aus.

Nach einigen Sekunden meinte Strader: »Einen hinreißenden Wortschatz hat die Dame! Wir können uns nicht zu lange hier aufhalten. Was schlagen Sie vor? Internierung und die Schiffe von Krisenbesatzungen nach Olymp schicken zu lassen, oder sollen wir doch erst versuchen, Vernunft in die Herrschaften zu bekommen?«

Nach der Erklärung für den sichtlich geschwächten Kommandanten wollte Seek eigentlich vorschlagen, sich maximal drei Stunden Zeit für diese Angelegenheit zu nehmen, um den Missionszeitplan nicht zu überschreiten.

Aber der Ertruser Zento Rutan mischte sich sofort in die Beratung ein. Der Kommandant hatte in der Runde gefragt, ob jemand Vorschläge hätte.

Der Ertruser trat einen Schritt vor und sagte mit gedämpfter Stimme: »Sir, ich könnte mit ein paar Leuten denen da drüben Manieren beibringen. Wenn sie Probleme machen, bringen wir sie nach Olymp.«

Ohne den Vorschlag zu berücksichtigen, trug Artor seinen Vorschlag vor: »Ich denke, wir sollten versuchen, die beiden Parteien hier auf die CREST einzuladen, um den Streit zu schlichten. Hier ist neutrales Gebiet und wenn wir nach drei Stunden immer noch keine Möglichkeit zur Lösung des Problems haben, können wir die Schiffe immer noch entern und nach Olymp bringen lassen.«

Nachdem der Kommandant die Augen vorsichtig wieder geöffnet hatte – er war zusammengezuckt, als der Leiter der Bodenkampftruppen lautstark seinen Vorschlag verkündet hatte – stimmte er dem Vorschlag des zweiten Offiziers zu, lehnte sich zurück und meinte zum ersten Offizier: »Machen Sie das. Man kennt Sie da drüben schon, wir wollen nicht noch mehr verwirren.«

Allan wandte sich an Major Rutan und befahl ihm zwei kleine Infanterieeinheiten zusammenzustellen und diese in fünf Minuten an Bord zweier Space Jets bereitzuhalten.

Dieser nahm das zum Anlass mit hektischer Aktivität an seiner Kommunikationsausrüstung herumzuwerkeln.

Dann ließ sich Allan wieder auf Sendung schalten und erklärte den verdutzt schauenden Zankparteien, dass sie sich, um weitere Unannehmlichkeiten, wie zum Beispiel das Entern ihrer Schiffe, zu ersparen, doch bitte in ungefähr zehn Minuten an Bord der zur Abholung erscheinenden Space Jets begeben mögen, dies natürlich allein und unbewaffnet.

Zento ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen und teilte sich selbst für eines der Teams ein. Gemeinsam mit Jack O'Brian, einem stämmigen Terraner, flog er zu dem Springerschiff. Das andere Team bestand aus Leutnant Fowler und Kadett Müller, ebenfalls Terraner.

Der Major ließ sich direkt in die Space Jets abstrahlen und erlebte so noch den Start mit. Sie erreichten das Walzenschiff nach wenigen Minuten und flogen, nachdem sie sich angemeldet hatten, in den Hangar ein.

Zento stieg als einziger aus und blickte auf den Springer hinab: »Sind Sie bereit?«

Der Angesprochene stapfte wortlos die Rampe hinauf und ein Dutzend anderer wollte ihm folgen.

Rutan stellte sich ihnen jedoch in den Weg und sagte: »Das ist eine Sache, die nur zwischen den Kommandanten ausgetragen wird!«

Den wütenden Protest überhörte er einfach und kehrte in die Space Jet zurück.

In der CREST wieder angekommen brachte er den Patriarchen und die Freihandelsfurie in den Besprechungsraum neben der Zentrale, in der schon die wichtigsten Personen auf die Streithähne warteten.

Zento stellte hinter die beiden, um in Ernstfall sofort eingreifen zu können.

Roberts Kabine (BZ: 5:00 Uhr)

Robert wachte auf. Obwohl er eigentlich noch zwei Stunden hätte schlafen können, tat er das nicht. Er fühlte sich putzmunter, was eigentlich vor 5 Uhr morgens ungewöhnlich war.

Nun ja, es lohnte sich nicht sich über Wunder den Kopf zu zerbrechen, so ging er erst einmal frühstücken.

Messe (BZ: 5:20 Uhr)

Als sich Robert an einen Tisch setzen wollte, hörte er, wie ein Kadett Müller, lautstark Zento Rutan, seinen neuen Chef pries. Der hatte doch glatt einen Springer und eine Freifahrerin zur Ordnung gebracht.

Der Kadett bedauerte nur, dass er mit einem erfahrenen Crewmitglied tauschen musste und bei der Besprechung nicht dabei sein konnte.

Robert hörte gespannt zu. Dann rief er bei den Zentrale an, meldete sich und fragte nach dem Vorfall. Wenige Zeit später bestellte ihn Strader in einen Besprechungsraum.

Robert bemerkte sofort, dass es den Kommandanten nicht gut ging. Warum fiel ihm allerdings nicht ein.

2. … bringt Streit und Sorgen.

Todds Quartier

Todd und seine Geliebte Tamara gingen Hand in Hand an einem Strand spazieren und sahen der Sonne dabei zu, wie sie am Horizont im Meer versank. Er schaute sie an und küsste sie innig.

Als sie ihm etwas zuflüstern wollte, hörte er nicht wie sonst die gewohnte liebliche Stimme, sondern nur ohrenbetäubenden Krach.

Todd fuhr erschrocken in seinem Bett hoch, sah sich verwirrt um und brauchte erst eine Weile um sich in die Wirklichkeit zurückzufinden. Er hatte wieder einmal nur von ihr geträumt, wie so oft.

Jetzt, da er wach war, war sie weg, aber der tosende Lärm war immer noch da.

Er versuchte wieder einzuschlafen, aber egal, was er auch anstellte, er schaffte es nicht mehr. Wütend stand er auf und wollte herausfinden, wer die Verursacher dieser Ruhestörung waren. Er lauschte und fand heraus, dass es nur von irgendwo über ihm kommen konnte.

So, wie er geschlafen hatte, in seinem viel zu großen Schlafanzug, stürzte er auf den Flur, rannte zum nächstgelegenem Antigravitationsschacht, schwebte eine Etage nach oben, rannte zum besagten Quartier und haute auf den Türöffner.

Schon während des Eintretens brüllte Todd: »Ruhe verdammt noch mal! Manche Leute wollen noch schla …«

Ihm stockte der Atem, denn bisher hatte er geglaubt, dass hier eine wilde Party gefeiert wurde.

Tatsächlich war eine Art Schlägerei im Gange.

Er erkannte, dass er sich im Besprechungsraum befand und er erblickte bekannte Gesichter, aber auch einen Springer mit blau angeschwollenem Auge, eine Frau in altertümlicher Kleidung und noch einige andere Besatzungsmitglieder, die allem Anschein nach Soldaten waren und diese beiden auseinander hielten.

Im Glauben, noch nicht bemerkt worden zu sein, drehte er sich um und wollte sich aus der für ihn peinlichen Situation zurückziehen.

Doch dafür war es zu spät.

Besprechungsraum

Als Robert den Raum betreten wollte, hörte er einen riesigen Lärm und sah draußen ein Crewmitglied stehen.

»Was ist denn hier los?«, fragte er.

In dem kleinen Raum war die Hölle los. Anscheinend waren die beiden Streitparteien schon längst vom Verhandeln zum Handeln gewechselt. Es herrschte ein Tumult, in dem sich keiner der beiden etwas schenkte.

Zento sah, wie sich die Sicherheitsleute auf die Frau stürzten, um sie zu bändigen, während der Springer einen Tisch zur Seite schleuderte und Richtung Ausgang rennen wollte.

Der Ertruser sprintete ebenfalls los und sprang den Patriarchen von der Seite her an. Aus den Augenwinkeln heraus sah er zwei Männer auf dem Gang stehen, die sich vor Schreck nicht rührten. Mit geübten Schlägen setzte Rutan seinen Kontrahenten außer Gefecht und stellte ihn wieder auf die Beine.

»Lass mich los, du Grobian«, brüllte der Springer wütend.

»Schnauze«, erwiderte der Raumlandechef mit voller Lautstärke.

Schlagartig wurde es still im Raum.

Die Freihandels-»Dame« war mittlerweile überwältigt worden und wurde von zwei Sicherheitsmännern festgehalten. Der Ertruser brachte den tobenden Springer zu seinem Platz zurück und setzte ihn wieder hin.

Anschließend forderte er zwei Kampfroboter an und befahl ihnen die beiden sofort zu paralysieren, wenn sie ohne Erlaubnis ihre Plätze verließen.

Die Führungsspitze des Schiffs bog gerade auf den Gang ein, auf dem der Besprechungsraum lag, und beratschlagten das weitere Vorgehen, als sie ein ziemliches Getöse hörten, welches von verschiedenen Schreien untermalt wurde.

Ein bleicher junger Mann mit verschlafen wirkenden Augen kam ihnen entgegen und riss diese ziemlich auf, als er die drei erkannte.

Als sie durch die Tür traten, hörten sie noch die Anweisungen des Chefs der Landetruppen, welche ziemlich harsch klangen. Aber immerhin schien die Frau von drei gestandenen Landetruppensoldaten kaum zu halten sein.

Also sagte Allan Gonozal, welcher vom Kommandanten zum Verhandlungsführer auserkoren worden war: »Würde mir bitte jemand – wenn wir uns alle ein wenig beruhigt haben – sagen, worum es hier geht?«

Die drei Führungsoffizieren nahmen an der Stirnseite des länglichen Tisches Platz.

Den Streitparteien wurden gegenüberliegende Plätzen an den langen Seiten des Tischs angewiesen. Nachdem auch die Führungscrew eingetroffen war, hätte sich die Situation eigentlich klären können, aber sie blieb verworren.

Weder der Springer noch die Freihändlerin schienen sehr gesprächsbereit zu sein. Nur Zento war gesprächsbereit und der war naturgemäß nicht viel schlauer als die Neuankömmlinge.

Nachdem Alun auch am Konferenztisch Platz genommen hatte, nicht weit von Allan, Strader und Seek entfernt, hätten die Verhandlungen eigentlich beginnen können, aber so einfach war das nicht.

Der Springer saß nur in einer Ecke und rief: »Ich verhandle nicht mit der. Sie wollte mich gerade eben umbringen. Und Ihr Muskelprotz da vorne«, dabei deutete er auf Rutan, »war gern bereit, ihr zu helfen. Und da soll ich verhandeln?«

Auch die Freifahrerin zeigte ebenfalls nicht bereit zu einer Verhandlung. Anstelle von halbwegs verständlichen Sätzen, kamen von ihr nur wüste Beschimpfungen.

»Kaffeeeee?«, fragte irgend jemand in den Raum.

Die fragenden und zugleich strafenden Blicke aller im Raum ruhten plötzlich auf Artor Seek, der schwer schluckte und seinen Vorschlag sofort wieder vergessen hatte. Wahrscheinlich war hier niemand Kaffeetrinker, oder er hatte einfach nur den falschen Zeitpunkt für eine solche Frage erwischt.

»KAFFEE«, schrie Chiara außer sich vor Wut und versuchte erneut, sich auf den Springer zu stürzen. Mit Mühe konnten die Wachen den Mann vor der tobenden Freihändlerin retten.

»Nachdem ich zum letzten Mal mit diesem Hundesohn einen Kaffee getrunken habe, hat er meine Tochter Sibylle entführt. Und die will ich zurück – um jeden Preis!«

Der Patriarch fühlte sich zu einer Entgegnung gezwungen, durfte dabei aber nicht zu viel von den vermeintlich legalen Geschäften der Vergangenheit preisgeben, zumindest nicht vor den Vertretern der Solaren Flotte.

Er versuchte ruhig zu bleiben und entgegnete: »Du alte Schachtel willst es nicht kapieren: Sie will bei mir bleiben, sie ist jetzt meine Frau!«

Dies schien für alle Anwesenden doch der entscheidende Punkt zu sein und der Springer fühlte sich sichtlich am längeren Hebel. Dass es sich bei seiner Frau um seine Vierte handelte und er mit ein wenig Hypnostrahlerbehandlung nachgeholfen hatte, wusste außer ihm ja niemand.

Chiara sah die Sache natürlich völlig anders: »Das schlägt dem Fass doch den Boden aus. Wie oft soll ich eigentlich noch klar machen, dass es mir völlig gleich ist, ob sie deine Frau ist oder nicht. Sibylle gehört mir und wird mir auch so lange gehören, bis du mir den Preis bezahlt hast, den sie als Braut wert ist. Und du weißt ganz genau: Ich will 140.000 Solar. Und bis ich die, oder meine Tochter, zurück habe bist und bleibst du ein Kinderräuber!!«

Diese Diskussion löste einige Kinne und ließ sie auf den Tisch fallen! Schweigen breitete sich ob dieser unvermuteten Wendung unter den Männern der CREST V aus.

Aber auch die Neugierde darüber, ob das hier eine moderne Form von Menschenhandel war.

»Kind? Mit 27 ist sie eine erwachsene Frau und weiß, was sie tut. Ich meine: Welche Mutter muss ihr Kind mit Impulsstrahlern, ja mit Schiffsgeschützen zurückholen?« erwiderte der Patriarch.

»Mein lieber Schwiegersohn. Wer wird denn seiner geliebten Schwiegermutter solche Sorgen bereiten? Weißt du, was mich allein das Kopfgeld kostet, das ich auf deine Birne ausgesetzt habe? Und wo kommen wir denn hin, wenn jeder mir einfach so eine Tochter abspenstig machen könnte? Was würdest du Halunke denn machen, wenn irgendwer sich an deinen Kindern vergriffe?«, säuselte die Freihändlerin plötzlich in scheinbar versöhnlichem Tonfall.

»Wo kämen wir denn dahin, wenn für Liebe zu zahlen ist?«, konterte der Springer.

»So weit ich weiß, ist Brautgeld eine alte Tradition der Springer«, warf Allan ein.

Wieso kennt sich ausgerechnet Allan mit so etwas aus?, fragten sich die anderen im Stillen.

Wäre Robert paranoid gewesen, hätte er jetzt wohl Allan der Diebstähle verdächtigt, die sich seit einiger Zeit ereigneten.

Die wahrscheinlich einfachste Erklärung war, dass in der Ausbildung der Arkoniden auch das Wissen über Springer mit eingeschlossen waren.

Wie das Ganze ausgehen sollte, war ihm recht egal. Die beiden waren Schurken durch und durch.

Nur die arme »Ehefrau« des Springers, falls sie das war, konnte einem Leid tun.

Der letzte Satz der Freifahrerin drängte den Springer weiter in die Defensive.

Der Versuch: »Aber sie ist keine Springerin, ich habe sie nicht einer ehrbaren Sippe entnommen, welche für die fehlende Arbeitskraft entschädigt werden will«, brachte ihn nicht zuletzt deshalb nicht weiter, weil sein rot angelaufenes Gesicht Bände sprach.

»Ohne Preis kein Gut – eine alte Springerregel, welche die Freihändler verfeinert haben. Ich stecke keinen Solar zurück«, entgegnete Chiara rasch, die langsam Oberwasser bekam.

Der 1 Offizier trank genüsslich einen Fruchtsaft, während die andern zeterten, und warf dann ein: »Vielleicht sollten wir die junge Dame dazu befragen …?«

»Wozu denn das?«, ereiferte sich die Karadin. »Die hat doch als Patriarchenweibchen jetzt eh nichts mehr zu melden. Glaubt denn irgendeiner, dass sie sich an Bord dieses Piraten irgendwie frei äußern darf?«

»Dann soll sie halt hierher kommen.«

Langsam wurde der Springer immer nervöser. Wie sollte er denn jetzt noch den Kopf aus der Schlinge ziehen? Die Hexe ihm gegenüber war ja schon fast so schlimm wie die Rhiordan.

»Ich bin einverstanden!«, ließ die Freihändlerin nach kurzem Überlegen verlauten.

Sie war sich zwar ganz und gar nicht sicher, ob ihre Kleine wirklich zu ihr zurückkehren wollte, und schließlich war Chiara das Geld lieber. Aber vielleicht brachte sie die Anwesenheit von Sibylle hier ja weiter.

»Oder willst du nicht doch lieber zahlen?«

»Du willst mich ruinieren, es ist schon Schande genug, dass ich mit Menschen und dann auch noch Freihändlern Geschäfte mache.«

Woher hätten die Anwesenden auch wissen sollen, dass die »Tochter« nur ein Besatzungsmitglied der Freihändlerin war, welches sie als Pfand dem Springer für ihre Geschäfte hinterlassen hatte.

Niemals hätte sie ihre eigenen Töchter riskiert, zurecht, wie die Situation gezeigt hatte. Und deshalb konnte sie ja jetzt auch Bordwaffen einsetzen.

»Selbst Schuld: Halte dich an die gültigen Regeln und du hast keine Probleme.« Ihr feistes Grinsen fiel dabei nur dem Springer auf.

Während im Raum fast absolute Stille herrschte, wies der erste Offizier an, dass noch einmal ein Shuttleflug zum Springerschiff getätigt werden sollte, um dort eine junge Dame abzuholen, und ließ eine Verbindung für den Patriarchen schalten.

»Nun, lieber Schwiegersohn«, flüsterte Chiara ihrem Gegenüber vertraulich zu, »wenn Sibylle erst hier ist, wird sie dich des Menschenraubs beschuldigen und du wirst nie wieder einen Fuß auf dein Schiff setzten dürfen. Wahrscheinlich werden sie dich gleich hier an Bord einbuchten. Du solltest einlenken!«

Der Springer knurrte nur

»Vermutlich werde ich dein Schiff gleich nach deiner Festnahme als Preis übernehmen. Ist zwar ein Klapperkasten, aber vielleicht kann ich damit wenigstens einen Teil meiner Kosten decken – und dich wird das Ganze teurer kommen als lumpige 200.000 Solar – die Inflation, du verstehst? Hier ist mein Credstick. Lade den Betrag darauf und wir vergessen die ganze Sache.«

Einige Augenbrauen hoben sich bedeutsam, als Chiara ihrem Gegenüber etwas zusteckte.

Sicherheitszentrale

Nach dem Gespräch mit Habel war Sulae zuerst in ihr Büro zurückgekehrt und hatte einige Dinge geordnet, während sie mit Shalannan sprach: Shalannan, was gestern Abend passiert ist, war nicht gut, ganz und gar nicht.

Oooch, hat es dich erschreckt, dass es so einfach ist, dich aus deinem Platz zu vertreiben?

Nein, jetzt einmal ernsthaft, erwiderte Sulae. Abgesehen davon, dass du ein sehr strenges Tabu gebrochen hast, ist es auch noch gefährlich. Du hast keine Erfahrung im Umgang mit einem Körper und du weißt nicht, wie man sich verhält. Es hat Aufsehen erregt, und das weißt du. Ich möchte diese Geschichte ehrlich gesagt so wenig Personen wie möglich anvertrauen.

Nun, du wirst dich damit abfinden müssen, dass das nun möglich ist. Und eines verspreche ich dir: Ich werde es wieder versuchen.

Bei der Drohung schaute Sulae düster drein. Es gefiel ihr nicht, was Shalannan tat und noch weniger gefiel es ihr, dass der Extrasinn recht hatte.

Sie konnte sich noch nicht einmal eine vernünftige Gegenmaßnahme ausdenken, ohne dass Shalannan davon wusste. Trotzdem entgegnete sie: Nun, wir werden sehen. Das darf nicht noch einmal passieren, denn du weißt ganz genau, was geschehen würde. Ach ja, und wenn du es wieder versuchst, werde ich dieses Mal vorbereitet sein.

Sie hoffte nur, dass diese Drohung auch stimmte.

Besprechungsraum

Nachdem sie eine Weile überlegt hatte, hatte sich Sulae entschlossen, in den Besprechungsraum zu gehen und für die Sicherheit dort zu sorgen.

Nur für alle Fälle.

Als sie ankam, sah sie zwei sich streitende Personen, während die meisten der anderen hochgestellten Offiziere anwesend waren und zu vermitteln versuchten. Sie ließ sich von einem der Offiziere halbwegs über die Situation aufklären und hörte dann dem Streitgespräch mehr oder weniger stumm zu.

Shalannan schien die »Vorstellung«, wie sie es nannte, sehr gut zu gefallen. Sulae konnte ihr Lachen im Hinterkopf hören und hätte sich am liebsten geohrfeigt um sie zum Schweigen zu bringen. Doch war sie sich sehr wohl darüber im Klaren, wie das aussehen würde, also ließ sie es bleiben.

Da öffnete sich die Tür und zwei Wachen brachten eine weitere Person in den Raum. Es handelte sich um eine ungefähr 1,70 Meter große Frau, die über keinerlei Ähnlichkeit zu Chiara Karadin verfügte.

Die Frau riss sich überraschend los und sprang zu dem Springer, da feuerten die Roboter mit ihren Paralysatoren auf sie.

Noch bevor Sulae aufgestanden war und ihre Waffe gezogen hatte, hatten die Roboter schon geschossen und die Frau paralysiert. Mit einem Leisen Seufzer setzte sich Sulae wieder und wartete ab.

Wollte sie ihn angreifen oder liebkosen? Eine Antwort würde erst Stunden später gefunden werden können, aber konnte die CREST V so lange warten?

Nun war der erste Offizier gefragt.

Um das Chaos noch zu vergrößern, meldete sich die Funkzentrale: »Entschuldigung, dass ich störe, aber eine Passagierin des Freifahrerschiffes bittet darum, auf die CREST überzuwechseln. Sie ist angeblich Bürgerin des Solaren Imperiums und bittet nun darum, dass wir sie, wenn wir irgendwann Zeit haben, auf einem zivilisierten Planeten absetzen.«

»Diese Frau ist eine Lügnerin«, ereiferte sich Chiara Karadin. »Sie ist eine Lügnerin und Betrügerin, die auf meinem Schiff gestohlen hat und außerdem die Arbeitsmoral untergräbt.«

Sie ereiferte sich und schilderte die Umsteigewillige in den schlimmsten Worten.

Robert meldete sich: »Interessant, ich würde dazu gerne die andere Seite hören.«

Während die Freihändlerin herum brüllte, platzte dem ersten Offizier der Kragen. Es schien anscheinend niemanden zu interessiere, dass die Tochter/Geisel/Ehefrau zusammen mit dem Springer von Paralysatoren erfasst und zusammengesunken war.

Das Chaos war perfekt.

Insbesondere seit er vor kurzem in die aktivierten Impulsstrahlermündungen zweier durchgedrehter Kampfroboter geblickt hatte, begegnete er diesen Maschinen mit äußerster Skepsis.

Er schlug wutentbrannt auf den Tisch und brüllte mit einer Lautstärke, die einem Haluter zur Ehre gereicht hätte: »Ruuuuuuuuuuuuuuheeeeeee!«, um dann sofort wie im Plauderton weiter zu sprechen.

»Wir sind hier doch nicht im Irrenhaus. Wer hat bitte die Killermaschinen her beordert, und warum haben diese die junge Dame beschossen?«

Er wurde wieder lauter: »Und wieso ist noch kein Medoteam hier?«

»Sir, ich habe die Roboter herbeordert. Sie sollten dafür sorgen, dass die beiden Streithälse sich nicht mehr an die Gurgel gehen. Die ›Ehefrau‹ haben sie nur deswegen attackiert, da sie nicht wissen konnten, ob sie dem Springer nicht an die Gurgel wollte.«

Das war für Zento ein lange Rede gewesen.

Allan sah ihn nur schief an und erschrak im nächsten Moment, als er von einem herbeigeeilten Medoroboter auf die Seite geschoben wurde.

Als die Freihändlerin aufbegehren wollte, zischte er diese an: »Ihnen scheint das Wohlergehen ihrer Tochter ja äußerst wichtig zu sein.«

Chiara kam ins Stottern: »Wohlergehen? Sie lebt noch – diese Monster haben sie nicht umgebracht? SIBYLLE

Die Freihändlerin stürzte sich zwischen den Menschen hindurch auf ihre »Tochter« und wurde paralysiert, da die Roboter darauf programmiert waren.

Nachdem alle wichtigen Besucher paralysiert waren, musste die Friedenskonferenz leider abgebrochen werden. Dafür meldete sich wieder der neue Ansprechpartner, der darum bat auf die CREST kommen zu dürfen.

Nachdem das Gespräch mehrere Male unterbrochen wurde – jeweils kurz nach dem Beginn – erteilte Allan den Befehl die Terranerin an Bord zu bringen, damit sie ihre Geschichte erzählen konnte, was dann wohl bei der großen Besprechung auf der Krankenstation passieren würde.

Nun hatten alle die Wahl, ob sie sich noch eine Zeit lang aufs Ohr legen wollten. Die Besprechung würde erst gegen 10 Uhr stattfinden.

David Halmans Kabine (BZ: 5:30 Uhr)

David wälzte sich unruhig im Bett herum. Obwohl sein Quartier einige Decks vom Konferenzraum entfernt war, hatte der dort herrschende Lärm seinen Weg bis zu seinen Ohren gefunden, wenn auch sehr stark gedämpft.

Trotzdem wachte der Zweite Navigator der CREST V nicht auf, denn er hatte einen sehr festen Schlaf.

Kommandozentrale (BZ: 5:28 Uhr)

Emersons Langeweile war vor wenigen Minuten unterbrochen worden, als ein Beiboot der CREST V zum Walzenraumer der Springer geflogen war und dort angedockt hatte. Nun, nur wenige Minuten später, kehrte es zurück und wurde wieder eingeschleust.

Mehr passierte aber auch nicht. Zumindest bekam Emerson nichts davon mit. Also begann der Veego sich bald wieder zu langweilen.

Er sah sich in der Kommandozentrale um, aber die anderen waren mit Dingen beschäftigt, die ihn nicht betrafen.

Einige Zeit später startete erneut ein Beiboot aus einem der Hangars der CREST V, diesmal jedoch zum Freihändlerschiff. Und wieder dockte es dort an, verblieb einige Minuten und kehrte dann zurück.

Was ist da nur los?, dachte Emerson verwundert. Sind die Verhandlungen etwa so kompliziert, dass die Streithähne Unterstützung von ihren Schiffen brauchen?

Den wahren Grund sollte er erst viel später erfahren.

Freihändlerschiff (BZ: 5:40 Uhr)

Renie wartete und hoffte auf die CREST. Ob ihr die Crew helfen würde, konnte sie nicht wissen. Laut den Freihändlern existierte ja Terra nicht mehr. Renie wollte das nicht glauben, denn Rhodan und seine Mitstreiter würden das nie zulassen.

Zur Not gab es ja auch noch den IPC. Ihre alten Kameraden würden nie zulassen, dass die Erde vernichtet würde. Zwar war die Politik des Solaren Imperiums auch nicht immer perfekt, aber es war mit ihnen auszukommen.

Dass das SI noch existierte, dafür sprach auch die Anwesenheit der CREST. Es sah also alles gut aus. Renie Tukal nahm sich aber vor vorsichtig zu sein, denn niemand wusste, ob diese Leute die Wahrheit sagten.

Sie konnten das Schiff auch einfach gekapert haben, allerdings musste sie dieses Risiko eingehen. Mit den Freihändlern würde sie nie in die zivilisierte Welt zurückkommen.

Ihre einzige Chance war die CREST. Allerdings durfte sie nicht Zuviel preis geben. Sie würde sich als einfache Terranerin, die abgestürzt war, ausgeben. Das sie IPC Diplomatin war, würde sie vorerst geheim halten. Besser, die Leute unterschätzten sie.

Vielleicht waren es doch Offiziere des SI. Renie hoffte darauf.

3. Verzögerungen

Kommandozentrale

Nachdem das Beiboot vom Freihändlerschiff zurückgekehrt war, betrat der Erste Offizier die Kommandozentrale und teilte den Anwesenden mit, unter welchen Umständen die »Friedenskonferenz« ausgegangen war.

Da die Paralysierten nicht vor 9 Uhr ansprechbar sein würden, sollte sie erst um 10 Uhr weitergeführt werden. Darum empfahl er den Leuten von der Hauptschicht, dass sie sich noch ein paar Stunden hinlegen sollten, da in nächster Zeit wahrscheinlich nichts von Bedeutung passieren würde.

Der Emotionaut Jean Stiletto und Emerson, die einzigen noch Anwesenden der Hauptschicht in der Kommandozentrale, folgten dem Rat des Ersten Offiziers nur zu gerne – wobei sich der Veego anstatt ins Bett wieder einmal in die astronomische Beobachtungskuppel zurückzog.

An ihrer Stelle durften die Ersatzleute von der Nachtschicht wieder antreten, die erst vor einer Stunde in ihre Kabinen geschickt worden waren. Darüber waren sie natürlich sehr erfreut, was sie durch ihre fröhlichen Mienen auch zum Ausdruck brachten.

Astronomische Beobachtungskuppel

In der Beobachtungskuppel betrachtete Emerson den Sternenhimmel.

Um seine schwarze Veegokiste machte er sich dabei keine Sorgen, denn die war ja mit dem fünfdimensional strahlenden Markierungspulver versehen, und er besaß immer noch das darauf abgestimmte Ortungsgerät.

Die Selbstdesintegrationsvorrichtung hatte er längst demontiert, denn nachdem Yohko Takashi und ihre USOs diese anscheinend völlig problemlos hatten umgehen können, machte sie überhaupt keinen Sinn mehr.

Außerdem war er inzwischen zu der Einsicht gelangt, dass womöglich noch jemand zu Schaden kommen könnte, wenn er sich an der Kiste zu schaffen machte und nicht über eine USO-Ausbildung verfügte.

Todds Kabine (BZ: 5:45 Uhr)

Todd versuchte krampfhaft, sich seine Hose anzuziehen.

Das lag nicht daran, dass er unfähig war sich alleine anzukleiden; denn dieses hatte er schon im Alter von zwei Jahren gelernt; sondern, dass er noch an den Auswirkungen der Paralysestrahlen litt und er seine Arme nur recht dürftig bewegen konnte.

Noch immer war er wütend darüber, dass es dazu gekommen war.

Er hatte sich fest vorgenommen sofort die Kommandozentrale aufzusuchen und wegen dieses Vorfalls eine Beschwerde einzureichen, denn das war eindeutig ein Fall von unangemessenem Waffengebrauch.

Doch dies würde wohl noch eine Weile warten müssen, denn er wollte ja nicht in seinem Schlafanzug in der Zentrale aufkreuzen. Während er sich anzog, versuchte er sich noch mal an den Tathergang zu erinnern, damit er in der Anzeige detailliert und wahrheitsgemäß wiedergeben konnte was passiert war:

Nachdem er in den Konferenzraum gestürmt war, um für Ruhe zu sorgen, hatte er den Tumult entdeckt und wollte sich im ersten Augenblick wieder zurückziehen, aber er gab dann doch seiner Neugierde nach und blieb, um zu sehen was sich da eigentlich abspielte.

In diesen Minuten kamen immer mehr Leute in den Raum und es kam zu schweren Wortgefechten zwischen dem Springer und dieser komischen Frau in altertümlicher Kleidung.

Als dann schließlich eine junge Frau den Raum betrat und auf den Springer zu stürmte, traten die bereitgestellten Sicherheitsroboter in Aktion und paralysierten nicht nur diese junge Frau, sondern auch noch einige andere Leute die sich in ihrer Nähe befanden.

Unglücklicher Weise befand sich Todd genau zu diesem Zeitpunkt am äußersten Rand des Wirkungsbereiches der Paralysatoren. Er wurde zwar nicht so stark getroffen, dass er augenblicklich zusammensackte, aber er hatte seit dieser Zeit mit motorischen Störungen zu kämpfen.

Auch das Wissen, dass diese Störungen nach einiger Zeit verschwinden würden, stellte ihn nicht wirklich zufrieden und deshalb entschloss er sich für die Anzeige. Er zog sich fertig an und hörte sich die Bordnachrichten an.

»Bordnachrichten«

»Einen wunderschönen guten Morgen, meine Damen und Herren. In gewohnter Weise wird Ihnen auch heute wieder das Bordprogramm von einem Mitglied der Redaktion vorgestellt:

Mich kennen Sie sicher schon: Mein Name ist Nico Kassotakis.«

Ein langes Gähnen war zu hören. »Meine Fresse ist das früh!«

Dann sagte der Bordmoderator gedämpft in den Raum, ob er noch einen Kaffee haben konnte, bevor er sich wieder der Zuhörerschaft zuwandte:

»Äh, ja: Heute sind drei neue Trivids abrufbar: Zum einen ein Naturfilm, für den intellektuell etwas anspruchsvolleren Geschmack. »Großraubtiere in den tropischen Regenwäldern der Venus« ist der Titel.«

Wieder war ein Gähnen zu vernehmen.

»Dann der Uraltschinken »Unternehmen Stardust« – Julio Benito und Giuseppe di Milano zeigen, was der Boss in jungen Jahren getrieben hat – mit Sarah Connelli als Thora. Das müsste jetzt die, äh, 47te Verfilmung dieses historischen Moments sein.

Ihr glaubt jetzt langt's langsam, von wegen: Die Independent Filmgruppe Siga plant gerade eine neue Produktion, und ratet mal worüber.

Und dann hätten wir noch etwas, von dem böse Zungen behaupten, dass es ein wenig sexistisch ist, aber ich glaube diese Leute haben den komplexen Handlungsstrang dieses Werkes überhaupt nicht nachvollziehen können.

›Tango-Tetigi-Tactum‹ gehört schon wegen der überzeugenden Leistung der Hauptdarstellerin Marcia Denuve zu dem besten, was die terranische Filmindustrie in der letzten Zeit hervorgebracht hat.

Zu actionlastig, zu hohe Schnittfolge, zu brutal war das vernichtende Urteil des Shang-Konger Trivid Net-Magazins kurz vor unserem Start.

Alles Blödsinn! Schauen Sie es sich an, Sie werden begeistert sein – sollte es ihnen wirklich zu heftig hergehen, dann sollten Sie vielleicht mal überlegen, ob Sie an Bord eines Ultraschlachtschiffes, das mehr Feuerkraft freisetzen kann, als zur Desintegrierung eines ganzen Planeten notwendig ist, wirklich richtig sind.

By the way: Marcia Denuve ist auf dem besten Weg Mutter zu werden. Ein Junge soll es werden. Das konnte man der eurasischen Regenbogenpresse entnehmen. Wir freuen uns hier alle auch, der Sekt ist schon auf, schmeckt mit dem Kaffee besonders gut.

Aber kommen wir nun zu unser beliebten Aktion Kollegen grüßen Kollegen. Ganz persönliche Mitteilungen von einem Crewmitglied an ein anderes.

Vielleicht gibt es da eine junge Dame in unseren Reihen, in deren Bäuchlein das Kind eines Kollegen heranwächst und der Kollege weiß nichts davon und Sie wollen ihm das hier im Bordprogramm mitteilen?

Wir sind jedenfalls wie immer über bekannten Intercom-Kanal für Sie zu erreichen. Kollegen grüßen Kollegen, unmittelbar nach den Bordnachrichten.«

Plim-Plim-Plim-Nachrichten:

In der Nacht von gestern auf heute: Während unsere hoch geschätzte Schiffsführung versuchte zwischen zwei Parteien zu vermitteln, die versucht hatten sich gegenseitig in Wolken von Ionen und Radikalen zu verwandeln, sind an Bord noch andere interessante Dinge passiert.

So kam es zu einer schweren Auseinandersetzung zwischen alkoholisierten Mitgliedern der Crew. Die beiden ehemaligen Schweizergardisten Martin Zumbrägel und Jaques Mitraque, die vor nicht allzu langer Zeit aus dem Dienst von Papst Intolerans dem Dritten ausgeschieden waren, um in die Raumflotte einzutreten, waren in einem Quartier mit einem ertrusischen Maschinisten aneinander geraten.

Der Ertruser befindet sich in der Krankenstation und die beiden Soldaten befinden sich in Arrest.

Anwesende zeigten sich erschreckt darüber, wie überraschend der Angriff der beiden kam, und mit was für einer Brutalität er vorgetragen wurde.

Tja, ich sage es ja immer wieder: Katholische Christen. Tsts, äh, ich bin orthodox.

Nachdem er die Bordnachrichten soweit angehört hatte, entschied sich Todd erst einmal die Kantine aufzusuchen um zu frühstücken, denn gestärkt ließ es sich ja bekanntlich besser Berichte schreiben und um diese frühe Uhrzeit würde sowieso noch keiner in der Zentrale sein.

Gang (BZ: 6:00 Uhr)

Nachdem die Verhandlungen so abrupt abgebrochen waren, machte sich Sulae sofort auf den Weg in die Sicherheitszentrale. Sie wollte dafür sorgen, dass so etwas nicht noch einmal geschah.

Sie war eigentlich für die Sicherheit bei den Verhandlungen zuständig und dass sie dem nicht nachgekommen war, sah sie als groben Fehler an.

Sicherheitszentrale

Dementsprechend mürrisch war sie auch, als sie schließlich an ihrem Ziel ankam.

Nachdem sie zwei gelangweilt drein blickende Offiziere für die Aufgabe, eine Art Sicherheitsplan zu entwickeln, auserkoren und in ihre Aufgabe eingeschworen hatte, ging sie in ihr Büro.

Dort stapelten sich mal wieder Formulare und anderer Papierkram. Das Schiff – so glaubte Sulae – litt noch unter den Folgen der Versetzungen und Veränderungen nach dem Urlaub im Raumdock. Sie hasste diesen Kram, der ein notwendiger Bestandteil ihrer Arbeit war, und manchmal dachte sie, dass sie ihn lieber gegen einen Posten als einfacher Sicherheitsoffizier eintauschen würde.

Nachdem sie schließlich doch ihre Arbeit gemacht hatte, gönnte sie sich eine kleine Pause, in der sie durch die Sicherheitszentrale schlenderte und ihre Autorität genoss, während sie die Sicherheitsoffiziere nach dem Fortgang ihrer Arbeit ausquetschte.

Zentrale (BZ: 6:30 Uhr)

Als er die Zentrale betrat, bemerkte Todd, dass sie immer noch mit nur wenig Mann besetzt war, denn nachdem diese Besprechung oder was auch immer das gewesen war – er hatte es in der kurzen Zeit seiner Anwesenheit in dem Raum nicht ganz herausfinden können – vertagt worden war, waren viele der Besatzungsmitglieder wieder schlafen gegangen oder gingen ihren eigentlichen Aufgaben wieder nach.

Er ging zum ranghöchsten Offizier in der Zentrale, den er auch nur vom Sehen her kannte, und gab seine Anzeige auf.

Bericht Major Zento Rutan

Nachdem die Schiffsführung zu zögerlich gegen zwei aggressive Streitpartner vorgegangen war und niemand von der Bordsicherheit sich zuständig fühlte, habe ich zwei Kampfroboter hinzugezogen.

Da sich einige Besatzungsmitglieder unprofessionell verhalten haben – vermutlich aus Neugierde – sind auch sie vom dem Paralysestrahl getroffen worden, was als eigenes Verschulden gewertet wird.

Für die nächste Verhandlung ist die Bordsicherheit zuständig.

Ich empfehle entweder wieder Kampfroboter, die aber auch den Verhandlungsraum gegenüber Eindringlingen von außen schützen, oder Fesselfelder.

Der Springer und die Freihändlerfrau sind als äußerst aggressiv einzustufen!

Kantine (BZ: 6:03 Uhr)

Zento hatte sich, nachdem sich die »Verhandlung« mehr oder weniger aufgelöst hatte, in die Kantine begeben um seinen Energievorrat aufzufüllen.

Die weitere Verhandlung war Sache der Bordsicherheit.

Immerhin sollte sie, was der Name schon sagte, für die Bordsicherheit zuständig sein, er hatte eine dementsprechende Nachricht an den Dienst habenden Offizier gemailt.

Nach der achten Portion fühlte er sich halbwegs gesättigt, hörte aber auf, da er peinlich auf seine Figur achtete. Immerhin konnte er sich als Soldat kein Gramm Fett leisten.

Unterkunft (BZ: 6:42 Uhr)

Weil sein nächster Dienst erst am Nachmittag beginnen würde, begab er sich in sein Quartier.

Er stemmte noch eine halbe Stunde lang verschiedene Gewicht um seine Muskulatur zu stählen. Für die Kondition lief er eine Stunde lang auf dem Laufband.

Anschließend trank er noch 5 Liter eines Proteingetränkes und legte sich anschließend auf sein Bett. Ohne triftigen Grund würde er vor 14:00 Uhr nicht aufstehen.

Agnus Coshs Kabine

Eine sanfte Frauenstimme weckte Agnus Cosh.

So stellte er sich den Beginn eines neuen Arbeitstages vor – auch wenn die Stimme nur eine positronische Simulation war. Blieben nur die Kopfschmerzen. Woher er die wohl hatte? Bestimmt von der Wecker-Tortur von heute morgen – ja sicher – ganz bestimmt.

Nach einer kurzen Katzenwäsche in der Ultraschalldusche, dazu musste er seine Bordkombi erst wieder ausziehen, was bei seinem Schädel gar nicht so leicht war, machte er sich früher als gewohnt auf den Weg.

Vor der Kantine wollte er noch rasch zu den Medikern, um sich etwas zur Ausnüchterung geben zu lassen.

Sollte Syntony ruhig schwankend zum Dienst erscheinen, Cosh wollte sich eine solche Blamage unbedingt ersparen.

Etwas übereilt stürzte sich Agnus Cosh aus seiner Kabine und übersah dabei die junge Frau, die dort gerade vorbeiging.

Gegen einen übereifrigen Ertruser – auch wenn es sich nur um einen kleinen Ertruser handelte – war die eher zierliche Arkonidin natürlich chancenlos.

»Tschul … di … gung«, stammelte Agnus verlegen, als er der Frau wieder aufhalf.

Dabei erhaschte sie zufällig einen kurzen Blick in seine Kabine, die wohl eher einem Trödelladen glich, bevor sich die Tür selbständig schloss.

Kirils Kabine

Kiril wälzte sich stöhnend in den Kissen. Krampfhaft versuchte sie wieder in den so notwendigen Schlaf zu fallen, aber jede Drehung von der einen auf die andere Seite brachte sie dem schmerzenden Pochen hinter ihrer Stirn näher.

Jammernd fuhr sie sich durchs Gesicht, schlug die Augen auf und beobachtete gequält wie die Uhr von 6:39 auf 6:40 umsprang.

»Viel zu früh«, schoss es ihr durch den Kopf und sie setzte sich auf. Zu schnell für ihre Kopfschmerzen, was sie stöhnend wieder zurücksinken ließ. Wie war sie überhaupt ins Bett gekommen?

Die Erinnerungen an den vorangegangenen Abend tauchten wieder auf, wenn auch hinter einem Schleier, der sich mit jeden Herzschlag schmerzhaft zu verändern schien.

Kiril fluchte über ihre Naivität auf das teuflische Zeug hereingefallen zu sein, das nun absolut nicht nach Alkohol geschmeckt hatte.

Dann wurde ihr noch schlechter als ihr eh schon war. Hatte sie sich wirklich auf Allans Uniform übergeben? Sie hatte.

Vage glaubte sie sich zu erinnern, wie er sie in ihre Kabine gebracht und sie ins Bett gelegt hatte. Dazwischen huschten Fetzen von einem Roboter und den umstehenden Leuten, die teils entsetzt, teils belustigt die Situation verfolgt hatten.

Allein deswegen lief sie rot an. Was würde man jetzt von ihr auf dem Schiff denken? Alle würden über sie lachen. Nein, alle, die da gewesen waren.

Und Allan? Würde er böse sein?

Ihre Gedankengänge wurden nun von den Kopfschmerzen vollkommen überlagert und sie wollte nur noch eines: Etwas gegen sie unternehmen.

An Schlaf war nicht mehr zu denken, deswegen stand sie langsamer und vorsichtiger als vorhin auf. Ihr ganzer Körper fühlte sich taub an, wie als würde er nicht zu ihr gehören.

Sie betrachtete skeptisch ihre Klamotten.

In diesem Zustand konnte sie die nicht mehr anziehen, erledigte gerade noch das Zähneputzen, bevor sie im Nachthemd mit ihrer Decke um die Schultern auf den Gang hinaus Richtung Ärzte schlurfte.

Ihren Blick richtete sie zu Boden. Sie wollte das Pochen nicht durch unnötige Farben reizen.

Sie bemerkte aus dem Augenwinkel einige Schatten, die an ihr vorbeiliefen, ohne sich ablenken zu lassen. So gab es für sie auch keinen Anlass dem großen »Schatten« auszuweichen, der plötzlich von der Seite her auftauchte, plötzlich aber in sie rannte.

Der Zusammenprall war so stark, dass sie von den eh schon wackeligen Beinen gerissen wurde. Dumpf schlug sie am Boden auf und das Pochen hinter der Stirn, wuchs zu einem Klopfen, das sie zu hören glaubte. Wieder verbrachte sie ein paar Sekunden damit vor Schmerzen aufzustöhnen und dann leise zu fluchen.

Sie hörte ein gestammeltes »Entschuldigung«, aber es schien so weit weg, dass es sie kaum erreichte. Eine große Hand packte nach ihr und zog sie unbeholfen wieder auf die Füße.

Als sie dem Schatten ins Gesicht sah, erkannte sie einen Ertruser mit tiefen Schatten unter den Augen. Der Mann war ihr vollkommen unbekannt. An seiner Uniform sah sie das Zeichen eines Sicherheitsoffiziers.

»Tolle Sicherheit! Wie soll er denn für Sicherheit sorgen, wenn er noch nicht mal imstande ist, eine einzelne Person in Ruhe ihrer Wege gehen zu lassen!«, dachte sie sich.

Verschwommen nahm sie das Chaos in seiner Kabine wahr und schüttelte abermals den Kopf.

»Und so was ist Sicherheitsoffizier!«

Sie wusste kurz nachdem sie das gedacht hatte, dass sie der Person gegenüber vollkommen Unrecht tat. Sie war übermüdet, hatte elende Kopfschmerzen und ärgerte sich immer noch über sich selbst. Der Mann war nur ein Ventil.

Was sie dabei nicht bemerkte war, dass sie den letztem Satz laut ausgesprochen, das heißt, mehr gekrächzt als gesprochen hatte.

Gang, Medostation

»Darf ich Ihnen aufhelfen?«

Cosh schien durch die barsche Reaktion noch mehr eingeschüchtert zu sein. Aber sicher machte sie sich auch nur über seine geringe Körpergröße lustig.

Nun, da er sie wieder aufgerichtet hatte und sie noch immer nicht sicher auf den Beinen stand – hoffentlich hatte er sie nicht ernsthaft verletzt – wusste er zunächst nicht, was er noch tun sollte.

Er konnte einen Medorobot rufen, aber diese Dinger waren ihm nicht geheuer. Blieb nur die Medostation, wo er ohnehin hinwollte.

»Ist alles in Ordnung – vielleicht sollte ich Sie vorsorglich lieber mit zur Medostation bringen. Ich wollte da ohnehin gerade hin.«

Er bot ihr mit Gesten an, sie dorthin zu tragen.

Wenn sich das herumspricht, bin ich endgültig bei allen unten durch, dachte er zerknirscht. Nachdem er den Vorschlag geäußert hatte, sie zu den Ärzten zu bringen, starrte sie ihn noch eine Weile halb ärgerlich, halb hilflos an und nickte schließlich zustimmend.

Er lief voraus, merkte aber bald, dass sie nicht hinterherkam und verlangsamte seine Schritte.

Kiril hatte es mittlerweile wieder aufgegeben sich die Schläfen zu massieren. An den Schmerzen änderte das sowieso nichts.

Als sie etwa auf gleicher Höhe liefen betrachtete er sie etwas seltsam, wie sie neben ihm herlief in Nachthemd und Bettdecke. Es wurde ihr bald unangenehm und sie begann ihn nach Namen, Rang und Beruf auszufragen.

Cosh stellte sich als »Agnus Cosh, Unteroffizier bei der Sicherheit und neu an Bord« vor.

Eigentlich müsste er sich ja in einer halben Stunde zum Dienst melden, aber er konnte die junge Dame ja nun nicht alleine lassen. Außerdem brauchte er auch noch was aus der Apotheke.

Dabei fiel ihm langsam auf, dass sie eigentlich gar nichts Ordentliches anhatte. Bettdecke und Nachthemd schienen ihm nicht wirklich angemessen für ein Schlachtschiff, aber richtig missfallen konnte ihm der Anblick auch nicht.

Mit seinen 24 Jahre war er ja schließlich für so etwas noch empfänglich. Dennoch traute er sich nicht, die Initiative zu ergreifen und warte darauf, dass sie sich ebenfalls vorstellte.

Nachdem sie sich ein einigermaßen klares Bild von ihm verschafft hatte, begann auch sie etwas mehr zu erzählen, fasste sich aber sehr kurz, da ihre Schmerzen, es nicht zuließen auszuschweifen.

Sie stellte sich als Kiril da Gonozal vor, »Tochter« von Allan da Gonozal.

Sie sei schon eine Weile auf dem Schiff und genieße das Leben eines Gastes, sei aber auch sehr dankbar, dass Allan sie bis jetzt bei sich behalten hatte.

Obwohl sie langsam zutraulicher wurde, zog sie es vor über ihre traurige Vergangenheit zu schweigen, das ging den Neuankömmling nun wirklich nichts an. Und, sie versuchte seine Blicke zu deuten, sie fragte sich, wie alt er sein möge, fragte nach Familie und Freunden.

Nebenbei erwähnte sie, dass sie auch auf dem Weg zur Medostation gewesen war und dass er ihr nun noch mehr Anlass gegeben hatte, sich ein Kopfschmerzmittel geben zu lassen. Dabei grinste sie schelmisch.

Erleichtert verfolgte Cosh, wie seine Begleitung nun doch versöhnlicher gestimmt von sich erzählte.

Das ihr Vater der Boss von der Chefin seines Bosses war erreichte nur langsam sein Bewusstsein – traf dann aber voll. Sein Schritt wurde merklich stockend, was Kiril zwar bemerkte, aber ihren eigenen Worten nicht mehr zuordnen konnte – denn schließlich hatte es lange bei Cosh gedauert.

Cosh ließ sich nicht lumpen und erzählte auch ausführlich von seiner Vergangenheit, wie er als Ertruser heutzutage in den Dienst der Solaren Flotte gekommen war und auch dass dies hier eigentlich seine erste Mission beim terranischen Militär war.

Das Gespräch lief solange, bis sie die Station erreichten. Cosh warf einen Blick in den Bereitschaftsraum. Es waren nur wenige Leute anwesend.

Der Rest, schoss es Kiril durch den Kopf, ist sicherlich bei dem Geklapper, dass ich hinter einer der Türen gehört habe.

Sie hatte im Vorbeigehen Stimmen gehört. Im Nachhinein fiel ihr das ein, zu dem Zeitpunkt aber war sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen.

Cosh ließ sich sein Mittel geben und erklärte besorgt, aber kurz, was passiert war.

Kiril beobachtete ihn belustigt, fiel ihm dann ins Wort und erklärte sie bräuchte lediglich ein Kopfschmerzmittel, und zwar aus einem anderen Grund als den Sturz.

Dann verließen sie die Station. Kiril zog es vor sich erst noch mal zur Ruhe zu setzen und sich dann richtig anzuziehen. Der pochende Schmerz war etwas abgeklungen und der Nebel der sich die ganze Zeit über ihre Gedanken gelegt hatte, schien sich etwas gelichtet zu haben.

Zum Abschied lachte sie ihn an und meinte, sie würden sich sicher irgendwie noch mal sehen, aber dann vielleicht nicht ganz auf die stürmische Art.

Kommandozentrale

Allan saß in der Zentrale und grübelte, was die Passagierin, welche mittlerweile offiziell um Asyl gebeten hatte, wollte. Diese war nun auch abgeholt worden und an Bord der CREST begann man sich langsam zu fragen, worauf man sich eingelassen hatte.

Um nicht mehr Zeit als nötig zu verlieren, wurde ein Großteil der Korvetten ausgeschleust und dazu verwendet schon einmal ein Suchraster im Zielgebiet aufzubauen.

Gegen 9 Uhr wurde mit dem Wiedererwachen der Paralysierten gerechnet, also würde die Konferenz frühestens um 10 Uhr weitergehen können.

Am Liebsten hätte sich Allan wieder etwas hingelegt, aber vorher wollte er dieses Rätsel mit der Passagierin der Freihändlerin lösen. Also lies er dieser ausrichten, dass er eine Besprechung mit ihr anberaumt hatte.

Renie betrat den Raum, wo sie mit dem ersten Offizier der CREST V sprechen durfte, mit einem mulmigen Gefühl.

Dort wurde sie von Allan Dean Gonozal begrüßt.

Sie wunderte sich, denn ein Arkonide als erster Offizier an Bord eines Schiffes des Solaren Imperiums war zu dieser Zeit ungewöhnlich – vielleicht war das Gerücht vom Untergang ja doch wahr – oder diese Leute waren eiskalte Betrüger, vielleicht genauso schlimm oder noch schlimmer als die Freifahrerin, aber hatte sie eine Wahl?

»Hallo«, begann sie zögerlich, »Mein Name ist Renie Tukal, ich bitte Sie mir zu helfen.«

»Willkommen an Bord«, begrüßte der arkonidische Edelmann die junge Frau und sagte mit einem Blick auf die beiden Soldaten in voller Montur an der Tür: »Verzeihen Sie den etwas martialischen Empfang, mein Name ist Allan Dean da Gonozal.«

»Der martialische Empfang ist wohl nichts Außergewöhnliches an Bord eines Schlachtschiffes«, unterbrach die junge Frau den Offizier.

Dieser antwortete: »Nun, normalerweise bekommen Gäste nicht eine solche Eskorte.«

»Ich war noch nie Gast auf einen Schlachtschiff, also bleiben mir da nur Trividberichte.«

Allan lachte leicht auf: »Nun, die sind meist schamlos übertrieben.«

Renie lenkte ein: »Tja, das sind Trividberichte immer. Ich schätze mal, in Wirklichkeit läuft auf einem Schlachtschiff meist auch normaler Alltagstrott.«

Allan musste an die letzte Mission denken und ihm entfloh fast gegen seinen Willen: »Nun ja, meistens schon.«

Nachdenklich geworden antwortete die Frau: »Selbst wenn es so schlimm wäre wie in den Trividschinken. Sie haben doch noch eine Chance in die zivilisierte Galaxis zurückzukehren.«

Da Allan nicht wusste, inwieweit Renie informiert war, versuchte er diplomatisch zu sein und sagte: »So zivilisiert ist die Galaxis heute auch nicht mehr. Ich nehme an, Sie sind nicht allzu ausführlich über das Geschehen der letzten Monate informiert?«

Ernst legte Renie ihm ihren Informationsstand dar: »Ich habe wilde Gerüchte gehört, die aber wohl mehr ein sadistisches Quälen seitens der Freihändlercrew waren als die Wahrheit.«

Allan bot ihr an: »Nun, ich kann Ihnen die Mitschnitte von Terrainfo der letzten Monate zukommen lassen, aber nun erzählen Sie mir doch erst einmal, was vorgefallen ist.«

Also begann sie zu erzählen: »Vor einiger Zeit bin ich mit einem Zivilraumer auf einem unterentwickelten Planeten notgelandet. Dort hatte die Freihändlerin Geschäfte laufen. Als ich sie traf, bat ich sie, mich auf einen zivilisierten Planeten mitzunehmen. Ausbezahlen könnte ich sie verständlicherweise erst dort. Kurz nach Beginn der Reise sperrte sie mich ein, weil bei einem Crewmitglied Sachen verschwunden waren.

Dort erzählte sie dann diese Horrorgeschichte von einem Krieg und sogar der Vernichtung des Solsystems. Es schien ihr Spaß zu bereiten zu sagen, dass alle meine Verwandten und Freunde tot waren. Das kann auch ein Grund sein für meine Gefangennahme.«

Allan warf ein: »Sind Sie Bürgerin des Solaren Imperiums?«

Leicht irritiert antwortete sie: »Ich bin in Europa im Solsystem geboren und soweit ich weiß, ist mir die Staatsbürgerschaft nie entzogen worden.«

Diese Antwort ermöglichte Allan ihr zu sagen: »Nun, ich kann Sie zumindest soweit beruhigen, dass Ihre Verwanden und dortigen Freunde sich wohl noch bester Gesundheit erfreuen.«

In Renies Augen schimmerte es; sie musste fast heulen. »Ich habe immer geglaubt, dass es nicht wahr ist. Es konnte und durfte einfach nicht wahr sein.«

Als Renie sah, dass Allan etwas komisch dreinschaute, fragte sie verdutzt: »Was haben sie denn?«

Dieser hatte Sie etwas missverstanden und fragte: »Wieso sollten Sie die Staatsbürgerschaft entzogen bekommen haben?«

Schlagfertig antwortete sie: »Tja, außer meinem Tod kenne ich keinen Grund.«

Renie wartete die nächsten Augenblicke ab, bis sich der Arkonide wieder von seinem Lachanfall beruhigt hatte. Dann versuchte sie das Gespräch wieder aufzugreifen: »Da habe ich ja Glück gehabt, dass Sie genau jetzt gekommen sind. Viel wäre von den Schiffen wohl nicht übrig geblieben.«

Allan wiegelte ab: »Och, die hätten noch eine Weile weitermachen können.«

Renie fragte verwirrt: »Waren die nicht vor einer Schlacht gegeneinander?«

»Die waren mittendrin!«

»Wieso hätten sie doch noch eine Weile weitermachen können?« Renie sah verwirrt aus.

Allan hätte nun mit einem Referat kontern können, statt dessen sagte er bloß: »Die Schilde, sie hätten das Feuer noch lange ausgehalten.«

Darauf wusste Renie nicht allzu viel zu antworten: »Tja, ich bin keine Waffenexpertin. Und von der Schlacht habe ich in meiner Zelle auch nicht viel mitbekommen.«

Schmunzelnd antwortete Allan, auch ein wenig um sie zu überrumpeln: »Glaube ich gern – Nun, was wollen Sie nun von uns?«

Fast überschäumend fuhr sie auf: »Wenn es möglich ist, einen Weg nach Hause.«

Allan musste ihre Freude dämpfen: »Nun, wir fliegen nach der Mission wohl wieder zu einem Stützpunkt der Flotte.«

In Renies Augen glänzte es, als sie ihn wieder unterbrach: »Dort zu sein wäre ein Traum!«

Auch um das Gespräch noch etwas im Gang zu halten, wechselte Allan das Thema: »Der Planet auf dem sie gestrandet waren, war der bewohnt?«

»Er war mit Intelligenzwesen besiedelt, die auf dem Stand des Irdischen Mittelalters standen«, war ihre Antwort, welche Allan einen Schauder über die Haut jagte.

»Die medizinischen Einrichtungen des Schiffs stehen ihnen ab sofort voll zur Verfügung«, bot er ihr an, als er an Dinge wie Dentalmedizin im Mittelalter dachte.

Lächelnd erwiderte sie: »Danke. Ich habe mich von den »Ärzten« dort soweit es ging ferngehalten.«

Allan hatte sich entschieden: »Nun gut, ich muss es zwar noch mit meinem Vorgesetzten absprechen, aber ich glaube nicht, dass es ein Problem ist, Sie hier unterzubringen.«

Sie bedankte sich überschwänglich, was er versuchte, abzuwehren. »Sie werden meine Anwesenheit gar nicht bemerken, das verspreche ich …«

Halb in Gedanken sagte Allan: »Nun, damit haben wir jetzt schon zwei Passagiere an Bord.«

»Ach, Sie haben noch einen Passagier?«, fragte sie nach.

»Ahh, ja, irgendwie schon, Sie werden sie sicher kennen lernen.«

Renie nickte: »Dieser Passagier müsste ja viel Zeit haben. Ich werde ihr sicher über den Weg laufen.«

Bei diesen Worten ging ihm der letzte Einkaufsbummel mit Kiril durch den Kopf. »Oh ja, das allerdings.«

Renie legte den Kopf leicht schief: »Das hört sich etwas merkwürdig an, haben Sie Probleme mit diesen Passagier?«

Etwas brachte Allan dazu, fast schon gequält zu lächeln. »Nein, nicht wirklich, sie ist ein reizendes junges Ding – nur so voller Energie, dass Sie mich fertig macht.«

Als er ihren Blick sah und die Formulierung nochmals Revue passieren ließ, fügte er schnell hinzu: »Ach ja, sie ist meine Adoptivtochter«, wobei er das letzte Wort allerdings etwas merkwürdig betonte.

Das stachelte Renies Neugierde an: »Ihre Adoptivtochter?«

Allans Antwort »Irgendwie ja« schien ihr zu signalisieren, dass er darüber lieber nicht reden wollte, also lenkte sie das Gespräch um: »Ich wollte nicht persönlich werden. Haben Sie etwas dagegen, dass ich erst einmal die Krankenstation aufsuche und mich durchchecken lasse? Wenn noch etwas Wichtiges ist, können wir ja nachher weiterreden.«

Dankbar nahm er diese Gelegenheit wahr: »Ich muss ohnehin gleich dorthin, wir haben uns ja etwas fest geplappert. Die drei Narkotisierten dürften auch bald wieder wach sein.«

Fast zynisch entfuhr es ihr: »Viel Spaß mit ihnen, wenn der Springer auch so nett ist wie die Freifahrerin, wird das nicht leicht.«

Allan lachte auf. »Ich hatte heute ja fast schon drei Stunden Schlaf.«

Schlagfertig fuhr sie fort: »Was das Ganze noch schöner macht, Mein Beileid!«

Allan lächelte und begleitete sie zur Krankenstation.

Krankenstation

Nachdem Kiril festgestellt hatte, dass sich ihr Zustand durch das Schmerzmittel nicht gerade gebessert hatte, ging sie zurück auf die Krankenstation.

Mittlerweile war dort die Hölle los. Auf der Intensivstation entdeckte sie ein paar Leute. Sofort fielen ihr wieder die Geräusche auf dem Gang ein.

Neugierig versuchte sie einen Blick auf die Personen zu erhaschen, aber die Ärzte standen so dicht, dass sie kaum etwas sehen konnte.

Sicherheitszentrale (BZ: 7:00 Uhr)

Vron hatte die Akten der Neben- und Nachtschicht durchgearbeitet. Viel war es ja nicht. Sie standen buchstäblich mit leeren Händen da.

Da war ja selbst die Beschwerde eines Crewmitgliedes über das dauernde, zu laute Miauen von Yohko Takashis Hauskatze erfolgversprechender.

Vron tippte einen Bericht zusammen, der aber nicht viel aussagekräftiger war als der mündlich gegebene. Um sieben trudelten dann auch die anderen Mitarbeiter an dem Fall ein. Sie wirkten etwas überrascht, als sie sahen, dass Vron schon am Bericht tippen war.

Verdammt, die glauben jetzt sicher, ich will mich bei der Chefin einschmeicheln. Na ja, im Moment bin ich vielleicht wirklich etwas übereifrig. Liegt wohl an der Unsicherheit, weil wir eine neue Chefin haben.

Vron legte den Bericht, nachdem er fertig war, auf den Schreibtisch der Chefin und sprach diese an: »Hier ist der geforderte Bericht, er wird wohl nicht viel helfen. Wir müssen fast hoffen, dass der Dieb wieder zuschlägt und diesmal nicht seine Spuren verwischt.«

Durch ihre Arbeit fiel Sulae auf, dass die Sicherheit auf der Krankenstation zu wünschen übrig ließ. Sie beschloss, sich selbst davon zu überzeugen, rief drei weitere Sicherheitsoffiziere heran und machte sich mit denen auf den Weg.

Lucreto Tarson saß in seinem Stuhl und stellte sich schlafend, doch die Chefin konnte er nicht täuschen. Leise vor sich hin fluchend lümmelte er sich aus dem Stuhl und ging langsam auf Sulae zu. Neben ihm wurden noch zwei andere Offiziere aus ihrem Scheinschlaf erweckt. Gemeinsam trotteten sie Sulae bis zur Krankenstation nach.

Krankenstation

In der Krankenstation, wo die Paralysierten lagen, bemerkte Sulae noch eine andere Patientin: Kiril. Die junge Arkonidin, so fand Sulae, sah nicht gut aus. Sie hatte tiefe Ringe unter den Augen, war blass und vielleicht sogar etwas grünlich im Gesicht. Dennoch lächelte sie, als sie Sulae sah.

Diese erwiderte das Lächeln kurz, wandte sich dann doch zuerst ihren Sicherheitsleuten zu, um ihnen entsprechende Anweisungen zu geben, wie sie mit den Paralysierten zu verfahren hätten.

Dann ging sie zu Kiril, betrachtete sie ganz genau und lächelte dann.

Shalannan, die sich bisher sehr ruhig verhalten hatte, drängelte, sie solle sich nach Kirils Wohlbefinden erkundigen, was Sulae zwar zur Kenntnis nahm, jedoch nicht weiter beachtete. Denn die Ärztin kam, um Kiril etwas zu verabreichen.

»Nur Mut, bald geht's dir wieder gut«, versuchte Sulae Kiril aufzumuntern und sah dann der Ärztin bei der Arbeit zu.

Kiril nahm das Schmerzmittel wortlos und wartete auf eine spürbare Besserung. Nach einem etwas gründlicheren Blick, vor allem einem klaren, bemerkte sie, das sämtliche »Hohen Tiere« der CREST auf der Station versammelt waren.

Auffallend waren auch die vielen Sicherheitsleute. Und ehe sie sich versah, stand Sulae vor ihr und betrachtete sie mitleidig.

Auf ihre Frage, wie es ihr ginge, wurde sie rot und stammelte, es würde ihr besser gehen. Langsam wurde sie sich immer mehr der peinlichen Aktion bewusst.

Sulae schien aber wirklich besorgt und wollte sie keineswegs aufziehen oder belächeln.

Als Allan zusammen mit Renie Tukal die Hauptmedostation betrat, zeigte sich ein merkwürdiges Bild: Der Empfangs-/Erstversorgungsbereich war gut gefüllt mit diversem Sicherheitspersonal.

Die »Bewachten« befanden sich in verschiedenen Stadien des Wiedererwachens, nur die junge Frau, welche die Primärwirkung der Kampfroboterparalysatoren zu spüren bekommen hatte, war noch unter intensivmedizinischer Überwachung.

Bei ihr hatte es wohl, wie Allan kurz darauf erfuhr, zeitweise ziemlich auf der Kippe gestanden, denn obschon der Robot mit minimaler Leistung gefeuert hatte, war dieses Geschütz ja nicht für den selektiven Nahkampfeinsatz gedacht und hatte ihr einen schweren Paralyseschock mit zeitweisem Atmungsstillstand und Kreislaufstörungen beschert.

Sie würde wohl noch mehrere Tage Krämpfe haben, sich aber aufgrund der sofortigen Versorgung wieder vollkommen erholen.

Vor einigen Jahren war Allan von mehreren Paralysatoren gleichzeitig erfasst worden und auch in einen solchen, extremen Schockzustand geraten. Das war nichts, was man auf die leichte Schulter nehmen konnte.

Als Allan die Ärztin ziemlich lapidar von einer »zu erwartenden, noch eine Weile andauernden Einschränkung« seitens der Patientin reden hörte, kam ihm regelrecht die Galle hoch und er überlegte für eine Sekunde ernsthaft, den Robot herzuzitieren, um ihr einen Erfahrungswert aus erster Hand zu genehmigen.

Was Allan aber mehr überraschte, war einer der Farbflecken zwischen all den Uniformen: Kiril auf einer der Behandlungsliegen. Sie saß da und schaute ziemlich elend aus ihrem Nachthemd.

Vor wenigen Stunden war sie noch »breit wie ein Mattenwilly am Zahltag«, wie ein altes terranisches Sprichwort sagte, und nun hatte sie sich wieder soweit erholt, dass sie alleine die Medostation fand.

Während Allan zu ihr hinging, wurde ihm klar, dass sie ja eigentlich sehr verantwortungsbewusst gehandelt hatte, dass sie direkt medizinische Hilfe suchte, war nicht unbedingt zu erwarten, wenn man ihr bisheriges Leben bedachte.

Erst als er direkt neben ihrer Liege stand, bemerkte er die Frau neben derselben. Die Sicherheitschefin schien sich um Kiril zu kümmern.

Kiril war kurz davor aufzuatmen, als sie Allan sah, der sich zwischen den Leuten einen Weg zu ihr bahnte.

»Jetzt geht es mir an den Kragen«, schoss es ihr durch den Kopf. Ihre Eltern hätten sie bei einer Dummheit diesen Grades sicherlich windelweich geprügelt.

Allan würde das zwar nicht tun, dafür war er noch zu unsicher im Umgang mit ihr und außerdem nicht der Typ dazu, aber er würde sicherlich ausrasten, ihr eine elend lange Strafpredigt halten, ihr womöglich »Hausarrest« geben und bis an ihr Lebensende an jedem ihrer Gläser riechen, ob Alkohol drin sei.

Sie schaute ihm entgegen, konnte aber keine andere Regung als Besorgnis und Erleichterung auf seinem Gesicht sehen.

Mit einem kurzen Kopfnicken grüßte er Oberstleutnant Shalannan und sagte zu Kiril: »Na, du machst Sachen! Geht's dir denn wieder etwas besser?«

Kiril nickte nur und wartete auf seinen Vortrag, doch der blieb aus. Allan meinte nur, sie sollte noch etwas schlafen und sich ruhig verhalten. Dann tauchte er wieder zwischen den Leuten unter.

Kiril starrte ihm erstaunt nach. Schulternzuckend erhob sie sich und schlurfte zurück zu ihrer Kabine. Die Strafpredigt, dachte sie, würde später kommen.

Tarson hoffte bald wieder in seinen Stuhl zurückkehren zu können. Gelangweilt sah er Sulae zu, wie sie sich um Kiril kümmerte.

Das Ankommen Allans registrierte er gar nicht erst. Nachdem er einige Minuten so dagestanden hatte, wandte Tarson sich den übrigen Offizieren zu und begann ein Gespräch.

Leider brachte dieser Smalltalk auch keine Abwechslung.

Dass sowohl der Springer als auch die Freifahrerin auf dem Weg der Besserung waren, nahm Renie zwiespältig auf. Mit der Freifahrerin würde es noch Ärger geben. Sie wünschte niemandem etwas Schlechtes, aber sie konnte nur hoffen, dass diese für sie kein Problem werden würde.

Allan kümmerte sich um ein junges Mädchen, wohl seine Adoptivtochter, falls seine Geschichte wahr war. Das Mädchen sah nicht gerade gut aus.

Renie wusste nicht was los war, aber die Worte Allans machten sie nachdenklich. Hatte sie irgend etwas angestellt?

Neben Kiril stand eine weitere Arkonidin. Als sie erfuhr, dass sie Sulae Shalannan, die Sicherheitschefin war, war Renie überrascht. Okay, Arkoniden in der Solaren Flotte waren möglich, aber zwei in Führungspositionen waren selten.

Sie nahm sich vor, auf der Hut zu sein.

Die Bordsicherheit war normalerweise nichts, wovor ein Bürger des Solaren Imperiums Angst haben musste, aber falls das kein Schiff des Solaren Imperiums war, konnte sie genauso gut ein Terrorinstrument sein.

Außerdem musste sie bei der Sicherheit sicherlich vorsichtig sein.

Sie wusste nicht wie die Schiffsleitung zum IPC stand. Es konnte sich ja auch einiges geändert haben. Solange Rhodan Großadministrator war, hatten IPC und das Solare Imperium oft zusammengearbeitet, aber sie wusste nicht, wie die Situation in der Galaxis heute aussah.

Nur gut, dass es hier auf dem Schiff wohl keine Agenten der SolAb oder der USO herum liefen.

4. Ein angenehmes Gespräch?

Beobachtungskuppel (BZ: 7:00 Uhr)

Das leise Flüstern der Lüftung war das einzige, was Yohko auf ihrem Weg zum Observatorium begleitete. Sie fuhr sich einige Male mit der Hand durch das Haar und brachte es so ein wenig durcheinander.

Es machte nun schon eher den Eindruck, als habe sie sich vor Kurzem von ihrem Nachtlager erhoben, sei nachlässig in den vorgeschriebenen Anzug geschlüpft und habe den von ihr darüber getragenen Umhang beim Verlassen der Kabine eher übergeworfen als um die Schultern gelegt.

Den Kombistrahler stellte sie auf maximale Intensität und ließ ihn wieder unter dem Umhang verschwinden.

Sie hoffte, dass sie ihn nicht würde benutzen müssen, nicht nur wegen des ganzen Schreibkrams, sondern sicher auch deswegen, weil die Abgabe eines einzigen Schusses aus dieser Waffe innerhalb kürzester Zeit die Raumtemperatur im Observatorium um 150 bis 200 Grad Celsius würde ansteigen lassen.

Derart stark erhitzte Luft hatte die unangenehme Eigenschaft, dass sie die Nasenschleimhäute schädigte. Nachdem sie das letzte Mal in geschlossenen Räumlichkeiten und ohne Schutzschirm in ein Gefecht verwickelt worden war, hatte sie Tage lang mit dem brennenden Schmerz im Nasen- und Rachenraum leben müssen.

Besser, die Situation würde nicht eskalieren.

Entschlossenheit lag in ihrem Blick, als sie über die Sensorfläche an der Tür zum Observatorium fuhr und sie auf diese Weise öffnete. Das Schott glitt zur Seite und sie trat in das Halbdunkel des dahinter liegenden Raumes.

Nicht lange nachdem der Eingang sich selbsttätig wieder geschlossen hatte, hatten sich ihre Augen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt. Gegen das Leuchten der tausend und abertausend Sterne, deren Licht durch die Transparentstahlkuppel fiel, hob sich die dunkle Silhouette eines Mannes ab.

Emerson war ganz und gar im Anblick des äußeren Milchstraßenzentrums versunken. Die unzähligen Sterne faszinierten ihn genauso wie jeden anderen Veego, denn in ihnen lag angeblich die Bestimmung seines Volkes.

Zumindest glaubten das seine Artgenossen und richteten deshalb ihr ganzes Leben danach aus, wie sie es schon seit zwei Millionen Jahren taten und wohl bis in alle Ewigkeit tun würden.

Doch er hatte einen anderen Weg eingeschlagen und war auf die Suche nach der Antwort auf die vielfältigen Rätsel seines Volkes gegangen: Woher kamen sie, wohin gingen sie, warum sahen sie genauso aus wie die Terraner, wer hatte ihnen ihren Auftrag erteilt und warum konnten sie die Große Leere nicht betreten?

Er bemerkte nicht, wie jemand leise die Beobachtungskuppel betrat. Deshalb machte er sich fast in die Hose, als eine ihm nur zu bekannte Stimme ertönte.

Yohko räusperte sich, da es schien, als habe Emerson sie noch nicht bemerkt:

»Entschuldigen Sie vielmals mein Erscheinen an diesem friedvollen Ort, aber unglücklicherweise gelang es mir nicht einzuschlafen. Es schien mir eine gute Idee zu sein, die beeindruckende Szenerie des Sternenhimmels unseres Milchstraßenzentrums zu genießen, um mich auf diese Weise für den entgangenen Schlaf zu entschädigen. Gehe ich recht in der Annahme, dass ich gerade auf einen bedauernswerten Leidensgenossen getroffen bin?«

Emerson war so erschrocken über die Erkenntnis, dass ihm auf einmal Yohko Takashi gegenüberstand, dass er den Inhalt ihrer kleinen Ansprache gar nicht mitbekam.

Er konnte sich nur noch perplex fragen, woher die Japanerin nur seinen Aufenthaltsort kannte. Hatte sie ihn etwa überwachen lassen? Für eine USO-Agentin war das sicher kein Problem, vor allem, wenn sie hinter jemandem her war.

Und warum sah sie so aus, als käme sie gerade aus dem Bett? Sollte das ein psychologischer Trick sein, um ihn in Sicherheit zu wiegen?

Die Entgegnung ihres Gegenübers wartete Yohko gar nicht erst ab, sondern schob direkt die nächste Frage hinterher, um dem Mann gar nicht erst die Gelegenheit zu geben, sich auf die veränderte Situation mental einzustellen:

»Eine seltsame Faszination geht von diesem Ort aus – sagen Sie, kann es vielleicht sein, dass Sie oft hier sind?«

Sie vermied ganz bewusst den unverfänglicheren Terminus »öfter«. Sie hatte den Haken ausgeworfen und behielt ihn scharf im Auge; wie würde er reagieren?

Emerson überlegte fieberhaft eine glaubwürdige Antwort, wobei er sich innerlich bereits darauf einstellte, dass er sich in Kürze mit einem »Kurzen Weg« würde in Sicherheit bringen müssen – und damit einen 16 Jahre dauernden Abschnitt seines Lebens endgültig beenden würde.

»Ich ziehe mich immer hierhin zurück, wenn ich über etwas nachdenken muss«, brachte der Veego mit leicht zitternder Stimme hervor. »Hier stört mich keiner, und ich kann meiner Leidenschaft zur Astronomie nachgehen.«

Dabei fragte sich Emerson, was die Frau wirklich vorhatte. Etwas Gutes konnte es nicht sein, da war er sich sicher.

»Ist ihnen nicht gut Ostrog-san, ihre Stimme hat so ein merkwürdiges Timbre, Ostrog-san?« Die zweimalige Erwähnung seines Namens suggerierte unangebrachte Vertrautheit, dessen war sich die USO-Agentin bewusst und genau das beabsichtigte sie auch.

Gleichzeitig bemühte sich Yohko ernsthaft besorgt zu schauen. Die Aussendung widersprüchlicher Signale auf verbaler und nonverbaler Ebene sollte Emersons Stresspegel steigern.

Sie trat näher. Waren das etwa Schweißperlen auf seiner Stirn?

Nein, mir geht es wirklich nicht gut, dachte Emerson beunruhigt.

Irgendwie schaffte es Yohko Takashi, ihn allein durch ihre Anwesenheit aus dem Gleichgewicht zu bringen, und ihre Wortwahl ließ ihn keinen klaren Gedanken mehr finden. Er begann sogar zu schwitzen, und das war ein sehr schlechtes Zeichen.

Nach einem kurzen Moment des Schweigens zauberte Yohko ihr schönstes Lächeln herbei, achtete jedoch darauf, dass ihre Augen nicht mitlächelten: »Es ist wirklich unbezahlbar, wenn man in einem so aufreibenden Job, wie wir ihn haben, hin und wieder mal die Seele baumeln lassen kann, Ostrog-san, wirklich unbezahlbar …«

»Ja … ja, das ist wohl richtig«, erwiderte Emerson zögernd. »Vor allem, wenn man daran denkt, was während der letzten Mission hier an Bord so alles los war.«

Dabei musste er an die Schreckensherrschaft der Saboteure und ihres Anführers Ron Laska denken, deren Anschlägen beinahe auch er selbst zum Opfer gefallen war. Es hatte sogar zwei Todesfälle gegeben, darunter sogar jemand aus ihren eigenen Reihen.

Auf einmal kam ihm eine Idee, wie er dem Gespräch eine Wendung geben könnte.

Mit neu gefasster Selbstsicherheit fragte er die Japanerin: »Kannten Sie eigentlich den ehemaligen Feuerleitoffizier Axel Carpenter? Ich glaube ja, dass er ein Agent der SolAb oder gar der USO gewesen sein muss. Was denken Sie?«

Erst nachdem er das ausgesprochen hatte, wurde er sich dessen bewusst, das er soeben wahrscheinlich einen schrecklichen Fehler begangen hatte.

»Ah, so desu ka? Ein Agent der United Stars Organisation? Nein, das war mir natürlich nicht bekannt – woher auch, Ostrog-san?«

Sie lächelte, während ihre Augen forschend in die seinen blickten.

Sollte ich noch mal davongekommen sein?, dachte Emerson hoffnungsvoll.

Das Lächeln wich einem Ausdruck des Bedauerns: »Ich könnte noch stundenlang mit ihnen so weiter plaudern, aber Großkatzen sind sehr sensible Tiere. Sie könnten es übel nehmen, wenn sie nicht zu den gewohnten Zeiten gefüttert werden.«

Ach ja, sie hat ja diesen Tiger als Haustier, fiel dem Veego ein. Ich habe ja auch öfters darüber nachgedacht, mir eines anzuschaffen.

Yohko deutete eine Verbeugung an, während der sie ihr Gegenüber aber keinen Moment aus den Augen ließ, sie blinzelte nicht einmal: »Einen angenehmen Feierabend … oder … morgen, Ostrog-san

»Ihnen auch, Miss Takashi«, erwiderte Emerson, erleichtert darüber, dass das Gespräch für ihn so glimpflich zu Ende gegangen war.

»Aber bevor Sie gehen, würde ich sie gerne noch was fragen: War es eigentlich schwer für Sie als USO-Agentin, eine Genehmigung für die Mitnahme eines Tigers auf den Raumschiffen der Solaren Flotte zu erhalten?«

Als Emerson erkannte, was ihm da soeben herausgerutscht war, schloss er innerlich bereits mit seinem Leben als Emerson Victor Ostrog ab.

»Ostrog-san, Ihr scheint überarbeitet zu sein. Wenn man müde ist, dann macht man Fehler. Ihr solltet zu Bett gehen«, Yohkos Lächeln war unverbindlich.

»Einen angenehmen Tag noch …«

Yohko Takashi verließ das Observatorium, und Emerson atmete erleichtert auf. Sein dummer Versprecher war ohne Folgen geblieben. Er hatte eigentlich »SolAb« sagen wollen anstatt »USO«, doch irgendwie hatte er das nicht getan.

Kurze Zeit später öffnete sich das Schott noch einmal und Yohko Takashi stand zu Emersons Entsetzen wieder im Raum.

Einen Arm nach oben gestreckt, auf einen imaginären Punkt über Emersons Haupt deutend, sagte sie: »Da war noch etwas … das mit dem Tiger … nun, warum hat das funktioniert?«

Die Art wie sie redete, war nun eine ganz andere. Nicht unhöflicher als zuvor, aber wesentlich formloser. Emerson war von der Veränderung verunsichert. Kam jetzt doch noch das dicke Ende?

»Shirimasen, keine Ahnung … ich habe einfach nur einen Freund gefragt, ob er mir gefällig sein könnte. Er sagte, er mache so etwas nicht, ich solle das einfach beantragen. Habe ich getan … und seltsamerweise hatte ich die Genehmigung kurze Zeit später.

So war das. Mr. Ostrog, so war das … hmmh … wissen Sie, was mir da gerade einfällt … also mein Mann, Mr. Takashi, der hat immer zu mir gesagt … wenn jemand Paranoia hat, hat er gesagt … also, wenn jemand Paranoia hat, dann bedeutet das noch lange nicht, dass man nicht hinter ihm her ist.

Ich weiß nicht wieso ich darauf komme … ich fand es nur witzig, eigentlich ist Mr. Takashi ein ziemlich humorloser Kerl, aber manchmal ist er wirklich … wirklich witzig und ich dachte, Sie könnten vielleicht auch darüber lachen. Also …«

Sie öffnete die erhobene Hand zum Abschiedsgruß, der Arm blieb gestreckt. Sie nickte ihm noch einmal zu und verließ die Beobachtungskuppel. Das Schott schloss hinter ihr automatisch.

Und Emerson wurde wieder vom Halbdunkel des Raumes eingehüllt.

Seit wann ist die denn verheiratet?, fragte er sich irritiert. Und warum kommt mir diese Redeweise so bekannt vor?

Nachdem er sich mit einem »kurzen Blick« davon vergewissert hatte, dass Yohko Takashi sich nicht in der Nähe befand, rannte Emerson wie von Furien gehetzt aus der Beobachtungskuppel und sprang in den nächsten Antigravschacht.

Auf irgendeinem tief gelegenen Deck verließ er ihn wieder und suchte sich eine dunkle Ecke, wo er sich hinkauerte und nach möglichen Verfolgern Ausschau hielt.

Woher zum Teufel wusste sie, dass ich mich des öfteren in der Beobachtungskuppel aufhalte?, dachte Emerson verzweifelt.

Lässt sie mich etwa überwachen, oder hat sie einen Peilsender an mir angebracht? Nein, das ist Unsinn, das hätte ich bemerkt. Aber vielleicht hat sie eine Überwachungssonde auf mich angesetzt?

Misstrauisch hielt er nach einer solchen Ausschau, aber selbst wenn sich eine in der Nähe befinden sollte, mit bloßem Auge waren sie nicht aufzuspüren.

Deshalb verließ er bald darauf sein Versteck und suchte eine der Ausrüstungsstellen auf, wo er sich die entsprechenden Apparaturen besorgte, um alle Arten von Überwachungs- und Abhöranlagen aufzuspüren.

Damit zog er sich in seine Kabine zurück, wo er bis zu seinem Dienstbeginn blieb und hoffte, dass sein neues Equipment auch gegen USO-Technik wirksam war.

Funkzentrale (BZ: 7:30 Uhr)

Nachdem Todd Chasen seine Anzeige in dreifacher Ausfertigung – die Bürokratie schrieb es so vor – in der Zentrale abgegeben und alle diesbezüglichen Fragen beantwortet hatte, wurde er mit dem Satz: »Halten Sie sich aber noch in Ihrer Kabine bereit. Vielleicht möchte sich die Bordsicherheit mit Ihnen noch einmal darüber unterhalten.« aus der Zentrale entlassen.

Da er schon mal in der Nähe war, entschloss er sich kurzerhand einen seiner täglichen Besuche in der Funkzentrale vorzuverlegen. Normalerweise besuchte er die immer wieder erfreuten Leute in der Funkzentrale vor Dienstantritt und auch nach seinem Dienst, um sich zu erkundigen, ob irgendeine Nachricht für ihn eingetroffen sei.

Er wusste zwar, dass jegliche private Post zu ihm ins Quartier um- und weitergeleitet wurde, aber dennoch ging er immer wieder in die Funkzentrale, denn er erwartete sehnsüchtig Hypergramme von seiner Geliebten Tamara.

Ein zweiter Grund, warum er nicht zu der gewohnten Zeit dort erscheinen würde, war, dass er heute vor 4 Jahren Tamara kennen gelernt hatte und ihr auch deshalb gleich noch ein Liebesgedicht schicken wollte.

Als er vor dem Bereich der Funkzentrale anlangte, die für solche Belange zuständig war, las er das Schild »Poststelle« auf der Eingangstür.

Anfangs hatte er sich darüber gewundert, aber nachdem er von einem Techniker erfahren hatte, dass dieser historische Begriff auf die Zeit zurückging, in der die Kommunikation zwischen Menschen auf der Erde über solche zentralen Stellen abgewickelt wurde und die Besatzung der Funkzentrale beschlossen hatte, den öffentlichen Teil so kenntlich zu machen, fand er es eher belustigend.

Als er die Funkzentrale betrat, schauten sich die Leute natürlich um, denn sie wollten ja wissen, wer sie zu so einer Zeit besuchte. Nachdem er erkannt worden war, begannen sogar einige miteinander zu tuscheln und die Augen zu verdrehen, was Todd nicht entging.

Er konnte aber nur die Gesprächsfetzen »… nicht der schon wied …« und »… ziemlich früh dran, der Bursche …« verstehen.

Er hatte keinen guten Stand bei diesen Leuten, denn er kam oft und meistens nervte er noch und es passierte auch nicht selten, dass er selbst während eines Einsatzes, in dem die Funker besonders konzentriert arbeiten mussten, einfach hinein platzte und nach »Post« fragte.

Auch heute machte er keine Ausnahme und ging geradewegs auf den Chef der Funkzentrale zu und wollte gerade zu seiner allseits bekannten Frage: »Habe ich etwas von Tamara erhalten?« ansetzten, als dieser leicht gereizt sagte: »Sparen Sie Ihren Atem! Sie hat Ihnen nichts geschickt, genauso wie gestern, vorgestern, vorvorgestern und all die Tage davor.«

Erbost über die Gereiztheit dieses Mannes drehte er sich um und setzte sich an das nächste freie Terminal, packte einen großen Zettel aus und begann ein Hypergramm zu schreiben.

Einer der Anwesenden kam zu Todd herüber und wollte wissen, was er dort zu suchen habe. Todd schreckte auf und versteckte den Zettel, auf dem er handschriftlich ein Gedicht niedergeschrieben hatte, und erklärte ihm, dass er ein nur ein Hypergramm versenden wolle.

Scheinbar befriedigt mit der Antwort ging er davon und murmelte noch: »Tztztztz so was … getrennte Herzen, unendliche Liebe, so eine Schnulze, tztztz.«

Entweder er musste schon länger hinter Todd gestanden haben oder Todd hatte das Stück Papier nicht schnell genug herumgedreht, denn er hatte das Gedicht »Ode an Tamara« zumindest teilweise gelesen und das ärgerte ihn.

Todd brüllte ihm noch hinterher: »Noch nie etwas von Privatsphäre gehört?«, was ihm natürlich wieder die ganze Aufmerksamkeit und einige schiefe Blicke einbrachte.

Leiser fügte er noch dazu: »Außerdem kann ICH schreiben was ICH will!«.

Als er fertig war, betätigte er die »Senden« Taste, verließ die Funkzentrale und begab sich wieder in seine Kabine.

Sicherheitszentrale (BZ: 7:30 Uhr)

Nachdem der Bericht abgegeben und damit etwas Zeit gewonnen war, fragte sich Vron, was er tun konnte. So richtig zum Überlegen kam er nicht, denn erst einmal mussten Beschwerden von den bisherigen Diebesopfern abgewendet werden und das konnte man nur mit einem Wort bezeichnen: stressig.

Nach diesem sehr »tollen« Erlebnis fragte Vron Timotha, der im Moment die Nachrichten, die in die Sicherheit eingingen, prüfte, noch einmal nach Ergebnissen.

»Nichts. Jedenfalls nicht in den Nachrichten an die Zentrale. Aber es könnte sein, dass sie jemand an irgendeinen Offizier geschickt hat. Bei gelesenen Nachrichten hoffe ich, dass wir Nachricht bekommen, aber bei ungelesenen?«

Vron ließ nach solchen Nachrichten suchen, auch wenn er nur schauen konnte, von wem die Nachrichten kamen und an wen sie waren. Unter anderem war auch eine Nachricht für die Chefin dabei.

Wenn sich jemand wegen Diebstählen an die Sicherheit wandte, war es wahrscheinlich, dass er die Nachricht, wenn nicht an die Sicherheit direkt an ein hohes Tier schickte. Und so verständigte er auf gut Glück einfach mal Sulae, dass sie Post hatte.

Diese schien nicht zu beschäftigt und meinte nach dem Lesen, dass es vielleicht mit den Diebstählen zu tun hatte. Die Nachricht stammte von Yohko Takashi und berichtete von dem Verschwinden irgendwelcher Filme aus ihrer Kabine.

Vron ließ ihr eine dringende Nachricht zukommen, dass die Sicherheit gerne mit ihr wegen des Verschwindens der Videos sprechen würde, da es möglich sei, dass sie mit einer Diebstahlserie in Verbindung stände.

»Wenn sie sich meldet, ruft mich, ansonsten nehme ich mir jetzt eine Frühstückspause«, meinte Vron, der an jenem Tag noch nichts gegessen hatte und nun einen freien Moment sah.

Sicherheitszentrale (BZ: 7:47 Uhr)

Nachdem sich der Zwischenfall mit Kiril ja rasch und sehr nett gelöst hatte und es ihm auch erfolgreich gelungen war, sich in der Krankenstation besonderen Anweisungen durch Sulae Shalannan zu entziehen, machte sich Cosh auf den Weg zur Sicherheitszentrale, um sich bei seinem Boss, wieder einmal verspätet, zu melden.

Eigentlich arbeitete er ja in einem Büro außerhalb der eigentlichen Zentrale, aber bislang hatte Syntony sich immer geweigert, Coshs Einsatzmeldung dort in Empfang zu nehmen. Aber Cosh war sich sicher, dass sich das – wie so vieles andere auch – ändern würde, wenn er seinen ersten großen Fall an Bord der CREST V erfolgreich gelöst hatte.

Also auf zur Zentrale, wo ihn dann eine große Überraschung erwartete …

Syntony war nicht da!!

Sollte er, der ewig Pünktliche, sich etwa verspäten? Er, der immer so stolz auf seine Dienstbeflissentlichkeit war – zumindest Coshs Auffassung nach – sollte er etwa wegen eines Katers verschlafen haben? Ein kurzer Check über die Bordpositronik sollte Klarheit bringen.

Doch Coshs Sicherheitszulassung reichte für eine solche Abfrage nicht aus.

Korrektur.

Natürlich reichte sie aus – doch für eine Antwort, die den Aufenthaltsort seines Chefs verriet, war sie zu niedrig.

War das eigentlich immer so oder nur in besonderen Fällen? Hatte sich Syntony wieder einmal die interessanten Fälle an Land gezogen und wollte Cosh nur den Kleinkram überlassen? Möglich war es.

Jedenfalls wollte sich Cosh nun erst einmal über die aktuelle Sicherheitslage an Bord informieren und zog sich, nachdem er seine Einsatzbereitschaftsmeldung über die Positronik für seinen Boss hinterlegt hatte, in sein Büro zurück, das er zwar mit zwei anderen teilte, aber die hatten noch keinen Dienstbeginn.

Komme was wolle, heute wollte er einen dicken Fisch an Land ziehen und wenn ihm Syntony nicht hinein redete – um so besser. Dann konnte er sich jedenfalls selbst einen Auftrag geben.

Kantine (BZ: 8:00 Uhr)

Nach der ganzen Aufregung, dem Versuch noch etwas zu schlafen und einiger Arbeit wollte Robert erst einmal frühstücken. Als er gerade zu essen anfing, sah er den Sicherheitsmann Vron Habel.

Dieser setzte sich zu ihm: »Sorry Doc, wegen gestern, das Gespräch war wohl übertrieben.« Der Terraner sah ziemlich überarbeitet aus.

»Sie sehen nicht gut aus. So viel Arbeit?«

»Na ja, wie man es nimmt: Ich hab die letzten beiden Stunden damit verbracht, einen Bericht abzutippen, in dem steht, dass wir gar nichts haben. Und Sie? Haben Sie etwas mit unseren Gästen zu tun?«

»Flüchtig, sie haben also noch keine Spur zu dem Dieb?« Robert sah bei diesen Worten besorgt aus.

Als Vron den Kopf schüttelte, meinte der Galaktopsychologe: »Ich hoffe, Sie finden ihn bald. Sonst könnte nicht nur der Dieb selbst das Problem sein.«

Der Sicherheitsmann nickte: »Ich habe gestern schon eine Diskussion zwischen 2 Crewleuten bemerkt. Einige Leute könnten recht unangenehme Methoden nutzen, um ihr Eigentum zu schützen. Ich hoffe, keiner versucht eine illegale Desintegratationsvorrichtung anzubringen. Das ist so ein nerviger Papierkram und derjenige macht sich auch noch strafbar. Einige Hobbydetektive werden wir wohl auch haben.«

»Eben die Hobbydetektive, vielleicht könnte es sein, dass die Sicherheit eines Tages den Dieb vor denen schützen muss.«

Kabine von Niko Kassotakis (BZ: 8:30 Uhr)

»Was für ein Schwachsinn! Trivid beenden.«

Leise murmelnd fuhr er fort: »Als wäre die Realität nicht beschissen genug.« Nico rieb sich mit der rechten Hand durchs Gesicht, um die Müdigkeit zu vertreiben.

Nach seinem Empfinden war er heute viel zu früh aufgestanden. »Kaffeeextraktor aktivieren, 300 ml aufbrühen, Verbrauchstemperatur …« Er schloss die Augen und überlegte kurz. »… siebzig Grad Celsius.« Er gab sich einen Ruck und stand aus dem Kontursessel auf.

Bevor er den Weg in Richtung Hygienebereich antrat, dachte er kurz an das Gespräch, dass er gestern Abend mit seinem Chefredakteur hatte.

Er schüttelte den Kopf. Sein Entschluss stand fest: Er würde nach der Rückkehr der CREST ins Solsystem die Redaktion des Bordprogramms verlassen und heimkehren nach Europa, zurück nach Hellas. Ganz egal, was er dort machte, alles war besser, als mit diesem Psychopathen weiterhin zusammenzuarbeiten. Zwei Missionen waren genug!

Er rief in den Raum: »Die Illias, erster Gesang: Streit zwischen Agamemnon und Achilles. Rezitation starten.«

Donnernd begann eine Männerstimme die altgriechischen Verse eines Dichters aus dem achten vorchristlichen Jahrhundert zu intonieren.

Die Tür des Hygienebereiches schloss sich hinter Kassotakis und sperrte den Homer aus. Aber das spielte gar keine Rolle, denn er kannte den Epos in- und auswendig.

Als er wieder den Wohnbereich seiner Kabine betrat, stellte er grinsend fest, dass er den Versen der Syntho-Stimme ein wenig voraus war. Er nahm sich den Becher mit Kaffee und genoss den Vortrag.

»… bei weitem den größten Teil besorgen ja meine Hände im tosenden Krieg; und kommt dann einmal die Teilung, ist dein Ehrengeschenk viel größer als meines; mit wenigem Lieben kehre ich selbst zurück zu den Schiffen, erschöpft von den Kämpfen.

Nun aber gehe ich nach Phthia; denn wahrlich das Beste wohl ist es, heim mit den Schiffen zu ziehen, den geschweiften; ich bin nicht gesonnen, hier als Missachteter dir Vermögen und Reichtum zu häufen.«

Er stellte den Kaffeebecher zur Seite und nahm die autarke arkonidische Mikropositronik zur Hand, die hier in seiner Kabine so ziemlich alles steuerte, was steuerbar war. Eigentlich war das Ding schon zu dem Zeitpunkt als er es in Neo Knossos, einer unterseeischen Stadt knapp 50 km vor Kretas Nordküste, erworben hatte, schon seit einigen Jahrhunderten veraltet.

Die Lochstreifenfolien, die aus einem Schlitz an der Seite ausgegeben wurden, konnte er problemlos lesen.

Was ihn stutzig machte, war, dass aus dem Protokollstreifen hervorging, dass sich jemand während seiner Abwesenheit am Türöffnungsmechanismus zu schaffen gemacht hatte. Aber eingedrungen war er nicht, was wahrscheinlich daran lag, dass sein altes Schätzchen hier die Codes wieder und wieder aktualisiert hatte.

Nico machte sich keine Illusionen, wenn der Einbrecher das nächste Mal fortgeschrittenere Sperrwerkzeuge mitbrächte, würde auch die Positronik ihm den Zugang nicht mehr verwehren können.

Vielleicht wäre es das beste, den Sicherheitsdienst zu informieren.

Kantine

Vron und Alun redeten noch eine Weile weiter, bis Vron eine Nachricht von der Sicherheit bekam: »Wir haben eine weitere Anzeige. Jemand hat versucht, in die Kabine von Nico Kassotakis einzubrechen, aber erfolglos. Vielleicht unserer bisheriger Täter.«

Vron verkniff sich die Frage, ob der Mann Feinde hatte. Als Trividmoderator war er in der Beliebtheitsskala bei Wilford und Tsuran anzusiedeln.

»Befragt ihn. Bis bald, Doc.«

Während Vron zur Sicherheitszentrale zurückging, begab sich der Doktor langsam in Richtung Krankenstation.

5. Verhandlungen beim Frühstück

Krankenstation (BZ: 8:00 Uhr)

Nachdem Allan sich versichert hatte, dass es Kiril einigermaßen gut ging, begab er sich zu den einzelnen Behandlungsbereichen und ließ sich die Geschichte aus den jeweiligen Gesichtspunkten darstellen.

Der »Alte« hatte sich komplett von dieser ganzen Aktion zurückgezogen, da er sich um die ersten Berichte der Beiboote kümmern wollte.

Die Einzige, die sich noch nicht ausreichend erholt hatte, war die junge Dame, um die es eigentlich zu gehen schien.

Als er gerade beim Springerpatriarchen war, welcher ihm mit ausladenden Gesten erklärte, dass er ja absolut unschuldig sei, und dass diese Freihändlerin ihre Tochter ja nicht so sehr lieben könnte, wenn sie Schiffswaffen einsetzen würde, bemerkte Allans Magen, dass es langsam Frühstückszeit war.

Also bot er dem Springer und dann auch den anderen Beteiligten an, die Konferenz bei einem Imbiss fortzusetzen, WENN sie sich benehmen könnten. Nach einigem Hin und Her wurde der Vorschlag akzeptiert.

Allerdings verzichtete Allan nicht ganz auf Vorsichtsmaßnahmen, zwar entließ er die Wachroboter und die Soldaten der Bodentruppen, die dem Ganzen einen sehr bedrückten, martialischen Eindruck verliehen, beorderte aber vier Mann der Bordsicherheit, welche mit Paralysatoren für einen geordneten Ablauf des Frühstücks sorgen sollten, herbei.

Da diese nicht im schweren Kampfanzug im Raum standen, hoffte Allan auf eine etwas entspanntere Atmosphäre und gleichzeitig wurde damit das beginnende Kompetenzgerangel zwischen Bordsicherheit, Bodentruppen und Beibootflotillenbesatzung beendet.

So kam es, dass der ganze Tross um 8:47 Uhr in einer der kleineren Mannschaftsmessen eintraf und sich zum Frühstück setzte.

Sicherheitszentrale

»TARSON!!!« Dieser Ruf dröhnte in Lucreto Tarsons Kopf. Jetzt konnte er sich nicht mehr schlafend stellen, nach so etwas nicht mehr. Murrend stand er schließlich auf.

»Wahrscheinlich hat der Dieb schon wieder zugeschlagen, und Vron kann ja nicht alles machen. Leider«, sagte Lucreto leise zu sich selbst. Doch als er hörte, dass er auf die Springer aufpassen sollte, wurde er schon munterer.

»Das wird lustig!«, so hoffte er zumindest. Also ging er mit drei anderen zum »Einsatzort«.

Mannschaftsmesse

Lucreto Tarson hatte sich getäuscht. Er starb fast vor Langeweile.

Er hatte gehofft, die Springer würden Schwierigkeiten machen, aber nein: Sie saßen ganz brav am Tisch und aßen, während sie mit dem ersten Offizier redeten. Wenn er doch nur ein paar Spielkarten dabei hätte …

Nachdem Robert in der Krankenstation angekommen war und gehört hatte, wo die Besprechung stattfinden sollte, war er leicht verärgert: Mist, da hätte ich gleich dort bleiben können!

Und so betrat er zusammen mit dem Rest die Kantine. Dort begann das Gespräch etwas zäh. Obwohl Allan versuchte eine ruhige Atmosphäre zu schaffen, waren die beiden Gäste auf Streit aus.

Zu allem Überfluss hatte auch noch die ehemalige Passagierin der Freihändlerin, Renie Tukal, beschlossen hier zu frühstücken.

Dass hier die Besprechung stattfinden sollte, hatte sie nicht gewusst. Als nun die Gruppe ankam, bekam sie einen riesigen Schrecken und wollte sich unauffällig verdrücken. Doch Chiara hatte sie schon gesehen.

»Du Natter, Diebin, Schurkin!«, fing sie an zu kreischen, oder zumindest zu Krächzen, denn mehr war nach ihren Paralyseschock nicht möglich.

Als ihre Flüche immer schlimmer wurden, platzte Robert der Kragen.

»Schluss!«, schrie er sie an. »Was immer Ihnen diese Frau angetan hat, wir sollten uns erst einmal ihrer Tochter widmen.«

Aluns Worte hatten einen Effekt, nämlich den, dass jetzt der Springer das Ziel der Flüche war, sonst änderte sich kaum etwas.

Alun sah kurz zu den gelangweilt dreinblickenden Sicherheitsleuten und versuchte die Freihändlerin zu beruhigen, die ohne es zu wissen noch einen Trumpf in der Hinterhand hatte.

Alun wusste es nicht, aber während sie hier versuchten die Lage zu beruhigen, wurde die angebliche Frau des Springers in der Krankenstation untersucht.

Sulae saß nach wie vor mit dem ersten Offizier in der Kantine, wo eifrig diskutiert wurde, oder besser, gestritten.

Nach einer Weile tauschte sie genervte Blicke mit Alun, dem Galaktopsychologen, und befragte dann Shalannan zu deren Meinung.

Diese fiel, wie so üblich, sehr umfangreich aus, was Sulae bei der augenblicklichen Situation nicht sonderlich störte. Ein Vorteil des Extrasinns war, dass man sich immer unauffällig unterhalten konnte und gleichzeitig den Anschein erweckte, interessiert zuzuhören.

Nach einer Weile jedoch, die beiden Parteien befanden sich gerade im schönsten Wortgefecht, während der erste Offizier versuchte, sie wieder zu beschwichtigen (das gäbe heute Abend schöne Kopfschmerzen für ihn, meinte Shalannan dazu), erreichte Sulae eine Nachricht aus der Sicherheitszentrale.

Innerlich dankte sie dafür und stand auf. Nach einer höflichen Entschuldigung verabschiedete sich und machte sich, ohne Eile, auf den Weg in die Sicherheitszentrale.

Kommandozentrale (BZ: 8:58 Uhr)

Als Emerson die Kommandozentrale betrat, blickte er sich als erstes verstohlen um und warf einen raschen Blick auf die Anzeige seines neuen Multifunktionsarmbands. Es gehörte zu der Ausrüstung zur Aufspürung von versteckten Überwachungs- und Abhöranlagen, die er sich vor kurzem bei der Ausrüstungstelle besorgt hatte.

Da das Gerät nichts ungewöhnliches anzeigte, begab er sich zum Navigationsterminal und löste den Mann von der vorherigen Schicht ab.

Während er sich auf seine Arbeit zu konzentrieren versuchte, erwartete er von seinem Armbandgerät ständig das Tonsignal zu hören, dass einen Einbruch in sein Quartier anzeigen würde.

Dort ließ er jeden Kubikmillimeter seines Wohnraumes von unterschiedlichen Sensoren überwachen, um jegliche Form von unberechtigtem Zugriff auf sein Eigentum aufspüren zu können.

Sicherheitszentrale

Es war nichts wirklich Wichtiges vorgefallen, aber Sulae hatte gebeten, zurzeit bei allem informiert zu werden. Sie hatte bemerkt, dass der Job hier zurzeit nicht sehr viel abwechslungsreicher war als ihr vorheriger, aber das konnte sich schnell ändern.

In der Sicherheitszentrale ging es zu wie immer; einige der Offiziere und Wachpersonen liefen geschäftig umher, einige andere schienen sich zu langweilen. Vielleicht sollte ich ein paar Sicherheitsübungen anordnen, dachte Sulae und vermerkte das im Geiste bei »Zukunftsplänen«.

Schließlich erreichte sie den Sicherheitsoffizier, der sie gerufen hatte und nun auf sie wartete.

»Was gibt es denn?«, fragte Sulae freundlich.

»Nun, wir haben in der Nahe einer der Quartiere, wo einer der Diebstähle stattgefunden hat, ein Haar gefunden.«

Sulae runzelte die Stirn. »Was ist daran so wichtig? Dort laufen doch sicherlich sehr viel Personen entlang, also sollte dies doch nichts besonderes sein.«

Der Offizier zuckte mit den Schultern.

»Nun, es ist eine Spur … vielleicht sogar eine, die sich zu verfolgen lohnt … Es ist zurzeit im Labor zur Analyse. In etwa einer Stunde wissen wir Genaueres!«

Sulae nickte, dankte, und verließ dann die Sicherheitszentrale. Seit sie angekommen war, hatte sie die Kommandozentrale erst einmal kurz gesehen und wollte nun einen genaueren Blick darauf werfen …

Kommandozentrale

Man merkte auf Anhieb, dass das Schiff zurzeit mehr oder weniger einen Stopp einlegte und ein Teil der Crew nicht so richtig beschäftigt war. Die Kommandozentrale war verhältnismäßig ruhig, aber eben nur für ihre Verhältnisse.

Vor allem die Piloten schienen sich ein wenig zu langweilen.

Sie ging gemächlich am Rand entlang und sah eine Weile dem Treiben zu. Sie fragte sich, wie es wohl zurzeit in der Feuerleitzentrale zugehen mochte. Schließlich blieb sie stehen und sah den ersten Navigator Ostrog dort sitzen.

Auch er sah nicht gerade beschäftigt aus, also ging Sulae zu ihm und sagte: »Guten Morgen, nichts zu tun? Ich empfehle ein gutes Buch …«

Während sich Emerson äußerlich gelangweilt gab, war er in Wirklichkeit bis aufs Äußerste angespannt. Jeden Moment rechnete er mit einem Signal von seiner Spionageabwehr-Ausrüstung.

Erschrocken zuckte der Veego zusammen. Langsam wandte er den Kopf und blickte zu der Frau hinter ihm auf, in der er die neue Sicherheitschefin Sulae Shalannan erkannte.

Sulae konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen, als sie sah, wie erschrocken Ostrog zusammen zuckte. Er schien sehr beunruhigt über ihr plötzliches Auftreten zu sein, und sie fragte sich ernsthaft, wieso …

Shalannan hingegen hatte ganz andere Gedanken … Gedanken, die wohl mit dem kleinen … Ausfall … während der Party zu tun hatten …

Nachdem Sulae eben diese Gedanken zur Seite gewischt hatte, hörte sie sich die Antwort des ersten Navigators an.

Nachdem dem er sich wieder gefasst hatte, erwiderte er: »Leider ist es in der Solaren Raumflotte untersagt, während des Dienstes zu lesen oder sich sonstigen ablenkenden Tätigkeiten hinzugeben. Glauben Sie mir, ich habe es des Öfteren versucht und jedesmal einen auf den Deckel bekommen.«

Emerson konnte sich noch lebhaft an Shalannans Bemerkung von der Party erinnern, die er als Drohung aufgefasst hatte. Deshalb analysierte er ihre Mimik und Gestik genauestens, um daraus auf ihre Absichten zu schließen. Doch er konnte nichts erkennen, das auf Misstrauen oder Argwohn hindeutete.

Während sie noch über die Bedeutung der Phrase »auf den Deckel bekommen« nachdachte, antwortete sie: »Nun, kann man denn wirklich sagen, dass Sie im Dienst sind? Für Sie als ersten Navigator gibt es doch derzeit sicherlich nicht viel zu tun. Und außerdem«, fügte sie mit einem Schmunzeln hinzu, »könnte man unser Gespräch in diesem Augenblick nicht auch als »Ablenkung« bezeichnen?«

Shalannan lachte sich in ihrem Hinterkopf fast kaputt, was sie sehr störend fand, denn sie hatte es völlig falsch aufgefasst.

Ostrog hatte dies zum Glück nicht, was Sulae nach den Ereignissen auf der Party nicht wunderte.

»Ich würde es niemals wagen, eine Unterhaltung mit einem höherrangigen Offizier als Ablenkung einzustufen«, erwiderte Emerson schlagfertig. »Das fällt in den Bereich der dienstlichen Konversation.«

Bevor die Arkonidin darauf antworten konnte, meldete sich die Funkzentrale mit einer Nachricht von einem der Beiboote aus dem Zielgebiet. Der zurzeit kommandoführende Offizier nahm sie entgegen und informierte anschließend Strader und Gonozal.

Sicherheitszentrale

An der Tür zum Büro von Agnus Cosh klopfte es. Agnus war etwas missmutig, da wohl nun doch sein Boss kommen würde, und rief: »Herein.«

Kiril bewegte sich leise, lauschte an der Tür. Nichts war zu hören.

»Der bekommt einen riesigen Schreck, wenn er mich jetzt noch einmal sieht.« Dann klopfte sie an und trat nach kurzem Zögern ein. Sie räusperte sich und grinste Cosh an, der erschrocken aufsprang.

Beinahe hätte Agnus salutiert – wusste er doch, dass Syntony so was mochte – aber er war dann doch freudig überrascht, als er Kiril erblickte.

Er bat sie herein, bot ihr einen Stuhl seiner nicht anwesenden Kollegen an und fragte, ob sie sich wieder gut erholt hätte.

Sie setzte sich dankend und schmunzelte über Coshs merkwürdiges Verhalten. Wen hatte er denn erwartet? Noch einmal räusperte sie sich, ehe sie die Hände artig faltete, ihren Kopf schief legte und ihn mit ihren großen Augen anstrahlte.

»Mr. Cosh«, säuselte sie und senkte danach verlegen den Kopf, wie als wäre es ihr unangenehm die folgenden Worte auszusprechen, »ich glaube, ich bin auch bestohlen worden«.

Mit gesenktem Kopf beobachtete sie ihn.

Während sich Cosh noch wunderte, warum Kiril ihn siezte und er ihr das Du anbot, schließlich waren sie im Vergleich zu den Unsterblichen ja fast gleich alt, war er doch sehr entsetzt, dass es jemand wagte, die Tochter vom Vize-Chef des ganzen Schiffes zu bestehlen.

Vermutlich hatte sie, was auch immer es war, gestern auf der Fete verloren – oder vielleicht, als Cosh sie umgerannt hatte? Auf jeden Fall wollte er sofort Genaueres wissen.

Kiril musste über sein angebotenes »Du« schmunzeln. Hatte er doch großen Respekt vor ihr, als Tochter des ersten Offiziers.

Interessiert hatte er sich in seinem Sitz nach vorne gelehnt und schaute ihr erwartungsvoll entgegen. Stockend begann sie zu erzählen, ihre Kette sei verschwunden.

Eine Kette ihres Planeten. Ein Meisterstück. Eine uralte, nur von sehr wenigen beherrschte Technik. Sie sei das Teuerste gewesen, was sie je bekommen hatte. Aber das zählte nicht.

Der persönliche Wert sei der Verlust. Die Kette sei ein Geschenk von ihrer Mutter gewesen und sie hätte nichts mehr, was ihr aus ihrem vorherigen Leben geblieben sei, als diese eine Kette. Vermissen würde sie sie seit heute Morgen.

Sie hätte schon alles durchsucht, aber jemand musste sie ihr in der Zeit entwendet haben, als sie auf der Krankenstation war.

»Wissen sie … äh … ich meine, weißt du, ich trage diese Kette immer bei mir, aber auf der Krankenstation musste ich sie ablegen. Meine persönlichen Dinge wurden mir in meine Kabine geschickt. Es waren so viele Leute vor Ort, ich habe nicht sehen können, wo sie meine Sachen hingelegt hatten.«

Sie krampfte die Hände zusammen. »Sie müssen diesen Dieb endlich finden!«

Innerlich wurde Agnus blass, denn ein solches Artefakt wie die beschriebene Kette war tatsächlich ein schlimmer Verlust. Besonders weil sie tatsächlich beim Zusammenstoß verschwunden sein konnte. Trotzdem begann er sofort mit der Arbeit.

Wo genau Kiril die Kette zum letzten Mal gesehen hatte, ob sie sie gestern Abend getragen hätte, wie sie denn aussah, wer Zutritt zu ihrer Kabine hatte.

Kiril beobachtete mit Genugtuung, wie Cosh sich an die Arbeit machte. Sie schilderte ihm alles noch einmal genauer und antwortete auf seine Fragen.

»Getragen habe ich sie zum letzten Mal auf der Party. Danach …« Sie stockte und wurde plötzlich rot. »Weißt du, ich hatte einen … Zwischenfall … also …« Sie starrte ihn durchdringend an, hoffend, er würde von ihrem Auftritt nichts bemerkt haben, aber Agnus gönnte ihr das nicht, nickte nur einmal und ließ sie im Ungewissen.

Für einen kurzen Moment funkelte sie ihn böse an, fuhr dann aber fort zu berichten.

»Na ja, was ich damit sagen will ist, dass ich die Kette auch da schon nicht mehr gehabt haben kann, denn um ehrlich zu sein, meine Erinnerung an diesen Abend ist sehr getrübt.«

Sie holte tief Luft, froh dass dieses Thema vom Tisch war.

»Zu meiner Kabine hat nur einer Zutritt: Allan. Wer sollte auch in die Kabine einer Halbwüchsigen wollen?! Die Kette ist aus Gold, mit eingearbeiteten Rubinen. Trotzdem unauffällig.«

Ihr Blick wurde düster.

»In der Gegend, in der ich lebte, konnte man es sich nicht leisten Luxus zu zeigen. Es wäre einem sofort gestohlen worden.«

Agnus war kurz etwas konsterniert! Ein besonderer Vorfall!!! Das war die Spur, die er brauchte, um den Fall umgehend zu lösen. So konnte er bei seinem Boss Eindruck schinden und seine Stellung bei der Inneren Sicherheit ausbauen.

»Um was für einen -Vorfall- handelte es sich denn? Und was hatte er mit der Kette zu tun«, fragte Cosh erwartungsvoll.

Kiril glaubte zu spüren, wie ihr das Gesicht einschlief. Sie wand sich unter Agnus` Blick.

»Also, äh … mit der Kette hat der gar nichts zu tun. Ich meine, ich, also …«

Sie holte tief Luft.

»Also, ich war auf der Party, mir war langweilig, mir ist ein Zeug in die Hände gefallen, was nun absolut nicht nach Alkohol geschmeckt hat. Ich habe mich besoffen und mir war hundeelend. Anstatt, wie ich hoffte, Allan in diesem Zustand nicht zu begegnen, bin ich ihm in die Arme gelaufen und musste mich übergeben. Alle haben es gesehen.«

Wieder lief sie rot an und wartete auf ein schallendes Gelächter.

»Dann hat mich Allan wohl auf mein Zimmer gebracht und ins Bett gelegt. Heute morgen bin ich mit ekelhaften Kopfschmerzen aufgewacht und wollte mir auf der Krankenstation ein Schmerzmittel geben lassen und dann … na ja … dann kamst du und hast mir den Rest gegeben.«

Agnus lief nun seinerseits rot an. Nicht etwa, dass er noch keine Erfahrungen mit Drogen aller Art gemacht hatte …

Aber er war so begierig darauf gewesen, den Fall rasch zu knacken, dass er wohl übers Ziel hinaus geschossen war.

Als sie merkten, dass nun beide rot anliefen, ohne dass sie wussten, warum es beim anderen so war, mussten Kiril und Agnus über die Situation lachen.

Cosh schlug vor, sich noch einen Kaffee zu genehmigen und dann mit der Suche in der »Festhalle« zu beginnen.

Kiril, die froh war, der Situation so zu entkommen, dankte ihm und verließ fast fluchtartig das Zimmer, mit der Begründung ihn nicht länger aufhalten zu wollen. Mit klopfenden Herzen schloss sie die Tür hinter sich und dachte befriedigt, dass ihr Plan aufgegangen war.

Cosh, der Kiril eigentlich mitnehmen wollte, war über ihren raschen Abgang doch etwas verwundert. Aber er wusste ja, wo sie zu finden war.

Zunächst einmal machte er sich an die Routine. Manchen war sie lästig, aber Cosh liebte es, ordentlich zu arbeiten. Schon oft hatte er so rasch Dinge wieder gefunden, die bei anderen auf ewig verschwunden blieben.

Also legte er zunächst einmal eine elektronische Akte an. Der kurze Befehl an die Positronik, eine Akte gemäß dem gerade geführten Gespräch mit Kiril anzulegen, und sein Sicherheitscode reichten dazu aus.

Damit hatte er gleichzeitig Rechenschaft über seine nächsten Schritte abgelegt und eine Begründung geliefert, falls Syntony ihn doch noch suchte.

Dann ging er systematisch vor.

Zuerst fragt er über die Sicherheitspositronik in seinem Büro die zuständige Automatik für die Reinigung ab. Von dort erfuhr er, dass die Rückstände der Feier (bis auf zwei Ausnahmen) bereits restlos von Arbeitsrobots beseitigt worden waren.

Auf besondere Nachfrage erfuhr er, dass es sich bei den beiden Ausnahmen um Bordmitglieder handelte, die ihren freien Tag hatten und die schon gestern eindeutige Anweisungen hinterlassen hatten, dass man sie nicht – wie bei »Schnapsleichen« sonst üblich – nach dem Zusammenbruch in ihre Kabine bringen sollte. Sie hatten gewünscht, dort aufwachen zu dürfen, wo sie liegen geblieben waren.

Aufgrund der Antigravs war es dennoch möglich gewesen, auch unter diesen beiden die »Sauerei« wegzumachen. Cosh fragte sich, woher die Automatik wohl dieses altertümliche Wort hatte, ging der Sache aber nicht weiter nach.

Er ordnete eine Überprüfung aller Reinigungsrobots an, die an der »Säuberungsaktion« beteiligt gewesen waren und gab als Suchkriterium eine Beschreibung der vermissten Kette.

Nach einer Wartezeit von 3,124 Sekunden, dies wurde Cosh zu Beginn der Antwort mitgeteilt, antwortete der Automat, dass das gesuchte Objekt nicht gefunden worden war und sich ebenfalls nicht in den Abfällen befand, die 8x täglich geleert wurden. Da diese Abfälle hinsichtlich recycelbarer Stoffe überprüft wurde wäre eine solche Kette aufgefallen.

Hier kam er also nicht weiter. Also folgte in seiner Systematik Schritt zwei.

Er ließ die Positronik die aus Datenschutzgründen Menschen nicht zugänglichen Überwachungsaufzeichnungen der Feier zunächst nach Kiril und dann die Ergebnisse nach der Kette durchsuchen. Diese Abfrage dauerte etwas länger. Die Zeit nutzte er, um weiter zu forschen.

Die Anfrage, wem Kiril an diesem Abend so nahe gekommen war, dass dieser oder diese ihr die Kette hätte stibitzen können, brachte zwar ein Ergebnis, aber es schien jeder gewesen zu sein. Sogar Cosh selbst war darunter, konnte sich daran aber gar nicht mehr erinnern.

Da fiel ihm ein, dass die beiden Schnapsleichen ja noch immer nicht aufgewacht waren und er machte sich sofort auf den Weg, diese beiden gründlich zu untersuchen.

Vielleicht hatte er ja Glück.

Kommandozentrale (BZ: 9:10 Uhr)

Als die vom eintreffenden Funkspruch verursachte kurze Störung der in der Kommandozentrale herrschenden Ruhe vorüber war, wandte sich Emerson wieder an Sulae Shalannan: »In der Sicherheitsabteilung scheint es ja zurzeit auch nicht viel zu tun zu geben, wenn es Sie hierher treibt. Oder sind sie gerade mit einer Ermittlung beschäftigt?«

Mit gesenkter Stimme fuhr er fort: »Konnten eigentlich die beiden Diebstähle schon aufgeklärt werden? Ich habe gestern auf der Party zufällig davon erfahren.«

Während alles in der Kommandozentrale mit dem eingehenden Funkspruch oder anderen Aufgaben beschäftigt war, es faszinierte Sulae, und in einer eigenen, besonderen Weise auch Shalannan, wie geschäftig es zu jeder Zeit hier zuging.

Schließlich wandte sich ihr Ostrog wieder zu. Er fragte sie nach ihren eigenen Aufgaben und den Diebstählen.

Etwas schmunzelnd, dass Ostrog sie genau danach fragte, wobei sie sich wunderte, wie der das herausbekommen hatte, antwortete sie: »Nun, meine Sicherheitsleute sind mit den Ermittlungen beschäftigt und berichten mir regelmäßig über die Fortschritte. Was meine Aufgaben dabei angeht, das ist zum größten Teil nur Schreibarbeit … Formulare, Anträge … Sie werden das kennen … Nur … hier draußen gibt es außer den regelmäßigen Berichten nicht viel auszufüllen, nicht wahr? Somit versuche ich ein wenig, die Crew kennen zu lernen und mich einzugliedern.«

Sie machte eine kurze Pause. »Was die Diebstähle angeht … ich bin wohl nicht befugt, Ihnen darüber irgendwelche Informationen zu geben, denn dies sind nicht öffentliche Dateien. Woher soll ich denn wissen, dass Sie nicht zum Bordreporter gehen?« Sie musste ein wenig ironisch lächeln.

»Wie dem auch sei, ich sage, soviel: Meine Leute kommen weiter … Dennoch würde mich wirklich interessieren, von wem sie von den Diebstählen erfahren haben …«

Sie betrachtete ihn nachdenklich, während sie mit einem Teil ihres Geistes den zum Teil sehr abenteuerlichen Mutmaßungen Shalannans über Ostrogs Informationsquelle lauschte:

Ach, komm schon, Sulae. Es gibt genug Personen, die es ihm hätten sagen können. Wer weiß …? Vielleicht ist er ein Mitglied der SolAb oder der USO … die wissen sowieso immer alles, was irgendwo vorgeht … oder er ist selbst der Dieb und versucht nun mit diesen Fragen, einer Verdächtigung zu entgehen …

Sulae bekam noch Anderes zu hören, bis sie schließlich Shalannans Redefluss abbrach: Ach, sei still, Shalannan, das sind alles nur Mutmaßungen! Wenn du Beweise oder irgend etwas Fundiertes hast, sag mir Bescheid, aber ärgere mich nicht mit solchem Zeug! Ich weiß genau, dass du dich nur lustig machst!

Shalannans Lachen erklang hohl in ihrem Hinterkopf. Nun, aber wer weiß ? Es könnte alles sein, die Möglichkeit besteht immerhin 

Da musste sie Shalannan recht geben. Die Möglichkeit bestand.

Ach was, wischte sie den Gedanken beiseite. Dieser durchgedrehte Extrasinn macht dich nur verrückt!

Somit kehrte sie zum Gespräch zurück und wartete auf die Antwort.

Emerson wollte gerade antworten, da fiel ihm der abwesende Gesichtsausdruck der Arkonidin auf. Es erschien ihm, als lausche sie einer inneren Stimme, aber da konnte er sich auch täuschen. Als sie ihm endlich wieder ihre Aufmerksamkeit schenkte, begann der Veego mit seiner Erwiderung.

»Erinnern Sie sich noch, wie ich mit ihnen gestern auf der Party über diesen durchgedrehten Dr. Tsuran sprach?«, begann Emerson.

»Von ihm habe ich es erfahren, denn er hatte kurz zuvor den Galaktopsychologen Robert Alun dafür verantwortlich gemacht, dass ihm ein wertvolles Buch mit Prophezeiungen des Nostradamus gestohlen wurde. Diese Verdächtigung nahm ich natürlich nicht eine Sekunde lang ernst, denn der gute Doktor war zu dem Zeitpunkt bereits ziemlich angetrunken, und außerdem hat er doch diese fixe Idee, dass Alun Unheil über das Schiff bringen wird.

Jedenfalls, als ich etwas nachbohrte, erzählte Tsuran mir auch noch, dass dem Kommunikationsoffizier Daniel Wilford ein goldener Füller entwendet wurde.«

Sulae hörte zu, wobei sie sich um einen neutralen Gesichtsausdruck bemühte. Seine Erklärung klang im ersten Moment logisch und plausibel und sie hatte nicht vor, die gesamte Crew zu verdächtigen, auch wenn rein theoretisch die gesamte Crew verdächtig gewesen wäre, obwohl doch der größere Teil derer kein Motiv und ein Alibi hatte.

Siehst du, doch keine SolAb!, sagte sie zu Shalannan.

Die erwiderte nur: Das beweist rein gar nichts. Weder, dass er nicht bei der SolAb ist, noch, dass er nicht der Dieb ist.

Ach, Shalannan, jetzt sei endlich mal ruhig!, murmelte sie im Geiste und wandte sich abermals dem Gespräch zu.

Nicht, dass sie es während der Zwiegespräche mit Shalannan wirklich verließ, denn ein Teil ihres Bewusstseins folgte durch lange Übung immer dem Gespräch, damit sie nicht den Faden verlor.

»Nun denn, das erklärt, woher Sie das wissen. Nicht, dass ich glaube, auf einem solch großen Schiff so etwas lange geheim halten zu können. Aber dass sie es bisher nicht publik gemacht haben, wirft ein gutes Licht auf Sie.«

Das Lob erfreute Emerson sehr, auch wenn er es nicht offen zeigte.

Die Arkonidin schmunzelte leicht, dann fuhr sie fort: »Nun, wie gesagt, meine Leute arbeiten daran, obwohl inzwischen ein weiterer Diebstahl gemeldet wurde. Doch diesmal, so wurde mir berichtet, sind Spuren gefunden worden. Also, wir hoffen, den Dieb bald zu haben.«

Sie war sich nicht ganz sicher, warum sie das sagte.

Einerseits vielleicht, weil sie hoffte von ihm Informationen über die Diebstähle zu gewinnen – es taten sich manchmal die seltsamsten Quellen auf – andererseits vielleicht, weil sie Shalannans Ideen wenigstens teilweise ernst nahm, denn so nervig ihr Extrasinn auch sein mochte, dumm war sie nicht.

Keine ganz plausible Rechtfertigung für deine Erklärung, findest du nicht, meine Liebe?, meinte Shalannan spitz.

Urplötzlich jedoch stieß sie hervor: »Ach, nun halt doch endlich mal die Klappe!!!«, denn ihr Extrasinn ärgerte sie fürchterlich. Schließlich brauchte sie sich vor ihm nicht zu rechtfertigen!

Mit einem Schreck erkannte sie – an Ostrogs verwundertem und fragendem Gesicht – das sie ihren letzten Satz vor Ärger laut ausgesprochen hatte. Shalannan, die das im selben Augenblick erkannte, lachte sich kaputt.

Tja, Sulae, da hast du den Salat! Warum lässt du dich auch von mir ärgern?, fragte sie sarkastisch.

Sulae ignorierte alles, was noch folgte, und konzentrierte sich ganz auf Ostrog.

Emerson war zutiefst überrascht von diesem Ausbruch, der in keinerlei Zusammenhang zu ihrem Gespräch stand. Ihm fiel sein Gedanke von vorhin wieder ein, dass die Arkonidin den Eindruck erwecke, einer inneren Stimme zu lauschen.

»Verzeihen Sie meine unbeherrschte Reaktion. Sie galt ganz sicher nicht Ihnen!« Jetzt musste schnell eine Ausrede her.

Über Abgespanntheit nach einem langen Tag konnte sie nicht klagen, da sie kurz zuvor beide noch über zu wenig zu tun geklagt hatten …

Wem dann?, fragte sich Emerson verwundert. Im Hintergrund seines Bewusstseins regte sich ein Verdacht, der langsam konkrete Formen annahm.

»Nicht, dass Sie denken, ich würde mit mir selbst sprechen. Ich bin nur einige Dinge im Geiste durchgegangen und habe wohl einen Gedanken laut ausgesprochen …«

Sie hoffte inständig, dass er ihr das glaubte, denn sie wollte ihm nicht Shalannan erklären müssen, zumal sie sowieso nicht glaubte, dass er sie verstehen würde.

Nun wartete sie jedenfalls nervös, jedoch ohne sich das anmerken zu lassen, auf eine Reaktion …

Das nehme ich ihr nicht ab, dachte der Veego misstrauisch. Das Stichwort »mit mir selbst sprechen« brachte eine Saite ihn ihm zum klingen. Es erinnerte ihn an die Geschichten über den unsterblichen Arkoniden Atlan, die er gelesen und gehört hatte.

Außerdem fiel ihm Sulaes merkwürdiges Verhalten auf der Party gestern wieder ein. Und auf einmal verstand er.

So unauffällig wie möglich beugte er sich zu Sulae hinüber und fragte sie: »Kann es sein, dass sie einen aktivierten Extrasinn besitzen?«

Mannschaftsmesse (BZ: 9:15 Uhr)

Lucreto ließ von seinen Gedanken ab, um wieder der Unterhaltung zu lauschen. Diese war inzwischen in eine Orgie von lautstarken Beschimpfungen ausgeartet. Da eine lautstarke Ermahnung des Galaktopsychologen Alun die Beschimpfungen nur auf den Springer umlenkte, beschloss Lucreto sich der Sache einmal anzunehmen.

Er setzte seinen strengsten und entschlossensten Gesichtsausdruck auf und stellte sich demonstrativ hinter die Freihändlerin. Seine Kollegen bemerkten sein Tun erst einige Sekunden später, und begaben sich dann ebenfalls hinter die Streitenden, um sie einzuschüchtern.

Endlich etwas zu tun, dachte Lucreto, und fühlte sich noch mehr dazu bestätigt, als er den lobenden Blick Aluns bemerkte, denn das nun so entschlossene Auftreten und die strengen Gesichtsausdrücke hatten ihre Wirkung gezeigt, endlich kehrte wieder Ruhe im Raum ein.

Nachdem die beiden Kontrahenten sich durch das Eingreifen Lucretos etwas beruhigt hatten, wurde das Gespräch zumindest halbwegs zivilisiert. Das hieß: nur noch ein Schimpfwort pro Satz durchschnittlich, wenn man die Sätze der CREST-Besatzung dazuzählte.

»Wir sollten einfach warten, bis sich meine bemitleidenswerte Frau von der grausamen barbarischen Attacke der Larsaf-Emporkömlinge …« Hier sah er Allan bewusst nicht an. »… erholt hat. Danach wird dieser Furie nichts bleiben außer zu verschwinden.« Der Springer gab sich siegessicher.

Alun tauschte einen Blick mit Allan und seufzte, denn nun kam wieder die Antwort der Freihändlerin: »Du Schurke, entführt hast du mein armes, unschuldiges Engelchen. Als Springerfrau hat sie doch gar nichts mehr zu sagen. Du hast ihr wahrscheinlich eine Gehirnwäsche verpasst. Gestehe, du eierlegender, wasserstoffatmender Naat.«

Das Letzte hätte bei einem aufgeklärten Terraner, und auch Arkoniden, überhaupt keine Wirkung erzielt. Manche Arkonidenabkömmlinge jedoch waren sehr von sich überzeugt und hielten sich für besser als den Rest des Universums. Diese arrogante und dämliche Vorstellung hatte sich leider auch bei den terranischen Barbaren erhalten.

Blues und Maahks, auf die sich das eierlegend und das wasserstoffatmend bezog, waren Erzfeinde der Arkoniden, zu denen die Springer sich teilweise zählten.

Naats galten vor allem beim Adel als nicht sonderlich intelligente Dienerrasse, auch wenn diese Einstellung bei feindlichen Naats einen schnell vom Leben zum Tod befördern konnte. Alun erinnerte sich hier an einige Naats, die sich Baumbrüder genannt hatten und an seine Abenteuer auf dem Planeten, auf dem sie in der letzten Mission gelandet waren.

Und tatsächlich schienen die Worte Chiaras den Patriarchen getroffen zu haben, denn er erblasste.

Vom wahren Grund dafür konnte Robert ja nichts ahnen.

In diesem Moment erreichte Allan eine Nachricht aus der Krankenstation. Fast zu schnell erhob sich Allan und sagte, dass er gleich vorbei kommen würde. Unter Aufbietung aller schauspielerischen Fähigkeiten entschuldigte er sich und übertrug dem zweiten Offizier der CREST V die Aufgabe diesen Flohzirkus zu bändigen.

Allan war froh, von da wegzukommen.

Rasch eilte er durch die Gänge, ließ sich von den Transportbändern treiben und schwebte durch Antigravröhren, bis er nur wenige Minuten später vor der Ärztin stand.

Während er überlegte, ob er sich wegen der rasenden Kopfschmerzen in Behandlung begeben sollte, fragte er sie nach den wichtigen Informationen. In seinem Zustand hätte er ihr praktisch alles verziehen.

Todds Quartier (BZ: 9:24 Uhr)

Todd hatte nun mehr als eine Stunde darauf gewartet, ob sich irgendwer von der Schiffsführung oder der Bordsicherheit bezüglich seine Beschwerde noch einmal melden würde. Es war ja nicht mal eine offizielle Bestätigung des Eingangs der Beschwerde bei ihm eingetroffen.

Entweder man hat die Beschwerde »verlegt« und konnte sie deshalb nicht bearbeiten oder aber man brauchte doch keine weiteren Informationen. Dass man seine Beschwerde nicht für voll nahm, daran wollte Todd einfach nicht glauben. Zu sehr war er von dem Funktionieren der bürokratischen Mühlen überzeugt, als dass sich dieser Gedanke bei ihm hätte einschleichen können.

Andererseits konnte er sich andere Möglichkeiten nicht vorstellen.

Er nahm sich vor, der Zentrale nach dem Ende seiner Dienstschicht, die schon begonnen hatte, noch einmal einen Besuch abzustatten um herauszufinden wie weit seine Beschwerde vorgedrungen war.

Todd hätte sich zu 9:00 Uhr Bordzeit in den Räumen der wissenschaftlichen Abteilung einfinden müssen, damit er seine Schicht pünktlich hätte beginnen können. Nun war er bereit ungefähr 25 Minuten überfällig.

Ein ihm unbekannter Mann aus der Zentrale hatte ihn zwar in seine Kabine geschickt, damit er zwecks einer möglichen Zweitbefragung schneller zu finden war, aber ob diese Tatsache den wissenschaftlichen Leiter interessieren würde, war fraglich.

Scherzhaft dachte er bei sich: »Vielleicht klappt es auch wie damals bei meinen Eltern, als ich noch jung war. Ich komme einfach zwei Stunden zu spät und dann ist er glücklich, dass ich überhaupt noch komme und wird mich nicht wegen einer halben Stunde Verspätung tadeln.«

Ein Schmunzeln glitt ihm bei diesen Gedanken über das Gesicht.

Viel wahrscheinlicher war der Tadel, der in seine Akte eingetragen würde und den er ganz und gar nicht gebrauchen konnte, denn er hatte davon schon genug. Deshalb entschloss er sich schließlich doch den Weg in seine Abteilung anzutreten.

Wenn man ihn suchte, dann würde man ihn auch finden, dessen war er sich sicher. Auf dem Weg dahin traf er auf einige Menschen und Nichtmenschen. Um diese Zeit war generell recht viel los, deshalb war diese Tatsache nichts Besonderes. Hier und da ein flüchtiges »Hallo« zu Leuten, die er kannte, für mehr hatte er keine Zeit.

Er bummelte nicht, aber er bewegte sich auch nicht rennend durch die Flure und so erreichte er sein Ziel ungefähr eine Viertelstunde später.

Wissenschaftliche Abteilung (BZ: 09:37 Uhr)

Als er eintrat, erblickte er die üblichen Leute bei der Arbeit, wenn man das, was sie taten, Arbeit nennen konnte. Die meisten von ihnen standen in kleinen Grüppchen zusammen, hielten teilweise Becher in ihren Händen, aus denen es dampfte und verführerisch nach Kaffee roch, und diskutierten miteinander.

Bei einer Gruppe schien es um die fremden Raumschiffe und deren Besatzungen zu gehen, so viel entnahm er den Gesprächsfetzen, die er von dort erhaschte. Er gesellte sich zu ihnen, da er sich für dieses Thema sehr interessierte und vielleicht hatten sie Neuigkeiten, von denen er bisher nichts wusste.

Nach einer kurzen gegenseitigen Begrüßung, bei der sie sein verspätetes Erscheinen in keiner Weise erwähnten, lauschte er erst einmal. So erfuhr er, dass sich die ganze Meute der Gäste zurzeit in einer Kantine aufhielt und frühstückte.

Als er mitten in der Schilderung seiner Erlebnisse vom frühen Morgen war, bei denen er teilweise paralysiert wurde, bemerkte er, wie sich ihm jemand näherte und hinter ihm stehen blieb.

Er spürte den warmen Atem in seinem Nacken. Plötzlich ertönte eine tiefe Stimme: »Ach, Todd Chasen, bist du auch endlich da!«

6. Ein Haufen Diebstähle

Sicherheitszentrale (BZ: 9:30 Uhr)

Die Situation war gespannt. Vron hätte sich die Zeit zum Frühstücken vielleicht doch nicht nehmen sollen. Jetzt herrschte Chaos.

»Zwei neue Diebesfälle, nein, drei«, korrigierte er sich. Ein Sicherheitsmann hatte es ihm gerade gemeldet. Jetzt war es hier sehr betriebsam.

Vron zählte in Gedanken die Opfer durch: Daniel Wilford, Kommunikationsoffizier und so ziemlich das unfreundlichste Wesen, das Vron bisher begegnet war.

Michael Tsuran, ein guter Arzt, aber einer der mindestens halb verrückt war.

Yohko Takashi, Kommandantin einer Beibootflotille, Terra-Nostalgikerin, keine besonderen Feinde, außer einem, den sie stark verdächtigte. Leider hatte sie nicht angegeben, wer er war; Vron hätte ihn gerne befragt.

Nico Kassotakis, ein Trividmoderator, führte einige Kreuzzüge gegen bestimmte Gruppen, einziger Fall von nur einem Diebstahlversuch. Wie und ob die Kabine bewacht wurde, darum kümmerte sich Timotha, der Marsianer hatte das Gespräch übernommen.

Die einzige Spur kam aus der Kabine von Yohko. Hier waren Haare gefunden worden, von denen man nicht wusste, wem sie gehörten, durchaus möglich, dass sie nur jemand gehörten, der in Yohkos Kabine gewesen war. Aber man konnte ja hoffen.

Der Sicherheitsmann sah sich nun den Namen des letzten Opfers an.

Kiril da Gonozal, das könnte Ärger geben. Wenn sich ihr Adoptivvater einmischte, würde es nicht einfach. Vron hatte nichts gegen den ersten Offizier.

Die bisherigen Begegnungen waren dafür, dass er adliger Arkonide und der zweitmächtigste Mann auf dem Schiff war, sehr normal verlaufen, aber was, wenn er von dem Diebstahl erfuhr?

Vron hoffte, dass Cosh nicht übereifrig war. Denn die beste Gelegenheit Kiril zu bestehlen hatte definitiv Allan gehabt.

Inzwischen wartete er und koordinierte die Aktion. Um 10 Uhr dürfte er wissen, wem die Haare gehörten.

Noch bevor Agnus Cosh sein Büro verlassen konnte, war auch die letzte Auswertung der Positronik beendet.

Nach einem ausdrücklichen Hinweis auf die Datenschutzbestimmungen ließ der Automat vernehmen, dass Kiril die Kette auf der Feier getragen hatte. Dort hatte sie sich ein Kleidungsstück übergezogen, das es unmöglich machte zu erkennen, ob sie die Kette noch trug.

Eigentlich hatte sich Cosh mehr erwartet aber der Datenschutzhinweis ließ ihn zögern, weitere Abfragen zu starten. Schließlich wollte er weder einen Verweis noch eine Mitteilung der Positronik an seinen Chef, dass er etwas an der Grenze des Erlaubten unternahm, ohne dass Not am Ertruser war.

Cosh entschloss sich, die zwei verbliebenen Männer aufzusuchen.

Die »Festhalle« sah aus wie immer, wenn nicht gerade gefeiert wurde. Nur an einem der Tische saßen zwei Männer, laut schnarchend über den Tisch gebeugt. Zum Glück handelte es sich tatsächlich um Männer – zumindest terranerähnlich waren sie und nicht etwa Maahks oder gar Haluter.

Cosh war sich klar, dass eine Befragung sinnlos war. Was hätten sie ihm auch erzählen können, von ihrem Zustand einmal abgesehen?

Einfach filzen ging auch nicht, da er damit ja gegen ihre Persönlichkeitsrechte verstoßen würde. Manchmal übertrieben es die Terraner einfach doch.

Aber wozu hatte er eine ertrusische Sicherheitsausbildung genossen, von der terranischen ganz zu schweigen? Er schnappte sich den Ersten und trug den Mann zu einer Bank, wo er ihn bequem ablud. Selbst für kleine Ertruser war dies kein Problem.

Dass er dabei sämtliche Taschen verdeckt nach einer Kette durchsucht hatte, dürfte selbst einem kritischen Beobachter verborgen geblieben sein.

Das Gleiche machte er dann mit dem zweiten Mann, aber auch hier fand er keine Kette, nur persönliche Dinge der Kollegen. Er hatte aber auch nicht wirklich damit gerechnet.

Eine weitere Durchsuchung des Raumes konnte er sich sparen, denn sonst hätten die Reinigungsmaschinen längst etwas gemeldet. Und wenn ein ehrlicher Finder die Kette hier irgendwo abgegeben hätte, wüsste er dies auch schon. Schließlich gab es bei Fundsachen festgelegte Prozeduren.

Festhalle (BZ: 10:19 Uhr)

Mit einem mehr als pelzigen Gefühl im Mund wachte Unteroffizier DeChain auf. Ein erster Blick in die Rund brachte neben Schwindelgefühl auch die Erkenntnis, dass er nicht alleine war.

Langsam fingen seine Synapsen an, den Betrieb wieder aufzunehmen. Party! So ähnlich hatte das Motto doch gelautet, oder? Übelkeit stieg in ihm hoch, als er der konsumierten Alkoholmenge gedachte.

Aber das war nicht nur Übelkeit. Er konnte sich gerade noch bücken, bevor sich sein Körper meldete, und einen Schwall mit seinem ehemaligen Mageninhalt auf den Boden schüttete.

Jetzt besser, dachte er bei sich. Neben sich bemerkte er den Stellvertreter seiner Einsatzgruppe. Ein kurzer Schlag mit der Hand, holte auch diesen wieder in die Realität zurück.

»Was stinkt hier so?«, brachte dieser als ersten Satz hervor, bevor auch er sich lauthals übergeben musste.

»Ach so«, war alles was er zu diesem Thema meinte.

»Was hast du überhaupt gesucht?«, fragte er seinen Vorgesetzten, nachdem er wieder eine aufrechte Position eingenommen hatte.

»Wieso gesucht?«, erwiderte Justin DeChain etwas verwirrt.

»Na, wenn mich jemand befummelt, und ich nicht neben einer Frau aufwache, gehe ich davon aus, dass jemand nach etwas gesucht hat.«

DeChain war zwar noch ziemlich in der Etappe, aber an so was sollte er sich doch noch erinnern. Aber erst musste er sich was gegen seinen Kater besorgen.

»Darüber reden wir später«, meinte er kurz angebunden.

Er informierte die Reinigungsautomatik und ging Arm in Arm mit seinem Stellvertreter in Richtung Unterkunft.

Kabinengang

Also blieb nur noch der Gang vor Cosh Kabine und die Krankenstation.

Im Gang fand sich nichts – wäre ja auch noch schöner gewesen – aber ein kleiner Seufzer der Erleichterung ging ihm dann doch von den Lippen.

Etwas länger dauerte es in der Krankenstation, denn hier konnte er ja schließlich nicht einfach so alles auf den Kopf stellen. Er ließ sich das Versprechen geben, dass man ihn sofort benachrichtigte, falls man etwas finden sollte. An einem Terminal gab er außerdem die Suchanweisung an die Reinigungspositronik weiter, die die Krankenstation verantwortete.

Blieb nur noch ein »offensichtlicher« Ort zur Suche – Kirils Kabine.

Cosh machte sich, nachdem er nun schon fast eine Stunde mit ergebnisloser Suche verbracht hatte, endlich auf den Weg an diesen vielversprechendsten Ort. Hier hätte er gleich beginnen sollen, ärgerte er sich. Er drückte den Türsummer.

Kirils Kabine

Kiril war nach der Diebstahlmeldung auf ihr Zimmer gegangen, fast geflohen. Sie hatte gerade angefangen sich etwas zu entspannen, als jemand den Türsummer betätigte. Hastig sprang sie auf. Hatte jemand sie durchschaut?

Wollte Allan ihr doch noch eine Strafpredigt halten? Unendlich langsam lief sie zur Tür und ließ den Besucher noch mal klingeln. Nachdem sie den Gedanken verworfen hatte, so zu tun, als sei sie nicht da, betätigte sie den Türöffnungsmechanismus.

Und erblickte Cosh.

Auf dem Weg zu Kiril war Agnus aufgefallen, das es sich irgendwie gut machen würde, wenn er schon irgend etwas Handfestes mitbringen konnte. Da er fast nicht hatte, musste er sich mit dem Zweitbesten begnügen, nicht fest, sondern flüssig, und ließ sich unterwegs wenigstens zwei Kaffee machen.

Dann ging er zu Kiril und klopfe an der Tür. Als nichts geschah betätigte er den Türsummer und wieder öffnete sie nicht. War sie doch nicht da. Ein letzter Versuch und schon fast wider Erwarten öffnete sich die Tür.

»Ich wollte mich noch einmal für den Zusammenstoß heute morgen entschuldigen und habe deshalb Kaffee mitgebracht. Nach letzter Nacht ist der sicher eine gute Idee und du hattest doch heute noch kein Frühstück, oder?«

Einige Sekunden lang starrte sie ihn vollkommen fassungslos und mit klopfendem Herzen an.

»Na … natürlich«, stammelte sie, noch nicht vollkommen von seiner Absicht überzeugt.

Und wenn ich doch aufgeflogen bin?, schoss es ihr durch den Kopf. Wenn er bemerkt hat, was ich vorhabe?

Dann atmete sie tief ein und versuchte ihre Freude zu unterdrücken, dass er sie besuchte. Und dann fiel ihr Blick auf die zwei dampfenden Becher in seinen Händen und sie rümpfte die Nase.

Sie lächelte.

»Ich habe zwar noch nicht gefrühstückt, aber … ich bin keine Kaffeetrinkerin …« Sie trat einen Schritt zur Seite und machte eine einladende Geste mit der Hand.

»Aber komm doch trotzdem rein. Du kannst auch beide Tassen trinken.«

Kein Kaffee – so was gibt's?, dachte sich Agnus, kam der Einladung Kirils aber dennoch rasch und gerne nach.

In ihrem Zimmer sah es aufgeräumt und doch gemütlich aus. Das Bett war geräumig und voller Kissen. Die Regale zeigten die wenigen Dinge, die sie zu besitzen schien, aber mit viel Liebe aufgestellt waren.

Kiril führte ihn zu einer geräumigen Sitzecke aus einer großen Couch und einem Glastisch. Er nahm Platz und stellte den Kaffee auf einen kleinen Tisch.

Da sprang er wieder auf, als ihm einfiel, dass er doch etwas anderes für sie bestellen konnte, und orderte eine große Tasse Schwarztee mit Milch und viel Süßstoff, so wie Kiril es ihm erklärt hatte.

Dann berichtete er von seinem bisherigen Ermittlungsergebnissen.

»Ich habe herausgefunden, dass du deine Kette definitiv während der Feier anhattest, aber ob du sieht noch getragen hast, als du die Feier verlassen hast, konnte ich nicht herausbekommen. Die Reinigungsrobots haben jedenfalls keine Kette entdeckt und die Überwachungspositronik konnte mir keine Informationen über jemanden geben, der dir die Kette geklaut haben könnte. Das Gleiche gilt für den Gang, wo wir zusammen gestoßen sind und für die Krankenstation.

Wenn ich mal – rein hypothetisch – davon ausgehe, dass die Kette an diesen Orten nicht verloren gegangen ist, bleiben nur noch ein paar Möglichkeiten, an denen wir leicht nachschauen könnten.

Die einfachste Lösung wäre natürlich, wenn du gestern Abend im Halbschlaf die Kette einfach irgendwo hier verlegt hättest – aber da hast du sicher schon gesucht.

Ich wäre dir dankbar, wenn du dich erinnern könntest, mit wem du gestern Abend an einem Tisch warst und auf welchem Weg du in deine Kabine gegangen wärst – und wann du angekommen bist?«

Kiril hatte sich neben ihn auf die Couch gesetzt und musterte ihn mit großen Augen, während sie mit klammen Fingern ihre Teetasse umklammerte. Vorsichtig pustete sie sich einige Haare aus der Stirn, um Zeit zu gewinnen.

»Um es noch einmal zu sagen, ich war gestern absolut blau, ich kann mich bis jetzt an so gut wie nichts erinnern, außer dem, was mir zugetragen wurde.«

Sie trank einen Schluck.

»Fest steht, dass ich die Kette auf dem Weg zur Krankenstation heute morgen noch trug.« Dann schüttelte sie den Kopf.

»Nein, nein, nein, ich weiß es nicht. Ich hatte diese schrecklichen Kopfschmerzen, ich meine ich hätte sie getragen, aber es ist alles so neblig, wenn ich zurückdenke.«

Sie fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht, stand auf und lief eine Runde durch den Raum, bevor sie sich wieder setzte und ihn schief anlächelte. Am liebsten hätte sie geweint, ihn so anlügen zu müssen.

»Ich habe hier schon nach ihr gesucht und nichts gefunden. Es gibt hier nicht viel, was man verlieren kann«, murmelte und machte eine ausschweifende Handbewegung, die das Zimmer einschloss.

»Nun mal ganz ruhig«, säuselte Agnus sanft und nahm ihre Rechte in seine – im Vergleich riesige – Pranke. »Wir werden die Kette schon finden. Hast du denn schon mal Deinen Reinigungsrobot gefragt? Der ist ja hier zuständig und weiß bestimmt, wo die Kette ist, wenn er heute schon hier war. Soll ich das schnell für dich machen?«

Kiril starrte noch einige Sekunden auf ihre schmale weiße Hand, die der Ertruser vollkommen unerwartet genommen hatte, bevor sie ihm antwortete.

Sie überlegte fieberhaft. »Nein, weiß er nicht! Ich trage … ich habe die Kette immer bei mir getragen. Der Robot kannte sie sicher gar nicht!«

»Ok, ist ja auch nicht so wichtig. Das können wir immer noch nachholen oder ich mache es von meinem Büro aus. Wenn du die Kette heute morgen anhattest … Was hast du denn genau gemacht, als du die Krankenstation wieder verlassen hast?«

Kiril überlegte und verzweifelte innerlich, weil ihr auch das nicht mehr einzufallen schien. Dann lächelte sie plötzlich.

»Nachdem du mich über den Haufen gerannt hattest, waren wir gemeinsam auf der Krankenstation. Ich ließ mir ein Kopfschmerzmittel geben und ging in meine Kabine um mich richtig anzuziehen. Als die Schmerzen nicht besser wurden, lief ich zurück zur Station und ließ mich ärztlich betreuen.«

Sie überlegte weiter.

»Dann blieb ich erst einmal da und beobachtete das Chaos um mich herum, bevor ich wieder auf Zimmer ging und kurz darauf feststellte, dass meine Kette verschwunden war.«

Dann senkte sie den Kopf und musste wieder auf ihre Hand gucken. Und insgeheim hoffte sie, Agnus würde nicht merken, dass sie rot wurde.

Sie konnte nicht ahnen, dass es Agnus nicht viel anders ging. Er konnte sich nicht richtig auf den Fall konzentrieren und bekam nur die Hälfte von dem mit, was Kiril erzählte.

Sie war noch einmal auf der Krankenstation gewesen. Das brachte ihn auch nicht weiter. Außerdem hielt er immer noch ihre Hand, was sie auch zu genießen schien.

Das brachte ihn wohl schon weiter, aber nicht im Fall. Also erst mal Themenwechsel.

»Was war denn dort noch los? Ich dachte, alles würde sich schnell verlaufen, nachdem ich gegangen war. Schließlich war die eine Hälfte der Leute doch betäubt und die andere dazu da, die erste zu bewachen. Hab ich noch etwas verpasst?«

Kiril atmete innerlich auf, als Agnus endlich das Thema wechselte. Allerdings fiel ihr dazu auch nicht viel ein.

»Ich weiß es nicht. Das waren Leute von den fremden Schiffen und es war wohl doch eine größere Auseinandersetzung daraus geworden.«

Sie zuckte mit den Schultern.

»Um ehrlich zu sein, war ich auch zu sehr mit mir selbst beschäftigt.«

Das konnte Agnus gut nachvollziehen. »Hast du dich denn ein bisschen erholen können?« Ihm war klar, dass eine Stunde dazu wohl kaum ausreichen würde, auch wenn die terranische Medizin schon weit fortgeschritten war.

Aber der Verlust der Kette schien sie doch richtig mitzunehmen.

»Wenn du einverstanden bist, könnten wir einfach noch einmal zusammen zur Krankenstation gehen und du zeigst mir, wo du dich dort hast behandeln lassen. Vielleicht finden wir ja etwas. Das können wir gerne auch später tun, wenn dir das lieber ist?«

Sie lächelte über seine Besorgnis und antwortete: »Um ehrlich zu sein, ein drittes Mal möchte ich heute nicht mehr auf die Krankenstation, aber wenn es dir weiterhilft, sollten wir das auf jeden Fall tun.«

Sie zog ihre Hand aus seiner und stand plötzlich auf.

»Aber bitte nicht jetzt, ich will jetzt erst einmal eine kleine Pause machen und zum Beispiel richtig frühstücken.« Sie überlegte, ihn zu fragen, ob er mit kommen wolle und bereute es aufgestanden zu sein.

Cosh sah den Zaunpfahl tatsächlich, der ihm da gereicht wurde und bot Kiril an, sie zu begleiten. Schließlich war sie heute sein Fall – und vielleicht auch morgen, und übermorgen – und er selbst war, wie es sich für einen echten Ertruser gehörte, auch schon wieder ein bisschen hungrig.

Kiril ohrfeigte sich innerlich dafür, dass sie sicherlich gerade wie ein Honigkuchenpferd grinste, wartete bis Cosh sich aufgerappelt hatte und öffnete die Tür.

Als er auf dem Gang neben ihr stand, lachte sie und meinte, sie wüsste noch nicht so ganz, was sie davon halten sollte, mit einem Sicherheitsoffizier, der sie erst umgerannt und so ein chaotisches Zimmer hätte, frühstücken zu gehen.

Das sei am Ende gefährlicher, als alleine zu gehen. Dann hakte sie sich bei ihm unter und zog ihn Richtung Kantine.

Sicherheitszentrale (BZ: 10:00 Uhr)

Vron wartete, denn bald musste die Haaranalyse kommen. Es meldete sich die Analyse: »Hallo Vron, leider haben wir Pech gehabt, die Haaranalyse war negativ. Die betreffende Person ist mit Miss Takashi befreundet und war in deren Kabine vor dem Diebstahl.«

Vrons Gefühle wechselten. Einerseits war er niedergeschlagen, andererseits überrascht, denn die Person am anderen Ende der Leitung war Skip Rudolexos, ein Sicherheitsmann, der eigentlich zur Nachtschicht gehörte.

Der Lepsoner interessierte sich sehr für die Diebstähle, vielleicht zu sehr. Es war merkwürdig, dass ausgerechnet er die Ergebnisse vortrug.

»Skip? Was machst du denn hier? Du gehörst doch zur Nebenschicht!«

Der Lepsoner lächelte schwach: »Hab leider meinen Dienst getauscht, tja, was tut mich nicht alles, um einem Freund einen Gefallen zu tun, wenn es sich lohnt. Hab darum die Auswertung der Analysenergebnisse übernommen und teile dir jetzt das Ergebnis mit.«

»Danke Skip, werde es mir ansehen.«

Vron wurde misstrauisch, denn das war schon sehr merkwürdig. Mehr und mehr verdächtigte er den Lepsoner. Waren das Vorurteile, weil er von einem der gesetzlosesten Planeten der Galaxis stammte, war es Paranoia oder mehr?

Vron musste versuchen ganz rational zu denken und Gefühle möglichst auszuschalten. Wer war verdächtig? Nur an Gelegenheit und Motive denken.

Er begann mit dem letzten Diebstahl, Kiril. Ihre Kette hätte scheinbar von jedem gestohlen werden können, aber eine wirklich gute Gelegenheit hatte nur eine Person gehabt, der erste Offizier Allan Dean Gonozal.

Bisher hatte Vron keine Probleme mit ihm gehabt, aber es passte. Den Diebstahlversuch auf den Trividmoderator hätte wirklich jeder schaffen können. Auch an Motiven mangelte es nicht. Kassotakis hatte in seinen Sendungen recht viele beleidigt.

Wenn man suchte, würde man sicher auch was finden, was Allan hätte missfallen können. Vron wusste, man konnte nie in einen Menschen hinein sehen und wissen, was ihn verletzte. Es konnte Vieles sein. Vielleicht auch nur eine Anspielung auf das für viele barbarische Arkonidenrecht, wer wusste das schon?

Bei Tsuran brauchte Vron nicht nachzudenken, da hatte er selbst genug erlebt. Wilford war ein ähnlicher Fall.

Vron hatte Gerüchte gehört, dass es zwischen ihm und Allan zu Streitigkeiten wegen Allans Adoptivtochter gekommen war, in diesem Punkt reagierte der erste Offizier etwas sensibel.

Yohko Takashi war ein anderer Fall. Die Japanerin und den Arkoniden verbanden viele gemeinsame Interessen. Seit dem Planetenfall waren sie zumindest Freunde, ob mehr, wie einige Gerüchte behaupteten, wer wusste das?

Es war gut möglich, das Allan wusste, wie man Yohkos Kabine trotz Sicherheitsmechanismus betrat. Die Person, die ein Haar verloren hatte, war er zwar nicht gewesen, aber das bewies leider gar nichts.

Vron beschloss schweren Herzens dem ersten Offizier einen Sicherheitsoffizier hinterher zu schicken und begann über weitere Verdächtige nachzudenken.

Die Person, deren Name er in der Computerdatei als Ergebnis der Analyse las, hielt er zwar als Täter für ausgeschlossen, aber sonst dachte er weiter nach.

Der Verdacht Allan Dean Gonozal kristallisierte sich bei Vron immer mehr heraus. Es passte einfach zu gut. Er versuchte Agnus Cosh zu erreichen, der grade versuchte den Diebstahl der Kette aufzuklären und deswegen wohl die Verdachtsmomente am Besten beurteilen konnte. Sollte sich das als blinder Alarm herausstellen oder Kirils Befragung zu einem anderen konkreten Verdacht führen wäre es das. Da er nicht wusste, wo Cosh war, wies er alle Sicherheitslaute an, falls sie ihn sähen sollten, ihn zu bitten sofort Kontakt aufzunehmen. Wenn Cosh den Verdacht gegen den 1. Offizier nicht widerlegen könnte, sollte er diesen unauffällig beobachten, herausfinden, ob dieser sich für besondere Crewmitglieder auffällig interessierte, vor allem, wenn sie Antiquitäten besaßen und damit mögliche neue Diebesziele herausfinden. Vron wollte den Auftrag erst noch geheim hallten, bis er mit der Chefin gesprochen hatte, außerdem, falls er sich irrte, würde die Vorgehensweise nicht ganz so peinlich. Man konnte ja immer noch andere Gründe erfinden, warum sich Cosh in der Nähe des 1. Offiziers aufgehalten hatte.

In der Sicherheitszentrale herrschte einmal mehr Hochbetrieb, wie so oft um diese Tageszeit, wenn es etwas zu tun gab. Sulae seufzte. Sie erinnerte sich oft und gerne an die Zeiten, als sie selbst einfacher Sicherheitsoffizier gewesen war und all diese Aufgaben und Ermittlungen übernommen hatte.

Damals hatte sie zu dem Sicherheitschef aufgeschaut und immer gehofft, selbst einmal einer zu sein und kommandieren zu dürfen. Doch hätte sie gewusst, dass diese Arbeit eigentlich nur Schreibarbeit und Papierkram ist …

Nun, so ist man nie zufrieden mit dem, was man hat, dachte sie.

… man sieht es ja an mir!, ergänzte ihr Extrasinn sarkastisch.

Sulae ignorierte ihn, immer noch die Ereignisse von vorhin im Kopf, und setzte sich wieder in Bewegung.

Als sie sich schließlich einen Weg quer durch die Zentrale gebahnt hatte, kam sie schließlich bei dem Sicherheitsoffizier, den sie zu ihrem Ansprechpartner in Sachen Diebstähle auserkoren hatte, Vron Habel an.

Sie legte die Hände hinter den Rücken und fragte: »Nun, was gibt es Neues, Mr. Habel? Was haben die Analysen ergeben? Irgendein Verdacht?« Ruhig, erstaunlich ruhig, wie sie feststellte, wartete sie auf eine Antwort.

Kommandozentrale (BZ: 10:30 Uhr)

Nachdem er geraume Zeit konzentriert »gearbeitet« hatte, nahm Emerson sich doch noch Sulae Shalannans Personaldatei (d.h, den Teil der öffentlich zugänglich war) vor. Dort stand nur, dass sie die 2. Stufe der Ark Summia erreicht hatte.

Zum Vergleich holte der Veego sich noch Allan Dean da Gonozals Lebenslauf auf den Schirm. Dort war verzeichnet, dass der Erste Offizier seine ARK SUMMIA nach der zweiten Stufe beenden musste. Die Analogien bei beiden Vorfällen waren nicht zu übersehen, und es wäre ja auch zu unwahrscheinlich gewesen, dass ein Arkonide mit aktiviertem Extrasinn in die Solare Raumflotte eintreten würde, und schon gar nicht deren zwei!

Aber etwas machte Emerson stutzig: Er hatte nämlich gehört, dass noch nie ein Arkonide bei der ARK SUMMIA durchgefallen sei. Aber bei Sulae Shalannans Prüfung war anscheinend irgendetwas schief gegangen, weswegen sie sogar ins Solare Imperium geflüchtet war. Was hatte das zu bedeuten? Nachdem Emerson alle verfügbaren Informationen über die ARK SUMMIA aus den positronischen Archiven der CREST V geholt hatte, musste er sich sein fehlerhaftes Wissen eingestehen. Offenbar konnte nur ein verschwind geringer Teil der Prüflinge alle drei Stufen erfolgreich abschließen und einen aktivierten Extrasinn erhalten, während dem Großteil der Erfolg versagt blieb.

Bei der dritten Stufe gab es sogar des öfteren Todesfälle, und dabei gehörten die Kandidaten zu einer handverlesenen Elite!

Also war es gar nicht verwunderlich, das bei Sulae Shalannan die Prüfung der Stufe 3 schief gegangen war. Emerson kratzte sich ernüchtert den Kopf und musste sich wieder einmal eingestehen, das er auf dem völlig falschen Dampfer gewesen war und der Arkonidin grundlos etwas unterstellt hatte.

Ich sollte mich von dieser Yohko Takashi nicht in eine Paranoia treiben lassen, dachte der Veego betrübt und wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Terminal zu. In einem der Nachrichtenkanäle fand er die Ankündigung des Auffrischungskurses in Dagor, der von Allan Dean da Gonozal und Yohko Takashi geleitet wurde. In einem Anfall von Kühnheit und selbstzerstörerischer Neigung meldete er sich für den Kurs an.

7. Gedächtnismanipulationen

Krankenstation (BZ: 10:45 bis 10:55 Uhr)

Die Dienst habende Medizinerin war in einer nicht viel besseren Verfassung als Allan selbst. Mit übernächtigten Auges sah sie auf ihren Bericht und fasste ihn für Allan zusammen.

Das Ergebnis war, dass die junge Dame die vom Paralysator voll erwischt worden war mittlerweile leidlich das Bewusstsein wiedererlangt hatte und unter den bekannten Nachwirkungen einer solch massiven Überdosis litt. Nichts lebensgefährliches mehr, aber die Krämpfe waren gemein.

Dies alles wäre nicht genug gewesen um Allan herbei zu zitieren, was ihn trotz seines Zustandes wunderte. Nach einer Weile begann die Ärztin auf die ungewöhnlichen Dinge zu kommen.

Während der Akutphase hatte man die verschiedenen Lebenszeichen der Patientin sehr genau überwacht, und dabei war man auf Unregelmäßigkeiten gestoßen, die auf primitive Bewusstseinsmanipulationen schließen ließen, und zwar wiederholte Male mit verschiedenen Methoden.

So wie es aussah hatte sie mehrere teils konkurrierende Hypnoblöcke. »Ein echter Pfuscher hat in ihrem Kopf gerührt« fluchte die Ärztin, und führte aus das man das seit über 1000 Jahren besser könne.

Sie hatte ja mitbekommen was es sich mit der Patientin auf sich hatte, und schlug nun vor diese von den verschiedenen Beeinflussungen so weit möglich zu befreien …

Etwas das nicht einfach wäre und nicht ohne Risiko, aber gemacht werden müsse.

Allan grunzte ein »Na warte« und stürmte los, in Richtung auf den Raum in dem der 2. Offizier des Schiffes die Streitparteien zu einen versuchte.

Allan lief den Gang entlang, und ignorierte die Laufbänder. Sein Kiefer arbeitete; Er war wütend, denn er hatte eine tiefsitzende Abneigung gegen Schwerwiegende mechanohypnotische Bewusstseinsmanipulation, und dies war genau ein Fall davon. Einen nicht mal durch ein Urteil gerechtfertigter Fall davon, hatte Dr. Drake ihm aufgezeigt.

Höchst wahrscheinlich nur für einen persönlichen Vorteil hatte man das Bewusstsein, die Persönlichkeit eines Menschen schwerwiegend verändert, und im Falle des Springers konnte sich Allan auch denken für welche Vorteile!

Am liebsten hätte Allan gekotzt!

Nach den Gesetzen des Solaren Imperiums war dies ein Schwerverbrechen.

Anfänglich wollte er einfach in die Messe stürmen und die beiden Streitparteien unter Anklage stellen, doch mittlerweile war ihm aufgegangen das er keine Beweise hatte WELCHE Seite die junge Frau in ihrem Sinne beeinflusst hatte, auch wenn er sich mittlerweile sicher war dass es beide Seiten waren …

Kantine (BZ: 11:00 Uhr)

Indessen gingen Agnus und Kiril Hand in Hand zur Kantine. Zunächst einmal mussten sie sich stärken, die Nachwirkungen der Feier der letzten Nacht waren noch nicht völlig verflogen.

Zu dieser Zeit war nicht viel los und sie bekamen problemlos einen Tisch. Beide bestellten sich ein ausgiebiges Frühstück, dass bei Agnus naturgemäß etwas reichlicher ausfiel. Ein Rinderviertelchen, ein kleines Zwei-Liter-Kännchen Kaffee, ein 6-Pfünder-Brot und eine riesige Schüssel Marmelade. Agnus liebte Süßigkeiten und für Kirschmarmelade könnte er sterben.

Als sie die Kantine betraten suchte Kiril hektisch den Raum nach Allan ab, in der Hoffnung, ihn NICHT zu finden.

Erleichtert sich nur einige seltsame Blicke der »Streitgruppe« zugezogen zu haben, holte sie sich Frühstück, mehr ließ ihr Magen noch nicht zu und setzte sich zu Agnus. Sie zog die Augenbrauen hoch, als sie die Berge von Essen sah, die er vor sich aufgebaut hatte.

Nachdem er sein Tablett (und das war ein riesiges Tablett) auf dem Tisch abgesetzt hatte half er Kiril mit ihren Speisen.

Beide schlugen erst einmal kräftig zu und sie unterhielten sich über Gott und die Welt, ohne weiter auf den Diebstahl einzugehen.

»Wieso bist Du eigentlich an Bord?«, fragte Agnus. »Schließlich ist die CREST V doch mit militärischem Auftrag unterwegs …«

Kiril schob sich absichtlich noch einen Bissen in den Mund um nicht antworten zu müssen. Dann murmelte sie: »Blöde Geschichte! Will jetzt nicht drüber reden.« Sie sah in lächelnd an.

»Vielleicht ein anderes mal.«

Sie wrang ihre Hände.

»Das ist keine Geschichte für ein Frühstück. Tatsache ist, dass Allan mich adoptierte und mich bis jetzt nicht dem Staat übergeben wollte, weil er mich besser hier aufgehoben wusste. Und dafür bin ich ihm sehr dankbar.«

Sie sah sich in dem Raum um.

»Ich habe mich an die Freiheiten meines neuen Lebens gewöhnt und ich möchte sie auch nicht mehr missen.«

Agnus hatte dafür volles Verständnis (und natürlich auch einen vollen Mund). Dennoch fragte er sich, ob er sich nicht langsam eine Liste machen sollte, was Kiril ihm alles »später« noch erzählen wollte.

Jetzt wollte er sie jedoch nicht mit allzu vielen Fragen überhäufen und erzählte deshalb ein wenig von sich.

Seine Herkunft auf Ertrus, das Leben in einer Diktatur, wie er zur Solaren Flotte gekommen war. Auf Arkon war Agnus noch nie gewesen. Er war überhaupt noch nicht so viel rumgekommen in der Galaxis und diese Reise war wohl auch seine weiteste zwischen die Sterne.

Jetzt hoffte er, bald einen großen Fall zu bekommen um zu zeigen, was er drauf hatte. Schließlich kannte man ihn an Bord ja bisher noch gar nicht, von der Feier gestern vielleicht einmal abgesehen. Möglicherweise stand der Diebstahl der Kette ja auch im Zusammenhang mit einer größeren Sache – dass würde er heute nachprüfen.

Kiril lachte. Wenn er so versuchen wollte, ihre Lebensgeschichte zu erfahren, würde er sich noch anstrengen müssen.

»Und natürlich hättest du dir einen besonderen Namen gemacht, wäre ich bei unseren Zusammenstoß verletzt worden.«

Sie zwinkerte ihn zu.

»Der kleine Ertruser, dass heißt die Bordsicherheit«, sie lachte noch einmal, »rennt die Tochter des ersten Offiziers um.«

Kiril bemerkt zu spät, dass Agnus' Stimmung plötzlich umzuschlagen schien. Sie bemerkte, wie er steif wie ein Brett wurde und versuchte, größer zu wirken.

Hatte sie, als sie ihn »kleiner Ertruser« nannte, etwa verletzt?

»Dafür hatte ich mich doch schon entschuldigt« maulte Cosh. Ihm schmeckte sein Viertelchen irgendwie nicht mehr richtig.

»Ist ja gut!« Kiril machte eine abwertende Handbewegung. Sie hatte ihn da, wo sie ihn haben wollte.

»Du redest über deine Größe genauso ungern, wie ich über meine Vergangenheit.« Sie blickte noch einmal um sich, ob Allen nicht doch noch auftauchte und meinte: »Also, lassen wir das.«

Da musste Agnus grinsen – sie hatte geschafft, dass er ihr ihre Äußerungen über seine Größe nicht übel nahm. Dienten sie doch nur dazu, ihm klarzumachen, dass sie manche Sachen auch nicht mochte. Damit konnte er leben.

Bevor er antworten konnte meldete sich Armband. Jemand von der IS wollte ihn sprechen. Agnus entschuldigte sich kurz, wendete Kiril entschuldigend lächelnd den Rücken zu und nahm den Anruf entgegen. Ein Kollege teilte ihm mit, dass Vron ihn in einer Stunde sprechen wollte.

Agnus teilte dies Kiril bedauernd mit. Sie würden den gemeinsamen Vormittag wohl zumindest für eine Stunde unterbrechen müssen. Aber noch hatte er 30 min Zeit.

Kiril zog ein langes Gesicht … Beunruhigt sah sie sich im Raum um, als Agnus kurz aufstand. Schnell aß sie auf und entschuldigte sich dann für ihr fieses Verhalten.

»Das hat wirklich nichts mit Dir zu tun« entgegnete Agnus und hoffte, dass dem wirklich so war. Aber er wusste wirklich nicht, was Vron von ihm wollte. Schließlich gehörte Cosh ja nicht zu seinen Leuten.

»Aber wir können uns ja danach ja wieder treffen und ich erzähle Dir, worum es ging – wenn es nicht unter Geheimhaltung fällt. Wozu hättest Du denn Lust?«

Sie überlegte eine Weile. Dann sagte sie: »Wieder hier, melde dich einfach«

Er verabschiedete sich und Kiril sah ihm nach, wie er schnellen Schrittes die Kantine verließ.

Vorm Schott der Messe blieb Allan stehen und schlug mit voller Wucht gegen die massive »Türfüllung«.

Dies trug ihm zwar einige merkwürdige Blicke von Passanten ein, aber es »machte ihm Luft«. Das Terkonit gab naturgemäß absolut überhaupt nicht nach.

Toll‚ jetzt kann ich gleich zurück in die Medostation, schoss es ihm durch den Kopf, da er im ersten Moment annahm er habe sich die Hand gebrochen.

Aber einige Sekunden später hatte er sich versichert, dass er sie noch bewegen konnte. Sie tat halt nur höllisch weh. In dieser Stimmung lies er das Schott auffahren und betrat die kleine Messe, und stapfte auf die »Delinquenten« zu

Im Augenwinkel sah er jemanden, der wie Kiril aussah, mit diesem zu kurz geratenen, umweltangepassten Sicherheitsoffizier turteln.

So ganz war sich Allan nicht klar wie er DAS noch verarbeiten sollte. Einerseits fand er es schön das Kiril sich etwas eingelebt hatte und mittlerweile etwas Anschluss gefunden hatte, andererseits sah er sie doch mittlerweile in gewisser Weise als seine Tochter … vielleicht wurde er mittlerweile zum Haustyrann.

Egal wie, gerade jetzt hatte er keine Zeit! Leider! Er hakte es unter »ich werd mit ihr und oder ihm reden müssen« ab und trat an den Tisch …

Er erfasste das die Diskussion wohl seit seinem Verschwinden etwas abgekühlt war … Seine schmerzende Hand knetend setzte sich Allan ohne ein Wort zu sagen hin.

Einige Sekunden ließ er schweigend verstreichen und als die Freihändlerin gerade die Geduld verlor und das Wort ergreifen wollte sagte Allan mit einer äußerst gefassten Stimme ohne direkt jemanden anzusprechen, »Wissen sie eigentlich welche Strafe auf Bewusstseinsmanipulation steht?«

Beide zuckten zusammen, der Springer wurde regelrecht bleich und auch die weniger Beteiligten spitzten die Ohren. Diese Reaktion war für Allan der Beweis das beide in dieser Richtung Dreck am Stecken hatten. Jetzt hoffte Allan nur noch das sie sich verplapperten, oder das in einigen Stunden genug Informationen vom Opfer zu bekommen sein würden.

In der darauf folgenden Totenstille stand Allan auf und trat an einen Getränkeautomaten und besorgte sich einen eisgekühlten Fruchtsaft, hauptsächlich um sich damit seine schmerzende Hand zu kühlen.

Langsam ging er wieder zum Tisch zurück

Das Glas in der linken, die rechte Faust dagegen drückend stand er hinter dem Stuhl auf dem er eine Minute vorher noch gesessen hatte und bot einen ziemlich martialischen Anblick.

Nachdem Robert Allans Auftritt mitbekommen hatte, war er erstmal geschockt und danach verdammt wütend. Jemand so zu manipulieren, gehörte zu den schlimmsten Verbrechen, die man sich denken konnte. Äußerlich unbewegt (so etwas lernt man bei Verhandlungen) versuchte er die Situation zu erfassen.

Der Springer war totenstill geworden. Er ahnte, dass er verloren hatte. Robert hoffte bloß, dass keiner der Sicherheitsleute durchdrehte und auf diesen verdammten Mistkerl schoss. Auch wenn er es verdient hätte, waren andere Maßnahmen besser.

Merkwürdigerweise war auch die Freihändlerin ruhig geworden. War sie geschockt, tat sie nur so um Eindruck zu schinden, oder was? Alun kam gerade die verrückte Idee, das sie selber Dreck am Stecken haben könnte? War es nur eine Bewusstseinsveränderung oder mehrere?

Schließlich fand die Freihändlerin die Sprache wieder: »Damit ist dieser niederträchtige Schurke wohl entlarvt. Was er meiner armen Sibylle angetan hat ist ja nicht zu fassen. Dafür verdient er den Tod. Sei froh, dass ich nicht ganz topfit bin, sonst käme die Rache. Deinen Schrotkarren behalte ich als Schmerzensgeld für mich und meine arme Tochter. Ich denke« – dabei wandte sie sich an Allan – »damit ist die Angelegenheit entschieden. Ich werde meine arme Tochter wieder mitnehmen.«

Robert vermute zwar, dass auch Chiara etlichen Dreck am Stecken hatte und hätte ihr am Liebsten einiges entgegnet, aber die Entscheidung lag beim 1. Offizier.

Gefährlich ruhig antwortete Allan; »Ich glaube nicht werte Dame, Eure ›Tochter‹«, er betonte das Wort äußerst scharf, »Wurde anscheinend wiederholt gegensätzlich behandelt, über einen längeren Zeitraum, womit sie beide unter Verdacht fallen.«

Die Freihändlerin wollte auffahre, doch Allan hob nur die Hand, »Ich werde mir hier keine weiteren Beschuldigungen anhören! Sie werden jetzt langsam ohne Seitenhiebe erklären worum es hier eigentlich geht, und dabei hofft besser jeder das dies mit der Aussage ihrer »Tochter« nach der Wiederherstellung ihrer Persönlichkeit übereinstimmt, oder ich werde dafür sorgen das ihr beide einem Psycholatorverhör unterzogen werdet – immerhin sind wir im Einsatz«

Damit bluffte Allan ziemlich, denn auch wenn die Ausrüstung an Bord war, konnte man nicht ohne weiteres Anordnen, dass diese gefährliche und schmerzvolle Behandlung an Zivilisten durchgeführt wurde.

Man konnte an dem Tisch einige, insbesondere der Bordsicherheit ziemlich erschrocken Luft holen hören.

Wenn jetzt bloß keiner das Maul aufreißt, bettete Allan innerlich, während er seine Hand immer noch mit dem Fruchtsaft kühlte. Aber er hatte ja auch nicht gesagt, dass er es befehlen würde, sondern »dafür Sorgen«.

Konnte ja auch heißen, dass er es bei einem noch einzuberufenden Bordgerichtsverfahren als Beweissicherungsmaßnahme bezüglich eines Kapitalverbrechens beantragen würde …

Allan hoffte das sich die beiden Zivilisten nicht so gut mit den Vorschriften der Solaren Flotte und den Gesetzen des Solaren Imperiums auskannten, denn er wollte und konnte hierfür nicht noch Tage oder Wochen aufbringen …

Nach kurzer Zeit begann die Freihändlerin wieder zu lamentieren und auf den schweigsam gewordenen Springer einzudringen.

Allan hatte gehofft, dass seine Worte mehr Eindruck machen würden, aber dem war augenscheinlich nicht der Fall …

Nach kurzer Zeit bemerkte Allan das der Fruchtsaft kaum noch lindernd wirkte, und er schaute die müde und abgekämpft wirkenden Sicherheitsbeamten an. In einigen ihrer Mienen erkannte er pure Mordlust, was wohl auf den ungeheuren Vorwurf, welcher im Raum stand zurückzuführen war.

Der Blick den Artor Seek Allan zuwarf war auch kaum misszuinterpretieren.

Als der Geräuschpegel gerade wieder anstieg, stand Allan auf und sprach die am Tisch präsenten Wachen an, »meine Herrn da wir hier nicht weiterkommen, geleiten sie bitte unsere »Gäste« in Quartiere in denen sie bleiben mögen, bis das Opfer aussagefähig ist. Mr. Seek, bitte arrangieren sie die Unterbringung. Ich bin in der Zentrale.«

Damit hatte Allan die beiden Streitparteien faktisch arretieren lassen ohne dies jedoch zu befehlen. Immerhin bestand die Möglichkeit das er sich irrte …

Der Springer schien mit so was bereits gerechnet zu haben, jedoch nicht so die Freihändlerin. Vielleicht spielte sie auch nur die Überraschte. Allan war's egal, er ignorierte sie und verließ die Messe um in der Kommandozentrale dem Kommandanten Bericht zu erstatten.

Auf dem Weg hinaus sah Allan das Kiril scheinbar die Messe bereits verlassen hatte und er fragte sich mit einem Lächeln, wo sich der Wildfang jetzt wieder herumtrieb.

Während Allan sich von einem Laufband zum nächsten Axial-Antigravlift tragen lies, benutzte er sein Multifunktionsarmband um sich eine Verbindung mit der neuen Chefin der Bordsicherheit herstellen zu lassen. Immerhin sollte sie informiert sein, wenn eine Strafverfolgung angebracht wäre …

Die Gedanken Lucretos kreisten noch um die Drohung des ersten Offiziers, als ihm bewusst wurde, dass dieser die Konferenz gerade beendete, und die Sicherheitsleute anwies die »Gäste« sicher unterzubringen. Lucreto bekam die große Ehre die Freihändlerin zu begleiten.

Gang (BZ: 11:35 Uhr)

Die Freihändlerin, die Lucreto durch das Schiff in ihr Quartier zu dirigieren hatte, lies es sich nicht nehmen ein Bombardement von Beschimpfungen auf Lucreto und einige Passanten loszulassen.

»Hoffentlich wird sie nicht tätlich« dachte Lucreto, »Sonst muss ich nur wieder lange Berichte schreiben.«

Doch zu seinem Glück verhielt sie sich von ein paar richtig bösen Worten abgesehen recht ruhig. Nach Ablieferung der Freihändlern in ihrem Quartier machte sich Lucreto auf den Weg zur Sicherheitszentrale.

Kantine (BZ: 11:30 Uhr)

Auch für Robert war der Verhandlungsmaraton zu Ende.

Endlich zu Ende!, dachte er sich. Diese dumme Konferenz hatte zweieinhalb Stunden gedauert. Während der Verhandlungspause durch Allans Abwesenheit hatte er allerdings alle Vormittagstermine abgesagt.

Nun ja hab ich halt ein bisschen Freizeit, mit diesen Gedanken verließ er den Raum.

8. Interessante Entwicklungen

Gang (BZ: 11:40 Uhr)

Auf seinem Weg zurück in seine Kabine wäre er beinah mit einer Frau zusammengestoßen. Ihr Gesicht hatte er schon irgendwo mal gesehen, er wusste bloß nicht wo. Das sie keine Uniformsjacke trug, (die ihren Rang verriet) bemerkte er zwar, aber das war an Bord der CREST nichts ungewöhnliches. Er tat dies auch häufig. Vor allem in Gesprächen mit Crewmitgliedern, die Probleme hatten, war das manchmal leichter.

»Hallo!«, sprach ihn die Fremde an. »Können sie mir sagen, wie ich zu einem Aufenthaltsraum oder einer Messe komme. Ich weis nur, wo eine liegt, dort war aber vorhin eine Konferenz zu der ich nicht unbedingt möchte.«

Jetzt machte es bei Robert endlich klick: »Sie sind unser Gast, der auf dem Schiff der Freihändlerin gefangen gehalten wurde …«

»Renie Tukal. Und mit wem habe ich das Vergnügen?«

»Oh mein Nahme ist Robert Alun, ich bin der Galaktopsychologe. Wenn sie wollen kann ich sie zu der Messe führen und ihnen einige Frage beantworten, die sie wahrscheinlich haben. Ich habe im Moment sehr viel Zeit.«

Renie lächelte: »Danke, dass wäre sehr nett.«

Gemeinsam bogen sie zu einer kleinen Messe um, die neben terranischen auch viele Gerichte anderer Lemurerabkömmlinge auf dem Speiseplan hatte.

Kleine Schiffsmesse

David Halmans Tag war bisher ereignislos verlaufen. Nach dem Frühstück hatte er seine Zeit damit verbracht, die astrogatorischen Daten der Zentrumsregion der Milchstraße zu studieren. Schließlich wollte er ja auf alles vorbereitet sein, was die CREST V im Zielgebiet erwarten könnte. Nun war es Zeit für das Mittagessen geworden, deshalb suchte er eine der Schiffsmessen auf, in der man in Ruhe speisen konnte. Außerdem bekam man hier auch Gerichte von anderen lemuriden Völkern.

Er vermied bewusst diejenige Kantine, in der die Konferenz mit den Vertretern der Springer und der Freihändler stattfand, denn er hatte davon gehört, was gestern Nacht alles geschehen war. Und er hatte nicht die geringste Lust, in irgendwelche Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden.

Nachdem er die Messe betreten hatte, holte David sich eine Portion des Tagesgerichts und setzte sich an einen freien Tisch. Er hatte gerade den ersten Bissen in den Mund genommen, als der Galaktopsychologe Robert Alun in Begleitung einer Frau eintrat, die David unbekannt war. Alun war ihm natürlich eine Begriff, denn während der ersten Mission war der Terraner öfters im Brennpunkt der Ereignisse gestanden.

Nachdem die beiden sich etwas zu essen geholt hatten, winkte David sie spontan zu sich. Er hatte Lust auf eine gepflegte Tischkonversation, und er war neugierig darauf, wer die Frau an Aluns Seite war.

Nachdem sie sich etwas zu essen geholt hatten, (Robert das Tagesgericht und Renie eine Spezialität ihrer Heimat) winkte sie jemand zu sich an den Tisch.

Derjenige stellte sich als David Halman vor, ein Kollege des Navigators Emerson Ostrog. Auch Renie stellte sich vor, als Schiffbrüchige und Gast auf diesem Schiff.

»Und außerdem im Moment als Jobsuchende. Ich hoffe mal ich finde da was. Ich habe vorhin eine Anzeige in die Bordnachrichten gesetzt, um zu erfahren, ob es noch offene Stellen gibt. Vielleicht hab ich ja Glück. Mister Alun wollte mir etwas über dieses Schiff und seine Besatzung erzählen, vielleicht können sie mir da auch helfen. Zum Beispiel hab ich gehört, dieses Schiff wird CREST V genannt, das gab es doch schon mal vor etwa 1000 Jahren.«

Robert nickte: »Das ist dieses Schiff. Es wurde modernisiert und wieder in den Dienst gestellt, jetzt unter den Kommando von Lasitus Strader. Das ist allerdings erst die 2. Mission nach Wiederinbetriebnahme. Wir sind vor etwa 24 Stunden gestartet.«

»Und das ist ein Schiff des Solaren Imperiums? Es ist doch etwas ungewöhnlich, dass dort zwei Arkoniden in der Führungsschicht Dienst tuen, wie hier Mr. Gonozal und Miss Shalannan.«

Robert nickte: »Das Schiff ist ungewöhnlich, stimmt. Wir haben sogar 3 Arkoniden. Unser 2. Offizier ist arkonidisch/akonischer Abstammung; keine Ahnung, wie er zur Raumflotte gekommen ist. Mr. Gonozal ist zu einem Viertel terranischer Abstammung, also kommt sein Engagement hier vielleicht daher. Wir haben sogar einen Überschweren an Bord.«

Nachdem sie sich gegenseitig vorgestellt hatten, brachte Renie Tukal das Gespräch auf die CREST V und ihre ungewöhnliche Besatzung. Robert Alun zeigte sich auskunftsbereit und stand dem Gast Rede und Antwort.

Als der Galaktopsychologe eine Pause machte, ergriff David das Wort: »Unser Erster Navigator Emerson Victor Ostrog stammt sogar vom Planeten Smørebrød.

Dank meiner Recherchen weiß ich, wie ungewöhnlich das ist. Die dort lebenden Terraner-Abkömmlinge haben sich nämlich im Laufe der Generationen an die extrem lebensfeindliche Umwelt angepasst, die von aggressiven Krankheitserregern, toxischen Substanzen und gefährlicher Strahlung beherrscht wird. Es wird sogar behauptet, dass die Smørebrøder ihre Heimatwelt nicht mehr verlassen können, da sie von der Biosphäre abhängig geworden seien. Ostrog ist meines Wissens der einzige, der es in Jahrhunderten gewagt hat, seinen Planeten zu verlassen. Dazu musste er sich einer wochenlangen Entseuchung- und Entwöhnungsprozedur unterziehen, bevor man ihn mit anderen Wesen in Kontakt kommen ließ. Muss eine ziemliche Tortur für ihn gewesen sein, aber dennoch war er bereit, sie auf sich zu nehmen, damit er in die Solare Raumflotte eintreten konnte.«

Als Alun Davids Erzählungen lauschte, musste er sich an die erste Mission erinnern. Ein Grinsen stahl sich über sein Gesicht als er an die letzte Mission dachte, in der Emerson unter dem Einfluss eines Gases recht merkwürdig reagiert hatte.

Naja, er hat uns damals wohl ganz schön aus der Patsche geholfen, auch wenn das nicht ungefährlich war.

Auch Renie machte sich so ihre Gedanken: Smørebrød? Den Namen hab ich schon mal gehört, nicht gerade im positiven Zusammenhang.

Laut sagte sie: »Interessant, diesen Mr. Ostrog würde ich gerne kennen lernen. Ungewöhnlich, dass jemand so viel auf sich nimmt, um in die Solare Raumflotte einzutreten.«

»Ja, das kommt mir ebenfalls seltsam vor«, musste David eingestehen. »Aber ich werde auch sonst aus dem Mann nicht schlau. In letzter Zeit hat er starke Stimmungsschwankungen gezeigt, für die es keine offensichtlichen Gründe gibt. Vielleicht hat er ja irgendwelche privaten Probleme, aber mir gegenüber hat er nichts dementsprechendes erwähnt. Aber das geht mich ja auch nichts an.

Wie auch immer, ich würde gerne noch einmal auf die Modernisierung der CREST V zurückkommen. Dazu wollte ich anmerken, dass dieser 6-jährige Werftaufenthalt nur der letzte einer langen Reihe, seit der Indienststellung des Schiffes vor beinahe 1000 Jahren, war. Die wichtigsten Umbauten wurden schon früher durchgeführt, wie der Einbau des gestaffelten Paratronschirms, des Dimetranstriebwerks und der neuen Impulstriebwerke. Außerdem wurden sämtliche internen Anlagen überprüft und auf den neuesten Stand gebracht. Aber die einschneidendste Veränderung betrifft mich und meine Arbeit persönlich, denn man hat die ursprünglich vorhandene, separate Navigationszentrale demontiert und durch einen einfachen Kontrollstand in der Kommandozentrale ersetzt. Wo früher ein Dutzend Leute an der Kursplanung des Schiffes gearbeitet haben, genügen heute ein oder höchstens zwei Mann. Das ist nur dank der Modernisierung der Schiffsbiopositronik möglich, die einen derartig hohen Grad der Automatisierung erlaubt.«

Sicherheitszentrale (BZ: 10:50 Uhr)

Während dieses sehr interessante Gespräch lief, war auch in der Sicherheitszentrale was los. Nachdem die Chefin mit Papierkram beschäftigt gewesen war, hatte Vron gar nicht bemerkt, dass sie gekommen war. Erst als sie ihn ansprach, zuckte er kurz zusammen.

»Entschuldigen sie, ich war ganz in Gedanken.«, versuchte er seine Gedankenlosigkeit zu entschuldigen.

Vron begann die Fakten aufzuzählen: »Es hat vielleicht neue Diebstähle gegeben, Mrs. Takashi und den Trividmoderator haben sie ja noch mitbekommen.

Inzwischen ist auch noch Kiril da Gonozal bestohlen worden. Agnus Cosh prüft das Ganze grade nach und wird wohl bald auftauchen. Ein anderes Problem ist, inzwischen habe ich zwei stark Verdächtige. Eine Person, die leider recht hoch steht, aber die leichteste Erklärung für die zwei Einbrüche in die Kabinen bietet. Die Person hat einen relativ hohen Rang, deswegen wollte ich den Vorschlag machen ihn durch einen Sicherheitsbeamten unauffällig beschatten zu lasen.«

Vron hoffte, dass ihn Sulae nicht nach dem Nahmen fragte.

»Der zweite Verdächtigte ist jemand aus der Nachtschicht, ein Lepsoner. Ich weiß nicht, ob ich ihm gegenüber wegen seiner Herkunft Vorurteile habe. Tatsache ist aber, dass er sich SEHR für diesen Fall interessiert und dass er definitiv die Möglichkeit hatte, dass Beweisstück, dass sie mir gegeben hatten, zu manipulieren.«

Sulae überlegte eine Weile, während Habel ihr den Verlauf der Untersuchungen ausführte.

»Mhm, nein, es reicht, wenn Sie es mir in Form eines Berichtes bis morgen früh auf meinen Schreibtisch zukommen lassen.«

Sulae, meine Liebe, hier verlangt jemand deine Aufmerksamkeit …, flötete Shalannans Stimme in ihrem Hinterkopf.

»Ich hab jetzt keine Zeit für dich, Shalannan!«, gab sie zurück.

»Nie hast du Zeit für mich, du bist soooo unsensibel«, maulte Shalannan, »Aber ich bin es ja gar nicht, der mit dir sprechen will. Schau doch bitte mal auf den Interkom!«

Sulae tat wie geheißen und merkte, dass Shalannan recht hatte. Da wollte tatsächlich jemand mit ihr Kontakt aufnehmen! Es war der erste Offizier Gonozal, der einen Bericht wollte und außerdem mit ihr zu Mittag essen. Nun, Sulae war es recht, es war einer ihrer wenigen Kontakte an Bord.

Jaja, ertönte wieder die vertraute Stimme.

Ach, Shalannan, untersteh dich, mir auch nur irgendwas zu unterstellen! Die einzige Antwort war ein Kichern.

Sulae seufzte und schickte eine Nachricht, dass sie in die Kantine kommen würden.

»Vielen Dank, Mr. Habel, und verzeihen Sie, ich habe noch Arbeit zu tun.« Mit einem höflichen Kopfnicken wandte sie sich um und verließ die Sicherheitszentrale.

Puh, Gottseidank hab ich da nix gesagt. Wenn sie gewusst hätte, dass ich Gonozal verdächtige, das hätte Ärger gegeben.

Er hatte sich einen Plan zurecht gelegt, um Skip zu überprüfen.

Lucreto kam in der Sicherheitszentrale an. Sein erster Blick fiel auf Vron Habel. Seit der gehäuften Diebstahlsfälle sah man ihm den Stress richtig an. Lucreto begrüßte ihn mit einem kurzen Nicken und setzte sich dann auf seinen Platz, um sein Mittagessen auszupacken. Eric Stans, kam mit vollem Mund auf Lucreto zu und begann zu sprechen:

»Na waf war denn heute wieder lof?«

»Schluck erst mal runter, wenn du mit mir sprichst.« Die beiden kannten sich noch von der letzten Mission der CREST her, daher auch der lockere Ton.

»Jaja, jetzt erzähl mal, haben sie wieder gekeift?«

»Aber klar doch … Gonozal hat ihnen mit dem Psycholator gedroht.«

»Was?!«

»Ja, dann waren sie still!«

Die beiden brachen in brüllendes Gelächter aus, doch ein strenger Blick von Vron Habel lies sie schnell wieder ruhig werden.

Gang, KZ (BZ: 11:05 – 12:07 Uhr)

Nachdem Allan die Verabredung zum Essen festgemacht hatte, kam er bald in der Kommandozentrale an und berichtete dem Kommandanten vom Stand der Verhandlungen.

Strader war nicht sehr amüsiert, hatte aber auch keine Lösungsvorschläge. Sie verblieben so, dass Allan das erst mal mit Oberstleutnant Shalannan bereden sollte.

Da auch noch keine Meldungen der ausgeschickten Beiboote gekommen waren setzte sich Allan kurz an sein Pult und rief die aufgelaufenen niedrigpriorisierten Meldungen ab.

Dabei sah er das es noch sieben weitere Anmeldungen für den Auffrischungskurs »Dagor Grundtechniken« gegeben hatte, welchen er zusammen mit Oberstleutnant Takashi halten wollte.

Das wird ja regelrecht voll, dachte er, während er sich die mittlerweile leicht angeschwollenen Fingerknöchel massierte. Da es vielleicht doch schlimmer war, als er erst gedacht hatte, und vor allem, weil er nicht heute Abend Dagor nur linkshändig unterrichten wollte, machte er einen kleinen Umweg über die Krankenstation, und lies sich dort kurz untersuchen, ein Injektionspflaster und etwas Salbe geben. Später tat's zwar noch weh, aber er war sicher, dass es sich nicht um etwas schlimmeres handelte und er war auf dem Weg zur verabredeten Mannschaftsmesse.

Gang

Gedankenverloren, sie machte sich eine geistige Pinnwand mit ihren wichtigsten Vorhaben der nächsten Zukunft, lief Sulae den Gang hinunter und stieß dabei mit einer Person, die nur unwesentlich kleiner war als sie, zusammen. Erschrocken löste sie sich von ihren Überlegungen und murmelte »Verzeihung«.

Dann merkte sie, dass die andere Person Kiril war, die anscheinend auf den Gängen herumschlich.

Sulae fragte sich, was Kiril hier machte, doch dann fiel ihr ein, dass diese ja keine Aufgaben an Bord hatte.

Vielleicht ist sie ja die Diebin, im Auftrag von Allan, meinte Shalannan lachend.

Ganz bestimmt, Shalannan, antwortete Sulae. Das Mündel des ersten Offiziers begeht Diebstähle in dessen Auftrag!

Wieso nicht? Du hast doch sicher in der Sicherheitszentrale mitbekommen, dass man ihn verdächtigt.

Nun, das heißt allerdings nicht, dass dies wahr ist!

Damit war das Gespräch für sie beendet, denn sie hatte eine Idee: »Sag mal, Kiril, ich bin gerade auf dem Weg zum Mittagessen mit dem ersten Offizier. Möchtest du nicht mitkommen?«

Kiril wusste immer noch nicht so ganz, wie sie jetzt ihre Zeit totschlagen sollte, ohne Allan über den Weg zu laufen. Ziemlich kopflos lief sie durch die Gänge, bis sie, wiedermal, mit jemanden zusammenstieß.

Sie hörte eine leise Entschuldigung und erkannte Sulae, die sie freudestrahlend anlächelte. Kiril begrüßte sie und lächelte lachte ebenfalls.

Das verging ihr schnell als sie Sulaes Vorschlag hörte. Mit Allan? Ein Mittagessen? Ein und derselbe Tisch? Oh Gott,oh Gott.

Kiril verneinte. Aber Sulae ließ nicht locker. Kiril,, die noch nie besonders gut im Neinsagen gewesen war, nickte leicht und ließ sich niedergeschlagen und fieberhaft nach einer Ausrede suchend von einer gut gelaunten Sulae Richtung Kantine schleppen.

Und dabei hatte dieser Tag doch so gut angefangen.

Kantine

Sulae merkte sofort, nachdem sie in die Kantine gekommen waren, dass Kiril am liebsten wieder Hals über Kopf hinausgestürmt wäre. Sie fragte sich, warum.

Das heißt, sie BEIDE fragten sich, warum …

Ob es wohl immer noch an der Sache bei der Party hing? Bei der Erinnerung musste Sulae unwillkürlich das Gesicht verziehen. Sie seufzte und sah sich nach dem ersten Offizier um. Er war nicht schwer zu finden, denn wie sie war er Arkonide und damit groß. Sie hob eine Hand zum Gruß und ging dann mit Kiril zu ihm.

»Hier bin ich«, sagte sie freundlich, »Sehen Sie, wen ich auf dem Gang aufgegabelt habe.« Sie deutete auf Kiril.

»Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich sie auch mitgebracht habe. Oder … wollten Sie etwas besprechen, das der Geheimhaltung unterliegt?«

Messe (BZ: 12:07 Uhr)

»Aber warum sollte ich?«

An Kiril gewandt fuhr mit einem Lächeln fort, »Mit dir, junge Dame, muss ich mich sowieso heute noch etwas Ausführlicher unterhalten. Wie ich gesehen habe geht es dir mittlerweile ja etwas besser?«

Mit einem stechendem Gefühl in der Magengegend folgte Kiril Sulae in die Kantine. Allan wartete bereits und als er sie ansprach wäre sie am liebsten im Erdboden versunken.

»Ja, das tut es«, stotterte sie, » ich glaube, ich habe eure Getränke unterschätzt.«

Allan lächelte immer durchdringend. »Das hast du AUCH

Sicherheitszentrale (BZ: 12:00 Uhr)

Nachdem einige Sicherheitsleute eingetroffen waren, unter anderem auch ein sehr redseliger Lucreto Tarson, kam gegen 12 endlich Agnus Cosh. Der Ertruser gab seinen Bericht ab.

Darauf entgegnete Vron: »Hm, Miss Gonozal sagt, sie hätte ihre Kette heute morgen noch gehabt. Allerdings es hört sich so an, als wäre sie sich nicht sicher. Da es wirklich schwer ist, auf der Krankenstation, die zudem noch bewacht wird, jemand zu bestehlen, bleibe ich bei der Meinung, das es möglich ist, das sie die Kette schon heute morgen nicht mehr hatte und der, der am leichtesten Zugang zu ihrer Kabine hatte, bleibt der 1. Offizier. Aufgrund dieser Sachlage möchte ich, dass sie Allan Dean Gonozal heute unauffällig überwachen. Falls er der Dieb ist könnte er uns Anhaltspunkte geben, vielleicht plant er auch Tags seine Raubzüge. Dies ist ein offizieller Auftrag, dass wird auch vermerkt, bloß werden wir geheim halten, dass sie den 1. Offizier beschatten, ist so gesünder. Einen offiziellen Grund für ihr Dasein müssen wir uns noch überlegen, z.B. Überprüfung der Sicherheit an bestimmten Plätzen. Falls sie zuweilen Angst um ihre Karriere haben, können sie den Auftrag auch ohne Probleme ablehnen.«

Ein sehr nachdenklich gewordener Agnus Cosh nahm den Auftrag Vrons selbstverständlich an. Er sah kein Risiko für seine Karriere (zumal es ja eine offizielle Ermittlung war) und würde sein bestes tun, die Unschuld des 1. Offiziers zu beweisen (oder dessen Schuld).

Und deshalb blieb ihm auch nichts anderes übrig, als den wahren Täter zu stellen. Das war eine Aufgabe, wie er sie sich gewünscht hatte. Hier konnte er sich beweisen und er würde auch fraglos erfolgreich sein.

In Gedanken, wie er diese Aufgabe angehen würde machte, er sich auf in die Kantine. Und dort sah er nicht nur Sulae und Kiril, sondern auch … Allan Dean Gonozal.

Privatquartier (BZ: ca. 11:00 Uhr)

Eine lange Nacht war das für Djulf Doevelnik gewesen, wahrscheinlich wieder mal zu viel Alkohol. Aber was sollt´s, seiner Meinung nach wäre das Leben ja sonst langweilig.

Bald war es für ihn geschafft, bald waren die 200 Jahre um und er durfte wieder nach Siga … sie würden ihn wieder nach Hause lassen. Djulf wusste nicht, ob er das wirklich wollte. Er wollte nur noch ein paar Jahre warten und dann weitersehen. Es gefällt ihm so wie es im Moment ist. Er nahm sich vor mal mit dem Käpt'n zu reden … oder dem ranghöchsten Offizier denn er finden kann.

Mal sehen was er dazu sagt!, dachte er sich. Ich glaube ich will wieder nach Hause. Oh Mann  ich muss mich jetzt erstmal auf meine Aufgaben hier an Bord konzentrieren. Ich sollte mich mit dem Alkohol nächstens etwas zurück halten, oder, na mal sehen, also auf zur Kommandozentrale! Irgendjemand wird schon da sein.

Zentrale (BZ: 11:20 Uhr)

Lasitus Strader saß in der Zentrale. Nach der gestrigen Party fühlte er sich immer noch hundeelend. Eigentlich hätte er gern noch seinen Kater verarbeitet, aber als Kommandant musste er Verantwortung übernehmen.

Das hieß im Moment hier in der Zentrale sitzen und so tuen, als sei man wichtig. Das Übliche eben. Die Verhandlungen hatte er Allan überlasen. Der Arkonide war erwiesenermaßen im Moment einsatzfähiger als er. Außerdem, der Chef darf die unangenehme Arbeit an andere delegieren. Leider hatte er keine Ahnung an wen er das Gespräch mit Allan delegieren sollte, dem er in letzter Zeit wohl ziemlich auf den Schlips getreten war. Gestern hätte er sich besser benehmen sollen. Er hätte nicht versuchen sollen, die junge Offizierin anzubaggern. Alles um sich abzulenken. Gestern war es 2 Jahre her. Und alle Ablenkung half nicht. Er sah immer wieder den Hangar in dem die Rettungsboote standen und der in Flammen aufging. Seine Frau und sein Sohn starben. Er hatte sie in dorthin geschickt. Sie in Sicherheit bringen wollen und ihr Tod war seine Schuld.

Einige Zeit später kam der Siganese Djulf Doevelnik in die Kommandozentrale und begab sich zum Kommandanten Lasitus Strader, mit dem er sich angeregt unterhielt. Emerson erinnerte sich, dass er dem Terraner-Abkömmling auf der ersten Mission begegnet war.

Während Lasitus so nachdachte, hörte er eine leise Stimme: »Könnte ich bitte den Kommandanten sprechen.«

Ein Siganese, genau Djulf Doevelnik. Strader erinnerte sich, dass er auf der ersten Mission nachgekommen war. Extraschiff. Keiner wusste wieso. Strader hatte was von Solarer Abwehr gehört, aber genaues wusste selbst er nicht.

»Guten Tag, Mr. Doevelnik. Wie kann ich ihnen helfen?«, fragte er den Siganesen und hoffte, dass der ihm seinen miserableren Zustand nicht anmerkte.

Als dieser nun anfing von Heimkehr zu reden, hatte Strader ein Problem. Wie sollte er dem Siganesen nur klarmachen, dass das noch fast 80 Jahre dauern würde.

Das versprach ein langweiliges Gespräch zu werden. Djulf wollte endlich wieder nach Hause und das dauerte noch fast eine kleine Ewigkeit. Und Lasitus schwelgte gerade in Erinnerungen, und hatte dazu noch einen Kater und leichte Kopfschmerzen vom letzten Abend. Aber trotzdem lies er Djulf gewähren und hörte sich seine Probleme geduldig an. Obwohl er Djulf nicht wirklich helfen konnte, redete er ihm gut zu und bat ihn sich auf seine Arbeit zu konzentrieren.

Nachdem Djulf Doevelnik sich vom Kommandanten getrennt hatte, bemerkte er den Veego an seiner Navigationskonsole und wanderte zu ihm.

»Ad Astra, Navigator Emerson«, begrüßte ihn der Siganese. »Kann ich mit euch mal reden? Ich könnte euch etwas von meiner Welt erzählen, da ihr euch doch für fremde Welten so sehr interessiert.«

Emerson widerstand dem Drang, sich nach den anderen Personen umzusehen, zu denen Doevelnik sprach. Er erinnerte sich nämlich, dass Siganese ihn schon bei ihrer ersten Begegnung so angesprochen hatte, aus welchem Grund auch immer.

»Ja gern«, erwiderte Emerson. »Muss noch kurz was erledigen, und dann habe ich etwas Zeit.«

Nachdem der angebliche Smørebrøder sich beim Kommandanten für die Mittagspause abgemeldet hatte, begab er sich zum vereinbarten Treffpunkt, einem zur Zeit unbenutzten Raum in der Nähe der Kommandozentrale. Sie unterhielten sich eine ganze Weile. Djulf erzählte ihm viel von seiner Heimat. Es tat dem Siganesen offensichtlich richtig gut, mit jemandem über seine Heimat zu reden. Und Emerson war ein guter Zuhörer. Doch nach etwa einer Stunde musste Emerson das Gespräch unterbrechen, weil seine Mittagspause zu Ende war.

»Wir werden ein anderes Mal weiter reden.«

Damit trennten sich ihre Wege, und Emerson kehrte in die Kommandozentrale zurück.

Auch Djulf bekam allmählich Hunger. Also begab er sich in die Messe.

Dort war es nicht sehr voll. Was ihn wunderte, denn um diese Zeit ist für die sonst so genauen Menschen doch Essenszeit (oder Fütterungszeit hätte man es auch nennen können, wenn man ihnen mal beim essen zu sah).

Er aß eine Vorsuppe und zu seiner Freude gab es auch etwas Vegetarisches.

Er beobachtete an einem anderen Tisch wie sie aßen diese »Riesen«. Aber er konzentrierte sich lieber wieder auf sein Essen bevor ihm der Appetit verging.

Eigentlich müsste man mal ein ernstes Wörtchen mit dem Käpten oder so reden. Über (Pflicht)-Tischmanieren und über bestimmte Gerichte.

Nachdem Essen wollte er wieder seiner Arbeit nachgehen. Mal sehen was alles noch passieren würde.

Wissenschaftliche Abteilung (BZ: 11:47 Uhr)

Todd arbeitete mit Markus und einigen anderen des wissenschaftlichen Teams der CREST seit dem Morgen ununterbrochen an einigen Versuchen, die zur Verbesserung des Paratronschirms dienen sollten. Anfangs hatte Todd noch einen produktiven Teil dazu beigetragen. Aber im Laufe der ersten Experimente dieses Tages zeigte sich sehr rasch, dass er noch nicht ganz genesen war. Er war zwar von den Ärzten behandelt worden, so dass seine halbseitige Lähmung abgeklungen war, aber die Feinmotorik seiner Hände beherrschte er dennoch noch nicht. Hier und da lies er Gegenstände fallen, stellte Spannungen falsch ein und machte noch einiges anderes, was diesen Versuchen abträglich war. Nachdem er dadurch einen Schaden von schätzungsweise 20.000 Solar angerichtet hatte und die Versuchsreihe um ca. 3 Tage zurückgeworfen hatte wurde er zum Versuchsbeobachter »befördert«.

Dies war ein Grund für die Unzufriedenheit, die er zur Zeit verspürte. Ein Blick auf seinen Armbandchronometer bestätigte ihm, was ihm sein Magen seit geraumer Zeit versuchte mitzuteilen und was der andere Grund der Unzufriedenheit war: Es war beinahe Mittag. Da er nur wenig Zeit für das Frühstück hatte, ist es verständlich, dass schon wieder Hunger verspürte. Markus, der die Versuche leitete musste diesen Blick, das Knurren von Todds Magen oder aber auch beides bemerkt haben, denn er sagte: »Diese Experiment beenden wir noch, dann ist Mittagspause!«

Auf einmal ging die restliche Arbeit so schnell von der Hand, dass sie nicht einmal 10 Minuten dafür benötigten. Todd ging zu Markus herüber, der seinen Kittel gerade an die dafür vorgesehenen Haken hängte, hängte seinen ebenfalls dorthin und fragte ihn, ob er gleich in die nächste Kantine mitkommen wolle, oder ob er noch etwas erledigen müsse. Markus sagte zu und beide bewegten sich auf den Ausgang der wissenschaftlichen Abteilung zu.

Kurz bevor sie ihn erreichten erschallte die laute Stimme von Don Hawk dem Leiter dieser Abteilung. »Wohin des Wegen Todd Chasen? Bevor sie sich zu ihrer nicht verdienten Pause begeben müssen sie noch die Schadensmeldungen ausfüllen!«

Ohne auch nur kurz zu zögern ging Markus weiter und sagte noch in Richtung Todds: »Und tschüss!« als er auch schon darauf durch die Tür verschwand. Die Antwort Todds: »Danke mein Freund!« konnte er schon gar nicht mehr hören.

Er drehte sich um und ging in Richtung des Büros, aus der die Stimme seines Chefs zu hören war und murmelte noch vor sich hin: »Na toll! Die Pause ist gestrichen. Der Papierkram dauert doch so elend lange, aber dafür werd ich mich revanchieren.«

»Haben sie irgendetwas gesagt?«, fragte Don Hawk, der sich natürlich denken konnte was Todd gesagt hatte.

»Nein, ich doch nicht. Wie komm ich denn dazu!«, war die trotzige Antwort von Todd daraufhin.

Messe mit Renie, David und Robert (BZ: 11:55 Uhr)

Als David so von der Technik erzählte, hatte Robert nur einen Gedanken: Wie lenke ich das Gespräch nur auf ein anderes Thema und zwar eins, dass meilenweit von Technik entfernt ist.

Renie musterte den 2. Navigator: Scheint ja richtig in seinem Job aufzugehen. Nur auf seine Technik fixiert. Das passt zu einem terranischen Schiff.

Laut sagte sie: »Nun ja das Alles hört sich sehr interessant an, aber ich bin neu hier und da interessieren mich mehr die Menschen und Extraterrestrier hier an Bord. Sie sind jetzt wie lange auf dem Weg?«

Robert antwortete: »Genau einen Monat und da ist mehr passiert, als uns lieb sein kann. Seien sie nicht überrascht, wenn die Bordsicherheit etwas arg sorgsam ist, wir hatten unerfreuliche Zwischenfälle mit Saboteuren auf der ersten Mission. Dabei hat es leider auch Tote gegeben.«

»Keine Sorge, das macht ja nichts. Ich hab ja nichts zu verbergen«, entgegnete Renie.

Innerlich dachte sie sich aber was anderes: Au backe, da muss ich mich vorsehen. Meine IPC-Mitgliedschaft soll ja möglichst geheimbleiben. So ein Glück, dass ich meinen ersten Gedanken, mich in den Computer zu hacken, aufgegeben habe. War zu gefährlich, dass das rauskommt. Nun ja, sollte ich mit den Sicherheitsleuten halt doppelt vorsichtig sein.

Zuerst hörte sie nur mit einem Ohr, wie Alun von einem Techniker erzählte, der als Alien entlarvt worden war, ein gewisser Montgomery Spock. Zu schade, dass ich keinen Kontakt mit dem Boss aufnehmen kann, das würde ihn sicher interessieren.

»Ach, ja dieser ›Mechanoide‹, wie er sich selbst bezeichnet hat«, warf David ein. »Das ist schon ein starkes Stück, wenn man bedenkt, dass dieses Maschinenwesen fast zwei Jahrzehnte in der Solaren Raumflotte gedient hat, ohne das irgendjemand etwas gemerkt hat. Wenn man seinen Worten glauben kann, dann entstammt Spock einer autonomen Roboterzivilisation, die irgendwo in der näheren Umgebung der Milchstraße beheimatet sein muss. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wer ein Interesse daran haben könnte, solche merkwürdigen Maschinen zu erschaffen, die sich selbst reproduzieren können. Was meinen sie dazu?«, wandte er sich an Tukal und Alun.

»Nun ja spontan fallen mir die Posbis ein, die von den Laurins auch in Auftrag gegeben wurden!«, antwortete Robert auf Davids Frage.

»Vielleicht haben sie auch sowas ähnliches vorgehabt, wie der Ara und Baalolanhänger Serub Otrubas mit den Helothas, die er obwohl sie Lebewesen waren, als Bio-Androiden bezeichnet hat und als Söldner verkauft hat.«, warf Renie ein und fuhrt fort. »Ein klasse Trividschinken damals. Ich hab ihn gesehen, als meine Eltern außer Haus waren. Das war eine Art Rebellion, weil ich wusste, dass die beiden, es hassen würden, wenn ich ihn sehe. Sie mögen den IPC nicht und die hatten ja die Hauptrolle bei diesen Ereignissen. Vor allem die Entführung eines Arkonadmirals, sogar eines späteren Imperators und dass noch ohne Bestrafung muss sie sehr geärgert haben. Und dann noch dass ein Attentäter auf den Lordadmiral der USO, denn sie als Hardliner ja eigentlich bewunderten, in den IPC aufgenommen wurde, hat ihnen gar nicht gefallen. Tja mich haben die Vorkommnisse damals sehr interessiert. Ich lernte, dass die Galaxis sehr viel vielschichtiger war, als es meine Eltern jemals akzeptieren würden.«

Renie stoppte und fuhr dann fort: »Ich hoffe ich hab sie nicht zu sehr gelangweilt.«

»Nein, das IPC ist ein sehr interessantes Gesprächsthema«, gab David zurück. »Ich habe die tollsten Geschichten darüber gehört. Stimmt es eigentlich, das alle IPC-Agenten von Tengri Lethos, diesem Hüter des Lichts, extrem langlebig gemacht wurden? Und wie hat er das angestellt?«

»Sie sind ein guter Detektiv, Mr Halman!«, entgegnete Renie dem Terraner – und stellte sicher, dass er ihre Ironie sicher verstand. »Ich habe in meiner Jugend für den IPC geschwärmt, teilweise auch aus Protest gegen meine Eltern und sie glauben, dass ich deswegen alles und vor allem die größten Geheimnisse des IPC kenne. WOW! Wahrscheinlich hab ich viel was ich früher über sie wusste schon wieder vergessen, als ich auf den Planeten wahr.«

Robert konnte sich ein Lachen kaum verkneifen. Inzwischen war das Essen ziemlich beendet. Der Galaktopsychologe fragte David, auch um die Peinlichkeit für diesen zu überspielen: »Haben sie sich eigentlich auch heute zu dem Auffrischungskurs angemeldet? Solange Tsuran glaubt ich wäre ein Problem, könnte es gesünder sein im Dagor sehr fit zu sein.«

»Dagor!«, platzte es Renie raus. »Meinen sie, ich könnte da auch mitmachen? Es wäre sicher nicht uninteressant. Vor allem auch«, – fügte sie lächelnd hinzu – »eine gute Gelegenheit die Crew kennen zulernen.«

»Also für mich wäre das nichts, ich verabscheue körperliche Gewalt«, sagte David. Über seinen Reinfall mit dem IPC war er zwar etwas beschämt, aber er hatte gar nicht ernstlich erwartet, dass ihm Renie Tukal seine Fragen beantworten konnte. Das hätten wohl nur IPC-Agenten vermocht, und dazu gehörte die Frau ja nicht (zumindest glaubte er das).

Nachdem er Davids Antwort gehört hatte, ging Robert erstmal, als Gentleman, auf Renies Frage ein: »Ich würde einfach mal nachfragen. Wir befinden uns hier auf einem Schiff, dass auch in militärische Zwischenfälle verwickelt sein könnte. Man weiß nie, wozu man das noch brauchen kann. Außerdem ist Dagor ja kein Staatsgeheimnis.«

Danach wandte er sich an David: »Ich verstehe, dass sie niemanden verletzen wollen, geht mir ähnlich. Aber beim Training dürften die Übungen schon so ausgerichtet sein, dass es außer blauen Flecken wohl kaum Verletzungen gibt. Unser 1. Offizier braucht ja eine einsatzbereite Mannschaft und keine auf der Krankenstation. Und es ist doch wichtig Selbstverteidigung zu können. Es ist eine gute Möglichkeit jemand unschädlich zu machen, ohne ihn groß zu verletzen.«

Nachdem er das gesagt hatte, schaute Robert auf seine Uhr und meinte: »Entschuldigen sie, ich muss langsam wieder an die Arbeit.«

Nachdem Alun gegangen war, wechselte David noch ein paar Worte mit Renie Tukal, bevor auch sie aufstand und die Messe verließ. Wenig später tat der Terraner es ihr gleich und begab sich in seine Kabine, wo er ein Fachbuch über Computerprogrammierung studierte. David hatte es sich nämlich in den Kopf gesetzt, seinen Vorgesetzten Ostrog bei dessen Projekt zu unterstützen, ob der das nun wollte oder nicht.

Messe der Offiziere (BZ: 12:10 Uhr)

Zunächst einmal überwog Cosh Schulungsinstinkt. Da vorne saß der Verdächtige und Agnus bemühte sich, nicht gesehen zu werden, sondern nur selbst zu sehen. Doch schon bald wurde ihm klar, dass ihn an diesem Tisch nur eine Person erkennen würde – Kiril. Die anderen würden mit seinem Gesicht kaum etwas anfangen können.

Also entschied er sich, möglichst unauffällig zu sein. Er reihte sich in die Schlange ein und bestellte ein Rinder-Viertelchen, was mit viel Gelächter von der Küchengehilfin bedacht wurde. Der Syntho-Brei, den sie ihm zuschob, war zumindest vom Volumen und vom Geruch her ähnlich.

Eigentlich hätte Agnus ja ärgerlich sein müssen, doch er war viel zu sehr mit seinem Auftrag beschäftigt. Er setze sich an einen freien Tisch in der Nähe und beobachtete sein »Opfer«. Er wollte den Mann kennen lernen – das Wissen über seine Angewohnheiten konnte entscheidend sein.

Dabei war sich Cosh klar, dass Allan wohl kaum Kantinenlöffel einstecken würde. Bald wurde ihm klar, dass sich Kiril aus irgendeinem Grund sehr unwohl fühlte. Warum eigentlich – noch die Sache von gestern, oder war da mehr? Manchmal schien sie regelrecht »Angst« zu haben …

Was war da zwischen ihr und ihrem Onkel, von dem Agnus noch nichts wusste? Doch selbst sein gutes Gehör ließ ihn nur Fetzen des Gespräch mitbekommen. Auf jeden Fall war das kein Zustand, der so bleiben durfte und Cosh winkte Kiril heimlich zu.

Als sie ihn sah besserte sich ihre Stimmung zusehends, und Cosh war erleichtert, dass Kiril nicht unnötig die Aufmerksamkeit auf den Ertruser richtete.

Jedenfalls gelang es ihm, ihr zu Verstehen zu geben, dass er sie nach dem Essen treffen wollte. Cosh hoffte, dass sie seine Zeichen verstanden hatte.

Soweit Cosh das beurteilen konnte verhielt sich Allan nicht ungewöhnlich. Seiner Stellung und Herkunft nach hatte er die Situation beim Essen gut im Griff, sogar die selbstbewusste Sulae schien sich der Präsenz des 1O. unterzuordnen.

Aber sie wusste ja auch nichts vom Verdacht gegen diesen und hatte sicher auch ganz andere Sachen im Kopf.

Aber … wieso war Kiril eigentlich mit am Tisch? Zusammen mit Allan, was ihr sichtlich nicht behagte. Und auch noch zusammen mit der Sicherheitschefin der CREST V?

Da steckte mehr dahinter … und Cosh würde es herausfinden.

Allan war sich des psychologischen Drucks auf Kiril nur zum Teil bewusst, ahnte nicht einmal etwas, als diese aufstand, während er sie anlächelte.

Mit Kiril und Oberstleutnant Shalannan suchte Allan einen freien Tisch in der Allgemeinen Messe. Diese war nicht wie die Offiziersmesse ausschließlich den Offizieren vorbehalten, und Sulae fragte warum Allan diese ausgewählt habe.

»Sie ist gemütlicher«, war seine Antwort, welche schamlos gelogen war, er hatte einfach keine Lust bestimmten Kollegen zu begegnen.

Nachdem sie Plätze gefunden hatten, es war noch relativ früh und somit nicht all zu sehr voll in der Messe, warf Allan einen Blick auf den Angebots-Aushang, im Vergleich mit der Offiziersmesse war das Angebot sehr bescheiden.

Es gab 2 verschiedene Vorsuppen, 4 Tagesgerichte, 2 verschiedene Nachspeisen und wie immer »TTFS« der traditionelle terranische Flotten-Syntobrei, auch als Mottenkotze bekannt, für die, die sich überhaupt nicht entscheiden konnten oder »mehr« wollten.

Denn davon gab es im Gegensatz zu den andern, auf den Metabolismus abgestimmten Portionen »all you can eat«.

Wie immer war eins der Hauptgerichte als Vegetarisch ausgewiesen, eine für Allan unverständliche terranische Tradition. Wahrscheinlich wahr alles irgendwie auf künstlichem Wege erzeugt worden …

Den wenigsten war klar, dass sich an Bord des Schiffes ein faktisch geschlossener Biomasse Kreislauf befand. Die Besatzung hätte über Jahre, ja Jahrzehnte, hinaus ohne Zuführung zusätzlicher Stoffe ernährt werden können, allein durch Chemobiologische Konvertierung und Molekularsynthese.

Allerdings verzichtete man aus psychologischen Gründen auf den extensiven Einsatz dieser und anderer Techniken, genauso wie man mittlerweile auch von den »Jagdlandungen« etwas abgekommen war …

Viele hatten moralische Bedenken auf irgendwelchen urweltlichen Welten zu landen, zu testen ob das Fleisch der einheimischen Fauna verwertbar war, und dann ganze Herden zusammenzutreiben und »verarbeiten« zu lassen. Auch wenn das eigentliche Schlachten von Robotern übernommen wurde.

Die Ökologistenfraktion des Solaren Parlamentes hatte vor einigen Jahren versucht diese Eingriffe in fremde Ökologien auch bei Tiefenraummissionen zu verbieten, war aber gescheitert …

Das Schiff war noch nicht lange genug auf Mission, dass alles bereits durchrecycelt gewesen sein konnte, also wuchsen Fleischstücke auf »althergebrachte« Weise in den Fleisch-Retorten der CREST, während die Besatzung von den eingelagerten Vorräten zehrte.

Einige hatten sogar begonnen in privatem »Hobby«rahmen im Schiffsolarium Gemüse zu ziehen …

Im Tagesangebot gab es:

Ertruss Truthahn Navratan,

Chili nach Shandoong Art,

Weganische Süßmorcheln,

und etwas, das sich »Schnitzel In Paprika-Rahmsoße« nannte.

Mit letzterem konnte Allan nichts anfangen und fragte darum Sulae ob sie wüsste, was das darstellen sollte.

Sulae folgte dem ersten Offizier zu einem Tisch und setzte sich dazu. Dabei war sie sich der Nervosität Kirils bewusst; es musste wohl etwas mit dem Zwischenfall auf der Party zu tun haben.

Beruhigend legte sie ihr eine Hand auf die Schulter. Sie selbst hatte Ähnliches oder noch Schlimmeres in ihrer Jugend erlebt … Aber nein, daran mochte sie im Moment absolut nicht denken.

Wieso nicht?, fragte Shalannan, die das Thema sofort aufgriff, belustigt.

Ich habe mich oft genug damit auseinander gesetzt. Es reicht. Obwohl, wenigstens war ich damals Herrin meiner Handlungen! Sobald sie es ausgesprochen hatte, wusste sie, dass es ein Fehler gewesen war. Damit hatte sie Shalannan wenigstens einen kleinen Teil Macht eingeräumt.

Sofort brach sie das Gespräch ab und warf wie der 1O einen Blick auf den Speiseplan. Nicht sehr abwechslungsreich, aber sie war es gewohnt.

Plötzlich fragte Gonozal, was denn »Schnitzel in Paprika-Rahmsoße« seien.

Sulae lächelte etwas belustigt und antwortete: »Ein terranisches Gericht aus gebratenem Fleisch. Auf meinem letzten Posten hatten wir einen Techniker, der Schnitzel in allen möglichen Variationen mochte. Es ist nicht unbedingt die große Küche, aber essbar.«

Sie entschied sich dann auch genau dafür.

Nach einer kleinen Pause, als sie sah, dass sich Kiril wohl immer noch etwas unbehaglich fühlte, wandte sie sich wieder an ihren Vorgesetzten und fragte: »Sagen Sie, wollen Sie nach dem Essen noch mit in die Sicherheitszentrale kommen? Ich dachte mir, Sie möchten die Informationen aus erster Hand erfahren …«

Sie war interessiert, wie der erste Offizier darauf reagieren würde. Doch noch mehr interessierte es sie, wie wohl die Sicherheitsleute in der Zentrale auf den ersten Offizier reagieren würden. Sie hatte ein oder zwei Gerüchte aufgeschnappt, die Gonozal besser nicht zu Ohren kommen sollten …

»Aber mit Vergnügen«, nahm der 1. Offizier die Einladung der Sicherheitschefin an.

»Ich habe sowieso noch einige Dinge mit ihnen zu besprechen, wegen der Gäste an Bord. Ich fürchte das wir sie in Haft nehmen müssen …«, sagte er zwischen zwei Bissen.

Als er die fragenden Gesichter sah, klärte er Sulae und Kiril in knappen Worten und halbwegs leise über den Sachverhalt auf.

Das Gesicht der Sicherheitschefin verschloss sich während er leise sprach. Um etwas abzulenken, bot er sich an noch eine Runde Getränke zu holen, und stand auf.

»Ja, sehr gern«, sagte Sulae mit einem strahlenden Lächeln. »Wissen Sie, was Maracuja-Saft ist? Wenn Sie mir ein Glas davon mitbringen könnten …«

Als Allan weg war, wandte sich Sulae an Kiril.

»Immer noch nervös wegen gestern Abend?«, fragte sie leise. »Oder liegt es an den Blicken, die dir der junge Mann da drüben zuwirft?«

Sie wies mit dem Kopf undeutlich in Coshs Richtung.

Als sie Kirils ertappten Blick sah, setzte sie lachend hinzu: »Keine Sorge, es bleibt unser Geheimnis …«

Allan, musste einen Moment warten, bis er am Getränkeautomaten dran kam, und es dauerte etwas bis er besagten Maracuja-Saft ausfindig gemacht hatte.

Während er drei Becher abzapfte, was ihm den Unmut der hinter ihm Stehenden einbrachte; die glaubten wohl das er »auf Vorrat bunkerte«, überlegte Allan wie er das weiter dringend nötige Privatgespräch mit Kiril heute noch in seinen Terminplan bekommen konnte.

Er war sich zwar sicher, dass sie nichts allzu Dummes anstellen würde, im Gegensatz zu ihm selbst in dem Alter, aber es machte ihn einfach nervös.

Ich erwarte zu viel von mir, 4 Wochen machen noch keinen perfekten Vater, war die Diagnose, welche er sich selbst stellte.

Er würde, so nahm er sich auf alle Fälle vor, einen oder zwei Väter in der Besatzung identifizieren und mit diesen sprechen, wie sie so was handhabten. Aber andererseits waren es ja außergewöhnliche Umstände …

Er kam zu keinem Ergebnis, und marschierte drei große Gläser balancierend zurück zum Tisch und stellte diese ab, bevor er sich setzte

Lächelnd und mit einem »Hier die Damen«, verteilte er die Getränke und probierte dann selbst einen Schluck.

Gang (BZ: 12:20 Uhr)

Anthea strich einmal wieder durch die Gänge, denn ihre Schicht war seit einiger Zeit beendet und sie wollte bald etwas essen.

Abgesehen davon hatte sie Gerüchte gehört, die sie neugierig gemacht hatten. Niemand traute sich, etwas Konkretes auszusprechen, aber es schienen gleich zwei Dinge zu sein, und sie hatten mit dem ersten Offizier zu tun …

Sie hatte das aufgeschnappt, als sie kurz im Auftrag ihres Vorgesetzten in der Sicherheitszentrale gewesen war. Nun, es gab jemanden, der sich dafür sicherlich interessieren würde … Sie grinste ein wenig, wurde aber bei dem Gedanken daran, was passieren konnte, wenn man sie erwischte, gleich wieder ernst.

Nun ja, rechtfertigte sie sich gedanklich. Ich gebe ja nur Gerüchte weiter  welche, die auch noch das halbe Schiff kennt  Also, was tue ich Unrechtes?

Doch zuvor wollte sie noch eine Kleinigkeit essen.

Messe

Als sie in der Messe ankam und sich umsah, stellte sie überrascht fest, dass sie »Hohen Besuch« hatten: Der erste Offizier und die Sicherheitschefin.

Anthea unterdrückte ein ironisches Grinsen und suchte dann nach einem Platz, der nah genug war, dass sie hören konnte, was besprochen wurde, aber weit genug weg, damit es nicht auffiel. Und wieder hatte sie eine Gelegenheit, ihre übertriebene Neugier zu verfluchen. Die würde sie nur wieder einmal wieder in Schwierigkeiten bringen, aber sie konnte es nicht ändern …

Schließlich fand sie einen Platz, der jedoch von einem Ertruser besetzt war, der nachdenklich zum Tisch der beiden hohen Offiziere blickte.

»Verzeihen Sie«, weckte sie ihn aus seiner Versenkung. »Ist hier noch frei?« Sie setzte ein zuckersüßes Lächeln auf und hoffte …

Der Sicherheitsoffizier am Tisch reagierte nicht auf ihre Frage, also suchte sie weiter nach einem Platz. Sie hatte Glück und fand einen, der geradezu ideal war. Sie saß hier gut versteckt hinter einigen Personen, konnte aber durch eine Lücke alles sehr gut beobachten. Ihre Gedanken überschlugen sich.

Der erste Offizier sitzt mit der Sicherheitschefin und seinem Mündel beim Mittagessen. Was die wohl zu bereden haben …? Aber egal, wenn ich das jetzt mit allem verknüpfe, was ich bisher so gehört habe, dann kommt da etwas sehr Interessantes bei heraus …

Sie kicherte leise und dachte an die Gerüchte, die zur Zeit unter einem Teil der Crew, zugegeben einem relativ kleinen Teil, kursierten. Nach einer Weile glaubte sie, genug gesehen zu haben, denn sie stand auf und verließ unauffällig die Messe. Sie lief durch die Gänge und wechselte einige Decks, bis sie sich in ihrem Quartier befand.

Dort rekapitulierte sie: Allan war zuvor einige Male mit Yohko Takashi gesehen worden, jetzt auf einmal mit der Sicherheitschefin.

In der Sicherheit kursierte wohl ein Gerücht, dass er in die Diebstähle verwickelt war.

Zu guter Letzt war da auch noch Kiril …

Nun, wenn Natalie zurückkehrte, hatte sie ihr einiges zu erzählen … sie hoffte, dass dieser Zeitpunkt nicht allzu weit in der Ferne lag. Doch jetzt hatte sie wichtigeres zu tun.

Denn schließlich musste sie die allgemeine Pressefreiheit wahren, also packte sie alle Informationen in eine kurze Nachricht und verschickte sie, so dass man sie möglichst nicht zurückverfolgen konnte. Nur als Sicherheit … sie wollte nicht dafür belangt werden, was jemand anderes aus Gerüchten machte.

So, nun lag es an ihrem »Freund«, demjenigen, der sich um die Presse kümmerte, die Infos zu verwerten …

In dem Moment kam der erste Offizier mitsamt den Getränken zurück.

Er macht eine tolle Figur, wie er so daher schwankt, findest du nicht?, meinte Shalannan spöttisch.

Du musst auch alle mit deinem Spott quälen, antwortete Sulae, leicht genervt.

Nein, kam es lachend zurück. Nur dich, sonst hört es ja keiner. Im Übrigen, wieso verteidigst du denn diesen netten Arkoniden? Gibt es da etwas, das ich wissen sollte?

Nein, gibt es nicht, und nun sei ruhig!

Das Echo von Shalannans Lachen hallte noch einen Augenblick in ihrem Kopf nach, dann war Ruhe. Lächelnd nahm Sulae Allan ein Glas ab und bedankte sich. Sie nippte an dem Saft und genoss das süße Aroma.

Dann schaute sie nachdenklich zu Kiril. Das Mädchen hatte nicht auf ihre Bemerkung reagiert, sie schien zu tief in Gedanken zu sein. Nun, vielleicht würde das Thema später noch einmal auf den Tisch kommen.

Eine Weile herrschte Ruhe, während Allan und sie aßen und Sulae Allan unauffällig zusah. Ihr Extrasinn kicherte leise in ihrem Hinterkopf, schwieg aber.

Was meinst du zu den Vorfällen?, fragte sie Shalannan auf einmal.

Nun, ich weiß ja leider auch nicht mehr als du. Du hast ja die Gerüchte gehört …

Ja, das habe ich wohl. Die Sicherheitsoffiziere sind zwar leise und reden hinter vorgehaltener Hand, aber ich bekomme so etwas trotzdem mit. Glaubst du, da ist etwas Wahres dran?

Ich weiß nicht. Aber siehst du den Sicherheitsoffizier da drüben? Er schaut schon die ganze Zeit unentwegt zu unserem Tisch. Ob es nun wegen Kiril oder den Diebstählen ist, mag dahingestellt bleiben.

Also denkst du, da ist etwas Wahres dran?

Nein, die Logik gebietet, dass man Gerüchten nur sehr begrenzt Glauben schenkt. Bleibe bei den Beweisen, das ist gesünder.

Also gut, aber wir müssen trotzdem dafür sorgen, dass nichts an den Rest der Besatzung dringt … Wenn gewisse Personen davon erfahren …

Dann haben wir demnächst einen seeeehr bösen Dagorista auf dem Schiff … ungesund … sehr ungesund …, kommentierte Shalannan.

Sulae nickte gedanklich und wendete sich wieder ihrem Essen zu.

Als alle zu Ende gegessen hatten, sah Sulae auf ihr Armband und meinte: »Es wird langsam Zeit, in die Sicherheitszentrale zurückzukehren. Kommen Sie mit?«

Allan nickte und die beiden standen auf. Sulae murmelte Kiril einen Abschiedsgruß zu, während Allan sein Mündel ermahnte, pünktlich zu sein. Dann verließen die beiden gemeinsam die Messe.

Gang (BZ: 12:29 Uhr)

Nachdem er das Mittagessen und das Gespräch mit David und Renie beendet hatte, beschloss Robert sich wieder um seine Arbeit zu kümmern. Doch vorher wollte er noch etwas erledigen.

Sicherheitszentrale (BZ: 12: 30 Uhr)

Robert betrat die Sicherheitszentrale und bat mit Vron reden zu dürfen, falls dieser nichts Besonderes zu tuen hätte. Der Sicherheitsmann wirkte etwas übermüdet, aber nahm sich trotzdem die Zeit für das Gespräch.

»Ich wollte eigentlich nur fragen, ob ich immer noch verdächtig bin.«

»Naja, eigentlich sind Ermittlungsergebnisse geheim, aber hier darf ich wohl sagen, das wir im Moment in einer anderen Richtung ermitteln. Trotzdem würde ich sie bitten in nächster Zeit nicht das Schiff zu verlasen, vor allem ohne Schutzanzug ist das arg ungesund. Wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind, wird es das ganze Schiff erfahren.«

Robert bedanke sich und verließ die Sicherheitszentrale in Richtung seiner Kabine.

Vor Roberts Kabine (BZ: 12:40 Uhr)

Als er dorthin kam, erwartete Robert eine unangenehme Überraschung. Michael Tsuran, der Arzt, der Robert nicht leiden konnte, weil er ihn für die größte Gefahr für das Schiff hielt, stand kurz davor.

Robert überlegte sich, wie er die Sicherheit alarmieren sollte, als der Doktor zu sprechen begann: »Keine Angst, die Bordsicherheit ist schon alarmiert. Ich werde beweisen, dass sie mich bestohlen haben. Sie hassen mich. Nach der ersten Mission müssen sie das einfach. Das war eine Möglichkeit der Rache für sie, ganz klar. Nach der Durchsuchung ihrer Kabine sind sie im Arrest. Von dort holt sie kein Teleporter weg und sie werden auch nicht auf Außenmission gehen, bis sie am Ende vor ein Gericht gestellt werden. Dann werden sie das Schiff verlasen, aber ich werde die CREST V verlassen haben. Ich kann nicht das Universum schützen, nur mich selber.«

9. Immer wieder Roboter

Sicherheitsroboter-Lagerraum 19 (BZ: 12:30 Uhr)

Ziemlich schwer seufzend sah Pavel auf seinen Armbandchronometer.

Mal wieder kein Mittagessen!, dachte er. Die Krähe hasst mich wirklich.

Vor seinem inneren Auge lies er die Geschehnisse des Vormittages noch einmal Revue passieren.

Gleich als er heute morgen – während er sich anzog – seine Nachrichten vom Bordsystem abrief, bekam er den Befehl von Major Goimez, heute ohne Verzögerung eine Komplettdiagnose aller Sicherheitsroboter der inneren Panzerkuppel durchzuführen. Sie begründete die Maßnahme mit der Möglichkeit, dass die Saboteure eventuell noch einige weitere Systeme manipuliert hätten. Sie hatte angeblich Unregelmäßigkeiten in den Programmen der Sicherheitsabteilung gefunden.

»Sie mit Ihrem Abschluss in Robotik sind der beste Mann für den Job. Kommen Sie gar nicht erst in die Zentrale, sondern fangen Sie gleich damit an. Und beeilen Sie sich gefälligst, ich erwarte heute Abend einen kompletten Diagnosebericht aller mobilen Systeme«, das waren Goimez Worte gewesen.

Mit anderen Worten: Kein Mittagessen und wahrscheinlich auch noch Überstunden …

Nach einer Viertelstunde war das Diagnoseprogramm fertig. Keine Probleme, keine Auffälligkeiten. Pavel gab den Befehl, die Ergebnisse an sein Terminal in der Sicherheitszentrale zu überspielen und machte sich auf den Weg zum nächsten Lagerraum.

Sicherheitsroboter-Lagerraum 20 (BZ: 12:50 Uhr)

Lagerraum 20 war einer der größeren. Im Gegensatz zu den anderen stand hier eine komplette Hundertschaft Sicherheitsroboter. Die hochmobilen, leicht gepanzerten Einheiten waren zwar nicht für den Kampfeinsatz gegen andere Roboter gebaut worden, jedoch zur Verteidigung gegen eventuelle Enterversuche oder anderer Störungen durch Humanoide waren die Einheiten mit ihren Paralysestrahlern hervorragend geeignet. Die Robotkommandanten, ein wenig massiver gebaut als die Mannschaften, verfügten außerdem über einen leichten Desintegrator, um auch gegen Panzerschotts oder geschützte Gegner vorgehen zu können.

Wieder begann Pavel mit dem gleichen Ritual wie schon 19 Mal vorher. Zuerst durchsehen, ob noch alles da war, dann das Diagnoseterminal in Betrieb setzen und die Routinen aufrufen, die die hierarchisch ablaufende Überprüfung in Gang setzten.

Wie üblich begannen die Augendioden des Robotkommandanten zu leuchten, um die Aktivierung des Diagnosemodus anzuzeigen. Doch nach wenigen Sekunden geschahen zwei Sachen gleichzeitig. Zum einen begannen nun auch die Augen der Subkommandanten zu leuchten und zum anderen wechselte das Diagnoseterminal in den Selbstwartungsmodus.

Sofort versuchte Pavel den Wartungsmodus wieder zu beenden, doch das Terminal verweigerte standhaft alle Eingaben.

»Mist, was ist denn nun los?«, schimpfte er und traktierte das Terminal mit einem Fausthieb. »Wirst du das wohl bleiben lassen?« Jedoch ignorierte das System auch seine Beschimpfungen. Irgend ein Programm blockierte seine Versuche das Terminal wieder zum Funktionieren zu bringen.

Ein Geräusch ließ Pavel hochschrecken. Mittlerweile waren alle Roboter der Hundertschaft aktiviert und begannen nun, das Lager zu verlassen.

Na Klasse!, dachte Pavel noch, als er seinen Armband-Kommunikator aktivierte um Alarm zu schlagen.

Mannschaftsquartiere

Nachdem Djulf die Messe verließ, wollte er sich noch etwas ausruhen.

Er machte sich auf den Weg zu den Mannschaftsquartieren. Ein weiter Weg für so jemanden kleinen. Kurz vor den Quartieren hörte er mit einmal laute Geräusche. Jemand schien vor etwas wegzulaufen.

Er hörte hastige Schritte näher kommen. Dieser jemand schien etwas zu murmeln. Er verstand aber nur etwas mit »Robotern« und »verrückt«. Was hatte das zu bedeuten. Blitzschnell analysierte er die Situation. Jemand flüchtete vor verrückt gewordenen Robotern. Und Djulf konnte ihm nicht helfen. Er hatte keine Waffe dabei. Und außerdem war er viel kleiner. Es war keine Angst die er verspürte sondern nur ein sehr starker Selbsterhaltungstrieb. Schnell sah er sich um.

Er entdeckte einen Lüftungsschacht in seiner Nähe. Da er immer etwas Werkzeug dabei hatte, war der Lüftungsschacht schnell geöffnet. Er sprang hinein und schloss das Gitter von innen. In dem Moment schoss ein Mann an dem Gitter vorbei. Er war sehr aufgeregt.

Kurz danach folgten mehrere Roboter. Diese hatte er in einem Lagerraum schon mal gesehen, glaubte Djulf sich zu erinnern. Oder irgendwo anders. Er wartete einen Moment und dann wollte er aus dem Schacht klettern. Jetzt brauchte er erstmal einen kräftigen Schluck. Und er musste den Alarm auslösen.

Kurz vor 13 Uhr ertönte dann der schiffsweite Alarm, der den Zweiten Navigator aus seiner Tätigkeit riss.

Vor Roberts Kabine (BZ: 12:50 Uhr)

Robert war nervös. Mit Michael Tsuran vor seiner Kabine zu stehen und darauf zu hoffen, dass dieser nichts Wahnsinniges anstellte, war nicht grade seine Vorstellung von erholsam. Und die Sicherheit brauchte scheinbar einige Zeit. Plötzlich erklang ein lauter Alarm.

Oh scheiße, was ist jetzt denn schon wieder los?, fragte sich Robert, als ein Haufen Robots auf sie zustürmte.

»Halt!«, schrie er.

Die Roboter schien das nicht zu beeindrucken. Robert hatte nicht daran gedacht, dass er, weil kein Führungsmitglied der Crew war, den Robots keine Befehle geben konnte.

Bevor sie den Galaktopsychologen umrissen, schritt Tsuran ein. Er schmiss den Terraner zur Seite und ging auch in Deckung.

Robert war sprachlos. »Danke! Sie haben mir grade das Leben gerettet«, brachte er nur raus.

Tsuran nickte nur. »Ich konnte sie doch nicht sterben lasen. Ich bin schließlich Arzt.«

Die beiden beschlossen den Robotern zu folgen.

Unterkunft (BZ: 12:59 Uhr)

Zento wachte erschrocken auf als er den schiffsweiten Alarm hörte. Sofort war er hellwach und sprang aus dem Bett. Er hastete so schnell er konnte zum Interkom und aktivierte ihn. Gespannt lauschte er auf den Wortlaut der Alarmmeldung.

Gang

Sulae wollte gerade wieder ein Gespräch beginnen, als ihr Armband zu piepsen begann.

Sie fragte sich, was denn so wichtig war, dass man sie in der Mittagspause störte, aber es würde wohl etwas wegen der Diebstähle sein. Dann merkte sie, dass Allan das gleiche Signal bekam. Die beiden schauten auf die Nachricht, und währenddessen wurden sowohl ihre Überraschung als auch das Entsetzen größer.

Einen Moment sahen sich die beiden Arkoniden fassungslos an, dann begannen auch die Alarmsirenen mit einem durchdringenden Heulen. In einer wortlosen Übereinkunft begannen beide zu rennen.

Na wunderbar, meinte Shalannan dazu. Dieses Schiff ist wirklich das reinste Chaos. Zuerst Diebstähle, streitende Freifahrer und nun auch noch durchgedrehte Roboter. Was kommt als nächstes? Fliegende Katzen?

Mit einem Gedanken an Yohko Takashis »Haustier« erschien das auf einmal gar nicht mehr so abwegig …

Allan hatte sich gerade in Bewegung gesetzt als das Gellen des allgemeinen Alarms, welches seine Ohren beleidigte, verändert wurde.

»Das ist nur noch ein Sektionsalarm?«, fragte er die Sicherheitschefin, welche es bestätigte.

Die beiden fielen simultan in einen raschen Trab und schlüpften an einem der sich schließenden Hauptschotts vorbei. Um dann einige hundert Meter weiter warten zu müssen, bis sich das dortige Mannschott langsam öffnete.

Zwischenzeitlich kam mit der Runterstufung des Alarms eine Durchsage, dass eine unbekannte Anzahl von Sicherheitsrobotern sich dem direktem Zugriff entzogen habe und mit unbekanntem Ziel im Schiff unterwegs sei …

Kommandozentrale (BZ: kurz vor 13 Uhr)

Emerson arbeitet gerade an seinem Navigations-Computerprogramm als der Alarm losbrach. Verwundert blickte er von seinem Terminal auf und fragte sich, was denn jetzt schon wieder los sei. Die kurz darauf folgende Alarmmeldung gab ihm eine Antwort, die ihn sehr beunruhigte, denn es war von einer Horde durchgedrehter Roboter die Rede.

Na super, dachte der Veego betroffen. Das hatten wir doch schon einmal. Bleibt uns denn wirklich gar nichts erspart?

Krankenstation (BZ: 12:12 Uhr)

Patricia Drake ging zu dem Automaten und zog sich eine Tasse Kaffee, um sich anschließend wieder zu ihrem Arbeitsplatz zu begeben und die Unterlagen der angeblichen Tochter der Freihändlerfrau nochmals durchzugehen.

Nachdem sie das lesen beendet hatte, lehnte sie sich zurück und betrachtete den mittlerweile erkalteten Kaffee. Sie versuchte einen kurzen Schluck, stellte dann aber fest, dass der ohnehin schon nicht berauschende Geschmack des Kaffees durch das erkalten nicht besser geworden war. Resigniert betrachte sie die trüb schimmernde Flüssigkeit.

In der letzten Zeit war einiges geschehen, nun sie überlegte einen Moment, dann nahm sie die Akte auf und ging, zu ihrer Patientin.

Ihr Zustand hatte sich wie erwartet, nachdem Drake den Paralysator-Schock behandelt hatte, nicht verändert. Nun wurde Sibylle in einem künstlichen Koma gehalten um sie auf denn kommenden Scan vorzubereiten.

Sie befestigte behutsam den Elektroden-Helm, der mit einem Teil der Hauptbiopositronik verbunden war. Drake aktiviert den Helm.

»Sun Tzu, bitte die Daten auswerten!«

»Zu Befehl!«

Während sie die Vitalwerte überprüfte, warf sie einen Blick auf dem die Daten, die auf einem Bildschirm vorbeirasten – sie würden später von der Positronik in lesbare Form gebracht war. Währenddessen überwachte sie die Vitalwerte.

BZ: 12:58 Uhr

Erleichtert das es zu keinen schwereren Zwischenfällen gekommen war, hielt sie die Auswertung die ihr Sun Tzu ausgeworfen hatte in den Händen. Drake ging zurück in ihr Büro und prüfte die gewonnen Daten.

Sie wollte gerade eine Sitzung einberufen, als die Alarmsirene aufheulte. Sie beschloss, dass die Auswertung nun auch noch warten konnte und verschob den Termin auf einen Zeitpunkt nach dem Alarm.

Währenddessen bereitete sie die Schritte vor die nötig waren um Sybilles ursprüngliche Persönlichkeit wiederherzustellen.

Sicherheitszentrale

Allan und Sulae brauchten fast 7 Minuten um in die Sicherheitszentrale zu kommen, in der einiges an Hektik ablief.

Auf einem 3D-Diagramm konnte man die von den Robotern besetzten Bereiche ausmachen. So wie es schien waren sie noch nicht allzu weit von Ihrem Ausgangsort entfernt, jedoch auf eine der Hauptringstraßen der zentralen Ebene vorgedrungen.

Ein junger Leutnant machte Meldung, dass es sich ausnahmslos um die Einheiten eines Bereitschaftslagers handelte, wahrscheinlich eine Komplette Hundertschaft und das diverse Spezialisten bereits versuchten sich Zugang zum Zugführer/Kontrollrobot zu verschaffen, was aber scheinbar unterbunden worden war …

Der Leutnant sagte es zwar nicht offen, aber das Wort »Sabotage« hing im Raum.

Zento hatte sich in nur 2 Minuten seinen Kampfanzug angezogen und war Richtung Sicherheitszentrale aufgebrochen. Er benutzte einen Transmitter und brauchte dadurch nur 3 Minuten bis zu seinem Ziel. Dort angekommen sah er den ersten Offizier mit der neuen Sicherheitschefin zusammenstehen.

»Sir«, wandte sich Zento an Dean Gonozal, »sollen wir die Roboter angreifen?«

Sicherheits-Roboter-Lagerraum 20 (BZ: 12:55 Uhr)

Nachdem Pavel seine Alarmmeldung durchgegeben hatte machte er sich daran, nochmals Zugang zum Steuerungsprogramm des Diagnoseterminal zu bekommen. Vielleicht könnte er herausfinden wie die Anweisungen an die Einheiten lauteten.

Dass das die Saboteure waren ist ja wohl klar, dachte er und gab eine weitere Befehlssequenz in das Terminal ein. Vielleicht konnte er das Terminal mit einem Trick überlisten.

Dafür wurde er mit dem Blinken des Eingabecursors belohnt, das Terminal war endlich wieder entsperrt. Sofort machte sich Pavel über den Speicherinhalt her, konnte jedoch nur die letzten acht Diagnoseaufrufe finden, andere Einträge gab es nicht in der Historie des Terminals.

Die Spuren wurden verwischt. Ärgerlich aber nicht unerwartet, dachte sich Pavel und verließ den Lagerraum im Laufschritt in Richtung der Sicherheitszentrale. Vielleicht hatte er dort noch ein Ass im Ärmel.

Gänge der inneren Panzerkuppel (BZ: 12:55 bis 13:15 Uhr)

Die Roboter marschierten derweil in Reih und Glied über die Gänge der zentralen Panzerkuppel in Richtung der Hauptzentrale. Hin und wieder zweigte ein Trupp von 5 oder 10 Einheiten an Kreuzungen ab und bewegte sich danach auf andere Ziele zu, die Haupteinheit jedoch bewegte sich unaufhaltsam in Richtung der Zentrale.

Jedoch, während der Trupp den Hauptgang durchquerte, begann der Alarm und die Panzerschotts fuhren zu. Der Haupttrupp, mit noch immer 50 Einheiten kam nun zum Stehen.

Nur Sekunden später begannen der Robotkommandant und die vier Unterkommandanten mit ihren Desintegratoren damit, das vor ihnen befindliche Schott zu beschießen. Da die Desintegratoren jedoch nicht die Geschütze echter Kampf-Bodeneinheiten waren, zeigten sich nur langsam Erfolge. Die fünf humanoiden Roboter machten trotzdem stur weiter.

Offiziersquartiere

Drei Trupps der Roboter – zwei mit je fünf Einheiten und ein weiterer mit 10 – erreichten zügig die Quartiere der Offiziere.

Dort angekommen verteilten sie sich und standen dann paarweise auf den Gängen. Während der Alarm begann forderte einer der Subkommandanten die anwesenden Personen dazu auf, sich in die Quartiere zurückzuziehen und dort zu bleiben, bis weitere Anweisungen folgten. Die Robots standen dann nur noch herum, beobachteten den Gang jedoch mit der Präzision und Sturheit ihrer Positronengehirne, während sie die Menschen mit ihren Waffen in Schach hielten.

Da die Offiziere mangels Waffen keine Möglichkeit hatten, sich gegen die Roboter effektiv zur Wehr zu setzen kamen sie erst einmal der Aufforderung nach. Innen jedoch begannen sie sofort damit über die Bordkommunikation Lageberichte an die Sicherheit zu schicken.

Mannschaftsquartiere der Landetruppen

Auch in den Quartieren der Mannschaftsquartiere machten sich drei Trupps der Sicherheitsroboter breit, die jeweils aus 10 Einheiten bestanden. Ihrer Aufforderung, an das dort befindliche Personal, in den Quartieren zu bleiben, verhalfen sie durch Aktivierung der Paralysatoren Nachdruck, während nun die Alarmsirenen schrillten.

Hier jedoch kam es zu einem Zwischenfall. Mehrere der Soldaten der Landetruppen weigerten sich, da sie nun auf dem Weg zum Essenfassen waren, darunter auch zwei Epsaler.

Der erneuten Aufforderung, die nun auch durch das Zielen mit den Paralysatoren verstärkt wurde kamen zwar die Menschen nach, nicht jedoch die Epsaler. Wegen des Alarms misstrauisch und im Vertrauen auf ihre körperlichen Fähigkeiten stürmten sie vorwärts.

Und wurden von vier Robotern ins Kreuzfeuer genommen. Trotz ihrer Konstitution brachen die Überschweren zusammen und blieben zu Füßen der Roboter liegen. Über Funk forderte der Subkommandant der Roboter Medo-Einheiten an, um die Bewusstlosen zu versorgen.

Nach diesem Zwischenfall verhielten sich die Leute wieder abwartend und zogen sich in die Quartiere zurück. Jedoch machte nun blitzartig ein Gerücht die Runde, das erneut Saboteure das Schiff übernehmen würden.

Die Robots standen hier an den Kreuzungen mit aktivierten Paralysatoren, während ihre emotionslosen Augendioden die Gänge beobachteten.

Sicherheitszentrale (BZ: 13:15 Uhr)

Pavel hetzte durch das Mannschott in die Sicherheitszentrale.

Sicherlich hatte er gerade einen neuen Rekord für die eben zurückgelegte Strecke aufgestellt. Jedenfalls wenn man die drei Mannschotts abrechnete, die er zu durchqueren hatte und berücksichtigte, dass er dem Haupttrupp der Roboter noch ausgewichen war. Lager 20 war das den Quartieren und den Zentralen am nächsten gelegene.

Innen angekommen salutierte er nur kurz in Richtung Alan Gonozals und der Sicherheitschefin, bevor er sich in den Kontursessel an seinem Platz fallen lies.

»Leutnant Syntony, was ist denn nun wieder passiert?«, fragte Goimez in besten Kasernenhofton.

Bitte halt mich jetzt nicht mit deinen Tiraden auf, Krähe!, dachte Pavel und antwortete gehetzt, während er Kommandos in sein Terminal hackte: »Weiß ich auch noch nicht so genau. Wahrscheinlich hat die Überprüfung ein vorbereitetes Programm der Saboteure in Gang gebracht. Ich versuche gerade herauszufinden, was das Programm enthält, in dem Diagnoseterminal war nichts mehr zu finden.«

»Gut, machen Sie weiter!«, befahl der Major daraufhin.

Das ließ Pavel immerhin für eine Sekunde stutzen.

Hat die Krähe gerade so was wie ein Lob abgelassen?, fragte er sich.

Dann jedoch rief er eines der von ihm geschriebenen Programme auf. Ursprünglich sollte dieses ihm Daten liefern, wenn Goimez mal wieder die Diagnosepläne und -ergebnisse von ihm haben wollte. Erreicht wurde dies unter anderem durch Abfangen der Eingaben an den Terminals. Nun suchte er in den Daten nach denjenigen von Lagerraum 20.

In der Zwischenzeit versuchte im Hintergrund immer noch Zento Rutan den ersten Offizier dazu zu überreden mit Waffengewalt gegen die Roboter vorzugehen. Wahrscheinlich wollte er nur, das wieder Waffen ausgegeben wurden.

Es schien auch zu einer kurzen Auseinandersetzung im Quartier der Raumlandetruppen gekommen zu sein, während derer zwei Epsaler außer Gefecht gesetzt worden waren. Gonozal blieb jedoch weiterhin gelassen und verweigerte die Genehmigung zur Gewaltanwendung.

Endlich hatte Pavel den entsprechenden Datenblock gefunden und analysierte die Daten. Zehn Minuten später drehte er sich um.

»Major? Ich weiß, welches Programm die Roboter haben.«

»Ach ja?«, antwortete Goimez und verließ zwei andere Sicherheitstechniker, die vergeblich versuchten sich in die Roboter per Fernsteuerung einzuloggen. »Und was wäre das?«

Pavel sah, das er nun auch die ungeteilte Aufmerksamkeit des ersten Offiziers und auch der Sicherheitschefin hatte und schluckte erstmal.

»Die Roboter haben den Befehl, sowohl die Offiziers- und Mannschaftsquartiere, die Sicherheitszentrale und auch die Hauptzentrale mit Navigation zu besetzen und zu sichern. Verbale und programmatische Befehle werden nur mit einem Sicherheitscode angenommen, den wir nicht haben. Vom Zeitcode der Programmierung ausgehend ist davon auszugehen, dass dies durch die Saboteure veranlasst worden ist.«

»Und weiter?«, fragte nun Alan Gonozal. Oberstleutnant Shalannan schaute ebenfalls gespannt in Pavels Richtung.

»Sir, laut Programmierung soll keine Gewalt angewandt werden, solange keine Opposition erkennbar ist. Des weiteren sollen die Robots nach Ausführung der Grundprogrammierung auf Befehle warten. Ich bin kein Robotpsychologe, aber ich würde sagen, wir lassen die erst mal ihre Ziele erreichen und dann sehen wir weiter. Wahrscheinlich werden die dann einfach rumstehen, da die Saboteure ja nicht mehr da sind. Wenn dies geschehen ist, können wir nach Wegen suchen, die Einheiten wieder zu reprogrammieren oder einen Systemreset durchzuführen. Wenn jedoch alles nichts hilft, werden wir sie eliminieren müssen.«

In diesem Moment rief einer der Techniker: »Sir, die Roboter sind durch das Gangschott durch. Die Gruppe hat sich geteilt. Dreißig Einheiten sind in Richtung Zentrale unterwegs, die anderen zwanzig kommen zielstrebig hierher!«

Noch allerdings würden sich die Roboter durch die Schotts vor den Zentralen arbeiten müssen, die wesentlich stärker als das Gangschott waren.

Und auf Pavels Konsole, unbemerkt, denn er hatte sich rumgedreht, blinkte ein Lämpchen unheilvoll.

Kommandozentrale (BZ: 13:02 Uhr)

In der Zentrale machte sich leichte Panik breit, als den dort befindlichen Personen klar wurde, woher die außer Kontrolle geratenen Roboter kamen und wohin sie sich bewegten – nämlich genau auf den Zentralebereich zu! Da das Tragen von Waffen nach wie vor verboten war (eine Anordnung des Kommandanten aus der ersten Mission, die nach wie vor Gültigkeit hatte), konnten sie sich nicht einmal verteidigen, falls die Maschinen sie angreifen sollten. Sie konnten also alle nur hoffen, dass es jemandem gelang, die Roboter aufzuhalten.

Erst als man herausfand, dass die Maschinen nur mit Paralysatoren bewaffnet waren, entspannte sich die Atmosphäre wieder ein wenig. Von Entwarnung konnte jedoch keine Rede sein, denn nur zu gut waren den meisten die Geschehnisse der ersten Mission in Erinnerung, als zwei Roboter hier in der Kommandozentrale beinahe ein Blutbad ausgelöst hatten.

Davids Quartier (BZ: 13:00 Uhr)

Nachdem der allgemeine Schiffsalarm zum Sektionsalarm heruntergestuft worden war, kam eine Alarmmeldung durch, die von außer Kontrolle geratenen Robotern sprach.

Scheiße!, dachte David erschrocken. Und unsere Dienstwaffen sind unter Verschluss!

Er stürzte zu seinem Computerterminal, um mehr Informationen zu bekommen über das, was da draußen vor sich ging. Doch bevor er zu einem konkreten Ergebnis kam, ertönte eine künstliche Stimme und forderte alle anwesenden Personen auf, in ihren Quartieren zu bleiben, bis sie weitere Befehle erhielten. Starr vor Schreck saß David vor seinem Terminal und wagte nicht sich zu rühren.

Sie sind schon da!, begriff er entsetzt.

Doch es kam noch schlimmer, denn wenige Minuten später ertönte nicht weit entfernt Waffenfeuer.

Jetzt ist alles aus! Die Roboter werden uns alle umbringen!

Als die Kampfgeräusche kurz darauf aufhörten und nicht wieder kamen, schöpfte der ängstliche Zweite Navigator wieder etwas Hoffnung.

Quartier des FLO (BZ: 13:00 Uhr)

Der Überschwere hatte sich gerade etwas hingelegt, um seinen wohlverdienten Mittagsschlaf zu halten, als er die Aufforderung bekam in seinem Quartier zu bleiben und man ihn notfalls mit Waffengewalt daran hindern würde selbiges zu verlassen.

Was soll denn das schon wieder, dachte der Überschwere. Es gab eigentlich nicht sehr viele Möglichkeiten warum es zu einem solchen Befehl kommen konnte. Entweder die Roboter tickten wie in der ersten Mission aus oder es hatte jemand die Gewalt im Schiff an sich gerissen. Die Möglichkeiten einer Übung oder das dies gar dem Schutz der Mannschaft dienen sollte, schloss der Überschwere von vornherein aus. Erstens hätte man ihn dann inzwischen informiert und zweitens hätte er ja dann in seinem Quartier bleiben müssen. Der Überschwere hatte damit also die gesamte Situation seiner Meinung nach ausreichend analysiert und beschloss nun zu handeln. Es war hier von unschätzbarem Vorteil, dass er seine beiden schweren Strahler, sowie das Schwert, den Kampfanzug und sonstige Gegenstände die er brauchte um seinen Hobbys zu fröhnen immer in seiner Kabine hatte.

Er legte also seine Kampfkombination an. Nun musste alles verdammt schnell gehen. In dem Moment indem er die Strahler und den Energieschirm aktivieren würde, würden die Roboter dies sofort anmessen. Das sie nicht lange brauchen würden, um die Situation zu erfassen war klar, aber auch die Roboter waren an die Trägheit ihrer Masse gebunden und würden eine Weile brauchen um mehr als die 2 Wächter vor seinem Quartier auf ihn anzusetzen. Sein Vorteil war also lediglich, dass er offensiv und defensiv besser bewaffnet war, aber Roboter hatten nun mal eine geringere Reaktionszeit und waren damit natürlich gewaltig im Vorteil … er gab sich dennoch eine gewisse Chance und handelte nun endlich.

Vor dem Quartier des FLO (BZ: 13:10 Uhr)

Die beiden Roboter maßen mit ihren Sensoren plötzlich mehrere sehr starke Energiequellen an die eingeschaltet wurden, als sich auch schon die Tür öffnete. Sofort richteten sie die Waffenarme auf die Tür. Noch bevor sie die Drehung beendet hatten, war der Erste allerdings schon zu einem Metallklumpen zusammengeschmolzen. Der zweite Roboter reagierte quasi in Nullzeit und hatte sofort seinen Energieschirm eingeschaltet und feuerte. Der starke Schildgenerator des 2×2-Meter-Riesen hatte allerdings keine Mühe die immer noch im Paralysemodus abgefeuerten Schüsse zu absorbieren. In diesem Moment hatte er auch schon seine beiden »Geschütze« auf den zweiten Roboter gerichtet und feuerte. Der Schirm des zweiten Roboters brach sofort zusammen. Nachdem seine beiden Bewacher ausgeschaltet waren, rannte der Überschwere los …

Wohin jetzt eigentlich?, erst jetzt wurde dem Überschweren klar, dass er sich überhaupt nicht überlegt hatte was er nach seinem Ausbruch tun wollte … nun ja er machte also mitten im Lauf kehrt und beschloss sich in die Feuerleitzentrale oder die Zentrale zu begeben. Wohin genau würde er sich auf dem Weg überlegen, da die beiden Einrichtungen ja eh auf seinem Weg lagen …

Nachdem zwei der Robots durch Beceefha zerschmolzen worden waren, aktivierte der Rest die Schutzschirme. Einer der Subkommandanten gab eine Meldung an den Hauptkommandanten der Einheit weiter, der wiederum eine Sequenz an den Hauptcomputer schickte.

Insgesamt wurde der Überschwere nun von 8 Sicherheitsrobotern sowie 2 Subkommandanten eingekesselt. Alle Einheiten würden nun mit voller Stärke feuern.

»Geben Sie auf und ziehen Sie sich in Ihr Quartier zurück, andernfalls werden Sie neutralisiert!«, meldete sich einer der beiden Subkommandanten.

Mannschaftsquartiere der Landetruppen (BZ: 13:13 Uhr)

Nach nur drei Minuten kamen vier Medorobots an und begannen mit der Versorgung der beiden Epsaler. Aufgrund ihres Gewichtes mussten die vier Einheiten zusammen anfassen, um die beiden Bewusstlosen auf Antigravbahren zu packen und diese dann abzutransportieren.

Sicherheitszentrale (BZ: 13:18 Uhr)

Zento hatte sich vorerst zurückgezogen, da der erste Offizier nicht auf seine Frage eingegangen war. Er hörte nun mit wie einer der Sicherheitsleute einen ersten Bericht über die fehlgeschalteten Roboter ablieferte. Er spürte den vorwurfsvollen Blick einiger Anwesender die sich an seinen Vorschlag erinnerten. Es machte ihm nichts aus, auch wenn er selbst froh war nicht kämpfen zu müssen. Gerade als die Meldung kam, dass die Roboter ein Gangschott durchbrochen hatten, gellte schon der nächste Alarm durch das Schiff, da Impulsstrahlen gemessen wurden.

Zento hielt den Atem an. Hatten die Roboter geschossen oder hat jemand die Nerven verloren?

Gottseidank haben wir nicht den Plan von Rutan verwirklicht, wir wären alle tot, dachte sich Vron, allerdings gefiel ihm die jetzige Situation auch nicht sehr. Irgendwer hatte angefangen die Roboter zu beschießen.

Was sollten sie jetzt tun? Die Roboter waren Roboter des Solaren Imperiums, dass heißt sie waren leider gut. Syntony hatte vorgeschlagen einfach zu warten. Die Frage war wie die Roboter nun reagieren würden. Schon vorher war ihm die Idee unsympathisch gewesen.

»Verdammt, wir müssen einfach wiesen, was die Roboter machen.« Vron sendete nach Absprache mit seinen Vorgesetzten einen Rundruf aus: »Achtung, bitte Berichte über das, was die Roboter machen, falls es gefahrlos ist, an die Sicherheitszentrale weitergeben. Bitte seien sie äußerst vorsichtig, die Roboter könnten gefechtsbereit sein.« Das letzte konnte zwar eine Panik auslösen, aber, falls es nötig war, könnte dies auch Tote verhindern.

Sulae und Allan nahmen die Meldungen in der Sicherheitszentrale an, und versuchten sich ein Bild über die Lage zu verschaffen, dabei war es nicht besonders hilfreich, dass der Kommandant eine sofortige Unterredung wünschte.

Die beiden lösten dies per Konferenzschaltung, und während sie überlegten ob sie ein absolutes Feuerverbot vorerst auszusprechen sollten oder die Waffen verteilen, erklang der Alarm welcher vom Waffenfeuer kündete.

»Da muss einer seine Privatwaffen eingesetzt haben. Schöne Scheiße, jetzt sind die Roboter mit Sicherheit auf Gefechtsmodus. Oberst geben sie sofort Order, dass alle sich aus Kampfhandlungen zurückziehen sollen. Die Roboter werden jetzt kaum noch Rücksicht nehmen, und die Aufruhrbekämpfungsparalysatoren dieser Modelle sind im Direktfeuer gefährlich« beschwor Allan den Kommandanten, welcher vom Bildschirm herab blickte…

»Ok. Solange sie nicht in die Zentrale eindringen werden wir versuchen uns mit nichtaggressiven Mitteln zu verteidigen. Und durch die Kristallfeldintensivierten Schotts der Zentralkuppel werden sie nicht so schnell kommen mit ihren paar Desintegrationen. Ich werde auf alle Fälle einen Trupp der Bodentruppen in Alarm versetzen, falls euch bis dahin nichts besseres einfällt. Ihr habt höchste Zugriffspriorität auf Sun Tzu, falls das was hilft« sprach Oberst Strader, bevor er die Verbindung trennte

Kurz darauf begann dieser mit einer schiffsweiten Durchsage, in der zur Ruhe und Besonnenheit aufgefordert und erklärt wurde, dass sich es höchst wahrscheinlich um eine übrig gebliebene Falle der bereits unschädlich gemachten Saboteure handelte … und das sie nicht gefährlich werden würden, wenn man ihnen keinen Wiederstand entgegen brachte.

Allan betete innerlich, dass dem wirklich so war, denn 100 Roboter welche auf nie kommende Anweisungen warteten waren eine Sache, 100 Roboter verteilt an wichtigen Stellen des Schiffs welche Anweisungen bekamen, nun, DAS war eine ganz andere.

In der Zwischenzeit hatten die meisten in der Sicherheitszentrale leichte Kampfanzüge angelegt, und warteten auf Anweisungen.

Allan sah sich um, und fauchte dann 2 junge Leute an, die in seiner Nähe standen und scheinbar nichts zu tun hatten: »Ihr zwei bewegt euch auf unseren Zirkusschützen zu, und bringt ihn her, bevor er noch mehr Unheil anrichten kann …«

Als die beiden abgetrabt waren, fiel es Allan siedend heiß ein, dass er der Autorität der Sicherheitschefin geschadet haben könnte, als er über ihren Kopf hinweg Befehle an ihre Leute gegeben hatte, aber jetzt konnte er sich dafür auch nicht entschuldigen.

»Leutnant, da blinkt was hinter ihnen.«, bemerkte Africa Goimez auf einmal.

Pavel drehte sich um und äußerte sich dann: »Oh-oh! Jetzt kommt's noch dicker. In Lager 18 der Kampfeinheiten hat sich gerade eine Hundertschaft mittelschwerer Kampfroboter aktiviert.«

»WAAAAS?«, rief Goimez, und Oberstleutnant Shalannan ergänzte: »Um Himmels Willen!«

Pavel hackte gehetzt auf seiner Tastatur herum und ergänzte seine Meldung um die eintreffenden Informationen: »Die Einheit wurde aktiviert, nachdem im Offiziersquartier ein Feuergefecht ausgebrochen war. Die Maschinen scheinen die gleichen Anweisungen zu haben, wie die Sicherheitseinheiten.«

Plötzlich schlug er auf das Sensorfeld ein. »Himmelkreuzdonnerwetter, was ist denn jetzt los?«, rief Pavel außer sich.

»Was gibt's denn nun, dass Sie die Einrichtung zertrümmern?«, herrschte Goimez ihn an. Das die Terminals annähernd nicht durch einen Menschen beschädigt werden konnten, überging sie ungerührt.

»Ich bekomme plötzlich nur noch Unsinn angezeigt. Irgendwas muss mit den Sensoren oder der Auswertung nicht stimmen.«, meinte Pavel. »Andernfalls haben wir nicht nur Invasoren an Bord, sondern auch schwere Schäden und explosive Dekompression in weiten Bereichen des Schiffes. Und die Sicherheitszentrale ist gerade zerschmolzen!«

»Hmm, also ich fühle mich nicht sehr zerschmolzen.«, meinte Goimez und hechtete an ihr eigenes Terminal. Sie hatte einige Spezialkurse in Programmierung absolviert, die es ihr jetzt ermöglichten schnell weitreichende Informationen zu erhalten.

Neben ihr begann auch Shalannan mit der Arbeit.

»Da hat irgendwer mit der Programmierung von Sun Tsu herumgespielt!«, rief Goimez. »Überall sind Störprogramme im System. Verschlüsselte Codes, ich komm da nicht dran.«

Nun bemerkten sie auch, dass die Bordkommunikation zusammenbrach und damit alle ihre Verbindungen nach außerhalb der Sicherheitszentrale unterbrochen waren.

Pavel schluckte noch einmal. Konnte es denn sein, dass die alten Saboteure so viel zustande gebracht hatten? Oder waren weitere aufgetaucht? Gleichzeitig versuchte er krampfhaft durch das elektronische Gewitter im Bordcomputer an die Quelle der Störungen heranzukommen. Irgendwo musste es einen zentralen Befehlsspeicher geben, der die ganze Aktion koordinierte. Hoffentlich konnte er ihn bald finden, bevor das ganze Schiff im Chaos versank.

Sulae hielt sich in erster Linie an den ersten Offizier und ließ sich den allgemeinen Statusbericht geben. Shalannan hielt sich zum Glück mit ihren Bemerkungen zurück.

Eines musste man dem Extrasinn lassen: Er konnte nerven, bis man selbst nahe an einem Nervenzusammenbruch war, aber in Gefahrensituationen stand er voll auf ihrer Seite. Mit seiner Hilfe ordnete Sulae ihre Gedanken, machte Pläne und überlegte, wie sie das ganze Dilemma koordinieren sollte.

Es scheint, als würde das hier deine erste Probe aufs Exempel werden, meinte Shalannan und folgte dann mit einem Schwall von Analysen und Vorschlägen. Sulae stoppte ihn abrupt, als der erste Offizier eine Konferenzschaltung zum Kommandanten einschaltete.

Es war in jedem Fall besser, zuerst dem Kommandanten zuzuhören. Während sie das tat, hörte sie mit dem anderen Ohr die Rufe der Sicherheitsoffiziere und fügte diese ihrem Bild von der Situation hinzu.

Nach der Besprechung kehrte sie zu Pavel Syntonys Terminal, das die neusten Informationen zu haben schien, zurück. Ihre Stellvertreterin stand ebenfalls dort und flucht lautstark über Pavel, der sich redlich abmühte.

Bei Gelegenheit musst du ihr vielleicht mal den Kopf waschen. Hast du gesehen, wie viele Offiziere sich aus ihrer Abteilung haben versetzen lassen? Das ist für die Moral nicht gut, meinte der Extrasinn und notierte das auf einem geistigen Notizzettel.

Sulae schob diesen gedanklich in eine Schublade mit der Aufschrift »später« und kümmerte sich dann um die aktuellen Probleme: Laut Syntony hatte sich eine weitere Hundertschaft aktiviert und machte sich auf den Weg, außerdem reagierten die Computer nicht mehr richtig.

Sulae hechtete selbst an ein Terminal und war in diesem Moment froh über ihr Hobby, dass ihr einiges an Erfahrung und Informationen ermöglichte. So konnte sie in Zusammenarbeit mit Goimez die wichtigsten Informationen, denen man Glauben schenken durfte, zusammentragen.

Der erste Offizier gab inzwischen selbst eine Anweisung an zwei Sicherheitsoffiziere.

Sulae fing einen entschuldigenden Blick von ihm auf, aber sie lächelte nur. Dann nickte sie Goimez zu und lief zu ihm.

»Goimez hat Zugriff auf einige wichtige Daten denen man glauben schenken darf. Also, ich denke, zuerst müssen wir unsere Informationsquellen koordinieren und dann brauchen wir unbedingt Kontakt zum Rest des Schiffes. Ich möchte nicht wissen, was noch für Daten im Rest des Schiffes angezeigt werden, vor allem in der Zentrale.«

Die Befürchtung, dass eine Panik ausgebrochen sein könnte, behielt sie absichtlich für sich. Sie wollte die Sicherheitsleute nicht noch nervöser machen, als sie es sowieso schon waren, und mehr als alles andere brauchte sie nun kompetentes Personal, dass die Nerven behielt.

»Goimez, versuchen Sie am besten mit Syntony, wieder Kontrolle über den Computer zu erlangen. Suchen Sie sich noch zwei Offiziere die Ahnung von den Systemen haben und lassen sie diese an der Kommunikation arbeiten. Ich bin sicher, dass auch an anderen Stellen des Schiffes schon daran gearbeitet wird. Also können wir uns sozusagen gegenseitig unterstützen. Der Rest soll sich bereit halten, auch wenn es bei passivem Widerstand bleibt. Holen Sie sich so viele Leute wie nötig zur Unterstützung. Falls die Roboter hier ankommen, will ich wissen, wann und wie viele!«

Sie hoffte, dass es die richtigen Befehle für diese Situation waren. Zumindest Shalannan stimmte ihr in dieser Hinsicht zu. Sie gab noch einige weitere Befehle an das Personal, obwohl sie in Gedanken schon wieder weiter war.

Der Extrasinn half ihr weiterhin, die Flut von Daten in ein stimmiges Muster zu verwandeln, aus dem sich ein Plan machen ließ. Eine Idee hatte sie schon im Hinterkopf, doch die war für den äußersten Notfall gedacht und sie würde sie nicht realisieren, so lange es andere Optionen gab.

Sie stellte sich wieder zum ersten Offizier und sah gebannt auf eine kleine Anzeigentafel. Sie hoffte, dass es nicht noch mehr Überraschungen geben würde, denn die jetzigen reichten ihr vollkommen.

Kommandozentrale (BZ: 13:23 Uhr)

Nach der Diskussion zwischen Gonozal und Strader und der Ansprache des Kommandanten hatten sich die Leute in der Zentrale wieder einigermaßen beruhigt. Solange man die Roboter nicht attackierte, so wurde es verkündet, würden sie auch nicht angreifen.

Emerson war überrascht von der plötzlichen Tatkraft Straders, der sich in letzter Zeit eher passiv verhalten und alle wichtigen Entscheidungen dem Ersten Offizier überlassen hatte. Offenbar brachte die Notsituation die Führungsqualitäten des Kommandanten wieder zum Vorschein.

Auf einmal fiel Emerson ein, dass er auf seinem Terminal eine Testsimulation seines Teils seines Navigationsprogrammes gestartet hatte, die noch immer laufen musste. Als er sie beenden wollte, stellte er überrascht fest, dass das komplette Terminal abgestürzt war und sich nicht mehr neu starten ließ.

Als er seinen Nebenmann um Hilfe bat, stellte sich heraus, dass auch der Probleme mit seinem Kontrollpult hatte. Eine kurze Umfrage unter den Anwesenden ergab, dass die ganze Kommandozentrale davon betroffen war. Es schien sich um eine allgemeine Computerstörung zu handeln, deren Ursache bisher nicht ergründet werden konnte. Alle Anzeigen lieferten nur noch sinnlose Daten, die nicht mit der Realität übereinstimmten.

Doch es kam noch schlimmer, denn auf einmal war die Bordkommunikation unterbrochen, und sie hatten keine Verbindung mehr zum Rest des Schiffes.

Sofort machten sich einige Computerspezialisten daran, die Störungen zu beheben, was aber nicht so ohne weiteres gelang. Währenddessen machte sich in der Kommandozentrale wieder Unruhe breit.

In der Nähe seines Quartiers (BZ: 13:35 Uhr)

Der Überschwere bekam noch den Befehl mit, der besagte, dass sich alle Offiziere ruhig verhalten sollten. Gerade als er nocheinmal rückfragen wollte, brach die Interkomanlage zusammen. Nun war guter Rat teuer. Die Flucht des Überschweren war gerade gestoppt worden, da sich vor ihm 2 weitere Roboter auf ihn zu bewegten und auch aus den anderen Richtungen konnte er hören, wie sie ihn eingekesselt hatten.

Er schätzte das sich etwa 8 bis 12 Roboter aus verschiedenen Richtungen näherten. Seine einzige Chance bestand nun darin zu rennen, denn das er die 2 Roboter, die vor ihm standen, aus dem Weg räumen konnte war nahezu unmöglich. Er rannte also ein paar Meter zurück zur nächsten Kreuzung und hörte wie sein Schirmgenerator bis zur Zerreißgrenze belastet wurde als die beiden Robots anfingen auf ihn zu feuern, als er auch schon an der Kreuzung war … zum Glück kamen die Robots in Zweiergruppen und damit zwar aus allen Richtungen, aber nicht aus allen Gängen. Er wählte einen der freien Gänge und begann zu rennen … Er wusste, dass er nun um sein Leben rannte, denn die Robots würden sicher jetzt keine Rücksicht mehr auf ihn nehmen …

Glücklicherweise hatte er schon eine relativ große Strecke zurückgelegt, bevor die Robots ihn eingekesselt hatten. So war es nur noch eine sehr kurze Strecke bis er die Quartiere endlich hinter sich gelassen hatte. Die Roboter brachen an dieser Stelle die Verfolgung ab …

Grenze der Offiziersquartiere

»Soll der Flüchtige über das angegebene Einsatzgebiet verfolgt werden?«, war die Anfrage eines der Robots.

Keine Antwort.

Der Robot wiederholte die Anfrage stupide noch einige Male, da er nicht wissen konnte, das die schiffsweite Kommunikation zusammengebrochen war …

So wurde die Verfolgung des Überschweren abgebrochen und die Robots kehrten zurück, um ihren letzten Befehl weiterhin auszuführen.

Zentrale

Kurz nachdem der Überschwere die Robots hinter sich gelassen hatte, erreicht er dann endlich die Feuerleitzentrale, welche zum Glück noch nicht angegriffen wurde. Nachdem er sich kurz überzeugt hatte, dass seine Leute fehlerfrei arbeiteten, begab er sich in die Zentrale, um zu erfahren was eigentlich passiert war …

10. Überraschungen

Sicherheitszentrale (BZ: 13:25 Uhr)

Pavel war gerade noch dabei, die Programmierungen von Sun Tzu und der Robots zu analysieren, als ihm etwas auffiel.

»Sir?«, wandte er sich an Goimez.

»Ja, Leutnant?«, fragte seine Vorgesetzte.

»Ich hab hier eine Anfrage der Sicherheitsroboter an die Zentraleinheit abgefangen. Der Inhalt ist verschlüsselt, aber die Nachricht scheint komplett zu sein.«, gab Pavel weiter. »Eine Antwort konnte ich bisher jedoch nicht finden.«

»Leutnant wie konnte denn diese Anfrage ungehindert durch das System kommen?«, fragte nun der erste Offizier aus dem Hintergrund.

»Moment, das versuche ich gerade rauszufinden.«, erwiderte Pavel.

Langsam wurde er ein wenig nervös, er fühlte förmlich den Blick des 1O im Nacken. Nach einigen Minuten drehte er sich erneut um und erstattete Meldung: »Sir, es hat den Anschein, das die Nachrichten durch einen speziellen Code vor dem Chaos im System geschützt werden. Ich kann diesen Code zwar herausziehen, aber zur Analyse fehlt mir das Wissen. Dafür bräuchten wir ein paar Programmierer aus der Kommunikation oder die Jungs vom Hauptsystem des Rechners.«

Vron mischte sich in die Gespräche zwischen Pavel und Goimez ein.

»Wenn wir den Code entschlüsseln könnten, müssten wir ihn doch auch verwenden können um Botschaften auszutauschen, oder?«

Vron dachte auch eine Sekunde daran, dass sie damit vielleicht die Roboter stoppen könnten, aber das sagte er nicht laut. Er fragte sich nämlich ob er Pavel und vor allem Goimez trauen konnte. Auf Goimez Befehl hatte Pavel die Roboter reaktiviert, was sie schon teilweise verdächtigt machte. Die angebliche »Anführerin« der Saboteure war zudem aus Goimez Abteilung gekommen. Vron war in letzter Zeit etwas berufsparanoid. Kurz dachte er an den Siganesen Djulf Doevelnik, der sich ja auch zumindest in einem ähnlichen Gebiet auskannte.

Vron wechselte einen Blick mit seiner Chefin und mit Gonozal. Was ging den Beiden wohl grade durch den Kopf. Dann begann er sorgsam Syntony und Goimez auf die Finger zu schauen. Verdammt, wenn er sich doch besser mit dem Programmieren auskennen würde.

Kurz flüsterte er einen Sicherheitsbeamten zu: »Bringen sie bitte schnell jemand her, der sich mit dem was die Beiden da machen, sehr gut auskennt.«

Schiffsgang (BZ: 13:00 Uhr)

Zusammen mit dem Doc war Robert den Robotern gefolgt, die sich allerdings nicht sehr für ihn zu interessieren schienen.

Der folgt einfach seinen Programm und das scheint uns nicht zu bemerken!, dachte er sich. Um zusätzlich sicher zu gehen, ging er weit hinter dem Roboter. Tsuran war weniger vorsichtig.

Sie näherten sich einer Kreuzung. Robert hatte fast so etwas wie Angst weiterzugehen. Tsuran stürmte natürlich ohne nachzudenken weiter.

Plötzlich blieb der Roboter stehen. Robert versuchte sich im Eingang einer Kabine kleinzumachen und wurde hineingezogen.

»Seien sie ruhig! Der blöde Robot soll nicht auf mich aufmerksam werden!«, wurde ihm zugeflüstert.

Robert beobachtete fassungslos, wie der Robot etwas von Kampbereitschaft murmelte und auf Tsuran schoss. Paralysiert brach der Arzt zusammen. Der Roboter ging weiter seinem Auftrag nach. Nach dem dies geschehen war, drehte sich Robert um. Sein Retter war ihm völlig unbekannt. Er war humanoid, ob Menschen- oder Arkoniden- oder Sonstwas-Abkömmling war nicht festzustellen.

»Danke«, sagte Robert. »Ist das ihre Kabine?«

»Ich beobachte diese Gegend aus Sicherheitsgründen und hab mich hier versteckt!«, kam die mürrische Antwort. »Diese Kabine steht leer. Sie wird von der Sicherheit als Lager für einige Geräte genützt, teilweise auch deshalb weil hier auf der ersten Mission schon viel gelagert war.«

Robert sah den Fremden fragend an.

»Die Kabine gehörte früher Viktoria Beypur, hier war einiges gelagert, von Spionagegeräten über Schutzanzüge bis hin zu üblen Waffen. Wir haben noch nicht alles ausgelagert.«

Bei dem Nahmen Viktoria Beypur erfasste Robert ein leichtes Grausen. Die inzwischen tote Sicherheitsbeamtin war nach Stand der Ermittlungen Anführerin der Saboteure gewesen. Nun musste er sich aber um Tsuran kümmern.

Robert lieh sich einen der Schutzanzüge aus und ging dann zu einem Kommunikationsgerät um die Krankenstation zu erreichen. Nichts da, die Leitung war tot. Er versuchte es mit Zentrale und Sicherheitszentrale. Auch tot.

Also begann er Tsuran erstmal erste Hilfe zu leisten. Sein Helfer hatte sich schon verzogen. Auch Robert musste Tsuran im Stich lassen. Er musste versuchen, die Krankenstation zu erreichen, um dort Hilfe zu hohlen. Tsuran dort hinzutransportieren, war unter diesen Umständen sinnlos. Er machte sich vorsichtig auf den Weg.

Vorsichtig bewegte sich Robert voran. Bei seinem Schutzanzug war leider kein Funk enthalten. Das Ding war nur dazu da, dass es den Insassen schützte. Aufgrund von Unwichtigkeit und Vorsichtigkeit kam er der Krankenstation immer näher. Auch, wenn die ehemalige Kabine von Miss Beypur sicher interessant zu untersuchen gewesen wäre, hatte er es gelassen. Dabei konnte er zu viel falsch machen, außerdem brauchte Tsuran Hilfe. Der Mann der ihm geholfen hatte, war von der Sicherheit und denen würde schon etwas einfallen. Auch, wenn die Verbindung Saboteure – Robots auf der Hand lag. Waren sie vielleicht zu leichtgläubig gewesen und es gab noch Sabos.

Plötzlich erschrak er. Jemand sprach ihn an: »Doktor, was ist hier eigentlich los?«

Robert erkannte Renie Tukal, die einfach so rumlief. »Was machen den sie hier? Die Roboter …«

»Die interessieren sich gar nicht für mich. Ich bin doch nur 'ne harmlose Schiffbrüchige und Gast auf diesem Schiff. Ich bin Zivilistin, also keine Gefahr.«

Robert musterte sie. Er wollte sowohl Tsuran helfen, als auch die Sicherheit benachrichtigen. Vielleicht fand sich ja im sichergestellten Besitz der toten Anführerin der Saboteure etwas, was half die Situation zu lösen. Also musste jemand sowohl die Sicherheit benachrichtigen, als auch die Krankenstation.

»Renie, hören sie mir zu. Ich muss sowohl die Krankenstation, als auch die Sicherheitszentrale benachrichtigen.«

Robert erzählte ihr kurz, dass das Ganze wahrscheinlich mit Saboteuren zu tun hatte, die die CREST schon einmal heimgesucht hatten. Er bat sie dort jemand an deren Hinterlassenschaften und deren Kabine zu erinnern. Bei der Krankenstation war er fast, aber zur Sicherheitszentrale würde er es kaum schaffen.

Renie nahm alles auf, meinte, dass sie inzwischen wohl die Sicherheit finden würde, und ging los.

Kommandozentrale (BZ: 13:30 Uhr)

Die Aufregung in der Zentrale steigerte sich noch mehr, als eine Meldung ausgewertet wurde, die kurz vor dem Zusammenbruch der Bordkommunikation noch hereingekommen war. Aus ihr ging hervor, dass sich eine Hundertschaft mittelschwerer Kampfroboter selbst aktiviert hatte, nachdem in den Offiziersquartieren ein Feuergefecht stattgefunden hatte.

Mann, welcher komplette Vollidiot legt sich denn mit Sicherheitsrobotern an?, fragte sich Emerson verzweifelt. Wer auch immer es war, er hatte vielleicht das Todesurteil über sie alle gesprochen.

Mitten in das nun herrschende Durcheinander platzte einige Minuten später eine zwei Meter große, grünhäutige, quadratische und bis an die Zähne bewaffnete Gestalt, die Emerson nur zu gut kannte.

»Beceefha!«, rief Emerson überrascht aus. »Was machen Sie denn hier? Wie sind sie an den Robotern vorbeigekommen? Und wie konnten Sie überhaupt so schnell in die Zentrale kommen, während die Roboter durch die Schotte brechen müssen?«

Etwas außer Atem antwortete der Überschwere: »Erstens: Ich möchte gerne wissen was los ist und wollte mich davon überzeugen das die Feuerleitzentrale nicht angegriffen wird … mit den Bordgeschützen kann man nämlich 'ne Menge Mist bauen … Zweitens: Ich hab die zwei Wächter, die vor meiner Kabine standen, zusammengeschossen und dann gemacht, dass ich herkomme und drittens werden bisher nur die Schotts zur Zentrale angegriffen. Das Programm der Roboter scheint nicht vorzusehen die Feuerleitzentrale anzugreifen. Von dort bin ich dann durch den Antigravschacht nach oben gekommen«

Der Überschwere war nach diesem Redeschwall noch etwas stärker außer Atem als vorher. »Könnten sie mir jetzt bitte auch mal erklären, was eigentlich los ist? Da kommen plötzlich Roboter ohne jeglichen Grund und wollen die Offiziere festsetzen … Nicht einmal der Captain selbst dürfte ohne weiteres die gesamte Schiffsführung einsperren … Mal ganz abgesehen davon, dass die Roboter dann hätten angeben müssen von wem sie den Befehl haben. Dann fiel mir der Vorfall unserer letzten Mission wieder ein und da meines Wissens nach noch immer keine Waffen ausgegeben wurden, beschloss ich mich möglichst schnell in die Zentrale zu begeben. Sie wissen ja genauso gut wie ich, dass es das letzte Mal fast zu einer Katastrophe gekommen wäre!«

Während er so redete fiel ihm auf, dass sein Verhalten unter dieser Begründung ja wirklich nicht ganz falsch war und er war innerlich doch etwas stolz auf diese Ausrede für sein doch recht unüberlegtes Handeln. Betrachtete man das Ganze vom jetzigen Zeitpunkt aus, war es vielleicht sogar gut, dass er so gehandelt hatte, denn etwas später wäre es ihm wahrscheinlich nicht mehr gelungen aus den Offiziersquartieren zu entfliehen. Es war sogar möglich, dass dieses etwas später genau der Moment gewesen war den Andere dazu »verschwendet« hätten um nachzudenken …

»Dank Ihnen wird es jetzt vielleicht doch noch dazu kommen«, erwiderte Emerson auf Beceefhas kleine Ansprache. Dann fasste er die Ereignisse der letzten Dreiviertelstunde kurz zusammen und betonte dabei besonders, dass die Roboter nach dem aktuellen Wissensstand darauf programmiert waren, keine Gewalt anzuwenden, solange man sich an ihre Anweisungen hielt.

»Wegen ihrem unverantwortlichen Verhalten haben sich jetzt auch noch hundert Kampfroboter aktiviert«, schloss er seine Ausführungen, »und die können bei weitem mehr Menschenleben beenden, als es damals die beiden Roboter hier in der Zentrale vermocht hätten.«

Sicherheitszentrale (BZ: 13:38 Uhr)

Nach einer schiffsweiten Ansprache und dem Gespräch zwischen Strader und Gonozal piepste es bei Zento.

»Major Rutan hier.«

»Hier Strader. Halten Sie Ihre Truppen bereit damit wir im Ernstfall rasch eingreifen können.«

»Ja, Sir.«

Der Ertruser meldete sich beim ersten Offizier ab und lief Richtung Transmitterstation. Er ließ sich direkt in den Bereitschaftsraum der Bodentruppen abstrahlen.

Dort angekommen teilte er 100 seiner Leute in 20 Teams ein und schickte sie zu Punkten von denen aus sie innerhalb kürzester Zeit bei den wichtigsten Brennpunkten sein konnten. Zento selbst führte ein 20 Mann starkes Team in die Nähe der Zentrale und ließ die Frauen und Männer dort Stellung beziehen.

Als er das OK von alle Teams hatte ging er wieder in die Sicherheitszentrale zurück. Er erntete einige missmutige Blicke von den Anwesenden, bis auf einen schwer bewaffneten Springer, da er sich mit einem, für schwächliche Humanoide wie Terraner oder Arkoniden, riesigen Impulsstrahler ausgerüstet hatte. Die Blicke ignorierend ging er zu einem leeren Schrank und verstaute dort die Waffe. Jetzt war er nur noch mit den Standardwaffen ausgerüstet.

»Sir«, wandte er sich an Gonozal. »Meine Leute sind an folgenden Punkten stationiert.«

Auf einem Display erschien eine Rißzeichnung des Schiffes mit 21 blinkenden Punkten.

»Die Roboter werden von den Teams erst dann etwas merken wenn wir sie angreifen. Ich habe meine Leute angewiesen nur auf Oberst Straders, Ihren oder meinen ausdrücklichen Befehl hin anzugreifen.«

Nach dieser ungewöhnlich langen Rede hin begab sich Rutan wieder in den Hintergrund der Sicherheitszentrale und wartete ab. Erstaunt stellte er fest das die schiffsinterne Kommunikation zusammengebrochen war. Ein kurzer Test ergab das die Funkgeräte der Kampfanzüge nicht davon betroffen waren.

»Sir«, wandte er sich nochmal an den ersten Offizier. »Mein eingebauter Interkom funktioniert noch. Wir sollten Melder zu den wichtigsten Punkten des Schiffes schicken mit dem Befehl das Offiziere zumindest leichte Kampfanzüge anlegen.«

Messe

Nachdem Allan und Sulae gemeinsam den Tisch verlassen hatten, atmete Kiril erleichtert auf. Einen Moment noch blieb sie sitzen und drehte sich in Agnus' Richtung. Er saß noch immer an seinem Platz, gedankenverloren und irgendwie gelangweilt.

Kiril lächelte.

Dann ertönte der Alarm. Erschrocken sah sie sich um, sprang auf und lief auf seinen Tisch zu. Entsetzt schaute sie ihn an.

»Was ist das?!«

Cosh fragte kurz in der Zentrale nach und erfuhr von den verrückt spielenden Robotern. Der Code für den Vorfall zeigte ihm deutlich, dass er seine Ermittlungen nicht zu unterbrechen brauchte, denn es waren bereits Truppen der Sicherheit unterwegs, zu denen er nicht gehörte.

Man konnte jedoch nie wissen und deshalb bat Cosh Kiril dringend, ihre Kabine aufzusuchen, während er selbst sich an die Fersen Allans heftete, der ihn in dem aufkommenden Trubel nicht bemerkte.

Allan war offensichtlich darum bemüht, sich zunächst genügend Informationen zu beschaffen und dann die ganze Operation in den Griff zu bekommen. Dennoch schien es als würde ihm die Sache aus der Hand gleiten. Dafür war Syntony voll in seinem Element und Cosh musste widerwillig dessen Kompetenz in Krisenlagen zugestehen.

Er würde es auch nicht anders gehandhabt haben.

Als jedoch auch noch die Kampfroboter verrückt spielten wurde der Einsatz-Code geändert und nun musste sich auch Cosh an seine Position begeben.

Er versuchte ebenfalls, sich einen Überblick zu verschaffen. Wenn die Vermutung zutraf, dass die Roboter sich brav verhielten wenn man sie nicht störte, war die Sache ja nicht soooo problematisch.

Trotzdem – dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich näher mit Allan zu beschäftigen. Cosh wartete auf seinen Einsatzbefehl, nachdem er seine Einsatzmontur übergestreift hatte.

Allan war es fast peinlich das er von einem Untergebenen dazu aufgefordert werden musste den Protokollen zu folgen. Eigentlich war so was andersrum üblich …

Er ging zu einem der Bereitschaftsschränke und nahm sich einen der dort vorrätigen leichten Kampfanzüge.

Mannschaftsquartiere

Nachdem Djulf den Alarm auslöste, wollte er sich wieder irgendwo verkriechen.

Alle waren sooo viel größer als er. In seiner Kabine war er sicher.

Also machte er sich gleich auf den Weg. Kurz vor seiner Kabine kamen ihm überraschend zwei Roboter entgegen. Er war in Gedanken und hatte sie nicht bemerkt. Erst als sie vor ihm standen und ihn aufforderten, dass er sich in seine Kabine begeben sollte, bemerkte er sie.

»Ich bin auf den Weg in meine Kabine«, sagte er kurz. Sie begleiteten ihn zu seiner Kabine. An so einen Geleitschutz könnte ich mich gewöhnen, dachte Djulf. An seiner Kabine verabschiedete er sich freundlich von den Robotern. Immer nett sein zu größeren und stärkeren. Kaum in seiner Kabine angekommen hörte er einen Schusswechsel. Jemand schoss.

Er musste endlich etwas gegen die Roboter unternehmen. Er sollte Kontakt mit der Zentrale aufnehmen.

Der Funk schien nicht zu funktionieren. Er bastelte ein wenig daran rum. Auch wenn er das ja nicht durfte. Aber in diesem besonderen Fall hoffte er einfach keinen Ärger zu bekommen. Nach ein paar Minuten hatte er eine Funkverbindung zur Zentrale. »Hallo Zentrale. Djulf D. hier. Ich denke mal das ich helfen könnte.«

Djulf bekam keine Antwort. Er versuchte es immer wieder. Aber die Kommandozentrale antwortete nicht. Er versuchte es anders … schloss dieses Kabel an und trennte jenes ab. Und versuchte es noch einmal. Aber die Zentrale meldete sich nicht. Das der schiffsweite Funk ausgefallen war, hatte er schon bemerkt, aber das er nichts machen konnte war nicht gut. Er versuchte noch ein paar Kabel umzuklemmen.

Jetzt konnte er die Kommandozentrale hören, aber man schien ihn nicht zu hören. Er bekam einige wichtige Gespräche mit. Aber er musste doch noch mehr tun können. Natürlich … wenn er dieses Teil dazwischen schaltete und dieses Verstärkte … müsste ihn jemand hören können. Er versuchte es noch einmal. Er hatte keine Ahnung wer ihn jetzt hören konnte und wo er nicht zu hören war. Aber wer ihn auch immer jetzt empfing musste in der Lage sein können ihn zu hören.

»Hallo hier Djulf Doevelnik. Wenn mich jemand hören kann bitte antworten. Ich habe den Sprechfunk überbrücken können, der anscheinend durch die Roboter lahmgelegt wurde. Er müsste jetzt wieder funktionieren.«

Sicherheitszentrale (BZ: 13:50 Uhr)

»Hallo hier Djulf Doevelnik. Wenn mich jemand hören kann bitte antworten. Ich habe den Sprechfunk überbrücken können, der anscheinend durch die Roboter lahmgelegt wurde. Er müsste jetzt wieder funktionieren.«

Zento hatte sich umgedreht und schaute woher die Stimme kam. Einer der Sicherheitsleute schüttelte ungläubig den Kopf und untersuchte seine Konsole. Die Stimme kam aus der Konsole über die normalerweise der Schiffscomputer seine Meldung gab. Der Ertruser näherte sich interessiert und sah von der anderen Seite die Sicherheitschefin gefolgt vom Kommandanten und dem ersten Offizier kommen.

Sulae folgte ihrem Vorgesetzten und nahm sich ebenfalls einen Kampfanzug. Auf dem Weg ging sie mit Shalannan noch einige Daten durch und wandte sich dann Allan zu, bevor der ins Zentrum des Geschehens zurückkehren konnte.

»Sir, ich denke, so langsam wird mir klar, was wir tun müssen. Darf ich erklären, was ich meine?«

Auf ein aufforderndes Nicken des ersten Offiziers hin fuhr sie fort: »Also, ich halte die Idee des Landetruppenkommandanten für ausgezeichnet: Wenn wir Leute an allen strategisch wichtigen Punkten stationieren, ausgerüstet mit Funk, dürften diese wie eine Kette von Relais funktionieren. Wir können so Nachrichten übermitteln.

Vor allem an die Kommandozentrale.

Dann sollte Syntony an seiner Frequenz weiter arbeiten, wenn wir damit die Funktionen der Roboter unterbrechen können, wäre das ideal.«

Sie machte eine kurze Pause, »Aber damit kommen wir zum Hauptproblem, denn wir brauchen den Bordcomputer. Ich denke, wir müssen Sun Tzu vollständig herunterfahren und neu starten, und dann hoffen, dass es etwas hilft. Dazu müssen wir aber erst einmal den zuständigen Leuten »auf die Füße treten«, wie die Menschen so schön sagen, was mich zu den Raumlandetruppen zurück bringt.«

Sie ließ ein kleines, ironisches Lächeln auf ihr Gesicht treten, woran Shalannan nicht so ganz unbeteiligt war, und wartete auf eine Antwort des ersten Offiziers.

Während alles seinen Gang ging, blieb Vron in der Sicherheitszentrale nicht viel zu tun. Er wusste nicht, was er machen sollte. Erst als Sulae ihre Sicht der Lage darlegte, griff er wieder ins Geschehen ein: »Wenn wir den Computer herunterfahren, was hat denn das für Folgen? Ich kenne mich nicht so aus, aber steuert denn Sun Tzu nicht auch so was wie unseren Flug? Im Moment scheinen die Grundfunktionen nicht angegriffen zu sein. Ich weiß nicht, was die Folgen davon wären, aber die Frage ist auch, wie wir an den Robotern vorbeikommen, denn denen wird der Ausfall nichts ausmachen.«

Grade, als Vron zu Ende geredet hatte, öffnete sich die Tür der Sicherheitszentrale. Nach einem kurzen Gedanken, von Scheiße, kommen jetzt die Roboter hier rein? sah Vron jemand den er hier noch nie gesehen hatte. Scheinbar hatte sie sich vor den Robotern hier in Sicherheit bringen wollen.

Allan schien etwas überrascht zu sein, dass sie hier auftauchte. Scheinbar kannte er sie.

Da begann sie zu reden: »Hallo, mein Nahme ist Renie Tukal, ich bin seit ein paar Stunden Gast auf diesem Schiff. Ein gewisser Robert Alun hat mich, da ich für die Roboter recht uninteressant bin, hier hergeschickt. Er lässt nachfragen, ob vielleicht in dem sichergestellten Besitz der Anführerin der Saboteure ein Anhaltspunkt sein könnte.«

Vron war fast sprachlos. Die Roboter ließen sie durch? Nützlich zu wissen. Wo das Zeug von Miss Beypur war wusste er allerdings nicht. Natürlich war das in Sun Tzu gespeichert, aber das nützte ja nichts. Hilfe suchend blickte er sich um.

Kommandozentrale (BZ: 13:50 Uhr)

Lasitus hatte den auffälligen Feuerleitoffizier reinkommen gesehen, und bekam auch zumindest Teile der Unterhaltung zwischen ihm und dem Ortungsoffizier mit, während er dabei war rauszubekommen, welche Optionen er noch hatte …

Als der Navigationsoffizier lauter wurde und schwere Vorwürfe erhob, langte es Strader. Er erhob sich und näherte sich den beiden, ohne das diese es in ihrer Aufregung bemerkten. Die meisten Offiziere in der Kommandozentrale verstummten, um das Schauspiel besser verfolgen zu können.

»Wir sollten uns lieber um die Bereinigung der momentanen Situation kümmern, um kleinere Details, wie Schuldzuweisungen, können wir uns im Anschluss kümmern, sollte es uns da noch geben. Und dann ist das MEIN Job.«

Nach einer kleinen Pause zum Luftholen schob er nach: »Kommen sie, Oberstleutnant Scrouzy bitte mit mir und geben mir einen detaillierten Bericht über das Verhalten der Roboter, vielleicht nutzt uns das irgendwie …«

»Jawohl Sir« sagte der Überschwere und folgte dem Captain in Richtung Sicherheitszentrale.

Der Überschwere gab Lasitus auf dem Weg dorthin einen sehr kurzen Bericht. Er erwähnte jedoch alles was wichtig war, wenn er auch der Meinung war das die einzige interessante Neuigkeit war das die Roboter keine weiteren Befehle bekamen und momentan mehr oder weniger untätig waren …

Eigentlich sollten wir vermeiden, den Computer wieder in Ordnung zu bringen, dachte der Überschwere. Sonst haben wir am Ende wirklich 100 Kampfroboter, die auf uns losgehen  Die sind mir allerdings in der »Warte auf Befehle«-Form viel angenehmer und mit den Sicherheitsrobots werden wir schon fertig.

Für den Überschweren war das Ganze damit schon nicht mehr so gefährlich wie es ihm der Navigator gerade geschildert hatte, aber er hatte in diesem Fall eh nicht viel zu entscheiden … Diese Angelegenheit war eindeutig Sache der Bordsicherheit und selbst als Mitglied der Führungscrew hatte er hier nur ein sehr begrenztes Mitspracherecht …

Dennoch wollte er natürlich gerne dabei sein, wenn sich etwas entschied und vielleicht kam es ja doch noch zum Äußersten und dann wollte er natürlich mittendrin sein anstatt in der Feuerleitzentrale …

Krankenstation (BZ: ab 13:55 Uhr)

Robert betrat die Krankenstation, die er inzwischen wirklich in und auswendig kannte. Nebenbei begrüßte er ein paar alte Bekannte, unter anderem Doktor Drake, und erstattete dann eine Verletztenanzeige.

»Könnten sie einen Medorobot dort hinschicken? Ich weiß, dass die Roboter Gäste des Schiffes in Ruhe lasen, da die Medorobots auch friedfertig sind, dürften sie auch keine Probleme haben.«

Nach einiger Diskussion ging das durch. Robert erwähnte seinen anderen Plan lieber noch nicht, die Roboter für die Kommunikation im Schiff zu missbrauchen.

Nachdem Robert Alun die Anzeige aufgegeben hatte, dass Dr. Tsuran von den Robots paralysiert worden war, machte sich Bimmel-Bammel mit einem Medorobot auf den Weg. Es war sowieso besser wenn er sich in der Station ein bisschen »unsichtbar« machte.

Ansons Jargo war nämlich ganz schön sauer auf ihn. Aber es war doch wirklich ein Versehen! Warum musste er auch in dem Augenblick an ihm vorbeigehen als ihm versehentlich der Behälter mit der Reinigungsmilch für Monitore runterfiel? Und dann rutscht der darauf aus und gibt mir die Schuld!

Schiffsgang bei Dr. Tsuran

Als er Dr. Tsuran liegen sah, eilte Bimmel-Bammel mit den Medorobot auf ihn zu und versorgte ihn. Der Sicherheitsrobot reagierte nicht.

Krankenstation

»Warum hat der Robbie mich nicht paralysiert? Das frage ich mich wirklich.«

Diese Frage stellte er mehr sich selber als das er eine Antwort erwartete.

Er zuckte ein bisschen zusammen als Ansons Jargo hinter ihm sagte: »Ich habe mich schon darauf gefreut, dass dich der Medo auch paralysiert bringt. Hast dir wahrscheinlich alles aus der Entfernung angesehen.«

Ich fuhr ein paar Augen in seine Richtung aus und sagte: »Eben nicht, ich war direkt neben dem Doc. Außerdem tut mir das Leid, dass du wegen mir jetzt ein paar blaue Flecken hast.«

Dabei formte ich einen Pseudoarm um ihm nach terranischer Sitte die Hand zu geben (komische Sitten haben die Terraner). Als Ansons Jargo die »Hand« auf sich zuschießen sieht geht er einen Schritt rückwärts.

Rühr mich bloß nicht mehr an, dachte er. Dabei stößt er sich den Hinterkopf an einer offenen Schranktür.

»Wer hat die verd … Tür offen gelassen!«, schrie Ansons Jargo fast.

Bei dieser Frage machte ich mich dann ganz klein, war ich doch der Schuldige, ich glaube heute ist nicht mein Tag.

Sicherheitszentrale (BZ: 14:10 bis 14:30 Uhr)

Nach einigen Diskussionen versuchten mehrere Techniker der Sicherheitsabteilung Kontakt mit Doevelnik aufzunehmen. Obwohl es scheinbar funktionierte meldete er sich nicht mehr.

»Wenn er einigermaßen Logisch denkt, versucht er sich entweder zur Zentrale, zur Programmierzentrale oder hierher durchzuschlagen. Wir sollten Boten mit den Datenpaketen hinschicken, und uns zur Programmierzentrale absetzen, da diese ja scheinbar noch nicht belagert wird, und wir von dort die besten Chancen haben wirksam eingreifen zu können« sprach Allan, und wollte sich gerade auf den Weg machen, als sich eins der Mannschotts öffnete und der Kommandant in Begleitung eines Offiziers eintrat.

Allan erstattete nochmals kurz Bericht und wiederholte seinen Vorschlag. Strader überlegte kurz und schloss sich dann Allans Empfehlung an.

Gemeinsam brach ein ziemlich gemischter Haufen von der Sicherheitszentrale auf, in welcher nur eine kleine Notbesatzung zurückblieb und sich einschloss. Sie hatten Befehl, sollten die Roboter doch eindringen, sich sofort zu ergeben und ansonsten als Kommunikationsschnittstelle zu wirken.

Einige Minuten und 2 Antigravlifts später, man hatte einen Umweg nehmen müssen um an einer Gruppe Wachroboter vorbei zu kommen, kam die mittlerweile fast vollständige Schiffsführung in der Computerzentrale an, in welcher sie von einem Haufen hektischer und panischer Spezialisten empfangen wurden, die verzweifelt versuchten das System wieder unter Kontrolle zu bringen …

Beceefha schloss sich also dem kleinen Haufen an, der beschlossen hatte zur Programmierzentrale umzuziehen … Ihm sollte es recht sein, vielleicht bekam er ja auch nochmal einen von den Robots vor den Strahler. Ansonsten fand er die Idee das Ganze rein technisch zu lösen recht überflüssig … Wenn 198 Robots im Schiff rumliefen und der Besatzung nicht freundlich gesinnt waren, mussten sie schon irgendwie außer Gefecht gesetzt werden. Bis dahin stimmte der Überschwere auch mit der restlichen Schiffsführung überein, aber sie einfach umzuprogrammieren war mit Sicherheit der langweiligste Weg … Aber was sollte er denn tun um sich ein bisschen Abwechslung zu verschaffen?

Es war wahrscheinlich keiner in der Gruppe wirklich davon zu überzeugen die Robots einfach alle zusammen zu schießen. Er beschloss also einfach irgendwelche mehr oder weniger sinnvollen Vorschläge zu machen um zumindest irgendwas zu sagen.

»Ich hätte da noch eine Idee«, sagte er etwas gedehnt. Alle Köpfe ruckten sofort zu ihm herum. »Wir könnten einfach das Licht überall ausmachen, dann sehen uns die Robots nicht … Oder wir stellen den Strom ab und hoffen, dass die Robots das aus Solidarität auch tun? Wir könnten auch die Luft absaugen und die Kerle einfach ersticken lassen. Oder …«

Der 1O gab ein seltsames Geräusch von sich, was irgendwie an eine Mischung aus Lachen, einem verächtlichen Luftausstoßen und einem Räuspern erinnerte. Dabei schaute er den Überschweren auch noch erheitert und erbost gleichzeitig an … Sprich er schaute etwas bedeppert und grunzte. Der Überschwere beschloss seinerseits weitere Vorschläge vorerst zu unterlassen.

Zento war über den seltsamen Vorschlag des Überschweren überrascht. Wie soll man eine Maschine ersticken lassen? Der 1O konnte seine Erheiterung nur schwer unterdrücken. Wir anderen hielten uns wenigstens die Hand vor den Mund oder blickten demonstrativ auf die Bildschirme.

Ein ganzer Stab an Programmierern lief hektisch herum und versuchte den Hauptrechner wieder zum Laufen zu bringen.

Ich habe schon gehört, dass das Flottenstandardbetriebssystem Sicherheitslücken hat, aber das sie so gravierend sind hätte ich nicht gedacht.

Da sich Zento nur wenig mit Computern auskannte stellte er sich vor einen Ausgang und spähte auf den Hauptgang hinaus, in dem sich zwei der durchgeknallten Roboter platziert haben. Noch standen sie ruhig da, nur wie lange noch?

11. Gegenmassnahmen

Gänge

Schnell eilte Djulf durch die Gänge. Er musste sich beeilen. Wer weiß was die Robots inzwischen anstellten. Er musste etwas unternehmen. Irgendetwas schien aber nicht zu stimmen, irgendwas musste passiert sein, sonst wären die Roboter schon ausgeschaltet worden. Also auf zur Zentrale.

Hm … Kommando oder Hauptrechner? … na, mal sehen. Er beeilte sich und versuchte möglichst leise zu sein. Noch eine Kurve und er war an der Kommandozentrale … ups … schnell zurück. Im letzten Moment bemerkte er die Roboter vor den Schotts der Kommandozentrale. Wenn sie noch nicht darin eingedrungen waren gab es noch Hoffnung.

Aber er hatte keine Lust sich mit ihnen anzulegen. Also zurück und ab zum Hauptrechner. Ein paar Meter zurück hatte er etwas entdeckt. Schnell war die Metallplatte entfernt. Er krabbelte in den dahinter liegenden Schacht und brachte die Metallplatte so gut es ging von innen wieder an. Der Schacht führte nach oben und unten. Der Hauptrechner war unterhalb von der Kommandozentrale.

Also abwärts. Der Schacht war gerade breit genug für ihn. Jeder andere hätte nicht einmal daran gedacht da hinein zu krabbeln. Da war ein Gitter vor ihm. Er schaute hindurch und war erstaunt so viele Offiziere hier zu sehen. Sie sahen hektisch aus. Als er den Ertruser sah musste er grinsen. Vor seinem geistigen Auge sah er wie der Ertruser in dem Schacht feststeckte. Er entfernte das Gitter und stand mit einem freundlichen »Was macht Ihr denn alle hier« und einem Lächeln auf einmal zwischen den Offizieren.

Rechenzentrale (BZ: 14:38 Uhr)

Zento bemerkte eine Bewegung links in Kopfhöhe.

»Was macht Ihr denn alle hier«, hörte er eine piepsige Stimme neben sich.

Blitzschnell griff er zu und brachte einen ziemlich erstaunten Siganesen direkt vor sein Gesicht. »Soll das ein Meldung gewesen sein, Hauptmann Djulf?«

Schnell befreite er sich und nahm Haltung an. »Sorry. Sir. Hauptmann Doevelnik meldet sich zum Dienst. Ich hoffe ich kann hier helfen. Sir. Gibt es hier Probleme und woher kommen überhaupt die Robos … ähm … meine die … Roboter, Sir.«

Sicherheitszentrale (BZ: 14:40 Uhr)

Nachdem die Schiffsführung sich auf den Weg zur Computerzentrale begeben hatte, war Vron in der Sicherheit zurückgeblieben. Bei den Computern konnte er nicht viel tun, aber hier konnte er hoffen etwas in dem Nachlass der Anführerin der Saboteure zu finden. Ihr merkwürdiger Gast, der auch lieber hier geblieben war und sich neugierig umschaute, trug auch nicht grade dazu bei, dass er sich besser fühlte. Dazu kam noch der Verdacht, dass die Angelegenheit mit den Sabos, noch nicht erledigt war.

Also mal wieder ein ganz normaler, schön ruhiger Arbeitstag auf der CREST!, dachte sich Vron sarkastisch und brach in Jubelstürme aus, als sich endlich einer in der Sicherheit erinnern konnte, wo der Nachlass war. Vron sah das ganze kurz durch und wurde bei einem Speicherdatenblock fündig.

Während er sich überlegte, wie er das Zeug am geschicktesten zu Allan schaffen sollte, sah er einen Roboter vor der Tür stehen. Nach kurzen Erschrecken erkannte er, dass es ein Medorobot war.

Der Roboter hatte einen Datenkristall befestigt, den Vron abspielte.

»Hallo hier spricht Robert Alun, von der Krankenstation, wo ich mich entschieden zu oft aufhalte. Ich sende diesen Roboter und neun weitere zu euch, damit ihr sie für den Transport von Nachrichten benutzen könnt. Die Sicherheitsroboter ignorieren sie. Viel Glück!«

Vron kopierte schnell den Datenkristall und übergab ihn an den Roboter, den er zu den anderen schicken wollte, da meldete sich Renie: »Soll ich das nicht erledigen? Es kann sein, dass die in der Computerzentrale den Roboter zusammenschießen und die Nachricht verloren geht, auf mich wird keiner schießen.«

Vron konnte sich den Argumente nicht ganz verschließen, also kopierte er den Datenkristall nochmals und schickte beide los, nachdem er ihr Ankommen bei Allan angekündigt hatte und versprach zu versuchen den Kristall zu entziffern.

Bei dieser Arbeit hörte er ein metallisches Geräusch. Waren das die neun anderen Medorobots, oder hatten die Sicherheitsroboter ihren Plan geändert?

Rechenzentrale (BZ: 14:43 Uhr)

Zento hatte den verdutzten Siganesen wieder freigegeben. Dieser hatte den Ertruser noch mit einem verwunderten Blick bedacht und war dann in Richtung Hauptrechner verschwunden.

Nach einigen Minuten hörte Zento ein Summen aus dem Gang vor der Programmierzentrale. Vorsichtig öffnete er per Hand das Schott und spähte hinaus. Er sah eine Zivilistin im Hintergrund liegen, anscheinend war sie paralysiert worden. In diesem Augenblick bog ein Medoroboter um die Ecke und strebte direkt auf ihn zu. Zento öffnete das Schott gerade soweit das der Roboter durchpasste und wartete bis er im Raum war. Danach schloss er den Spalt und sah danach zu wie der 1O den Speicherkristall entgegennahm und in ein Abspielgerät steckte.

Geschwind verschwand Djulf zum Hauptrechner. Bloß weg von diesem ungehobelten Ertruser. Er fing sofort mit der Arbeit an und arbeitete am Hauptrechner.

Immer wieder sah er auf und beobachtete den Ertruser. Bloß nicht aus den Augen lassen! Er wusste zwar gar nicht so richtig was er da tat, aber er musste etwas tun. Irgendwie musste er mit den Robotern etwas anstellen. Oder sie lahm legen. Er hatte keine Ahnung was er machen sollte, probierte aber mehrere Möglichkeiten.

Zento sah dem Siganesen innerlich schmunzelnd nach als er sich fluchtartig von ihm entfernte. Er drehte sich wieder zum Ausgang und sah dass die Roboter weiterhin ruhig im Gang vor dem Schott standen. Als er sich wieder umdrehte sah er den ersten Offizier mit fünf anderen Männern verschwinden.

Krankenstation (BZ: 14:45 Uhr)

Nachdem die Medoroboter weg waren, gab es zeitweise sogar eine Funkverbindung zu den übrigen Teilen des Schiffes. Die Medoroboter und das menschliche Personal waren im Dauereinsatz, bis die Ersten von ihnen nicht mehr zurückkamen.

Robert seufzte: »Es darf in Zukunft kein Lebewesen mehr die Krankenstation verlassen, wir dürfen nur noch Roboter schicken, sonst riskieren wir, dass wir Leute verlieren.«

Das Ganze führte zu riesigen Diskussionen. Als Robert dies den zuständigen Stellen melden wollte, stellte er fest, dass der Funk wieder tot war. Scheinbar waren einige der Spezialisten, die diese Funkstrecke herstellen sollten, nicht mehr aktiv.

Sicherheitszentrale (BZ: 14:45 Uhr)

Als die Sicherheitszentrale die Nachricht erhielt, dass Renie paralysiert worden war, war Vron getroffen. Die Roboter hatten sie vorher durchgelassen, warum jetzt nicht mehr. Kurz danach fiel die Funkverbindung aus.

Vron schickte noch einen der neun weiteren Medoroboter, die vorhin eingetroffen waren, um Renie zu versorgen, dann wendete er sich der Arbeit zu. Er musste diesen Code entschlüsseln. Nachdem er glaubte eine Spur zu haben, schickte er einen weiteren Medorobot in die Computerzentrale, doch der kam nie an. Draußen vor der Sicherheitszentrale erschienen Wachroboter, die den Medoroboter nicht mehr durchließen und die Sicherheit abriegelten.

Sicherheitszentrale (BZ: 14:45 Uhr)

Zur Überraschung der anderen hatte Sulae beschlossen, in der Sicherheitszentrale zu bleiben. Zum Glück hatte Allan deswegen keinen Aufstand gemacht und es anstandslos akzeptiert.

Falls die Roboter hierher kämen, wollte sie da sein. Shalannan machte ihre üblichen Witze darüber, nervte aber nicht zu sehr. Das lag wahrscheinlich an der Tatsache, dass sie genug zu tun hatte.

Eines hasste Sulae an ihrer Position: Sie war meist zum Nichtstun verdammt. Die Sicherheitsoffiziere machten ihren Job, und sie war für den Papierkram zuständig.

Aber sie hätte ja mitgehen können.

Sie schaute also eine ganze Weile Vron über die Schulter.

Renie war paralysiert worden und Wachroboter waren vor der Zentrale erschienen. Die Lage hatte sich also verschlechtert. Nach einem kurzen Moment des Nachdenkens wandte sie sich an Vron: »Ich möchte über alle Vorgänge und Fortschritte informiert bleiben. Und falls Sie wieder eine kurze Funkverbindung zustande kriegen, schicken Sie an die Gruppe um den ersten Offizier die Nachricht, dass wir von Wachrobotern umstellt sind. Ich möchte nicht, dass sie direkt in die Robbies reinlaufen, wenn sie zurückkommen. Ansonsten«, fügte sie mit einem dünnen Lächeln hinzu, »viel Glück bei den Codes. Geben Sie Bescheid, falls Sie Hilfe brauchen.«

Sicherheitszentrale (BZ: 14:50 Uhr)

Vron sah Sulae etwas verzweifelt an. »Ich will nicht der Miesmacher sein, aber die Verbindung zu den anderen entstand durch eine Funkkette. Ihr Ausbleiben kann nur bedeuten, dass diese Kette durchbrochen wurde. Wahrscheinlich haben die Roboter die Menschen paralysiert. Also von dort ist die Chance auf Kontakt klein. Wir können bloß auf die Reparatur unser Positronik oder auf den Code hoffen.«

Während Vron das sagte, kam die Nachricht, dass der Code geknackt war. Auf Vrons Bildschirm breitete sich ein riesiger Text aus.

»Chefin, zu der Hilfe, sie wäre nützlich, da ist sehr viel Text.« Das Suchen nach bestimmten Stichwörtern war zwar möglich, aber es war wahrscheinlicher, dass hier nichts direkt drin stehen würde, sondern verschlüsselt. Wenn sie eine echte Chance haben wollten, würden sie das Ding sehr sorgfältig durchlesen müssen.

Sulae nickte, suchte sich eine freie Konsole in der Nähe und begann mit der Durchsicht. Dabei hatte sie, oder besser: Shalannan, immer ein Auge auf ihre Umgebung gerichtet. Während sie sich voll auf ihre Arbeit konzentrieren konnte, nutzte der Extrasinn ihre restlichen Sinne, wertete die Reize aus und gab die Informationen an sie weiter. Manchmal war Shalannan wirklich nützlich, aber eben nur manchmal.

Es wird unruhig, warnte sie nach einer Weile.

Sulae sah von ihrer Arbeit auf und blickte durch die Zentrale. Shalannan hatte absolut recht: Unruhe bei den Sicherheitsoffizieren kam auf, die gefährlich schnell in Panik umschlagen konnte.

Die Anwesenden waren alle ausgebildete Sicherheitsoffiziere und darauf trainiert, in Stresssituationen ruhig zu bleiben, aber dennoch waren sie, soweit Sulae das beurteilen konnte, alle fühlende Wesen, die auch mal die Nerven verlieren konnten.

Und das wäre verhängnisvoll.

Sie konnte ihre Untergebenen gut verstehen, denn ihnen saßen ja fast die Robos im Nacken, dennoch durfte jetzt keine Kettenreaktion mit Panik am Ende ablaufen.

Sie stand also auf, sagte leise zu Vron »Entschuldigen Sie mich einen Augenblick, ich komme gleich wieder« und lief ohne ein bestimmtes Ziel durch die Sicherheitszentrale. Dabei studierte sie die Lage und schätzte ein, wie nahe die Sicherheitsleute an einer Panik waren. Es was nicht bedenklich, aber auch nicht ruhig, stellte ihr Extrasinn fachmännisch fest.

In der Nähe hatte sich ein kleines Grüppchen gebildet, das heftig, aber leise diskutierte. Sulae blieb stehen und lauschte. Da ging es um Verdächtigungen, wer die Roboter aktiviert haben könnte. Einer warf sogar ein, dass es Pavel Syntony und seine Vorgesetzten gewesen sein könnten!

Die Sicherheitsoffiziere suchten anscheinend einen Sündenbock, um ihre Nervosität in Schach zu halten, aber Verdächtigungen und Misstrauen unter ihrer Mannschaft war das letzte, was sie gebrauchen konnten.

So trat sie aus dem Halbschatten und sah erst einmal finster in die Runde. Die Sicherheitsoffiziere schienen im ersten Augenblick überrascht, dann trat die Erkenntnis in ihre Augen, wen sie da vor sich hatten.

Sulae kramte ihren strengsten Ton hervor und sagte: »So, wir haben hier amoklaufende Roboter, die vielleicht demnächst die Sicherheitszentrale einrennen, und Sie hier scheinen nichts Besseres zu tun zu haben, als über den Grund zu spekulieren. Ich verstehe Ihre Nervosität, aber Misstrauen und Verdächtigungen sind das letzte, was wir in dieser Situation benötigen! Ich sage das jetzt nur einmal: Wir werden uns an das halten, was wir ganz sicher wissen, weder ein Sicherheitsoffizier noch ein anderes Mitglied der Besatzung wird verdächtigt, bis wir schlüssige Beweise für dessen Schuld haben! Habe ich mich klar ausgedrückt?«

Die betroffenen Gesichter nickten.

»Gut, dann zurück an die Arbeit! Das ist unsere einzige Möglichkeit, sie Situation zu entschärfen: Zusammenarbeit!«

Unter ihrem finsteren Blick löste sich die kleine Gruppe auf und verstreute sich wieder an verschiedene Terminals und andere Gruppen, die mit Ermittlungen beschäftigt waren.

Sulae war sich bewusst, dass sie eben ganz als Sicherheitschefin aufgetreten war. Sie fühlte sich nicht wohl in der Rolle, sie mochte solche harten Worte nicht, aber sie wusste, wann sie angebracht waren. Und wenn sie es nicht tat, machte sie garantiert der Extrasinn darauf aufmerksam.

Du hast richtig gehandelt, warf Shalannan nun dazwischen ein. Wenn die Sicherheitsleute jetzt schon die Nerven verlieren, wie soll das erst in einem richtigen Kampf werden, oder wenn wir einmal geentert werden?

Sulae hoffte, dass es nie soweit kam, aber Shalannan hatte natürlich Recht. Sie seufzte also und lief zurück zu dem Pult, an dem sie zuvor gearbeitet hatte.

»Na, weiter gekommen?«, fragte sie Vron, während sie sich wieder setzte und über die Daten schaute.

Während Sulae eher das Ende des Dokuments bearbeitete und das was an Computer von der Bordpositronik unabhängig war versuchte ein stark kodiertes kurzes Schriftstück zu dekodieren, las Vron am Anfang. Er stieß auf Interessantes, das etwa ein Jahr alt war, aber leider nichts Nützliches.

»Eintrag von 14.10.3430

Liebes Tagebuch,

die Wahl ist beendet. Wie zu erwarten war, hat das Weichei Rhodan gewonnen. Er ist zu schwach um Terra zu lenken. Wir brauchen jemand der härter durchgreift. Wenn der dieses unwirksame System des Solaren Imperiums abschafft, soll’s mir nur recht sein. Man darf so was ja nicht laut sagen. In der Solaren Flotte wäre sonst jede Chance auf Karriere weg, wenn sie mich nicht gleich rausschmeißen. Oberstleutnant Viktoria Beypur, das würde sich gut anhören. Vielleicht nutzen die Ertruser die Situation. Rhodan scheint sich sehr vor ihnen zu fürchten.

Eintrag vom 20.10.3430

Liebes Tagebuch,

heute hab ich einen netten Mann getroffen, der für gemeinsame Freunde arbeitet und mit Rhodan Schluss machen will. Er hat mir erzählt, dass das Solsystem bald von ihm befreit werden würde und unter die Kontrolle besserer Herrscher kommt. Er hat mich um meine Hilfe gebeten. Mit meiner Beförderung scheint alles glatt zu gehen. Mein Vorgesetzter hat mich informiert, dass er mich befördern will. Da hat mir meine Versetzung auf die Gecko doch Glück gebracht. Nur Ron Laska, der die Specialforceabteilung leitet, kann mich wohl nicht sehr leiden. Aber den bekomme ich auch noch um den Finger gewickelt. Er hat so kleine Geheimnisse, die man nur ausnutzen muss. Es hat übrigens eine Versetzung gegeben. Anstatt unseres bisherigen Psychoheinis Doktor Lakton, einen Ertruser, hat man nun einen politisch korrekteren Terraner eingestellt, Michael Byers, einen alten Saufkumpan von Laska. Neue Nachrichten folgen.«

Trotz der doch interessanten Neuigkeiten über die Saboteure und ihr Werk las Vron weiter. Die Daten waren mittels einer Kopie eh bei der Anwaltschaft. Die überlebenden Saboteure würden schon ihr Fett abbekommen.

Rechnerzentrale (BZ: 14:30 bis 15:00 Uhr)

Verschiedene Gruppen hatten sich gebildet, welche sich sofort an die Bearbeitung der mitgebrachten Daten gemacht hatten. Allan und Lasitus standen mit einigen anderen in der Mitte des Raums und wurden mehr oder weniger ignoriert.

Lasitus wollte aufbrausen, wurde dann aber von Allan beruhigt, welcher drauf hinwies, dass ihrer beiden Anwesenheit die Leute nur nervöser machen würde.

Die beiden hohen Offiziere berieten sich eine Weile. Ihnen beiden war klar, dass sie vom schlimmsten Fall ausgehen mussten, und das war ein zweiter Anschlag einer immer noch aktiven Agentengruppe einer feindlichen Macht.

Dagegen sprach jedoch das unkoordinierte Verhalten der Roboter.

Momentan war die Lage so, dass Sie faktisch nichts tun konnten. Also schlug Allan nach einiger Zeit vor, sich wieder um das »andere« Problem zu kümmern. Oberst Strader stimmte zu und sagte er werde sich um die auf Mission befindlichen Beiboote kümmern.

Allan schnappte sich 4 der mitgekommenen Sicherheitsoffiziere und machte sich mit diesen auf den Weg in die Krankenstation …

12. Andere Entwicklungen

Brücke des Beibootes Huitzilopochtli (BZ: 15:00 Uhr)

Natalie saß auf der Brücke ihres Beibootes und entspannte sich. Sie flogen kontinuierlich das Suchraster ab, doch bisher fanden sie nichts als kleinste Partikel – ein wenig Staub – und allerlei anderer, uninteressanter Materie. Sie starrte auf das Suchraster vor ihnen, doch ihre Gedanken waren ganz woanders. Sie war recht glücklich, die CREST einmal für eine Weile verlassen zu können, die Atmosphäre dort konnte recht … einengend sein. Ihr Beiboot war ihr immer noch am liebsten, es war klein, beschaulich, und ihr vollkommen vertraut. Alle hätten gesagt, sie hätte niemals in die solare Flotte eintreten sollen, wenn sie das Unbekannte fürchtete, aber das war nun mal nicht ihr Grund für den Entschluss gewesen. Ihre Gedanken waren bei ihrer Heimat, dem Haus, das sie so liebte, und der atemberaubenden Umgebung … Aber da konnte sie im Moment nicht hin und sie war recht zufrieden mit dem, was sie hatte. Im Moment, zumindest, doch sie wusste, das würde nicht mehr lange so bleiben.

Innerlich lächelnd wandte sie sich wieder dem Bildschirm zu. Sie hatten soeben einen weiteren Abschnitt hinter sich gelassen und steuerten nun den nächsten an.

Natalie hörte ein Gespräch zwischen zwei Offizieren mit an, die von einer »Heimkehr« zur CREST sprachen.

Warum waren alle so begierig darauf, zur CREST zurück zu kehren? Ihr gefiel es hier gut! Sie wollte gerade wieder in ihre Gedanken versinken, als ein nervenaufreibendes Piepen sie störte. Daher konnte sie die Sekunden zählen, bis eine Meldung bei ihr eintraf.

»Ma'am, wir haben hier was gefunden«, bekam sie die Meldung von einem jungen, sichtlich nervösen Offizier. Es war sein erster Einsatz.

»Das solltest du dir ansehen, Nat, vielleicht ist es das, was wir suchen«, schob die Stimme von Liam McKeen hinterher.

Er war ein guter Freund von ihr, sonst würde er sie nicht so ansprechen, doch er wusste, dass er es durfte. Die beiden kannten sich schon ziemlich lange, und waren inzwischen irgendwie wie Geschwister.

Natalie stand auf und war mit eiligen Schritten bei dem jungen Offizier, der sich zwischen zwei so hohen Offizieren, obwohl sie das ja gar nicht waren, sichtlich unwohl fühlte.

Liam warf ihr einen bedeutenden Blick zu, den sie mit einem Grinsen erwiderte, dann deutete er auf die Daten. Tatsächlich hatte etwas auf ihre Suchparameter angesprochen!

Natalie studierte für einen Augenblick die Daten, dann rief sie: »Wir sehen uns das mal an. Navigator, berechnen Sie einen Kurs und dann nichts wie hin!«

Sie setzte sich wieder auf ihren Platz, während um sie herum geschäftiges Treiben ausbrach.

Krankenstation (BZ: etwa 15 Uhr)

Bimmel-Bammel bekam nur so nebenbei mit was Robert Alun da machte. Er kontrollierte die ganzen Lebensanzeigen eines Patienten – eines Ertrusers. Den hatten gestern zwei Terraner zusammengeschlagen.

Laut Bordvideo sollten das ganz »normale« Terraner aus dem Nationalstaat Europa gewesen sein, dachte der Matten-Willy. Keine Extremweltler.

Ein Geräusch lässt ihn in seinem »Rücken« ein paar zusätzliche Augen ausfahren: Ansons Jargo hat sich ihm genähert und sagt: »He Bimmel-Bammel, hast du das schon gehört: Alun hat Jones mit ein paar Medo-Robots rausgeschickt, um eine Meldekette zur Zentrale einzurichten. Angeblich hat Zento Rutan von der Zentrale aus auch so was eingerichtet. Es kamen auch ein paar konfuse Nachrichten an. Ich weiß aber nicht genau wie sie lauten. Aber das Tollste ist: Jetzt kommt gar keiner mehr – kein Robot – kein Jones. Jetzt zoffen sich unser Chef Steel und der Psychologe Alun. Unser Chef ist der Meinung dass wir die Verletzten holen müssen und Alun ist dagegen.«

»Vielleicht höre ich ja noch was genaueres, ich muss sowieso zu Dr. Steel, ihm melden das mit dem Ertruser alles nach Plan verläuft. Was meinst du dazu: Wie können das 2 Terraner schaffen? Der Patient hat gebrochene Rippen, ausgeschlagene Zähne und eine gebrochene Nase. Ich wette meinen ganzen Whiskyvorrat, das wir nächste Woche 2 Terraner auf der Krankenstation haben.«, mit einem fast gierigen Blick schaute Bimmel-Bammel Ansons an.

»Ich wette nicht mehr mit dir« bekam er von Ansons zu hören, »Ich habe erst letzte Woche durch eine solche Dummheit dein Saufgelage finanziert.«

Kommandozentrale (BZ: 15:00 Uhr)

Für die Anwesenden in der Kommandozentrale sah es so aus, als würde der Erste Navigator Emerson Victor Ostrog unbeteiligt vor sich hin grübeln.

In Wirklichkeit jedoch vollführte der Veego in permanenter Abfolge so genannte »Kurze Blicke«, sodass er eine Unzahl von Orten auf der CREST V überwachen konnte. Dadurch war er in der Lage, einen umfassenden Überblick über die gegenwärtige Lage zu gewinnen. Doch in irgendeiner Form eingreifen konnte er nicht, allein schon weil dann seine Tarnung aufgeflogen wäre.

So konnte er beispielsweise die Krankenstation nicht vom Schicksal der ausgeschickten Roboter und Mitarbeiter informieren oder den Verantwortlichen in der Sicherheits- und der Rechenzentrale die Positionen der Kampf- und Sicherheitsroboter mitteilen. Vor allem deshalb, weil es zurzeit keinerlei Kommunikationsmöglichkeiten aus der Kommandozentrale heraus gab und die Anzahl seiner »Kurzen Wege« beschränkt war.

Als er seine Tätigkeit für kurze Zeit unterbrach, stellte er überrascht fest, dass seine Schicht soeben zu Ende gegangen war. Doch er konnte wohl nicht erwarten, dass der Zweite Navigator David Halman ihn ablösen würde. Da hätte er erst an den Robotern vorbeikommen müssen, und das war sehr unwahrscheinlich.

Wie geht es dem alten Besserwisser eigentlich?, fragte sich Emerson.

Ein »Kurzer Blick« verriet ihm, dass der Terraner Halman in seiner Kabine hockte und keinerlei Anstalten machte, diese zu verlassen. Aus dem Gesichtsausdruck und der Haltung entnahm Emerson, dass der Mann Todesängste ausstand. Doch auch ihm konnte er nicht helfen, genauso wenig wie den vielen anderen Besatzungsmitgliedern in ähnlicher Lage. Er konnte überhaupt nichts tun, und das würde sich in Zukunft wohl auch nicht ändern.

Manchmal ist es ganz schön hart, ein Veego zu sein, dachte Emerson bekümmert.

Krankenstation (BZ: 15:00 bis 15:30 Uhr)

Allan musste einige Umwege gehen um nicht in die Hände der aufmarschierten Sicherheits-Roboter zu fallen. Nach einiger Zeit kam er in der Krankenstation an und versuchte mit Dr. Drake zu sprechen, wurde jedoch vom Dienst habenden Personal aufgehalten. Dr. Drake befand sich noch immer in der Behandlung der jungen Frau vom Springerschiff und Dr. Drake würde wohl auch noch länger beschäftigt sein.

Allan überlegte was er als nächstes tun sollte und beschloss erst mal etwas zu warten.

Rechnerzentrale (BZ: 15:00 bis 16:00 Uhr)

In der Kontaktzentrale der Bordpositronik wurde hektisch gearbeitet, und der Kommandant des Ultraschlachtschiffes saß gelangweilt auf einem Sessel und fühlte sich ziemlich überflüssig. Das Ganze war nun mal eine Sache für Spezialisten dachte er bei sich, aber dieser Gedanke brachte ihn nicht aus seiner deprimierten Stimmung, er wollte was TUN, nicht daneben sitzen.

In Gedanken ging er den Ablauf der ganzen Probleme zum wiederholten Mal durch, und dann kam ihm ne Idee: »Hat eigentlich irgendjemand die Steuerkonsole von der das Ganze seinen Ausgang nahm genauer unter die Lupe genommen?«

Kantine (BZ: 15:53 Uhr)

Doch auch jetzt half Todd keiner aus seiner aus seiner Notlage. Obwohl er wie wild gegen die Tür trommelte und ein Riesentheater vollführte um auf sich aufmerksam zu machen schien es, dass sich die Geräusche wieder entfernten. Das konnte nur bedeuten, dass, wenn es Roboter waren, die da grad vorbeimarschiert waren, die Programmierung durcheinander gekommen war, denn laut ihrer Grundprogrammierung hätten sie jedem in Not befindlichen Besatzungsmitglied sofort geholfen.

Er konnte sich keinen Reim auf das Verhalten der Roboter machen. Für einen kurzen Augenblick flammte in ihm der Gedanke auf, es könnte sich um eine Meuterei handeln, wie es sie bei der ersten Mission an Bord der CREST V schon einmal gegeben hatte. Aber das war ihm dann doch zu abwegig. Zwei verschiedene Meutereien nacheinander oder die Fortsetzung der Ersten, dafür waren ihm als rational denkendem Wissenschaftler die Wahrscheinlichkeiten zu gering. Deshalb vergaß er den Gedanken sofort wieder.

Aber dafür fiel Todd die Notkurbel ein, die es an jeder Tür gab, damit man sie bei Stromausfall oder ähnlichem auf mechanischem Weg öffnen könnte. Warum war ihm das nur nicht vorher eingefallen. Na ja, auf die einfachsten Lösungen kommt man immer erst zu spät, das kannte er auch schon aus seinen wissenschaftlichen Versuchen her. Sofort machte er sich daran die verplombte Schutzkappe zu entfernen und begann dann mit großem Eifer an der Kurbel zu drehen.

Und die Tür öffnete sich wie es geplant war. Das war sicherlich nicht das erste mal, dass man eine Tür der CREST auf diese Weise geöffnet hatte, also war das nichts besonderes, aber Todd war froh endlich wieder frei zu sein. Zuerst steckte Todd den Kopf durch die Tür, dann ging er immer weiter. Er wagte sich nur zögernd aus dem Raum, denn er traute dem Frieden aus irgendeinem Grund nicht.

Draußen entdeckte er dann den Grund für die Geräusche, die er zuvor im inneren der Kantine gehört hatte. Es bewegte sich ein Trupp Roboter durch den Gang von ihm weg. Nur einer war Stehen geblieben, hatte sich umgedreht, stand mit erhobenen Waffenarmen im Gang und zielte mit glühenden Waffenmündungen auf ihn. Dann sagte der Roboter: »Bitte begeben sie sich zurück in den Raum und bleiben sie dort bis man Ihnen mitteilt was sie zu machen haben. In Kürze erhalten Sie Nachricht von der neuen Schiffsführung.«

Als sich Todd nicht bewegte feuerte der Roboter einen Warnschuss vor seine Füße. Begriffen, dass der Roboter keinen Spaß machen würde, begab sich Tod mit einem Hechtsprung zurück in die Kantine, aus der er grad eben erst entkommen war. Er warf einen Tisch um, verkroch sich dahinter und nutze ihn als Deckung. Darüber nachdenkend, was der Roboter mit »Neuer Schiffsführung« gemeint haben könnte merkte er gar nicht, dass ihn der Roboter nicht verfolgte oder Anstalten machte ihn zu verfolgen. Noch vorsichtiger als beim ersten Mal begab sich Todd auf den Gang vor der Kantine. Nun war der Gang leer, scheinbar mussten die Roboter einen wichtigen Auftrag ausführen und hielten ihn für eingeschüchtert genug, dass sie ihn nicht zu bewachen brauchten.

Aber da würden sie sich geschnitten haben, dachte er und rannte in die entgegengesetzte Richtung den Gang entlang. Er hatte sich vorgenommen auf dem schnellsten Weg der Zentrale Bescheid zugeben. Nach einiger Zeit stieß er auf einen bewaffneten Trupp von Männern. Unter ihnen war auch ein Siganese. Ein paar von ihnen kannte er, aber die meisten waren ihm unbekannt. Mehr erkannte er im Moment nicht, denn er war viel zu aufgeregt. Fast hätten sie ihn erschossen, da sie dachten ein Roboter würde sich ihnen nähern.

Er erzählte ihnen seine Geschichte und musste feststellen, dass es noch viel schlimmer war, als er sich vorgestellt hatte und dass er auf die Leute gestoßen war, die das Problem beheben sollten. Sie
waren auf dem Weg in die Halle, in der die Roboter gewesen waren, als sie noch inaktiv gewesen waren. Todd entschloss sich ihnen anzuschließen, denn im Augenblick war er da wohl am sichersten und vielleicht konnte er ja sogar helfen um die Roboter wieder unter Kontrolle zu bringen.

Zentrale der KC-08 (BZ: 16:00 bis 16:05 Uhr)

Der Kommandant des 60-Meter-Beibootes KC-08 nippte an seinem Kaffee und betrachtete die Ergebnisse der Abtastung »Seines Zielsektors«, durchschnittliche Materiedichte, Festkörper, Ergebnisse der Energieortung …

Absolut nichts. Na ja, zwar war einiges an Materie und Strahlung im Zielsektor, sogar ziemlich viel, aber man befand sich ja im relativen Zentrumsgebiet wo die Sterne zum Teil nur wenige Lichtmonate weit auseinander stehen. Diese »dicke Suppe« wäre auf der Erde immer noch als hochreines Vakuum durchgegangen Aber das war langweilig. Es war nicht der Grund warum er zur Flotte gegangen war.

»Funkspruch an die CREST, dass wir zum nächsten Suchgebiet unseres Rasters weiterfliegen.« Manchmal fragte er sich, ob er nicht lieber doch langsam einen Schreibtisch in irgend einem Flottenstützpunkt fliegen sollte!

Kommandozentrale (BZ: 16:27 Uhr)

Auf einem Bildschirm seines Navigationsterminals vollzog sich eine Veränderung, die Emersons Aufmerksamkeit in diese Richtung lenkte. Es handelte sich um die Direktdatenverbindung zur Ortungszentrale, über welche die Dienst habenden Navigatoren wichtige Daten, sowohl von der Fern- als auch von der Nahortung, für die Kursplanung erhielten.

Mit einem Blick stellte der Veego fest, dass sich eines der beiden Schiffe von seiner derzeitigen Position fortbewegte. Es handelte sich um den Raumer der Freihändler, der anscheinend eine nahe gelegene Sonne ansteuerte. Emerson wandte sich dem Dienst habenden Kommandanten zu, um ihm Meldung über den Vorgang zu machen.

Da die Kommunikationsverbindungen zur Ortungszentrale immer noch unterbrochen waren, war von dort keine Meldung gekommen. Major Martens Thort, der für die Auswertung der Ortungsdaten verantwortlich war und deshalb ebenfalls über eine Direktverbindung zur Ortungszentrale verfügte, bestätigte Emersons Beobachtungen. Inzwischen hatte das 250 m durchmessende Freihändlerschiff sich der Sonne noch mehr genähert. Offenbar wollte es den Stern zwischen sich und die CREST V bringen.

Der gegenwärtige Kommandierende Offizier beschloss, einen Boten zur Sicherheitszentrale zu schicken, um Lasitus Strader über die veränderte Situation zu informieren. Dass der Kommandant inzwischen in der Rechenzentrale war, wusste außer Emerson in der Kommandozentrale niemand. Deshalb bot sich der Veego sogleich an, diesen Auftrag zu übernehmen. Nur er hatte überhaupt eine Chance, an den Robotern vorbeizukommen.

Nach kurzem Zögern willigte der derzeitige Kommandant ein, und Emerson machte sich auf den Weg. Eine Waffe trug er nicht, denn die hätte ihm gegen die Roboter sowieso nichts genützt, sondern ihn höchstens in Schwierigkeiten gebracht. Nach kurzer Zeit hatte er die Rechenzentrale erreicht, ohne von einem der vielen Robotern auf den Gängen bemerkt zu werden. Dank seiner Gabe des »Kurzen Blickes« war das für ihn kein Problem gewesen, nun musste er nur noch einen unbewachten Eingang finden. So vorsichtig und leise wie möglich schlich Emerson weiter und betrat schließlich die Rechenzentrale.

Überrascht starrten die Anwesenden Emerson an, als der so unerwartet durch dasselbe Schott auftauchte, das vor über einer halben Stunde von Gonozal und seinen Männern benutzt worden war. Sofort ging der Veego zu Kommandant Strader und unterrichtete ihn über den Vorfall mit dem Freihändlerschiff.

Krankenstation (BZ: 15:28 bis 16:30 Uhr)

Seit über einer Stunde wartete Allan, und langsam wurde er nervös. Zum 37. Mal in den letzten 5 Minuten blicke er zum Schott des Psychotronischen Behandlungsraum, und seufzte. Ja; er wusste das Bewustseinsstrukturmanipulationen eine komplizierte und riskante Sache waren, und ja, er wusste das diese Dinge ihre Zeit brauchten, und ja, er wusste das die Ärztin nicht gestört werden durfte, aber langsam wurde er nervös. Vor allem da er Zeit zum Grübeln hatte, und sich immer mehr überlegte was seine Adoptivtochter mit diesem jungen Sicherheitsoffizier zu schaffen hatte.

Er kam sich schäbig vor, dass er sie mit solch Misstrauen betrachtete, aber auf der anderen Seite stand seine Erziehung, welche für terranische Sicht teils regelrecht steinzeitliche Werte enthielt und so gut kannte er Kiril nun auch noch nicht. Er dachte daran, das Kiril in einer noch viel unterdrückteren Gesellschaft aufgewachsen war und nach seiner Einschätzung noch viel größere Anpassungsprobleme hatte. Einer der Medooffiziere hatte Allan angesprochen, dass es wohl einige des Medopersonals gab, welche von den Sicherheitsrobotern angegriffen worden waren. Auch darüber, und was diesen Verhaltenswechsel ausgelöst hatte, grübelte er seitdem.

Krankenstation (BZ: 16:00 Uhr)

Dr. Drake war immer noch mit der Behandlung von Sybille, der angeblichen Tochter der Freifahrerkaptitänin Chiara Karadin beschäftigt. Obwohl die Patientin »nur« einen Paralysestrahl von einem Sicherheitsrobot abbekommen hatte, war der Zustand besorgniserregend. Sie bekam nur am Rande mit, dass der 1. Offizier sie sprechen wollte, aber die Patienten gingen vor.

Bei der nächsten Besprechung mit Dr. Steel muss ich diesen Punkt sowieso ansprechen, mir persönlich sind immer zu viele Fremde auf der Station. Es sollten nur Patienten oder Pflegepersonal hier sein, dachte Drake.

Brücke der HUITZILOPOCHTLI (BZ: 16:30 Uhr)

Natalie starrte gebannt auf den großen Schirm, der die Informationen übertrug. Sie hatten es tatsächlich geschafft, und eine Sonde gefunden. Nun sah sie zu, wie sie langsam von zwei Gleitern in den Hangar geschleppt wurde. Die erste Untersuchung würde hier an Bord stattfinden, die zweite, ausführlichere auf der CREST. Aber immerhin, sie hatten etwas gefunden.

Es war beinahe unerträglich zu warten, bis die Sonde endlich im Schiff war, denn nun war Natalies Neugier geweckt. Sie atmete zweimal tief durch und faltete ihre Hände, weil sie befürchtete, sonst wie ein junges Mädchen am ersten Schultag auszusehen, was natürlich irgendwie lächerlich war. Schließlich hatten sie ihre Sonde im Schiff und Natalie rief: »Schicken Sie eine Nachricht an die CREST und bringen Sie uns zurück! Ich würde gerne auf dem Schiff zu Abend essen!«

Ihre Aussage rief ein kleines Lachen bei einigen Crewmitgliedern hervor, doch alle beeilten sich, ihren Wunsch zu erfüllen.

Positronikzentrale (BZ: 16:32 bis 16:35 Uhr)

Captain Strader wunderte sich etwas als das Schott wiedermal aufging und diesmal ein Galaktonautischer Offizier erschien, und ihm die Meldung erstattete, dass das Freihändlerschiff manövrierte. Er erteilte dem Offizier Order die Meldung an den ersten Offizier weiterzugeben und schickte ihn somit zur Hauptkrankenstation, während er selbst sich auf den schnellsten Weg zur Zentrale machte.

Rechenzentrale (BZ: 16:35 Uhr)

Sofort nachdem er den Befehl erhalten hatte, machte sich Emerson auf den Weg und verließ die Rechenzentrale durch dasselbe Schott, das er beim Eintreten benutzt hatte. Nach kurzer Orientierung strebte er der Krankenstation entgegen, wobei er ständig auf die überall präsenten Roboter achten musste. Unterwegs fand er mehrere der Leute von der Krankenstation, die eine Funkbrücke hatten aufbauen sollen, paralysiert am Boden liegen. Da er sie nicht den ganzen Weg mitnehmen konnte, schloss er zumindest ihre Augen, um deren Austrocknung zu vermeiden. Schließlich erreichte er die Hauptkrankenstation und machte dem Ersten Offizier da Gonozal Meldung.

Dann schnappte Emerson sich einen ertrusischen Pfleger, der gerade nichts zu tun hatte, und führte ihn auf Schleichwegen zu den Paralysierten, die der Extremweltler aufnahm und zur Krankenstation schleppte. Nach etwa 20 Minuten waren so alle Vermissten geborgen, nur die Medoroboter fehlten noch. Doch für die Maschinen wollte der Veego kein solches Risiko eingehen, denn nicht einmal er konnte den fehlgesteuerten Robotern ständig ausweichen.

Krankenstation (BZ: 17:05 Uhr)

Mittlerweile war auf der Krankenstation der »Teufel los«, durch die Initiative von Major Emerson wurden die Paralysierten endlich geborgen und konnten auf der Station versorgt werden. Doktor Tsuran hatte sich auch von dem Paralyseschock erholt und war richtig in seinem Element, er scheuchte Ansons Jargo und Bimmel-Bammel von einer Ecke der Krankenstation in die andere, er vergaß dabei sogar, dass sein »Intimfeind« Robert Alun auch hier war.

Krankenstation (BZ: 17:08 Uhr)

Erst nachdem er sich davon versichert hatte, dass alle Paralysierten behandelt wurden, leistete sich Emerson eine kleine Pause und setzte sich in eine abgelegene Ecke der Krankenstation.

Doch auf einmal sprang der Veego wieder auf, denn ihm war siedend heiß eingefallen, dass er jetzt in der Kommandozentrale gebraucht wurde. Falls das Freihändlerschiff mit Überlichtgeschwindigkeit zu fliehen versuchte, musste er einen Verfolgungskurs berechnen. Also verließ Emerson schleunigst das Krankenrevier und eilte durch die Schiffskorridore.

Kommandozentrale (BZ: 17:15 Uhr)

Gerade hatte Oberst Strader befohlen das Freihändlerschiff aufzuhalten, welches sich in den letzten Stunden langsam in Richtung einer allein stehenden Sonne zurückgezogen hatte. Jean Stiletto, der erste Emotionaut hatte das Treiben des Freihändlers schon eine ganze Weile beobachtet, daher kam der Befehl das Schiff zu stoppen für ihn nicht überraschend. Mit einem routinierten Griff zog er seine SERT-Haube über seinen fast kahlen Schädel. Kaum hatten sich die Kontakte für die Simultane Emotio-Reflex-Transmission mit seinen Gehirnströmen synchronisiert, erwachten auch schon die Triebwerke zu donnerndem Leben. Mit einem einzigen Gedankenbefehl brachte er sie auf volle Leistung und die CREST V schien für einen außenstehenden Beobachter einen Satz in Richtung des Freihändlerschiffes zu machen.

Er ließ das Ultraschlachtschiff weiter beschleunigen und brachte es auf Parallelkurs. Nach nur einigen Sekunden Beschleunigung bremste er das Schiff mit den gleichen atemberaubenden Werten wieder ab, um die Geschwindigkeit an den Freihändler anzupassen. Bis auf wenige hundert Meter manövrierte er die CREST V an das andere Schiff heran.

Na wenn das die da drüben nicht beeindruckt hat, dann weiß ich auch nicht, dachte er bei sich. Doch er sollte sich getäuscht haben. Denn erst nachdem Oberst Strader einige Warnschüsse abgeben lies leistete der Freihändler den Befehlen folge und begab sich in Begleitung der CREST zurück an die ursprüngliche Position wo das Springerschiff wie angeordnet wartete.

Kommandozentrale (BZ: 17:16 Uhr)

Ohne Zwischenfälle erreichte Emerson die Kommandozentrale und trat ein. Als erstes erstattete er dem Kommandanten Bericht, dann nahm er seinen Platz am Navigationsterminal wieder ein.

Von einem Nebenmann erfuhr Emerson, was während seiner Abwesenheit alles vorgefallen war. Kommandant Strader hatte vom Kommunikationsoffizier Daniel Wilford bereits mehrere Funksprüche an das Freihändlerschiff richten lassen, bisher jedoch noch keine Antwort erhalten. Schließlich hatte sich Strader gezwungen gesehen, den bisherigen Standort zu verlassen und dem Raumer zu folgen, nicht ohne vorher die Springer ausdrücklich vor ähnlichen Sperenzchen zu warnen.

Dann war der Erste Offizier da Gonozal kurz in der Kommandozentrale aufgetaucht, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. Und so strebten die beiden Kugelraumer dem namenlosen Stern entgegen. Es sah ganz so aus, als wollten die Freihändler die Flucht antreten, obwohl ihre Kommandantin sich noch an Bord der CREST V befand. Sie reagierten nach wie vor nicht auf Funksprüche, und ihr Manöver glich eher einem langsamen Davonstehlen als einer Flucht. Was der Zweck der ganzen Aktion sein sollte, war Emerson völlig unklar.

Krankenstation (BZ: 16:30 bis 17:30 Uhr)

Allan wurde langsam etwas ungeduldig, denn er wartete nun schon eine beträchtliche Zeitspanne. Zwischenzeitlich hatten die Triebwerke einen Moment gefeuert, und Allan war zur Zentrale geeilt, wo er erfahren hatte, dass der Kommandant eine Positionsänderung als Antwort auf die Manöver des Freihändlerschiffes angeordnet hatte. Da Strader alles unter Kontrolle zu haben schien war Allan wieder zurückgegangen.

Dies war relativ einfach, da man inzwischen einen Überblick über die Positionen der Sicherheitsroboter hatte, und diese das Gebiet nur unzureichend abdecken konnten. Das alles wies immer stärker auf ein Überbleibsel eines nie gestarteten Plans der Saboteure hin. Es war 17:00 Uhr als Mrs. Drake endlich Zeit fand mit Allan D. Gonozal zu reden, und sie war reichlich ungehalten. Alles was Allan sie fragen wollte war wie es um ihre Patientin stand.

Wütend ging Dr. Drake ging zu dem Ersten Offizier und fragte: »Was wollen sie von mir Oberstleutnant Gonozal? Wissen sie eigentlich, dass das hier eine Krankenstation ist? Wissen sie wie viele Leute heute hier waren, die weder krank noch verletzt waren? Durch diese »durchgedrehten Robots« ist das Revier voller Patienten und IHRE Leute standen nur im Weg! Ich werde dem Kapitän eine schriftliche Beschwerde vorlegen und ich werde fordern, dass genau festgestellt wird, warum so viele Leute paralysiert wurden! Schließlich kam es schon am Vormittag bei einer Besprechung zu solchen Fällen – waren sie da nicht der leitende Offizier!«

Gonozal war etwas verblüfft, auch von medizinischen Offizieren, mit ihren weitreichenden Befugnissen war er solches NICHT gewöhnt.

»Ja war ich und es wird bereits untersucht«, antwortete er ebenso barsch wie Dr. Drake, welche er aus der Zeit auf dem Planeten noch als eine sehr angenehme Person in Erinnerung hatte. Etwas versöhnlicher fuhr er fort: »Ich bin hier wegen ihrer Patientin Sybill, von ihrer Aussage hängt die baldige Beendigung des Belagerungszustandes gegenüber den beiden Schiffen in diesem System ab, und ich bin in ernster Sorge. Immerhin ist diese Art von Behandlung, nichts was man an Bord eines Schlachtschiffs jederzeit durchführt.«

»Zu dem Gesundheitszustand von unserer Patientin Sybille kann ich zurzeit nichts sagen, alles menschenmögliche wurde gemacht. Jetzt kann man nur noch abwarten und hoffen, dass sie geistig wieder vollkommen hergestellt wird. Ich werde es ihnen sofort melden, wenn sich ihr Gesundheitszustand stabilisiert hat.«, unterbrach ihn die Ärztin.

»Ich bitte darum«. Er hatte gehofft wenigstens eine detaillierte Prognose zu bekommen, aber unter den gegeben Umständen konnte er froh sein das die Frau Doktor nicht mit dem Skalpell auf ihn losging, falls man im Bordmuseum ein Skalpell vorrätig hatte.

»Herr Oberstleutnant ich muss wieder zu meinen Patienten, schließlich sind auch Pflegekräfte unter den Patienten, da wird jede Hand benötigt.«

Dr. Drake drehte sich um und ließ einen verdutzten Ersten Offizier zurück.

Eigentlich kann er ja auch nichts dafür, aber ich musste mir einfach Luft machen, dachte Patricia Drake.

Kabine, Gang (BZ: etwa 17:30 Uhr)

Nachdem das »System« zusammengebrochen war saß Kiril nägelkauend in ihrer Kabine und harrte der Dinge, die eigentlich kommen sollten. Es geschah aber nichts. Und als sie keine Lust mehr hatte über Agnus, Allan und andere beunruhigende Dinge nachzudenken, beschloss sie zu lauschen. Schon eine geraume Weile schien sich auf den Gang nichts mehr zu regen. Was Kirils Angst keinesfalls schwächte. Und es konnten nur Angst und stundenlanges, sinnloses Warten sein, was sie veranlasste ihre Tür per Hand zu öffnen und auf den Gang zu treten. Die ersten Meter war nichts zu sehen, dann jedoch sah sie einen Roboter langsam um die Ecke kommen.

Kirils Verstand schien nach einer so langen Pause auszusetzen, sie drehte sich auf der Stelle um und rannte los. Und das schien sie zu einer undefinierbaren Gefahr zu machen. Der Roboter tat, was er für richtig hielt. Kiril spürte ein Ziehen im Rücken, was sich unangenehm in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Dann schienen alle Muskeln gleichzeitig zu versagen. Ihr vollkommen wacher Geist bemerkte mit Schrecken, dass sie wie ein Sack zu Boden fiel. Hart schlug sie auf, dabei biss sie sich auf die Lippe. Sie schmeckte Blut und versuchte auszuspucken. Bäuchlings lag sie mitten im Gang, ihr Blickfeld beschränkte sich auf den unteren Teil der Wand. Ein taubes Gefühl machte sich in ihr breit und dann spürte sie Panik, als sie merkte, dass sie ihre Augen nicht mehr schließen konnte.

Anthea eilte leise vor sich hin fluchend durch die Gänge. Sie hatte zwar dienstfrei, trotzdem war ihr der Ausfall der Systeme äußerst ungelegen gekommen. Da sie keine Informationen hatte, was geschehen war, machte sie sich also selbst auf den Weg zu ihrem Posten, um dort mitzuhelfen, falls nötig. Die Gänge waren absolut menschenleer, was Anthea misstrauisch machte. Von welcher Gefahr konnte man ausgehen? Warum hatte sie mal wieder nichts mitbekommen? Das ärgerte sie maßlos. Sie bog gerade um eine Ecke, als sie ein junges Mädchen – es konnte sich nur um die Ziehtochter des ersten Offiziers handeln – sah, dass vor einem Roboter stand. Wie kam der hierher? Und warum zielte er mit einer Paralysewaffe auf sie? Kiril drehte sich um und rannte direkt auf sie zu, obwohl sie sie nicht sehen konnte, denn sie war immer noch hinter der Ecke und schaute nur hervor. Doch bevor Kiril sie erreichte, sackte sie, vom Paralysestrahl getroffen, zusammen.

Anthea konnte sich einen weiteren Fluch gerade noch verkneifen. Nun hieß es nachdenken! Sie rannte so schnell sie konnte den Gang wieder hinunter und zwängte sich in eine kleine Nische. Da konnte sie den Roboter auch schon hören, der auf seiner Mission – wie auch immer die aussehen mochte – den Gang durchquerte. Anthea hielt die Luft an. Sie hatte absolut keinen Bedarf, auf einem vollkommen leeren Gang paralysiert zu werden. Mit quälender Langsamkeit fuhr der Roboter an ihr vorbei. Anthea wartete, bis er außer Hörweite war, dann atmete sie langsam aus und wieder ein, spähte aus ihrem Versteck hinaus und trat dann auf den Gang. Sie hoffte wirklich sehr, dass ihr kein weiterer Roboter begegnete. Mit langen, schnellen Schritten, war sie bei der bemitleidenswerten Kiril angekommen. Paralysiert zu werden war wirklich kein schönes Gefühl. Vorsichtig schloss sie ihr die Augen, damit diese nicht austrockneten, dann fragte sie sich, wie sie Kiril auf die Krankenstation bringen sollte. Ob sie sie tragen konnte? Wohl kaum, dachte sie, als sie an ihrer kleinen Gestalt hinunter sah und rief kurz darauf einen Medorobot.

Dieser – und noch ein weiterer – kamen, versorgten Kiril und legten sie auf eine Antigravbahre. Anthea folgte ihnen auf die Krankenstation, vielleicht konnte man ihr da sagen, was überhaupt hier geschah. Auf dem Weg hielt sie sich jedoch immer schön im Schatten der beiden Medorobots, denn sie wollte nicht die nächste sein, die auf einer Bahre in die Krankenstation kam. Schließlich kamen sie an und betraten die Krankenstation.

Anthea wunderte sich über die Geschäftigkeit hier.

Seltsam, dachte sie sich und vermerkte es sich geistig unter »noch in Erfahrung zu bringende Dinge«, als sie auf einmal mit einer Person, die offensichtlich die Krankenstation verlassen wollte, zusammen. Erschrocken sah sie zu der bestimmt zwei Köpfe größeren Person auf und erkannte den ersten Offizier. Sie wollte sich entschuldigen, doch Allan hatte seine Aufmerksamkeit schon auf Kiril gerichtet. Er schien noch blasser zu werden, als er ohnehin schon war.

Anthea biss sich auf die Unterlippe. Das war wirklich ein schlechtes Timing, auf die nun mit absoluter Sicherheit folgende Unterredung konnte sie sehr gut verzichten.

Krankenstation (BZ: 17:55 Uhr)

Allan da Gonozal hatte gerade Kurs auf das Hauptschott der Krankenstation gesetzt und bewegte sich darauf zu, als dieses sich öffnete und eine Bahre von 2 Krankenpflegern und einer jungen Frau in Begleitung eines Medorobots reinbugsiert wurde. Allan nickte grüßend den beiden Medotechnikern zu und wollte eigentlich nur an diesen vorbeigehen als sein Blick auf das Gesicht der geschockten Person fiel.

»Kiril«, entfuhr es ihm. Einer der Mediker schob ihn beiseite, und Allan lies es geschehen. Er kannte die Kleine ja eigentlich erst seit nicht mal einem Monat, aber er hatte Verantwortung für sie, sie lieb gewonnen, und in dieser Situation schlugen seine Vaterinstinkte voll zu. Er machte sich WIRKLICH Sorgen. Er hatte nicht mal gewusst, dass er so fühlen konnte.

Die Medtechs waren unkooperativ, und Allan wollte sie auch nicht abhalten Kiril zu behandeln. Nachdem die Antigravbahre in einem der Behandlungsräume verschwunden war wandte Allan sich an die junge Frau, deren Rangabzeichen sie als Unteroffizier auswies. Sie kam ihm vage bekannt vor.

»Was ist ihr passiert? Mrs …« Sein Blick viel auf das Namensschild auf ihrer Uniform »Mrs. Ernchester? Haben sie es mitbekommen?«

Anthea war für einen Augenblick zu überrascht, um zu antworten. Warum musste sie gerade IHM in die Arme laufen? Dann aber wies sie sich zurecht; Sie hatte schon Schlimmeres durchgestanden, denn für Probleme hatte sie ja ein Talent. Sie war wie ein Magnet.

Also seufzte sie und sagte: »Nun, als ich den Gang entlang lief, sah ich sie direkt in der Mitte des Ganges, direkt vor ihr stand einer der Roboter. Ich weiß nicht wieso, doch sie drehte sich um und rannte auf mich zu, und wurde dafür vom Roboter paralysiert. Ich weiß wirklich nicht, was mit den Robotern los ist, aber es kann sein, dass ich etwas verpasst habe, da ich eigentlich dienstfrei habe. Nun, ich habe die Erstversorgung durchgeführt, zwei Medoroboter gerufen und bin mit ihr hierher. Das ist soweit alles.«

Nach diesem Redeschwall holte sie erst einmal tief Luft und wartete, unruhig von einem Bein auf das andere tretend, auf eine Antwort.

Allan gab sich mit dem kurzen Bericht zufrieden, er war sowieso abgelenkt und wollt eigentlich seiner Adoptivtochter beistehen, aber die Medotechniker wollten ihn erst nicht durchlassen. Dies zog sich dahin, bis er drauf drängte. Mit dem Hinweis das er »Draußen« noch wesentlich störender wäre und die Kleine doch nicht wisse was ihr passiert sei – Allan verzichtete absichtlich darauf seinen Rang auszuspielen, denn das Medopersonal machte ja eigentlich nur seine Aufgabe und das GUT.

Allan hatte genug leidvolle Paralyseerfahrungen um zu erahnen welch schreckliche Qualen der paralysierte Zustand für Kiril darstellte, da sie ja nicht wusste was ihr geschehen war. Sie lag da, unfähig irgendeinen Muskel willkürlich zu bewegen, mit zu ihrem Schutz geschlossenen Augen, war aber bei vollem Bewusstsein …

Er trat an die Antigravliege und strich ihr über das Haar, und flüsterte ihr ins Ohr: »Kiril, die Starre fällt bald wieder von dir ab, es ist wirklich nichts schlimmes«, versuchte er sie zu beruhigen. »Die Ärzte hier werden dir gleich helfen, da darf ich nicht dabei sein, aber ich komme danach wieder!«, versprach er ihr und verließ dann auf Drängen des behandelnden Arztes den Raum.

Krankenstation (BZ: 18:00 Uhr)

Nachdem die »Kranken« alle versorgt waren ging Bimmel-Bammel zu Ansons Jargo und sagte: »Wenn wir aus dieser Sch … heil rauskommen, gebe ich heute nach Dienstschluss eine Riesenparty! Dann köpfen wir eine Flasche von meinen Geheimvorrat.«

»Du willst also wirklich eine Flasche Whisky spendieren oder wieder nur Vurguzz?«, erwiderte Jargo.

Bimmel-Bammel: »Nein, natürlich Whisky! Heute ist vielleicht noch ein Tag zu feiern.«

»Java«, das hast du letztes Mal auch gesagt, dachte Jargo, und mir dann beim fünften Glas Vurguzz eingeschenkt, und uns einen Vortrag über die »guten politischen Richtungen des 20. Jahrhunderts« gehalten. ABER diesmal säufst du Vurguzz!

Bimmel-Bammel: »Jetzt sollten wir aber das Thema wechseln, unser Erster Offizier steht da nur in der Ecke und beobachtet alles, der wird doch nichts von meinem Geheimvorrat wissen?«

Sicherheitszentrale (BZ: 18:05 Uhr)

Sulae starrte konzentriert auf den Bildschirm und fragte sich, ob sie jemals etwas finden würde. Zeile um Zeile huschte an ihrem Auge vorbei, doch nichts, das ihr helfen würde. Es war frustrierend. Am liebsten würde sie ihrem Extrasinn einen eigenen Körper geben und die Suche ihm zuweisen.

Das hättest du wohl gerne!, meinte Shalannan nur dazu.

Ja, antwortete sie. Das hätte ich wirklich gerne. Aber nur manchmal, fügte sie lächelnd hinzu.

Der Extrasinn gab sich zufrieden und half ihr weiter bei der Suche. Auf einmal erzitterte der Boden unter ihr. Es war nur ein leichtes, kaum spürbares Zittern, aber sie fühlte es. Es ließ sie aus ihrer eintönigen Starre hochschrecken.

Was war das?, fragte sie mehr sich selbst.

Der Extrasinn antwortete dennoch: Willst du meine Meinung dazu hören? Ich bin mir nicht sicher, aber es könnten unsere elektronischen Freunde gewesen sein.

Die Roboter! Wenn das wirklich wahr war, wurde die Zeit knapp. Sofort stand sie auf und rief zu der überraschten Mannschaft: »Alle Mann in ihre Kampfanzüge und an die Waffen. Es scheint, als bekämen wir demnächst Besuch!«

Sie war überrascht, wie prompt ihre Untergebenen reagierten. Sofort verwandelte sich die gesamte Sicherheitszentrale für einen ungeübten Betrachter in einen Ameisenhaufen, doch sie wusste, dass die Leute ihre Befehle in Windeseile ausführten und sich bereit machten. Niemand von ihnen wusste, wie stark die Bedrohung nun wirklich war, wie viele Roboter kommen würden, und welcher Art diese waren. Sie selbst hatte bereits ihren Kampfanzug an und trug ihre Waffe, daher hatte sie Zeit, die Vorbereitungen zu beobachten und über die Präzision ihrer Mannschaft zu staunen.

Du hattest noch nie so eine gut trainierte Mannschaft, meinte Shalannan dazu. Glückwünsche an deinen Vorgänger.

Sie erkannte das mit einem gedanklichen Nicken an und beschloss, die Mannschaft bei Gelegenheit zu loben. Falls sie den heutigen Tag überlebten. In all dem Durcheinander sah sie nicht, dass eine Tür zur Sicherheitszentrale aufging und eine Person hinein stürmte. Shalannan machte sie darauf aufmerksam, sodass Sulae schnell zu der Person eilte, die außer Atem vor ihr stehen blieb, sich dann aber zusammen riss und salutierte.

Es war einer der »Vorposten«, die wegen der mangelnden Kommunikation aufgestellt worden waren, um Nachrichten zu überbringen. »Die ersten Roboter haben soeben die Sicherheitsabsperrung durchdrungen und sind auf dem Weg hierher.«

Der Bote wollte gerade wieder verschwinden, und murmelte etwas von: »Ich muss weiter, die Nachricht überbringen«, doch sie hielt ihn zurück.

»Sie können da jetzt nicht mehr hinaus. Die Roboter sind schon auf dem Weg hierher, das haben Sie selbst gesagt.«

»Ja, aber ich weiß, wo sie sind, weil ich weiß, wie schnell sie sich bewegen. Keine Sorge, ich komme schon durch. Und selbst wenn nicht, bisher haben sie noch niemanden erschossen, nur immer betäubt.«

Zögernd nickte Sulae und ließ ihn gehen.

»Alle mal herhören!«, rief sie dann durch die Sicherheitszentrale, selbst überrascht, wie laut ihre Stimme sein konnte. Wahrscheinlich ein Überbleibsel ihrer Gesangsausbildung, die sie mehr als gehasst hatte.

»Sie alle haben den Boten gesehen, der hier eben hinein stürmte. Die Roboter sind auf dem Weg hierher. Wir werden zuerst versuchen, sie zurückzuschlagen. Doch wenn dies fehlschlägt, werden wir uns ergeben müssen, so lauten die Befehle. Noch Fragen?«

Ziemlich viele Augenpaare starrten sie an, doch niemand hob seine Stimme. »Dann wünsche ich uns allen viel Glück!«

Alle liefen auf die Positionen, die ihnen laut Plan zugewiesen waren. Sulae hatte gleich zu Beginn ihres Amtsantritts mit einigen länger gedienten Sicherheitsoffizieren, die den Rest kannten, einen solchen Plan aufgestellt und dafür gesorgt, dass alle ihn kannten. Nun würde sich zeigen, wie gut er war.

Eine nervöse Spannung machte sich in der Zentrale breit, während alle warteten und auf die Eingänge starrten, wann sich diese unheilvollen Tor öffnen und Feuer spucken würden.

Sehr poetisch, Sulae, sehr poetisch!, sagte Shalannan lachend. Ist dir eigentlich noch nie aufgefallen, dass du lyrische Fähigkeiten immer nur in solchen Momenten zeigst?

Sulae schüttelte nur den Kopf – wie konnte ihr Extrasinn nun an so etwas denken? Schließlich öffneten sich die Türen wirklich und gaben den Blick auf einige Roboter frei. Sulae nickte denen, die neben ihr in Deckung hockten, zu.

Kurz darauf begann das Gefecht.

Krankenstation (BZ: 18:05 Uhr)

Obwohl Dr. Tsuran am Vormittag von einem Sicherheitsrobot paralysiert wurde, versieht er seinen Dienst auf der Krankenstation (es waren ja auch noch andere Personen paralysiert worden). Er hatte aber nicht vergessen, dass ein Krankenpfleger namens Bimmel-Bammel ihn zur Krankenstation transportiert hatte – ohne auf seine Gesundheit zu achten.

»Ich muss mich bei Bimmel-Bammel noch bedanken, wer weiß was alles geschehen hätte können. Schließlich habe ich ihn gestern wieder abmahnen müssen, weil er die Routinekontrolle der Arzneibestände auf den Korvetten nicht ordnungsgemäß erledigt …«

Ein Knall riss ihn aus seinen Gedanken. Er schaute auf und sah eine fast komische Szene (wenn Dr. Tsuran Humor besäßen hätte).

BZ: ein paar Minuten davor

Bimmel-Bammel war gerade damit beschäftigt die medizinischen Abfälle zu entsorgen (es war eine »kleine Strafarbeit«, von Dr. Tsuran beauftragt, weil er eine Routinekontrolle schlampig erledigt hatte). Um schnell diesen lästigen Auftrag zu erledigen hatte er mehrere Pseudo-Arme gebildet und jonglierte damit in Richtung Abstellraum für Abfälle. Die Tür öffnete er mit einem neuen Pseudo-Arm und stieß mit der Tür einen Stapel Kompressen, den er auf einem anderen Arm hielt, um. Jetzt wollte er natürlich verhindern dass das Zeug auf den Boden fiel und versuchte mit den anderen Armen darauf zuzugreifen. Das Resultat: Auf einmal stand er mitten in dem ganzen Abfall!

Patricia Drake hatte sich wieder ihrer Patientin Sybille zugewandt und verglich die Gehirnstromaufzeichnungen der letzten 2 Stunden, als ein »Knall« sie zusammenzucken lies. Erschrocken schaute sie sich um.

Was ist den jetzt schon wieder los?, dachte sie. Sie sah Bimmel-Bammel inmitten von dem medizinischen Abfall, den er eigentlich wegtragen hätte sollen. Es sah zu komisch aus! Sie musste trotz der gegenwärtigen schwierigen Situation lachen und so lösten sich ihre inneren Verspannungen und der Groll, den sie gegen Allan Dean Gonozal noch so ausgelebt hatte. Dr. Tsuran fand das alles gar nicht so witzig, er hielt Bimmel-Bammel wieder eine Strafpredigt über sein »schlampiges« Verhalten und seine »schlechte« Arbeitsmoral …

13. Endlich vorbei

Kommandozentrale (BZ: gegen 18:00 Uhr)

Seit ein paar Stunden waren Oberstleutnant Don Hawk und seine Leute damit beschäftigt »SUN TZU« wieder zum laufen zu bringen und das »rätselhafte« Zusatzgerät aus der Konsole zu entfernen. Am Anfang war es nur eine Vermutung, dass dieses Gerät dafür verantwortlich war, dass auf einmal Robots aufmarschierten und die Schiffsführung in so arge Verlegenheit stürzten. Aber je länger die Konsole mit dem Bauplan verglichen wurde desto sicherer wurde Don Hawk.

Theoretisch war es ja einfach: Alle Verbindungen von der Konsole zu dem Zusatzteil »kappen« und dann müsste alles wieder laufen. Aber das Teil war so in der Konsole versteckt worden, dass man mehrere Stunden beschäftigt war verschiedene Verkleidungen zu entfernen und wichtige Verbindungen zu überbrücken.

Jetzt war es endlich soweit! Das Teil war freigelegt und Don Hawk war bereit alle Verbindungen zu kappen.

Was ist wenn diese Verrückten noch eine kleine Sprengladung angebracht haben, wenn ich dieses Teil abmontiere?, dachte Oberstleutnant Hawk als er begann. Wenn wir nur wüssten ob wir uns auf die anderen Wartungsrobots verlassen könnten, dann müsste ich nicht hier liegen 

Kommandozentrale (BZ: ein paar Minuten später)

Schweißgebadet robbte Don Hawk aus der Konsolenverkleidung heraus. »Oberst Strader, das rätselhafte Zusatzteil ist abmontiert. Es ist inaktiv, die Robots müssten jetzt deaktiviert sein.«

Sicherheitszentrale (BZ: 18:15 Uhr)

Sulae saß hinter einer Konsole, die sie als Deckung nutzte, und kaute auf ihrer Unterlippe – sie hatte einmal einen menschlichen Kameraden gehabt mit dieser Angewohnheit, und irgendwie hatte sie es sich abgeschaut.

Nun ja, seit einer ganzen Weile waren sie hier gefangen. Die Roboter standen in der Nähe der Tür, die Crew der Sicherheitszentrale saß in Deckung und wartete. Einerseits konnten sie die Roboter angreifen, was dann einer direkten Befehlsverweigerung gleich käme, oder sie konnten die Situation aussitzen und warten, dass sich die Roboter deaktivierten. Allerdings war diese Hoffnung ziemlich klein, musste sie sich eingestehen, während Shalannan ihr die statistischen Wahrscheinlichkeiten vorpredigte.

Als sie ihren Extrasinn gereizt zur Ruhe aufforderte, meinte der nur als Erwiderung: Ich weiß gar nicht, was du hast, meine Liebe. Dafür bin ich doch, per Definition, da. Und du mach endlich irgendwas, ich werde hier noch verrückt! Wenn du noch lange untätig hier sitzen bleibst, übernehme ich wieder!

Sulae wusste, dass das eine ernst zu nehmende Drohung war, und sie wusste auch, dass sie sich genau jetzt nicht darauf einlassen konnte. Wäre Shalannan eine Person gewesen, hätte sie dieser jetzt einen wahrhaft mörderischen Blick zugeworfen, aber so blieben nur die armen Untergebenen, die neben ihr saßen und gar nicht wussten, warum sie so grimmig aussah.

»Keiner schießt! Das ist ein Befehl! Sollte es doch jemand tun, werde ich ihn persönlich verhaften, sofern wir dann noch leben«, rief sie in die Sicherheitszentrale hinein und lauschte dem Schall, der wohl überall hier zu hören war.

Sie entschied sich also zu warten und weiter auf ihrer Unterlippe zu kauen. Shalannan würde sich schon wieder einkriegen. Auf einmal hörte sie eine Bewegung in ihrer Nähe, kurz darauf einen Schrei und einen Schuss. Vorsichtig und mit Waffe im Anschlag spähte sie über die Konsole hinaus und sah, wie einer ihrer Männer paralysiert auf dem Boden lag. Weitere Sicherheitsmänner schossen, wurden teilweise paralysiert oder konnten sich noch in Deckung bringen.

Nun trat auch der Rest der Roboter langsam nach vorne.

Mist!, dachte Sulae.

Das trifft es genau, antwortete Shalannan. Zwei Möglichkeiten – ergeben oder kämpfen.

Sulae nickte nachdenklich und war sich der Blicke der Sicherheitsoffiziere in ihrer Nähe nicht mehr bewusst. Weitere Schüsse zischten durch die Zentrale. Als sie gerade ihre Stimme erheben wollte, um das Ergeben zu befehlen, erstarb jegliches Geräusch. Im ersten Moment war sie zu überrascht und vergaß zu atmen, dann wagte sie einen zweiten Blick über den Rand der Konsole. Die Roboter waren stehen geblieben, ohne ersichtliches Lebenszeichen.

Was ist nun los?, fragte sie mehr sich selbst, doch Shalannan antwortete:

Entweder die Roboter stellen euch eine Falle, indem sie euch in Sicherheit wiegen, was ich allerdings bei dem durchschnittlichen IQ der Roboter stark zu bezweifeln mag, oder jemand hat sie abgeschaltet.

Die zweite Möglichkeit gefiel Sulae ausgesprochen gut.

»Alle bleiben in Deckung, bis wir Klarheit haben, keiner rührt sich«, gab sie also ihre Befehle. »Jemand, der nahe einer Kommunikationskonsole sitzt, soll sehen, ob er eine Verbindung zur Zentrale bekommt und fragen, was los ist!«

Sie warteten also weiter. Nach einigen Augenblicken kam die Meldung eines Offiziers, als eine Art »stille Post« von Sicherheitsmann zu Sicherheitsmann weitergegeben, bis es bei ihr ankam, dass noch keine Verbindung da war.

»Also gut, dann können wir entweder hier sitzen bleiben oder nachsehen«, sagte sie zu denen, die nahe bei ihr saßen, und gab ihnen leise Befehle. Geschlossen wagten sie sich aus der Deckung hervor und inspizierten die Roboter. Diese waren tatsächlich abgeschaltet! Unmerklich atmete Sulae auf, und winkte die anderen Mitglieder der Bordsicherheit aus den Verstecken.

Lauthals gab sie ihre Befehle, um die Ordnung wiederherzustellen. Sie wies die Mannschaft an, ihre Arbeit wieder aufzunehmen, zu versuchen, eine Verbindung zu einer der anderen Zentralen, sei es die Kommando-, die Feuerleit- oder irgendeine andere Zentrale, aufzunehmen.

Africa Goimez kam zu ihr und meinte mürrisch: »Wir werden auch von Aufregung nicht verschont.«

Sulae runzelte nur die Stirn und schrieb sich eine geistige Notiz, das in einer ruhigen Minute einmal näher zu erfragen.

»Meinen Sie, wir können es wagen, ein Team zur Kommandozentrale zu schicken?«, fragte sie ihre Stellvertreterin stattdessen.

Diese hob nur die Schultern. »Wir wissen nicht, wie es woanders aussieht, und wir wissen nicht, warum der Angriff zu plötzlich vorbei war.«

»Was ist eigentlich passiert? Was hat die Schießerei ausgelöst? Ich konnte von meinem Standpunkt aus nichts sehen.«

»Wahrscheinlich hat irgendein Schwachkopf die Nerven verloren. Sie sollten ihn wirklich vors Kriegsgericht bringen, wegen Befehlsmissachtung, so einer hat auf einem Schiff nichts zu suchen.«

Sulae nickte nur unverbindlich. Die Maßnahme hielt sie für ein wenig sehr drastisch, aber im Grunde hatte Goimez recht: Sie musste sich auf ihre Leute im Ernstfall verlassen können.

»Nun gut, Sie kennen unsere Mannschaft besser. Stellen Sie ein Team von sieben Personen zusammen, leicht bewaffnet. Sie sollen zur Kommandozentrale hoch und sehen, was sie erfahren können. Sollten sie unterwegs bedroht werden, unbedingt ergeben.«

Africa nickte, eilte davon und bellte ein paar Namen in die Sicherheitszentrale hinaus. Nun hieß es wieder warten, dieses Mal jedoch auf Informationen. Sulae gefiel es absolut nicht, so untätig in der Zentrale zu sitzen und auf Nachricht zu warten. Sie rechnete aus, wie lange ihr Team wohl bis zur Zentrale brauchte – wenn sie überhaupt da ankämen.

Nach einer Weile des sturen Nachdenkens stand sie wieder auf und sah sich in der Zentrale um. Wieder musste sie darüber staunen, was ihr Vorgänger für eine erstaunliche Arbeit geleistet hatte. Die Mannschaft war ihrem Urteil nach sehr viel besser als ihr Ruf in der Flotte. Sie überlegte, noch ein weiteres Team auszuschicken, um ein paar Spezialisten für die Roboter herbei zu bringen. Doch das verwarf sie dann wieder, denn ihr fiel ein, dass noch drei Spezialisten für die Kampfroboter hier waren; sie waren vor dem Vorfall gekommen und hatten die Zentrale seitdem nicht mehr verlassen. Also ging sie zu ihnen, sie arbeiteten gerade mit einigen anderen an den Computersystemen, und gab entsprechende Befehle: Sie und einige der Sicherheitsoffiziere sollten sich die Roboter mal ansehen.

Seufzend überblickte sie das geschäftige Chaos. Jeder, der nicht Mitglied der Bordsicherheit war, würde sich hier wahrscheinlich hoffnungslos verlieren, doch Sulae sah dank ihrer Erfahrung, dass dennoch eine gewisse Ordnung herrschte.

Das ist auch gut so! Wenn nicht, solltest du sie bis an ihr Ende Sicherheitsübungen durchführen lassen; oder zumindest solange, bis sie es verstanden haben!, meinte Shalannan dazu. Sulae kommentierte die Bemerkung ihres Extrasinnes mit einem geistigen Lachen.

Shalannan hatte sich während der letzten Stunden verhältnismäßig ruhig verhalten und keine Probleme gemacht. Noch nicht einmal genervt hatte sie! Sulae hoffte zwar, dass das anhielt, doch sie bezweifelte es.

Shalannan lachte nur. So ist es richtig, ich würde mir nicht zu große Hoffnungen machen, wenn ich du wäre. Aber du wirst sicherlich verstehen, dass ich deinen hoch geschätzten Körper nicht wegen eines Spaßes riskieren werde. Schließlich lebe ich auch ihm.

Oh, wie uneigennützig!, kommentierte Sulae.

Eigentlich kam sie mit anderen Wesen recht gut aus, daher erstaunte sie es immer wieder, dass sie in den langen Jahren immer noch nicht so richtig gelernt hatte, mit Shalannan auszukommen. Vielleicht lag es daran, dass der Extrasinn in ihrem Hinterkopf gefangen war und gar nichts tun konnte, außer sie nerven – unter normalen Umständen jedenfalls nicht. Ob Shalannan einfach nur langweilig war? Sulae konnte nur raten, denn in dieser Hinsicht hielt sie sich immer sehr bedeckt. Mit einem Ruck riss sie sich aus der geistigen Konversation und machte sich auf einen Rundgang, um zu sehen, wie weit die einzelnen waren …

Rechenzentrale (BZ: 18:20 Uhr)

Zento spähte misstrauisch auf den Gang und sah dem Roboter in seine plötzlich erloschenen Augenlinsen. Plötzlich leuchtete neben ihm der Interkom auf. Er sah Oberst Strader auf dem Schirm. »Hier Kommandozentrale, Major Rutan, bitte melden!«

»Hier Rutan, Sir.«

»Oberstleutnant Hawk konnte eine verdächtige Box aus dem Diagnoseterminal entfernen, die aller Voraussicht nach die Ursache für den Roboteraufstand war. Können Sie überprüfen ob die Roboter jetzt deaktiviert sind?«

»Einen Moment, Sir.« Er ging zum Schott und trat auf den Gang hinaus, nicht ohne vorher den Schutzschirm zu aktivieren. Vorsichtig näherte er sich dem Roboter, dieser reagierte jedoch nicht. »Sir?«

»Ja, Major?«

»Die Roboter sind deaktiviert. Sie können ein paar Techniker schicken die sich Ihrer annehmen.«

»Danke, Strader Ende.«

Es dauerte noch ein paar Minuten bis zwei Robotiker mit einer Schwebeplattform kamen und den Kampfroboter bargen. Nachdem über sechs Stunden bangen Wartens vorbei waren begab sich der Ertruser in die Kantine um eine Kleinigkeit zu essen.

Kommandozentrale (BZ: 18:20 Uhr)

Kurz nach 18:15 Uhr stellte der Kommunikationsoffizier Daniel Wilford fest, dass ein Teil der Interkom-Verbindungen im Schiff wieder funktionierte. Wenig später kam ein Anruf vom Wissenschaftlichen Leiter Don Hawk aus dem Sicherheitsroboter-Lagerraum 20 herein, der offenbar zu dem Team gehörte, dass die Ursache für die Roboter-Rebellion herausfinden sollte. Er hatte ein im Diagnoseterminal verstecktes, fremdes Gerät entfernt und sprach die Hoffnung aus, dass die Roboter nun deaktiviert sein müssten. Sogleich versuchte Oberst Strader, eine Verbindung zu Zento Rutan in der Rechnerzentrale herzustellen, und es gelang auf Anhieb.

»Hier Kommandozentrale, Major Rutan, bitte melden!«

»Hier Rutan, Sir.«

»Oberstleutnant Hawk konnte eine verdächtige Box aus dem Diagnoseterminal des Roboterlagerraumes entfernen, die aller Voraussicht nach die Ursache für den Roboteraufstand war. Können Sie überprüfen ob die Roboter jetzt deaktiviert sind?«

»Einen Moment, Sir.«

Nach einiger Zeit meldete sich Rutan wieder. »Sir?«

»Ja, Major?«

»Die Roboter sind deaktiviert. Sie können ein paar Techniker schicken die sich Ihrer annehmen.«

»Danke, Strader Ende.«

Nach und nach kamen Meldungen von anderen Sektionen des Schiffes herein. Anscheinend hatten sich überall die durchgedrehten Roboter von allein deaktiviert. Der Kommandant nutzte die Gunst der Stunde und ließ die CREST V beschleunigen, um dem fliehenden Freihändlerschiff den Weg abzuschneiden.

Das war auch dringend an der Zeit, denn inzwischen hatten sie die fremde Sonne fast erreicht. Solange die CREST V nicht voll einsatzbereit war, hatte Strader ein solches Manöver nicht riskieren wollen, doch jetzt gab es keinen Grund mehr zum Zögern.

Als die Freihändler immer noch nicht umkehren wollten, ließ Strader die CREST V auf Parallelkurs gehen und befahl dann, mehrere Warnschüsse vor ihren Bug zu legen. Nun endlich gaben die Freihändler auf und kehrten zusammen mit der CREST V zur Ausgangsposition zurück, wo die Springer die ganze Zeit gewartet hatten.

Brücke der HUITZILOPOCHTLI (BZ: 18:30 Uhr)

Endlich kam die CREST in Sichtweite. Nicht, dass es Natalie nicht mehr erwarten konnte, doch sie wollte endlich wissen, was mit dieser Sonde los war! Das vorläufige Ergebnis lautete »nicht zu erklärende Anomalien in einigen Signaturen«. Ihr wissenschaftlicher Leiter hatte gesagt, das Ding sei entweder älter, als es eigentlich sein konnte, oder mit den Messgeräten stimmte was nicht. Natalie würde sie auf der CREST überprüfen lassen, denn sie wollte keine defekten Geräte an Bord der HUITZILOPOCHTLI.

Sie musste lächeln und sich an den Tag erinnern, als sie den Namen ausgewählt hatte. Er war ihre einzige Verbindung zu ihrer Heimat und sie mochte ihn! Trotzdem war es immer wieder lustig zu hören, wie sich ihre Crew oder die Mitglieder der CREST V vergeblich abmühten, ihn korrekt auszusprechen.

Eines beunruhigte Natalie jedoch: Warum hatten sie noch keine Nachricht von der CREST erhalten? Sie hatten zwei Mitteilungen abgesandt, doch noch nicht einmal eine Bestätigung erhalten. Nun ja, vielleicht gab es ein Problem mit der Kommunikation. Natalie sah von ihrem Platz aus zu, wie das Beiboot langsam in den Hangar steuerte und aufsetzte.

»Wieder daheim«, meinte Liam grinsend zu ihr, doch sie warf ihm nur einen sarkastischen Blick zu.

Dann machten die beiden sich auf den Weg, die Sonde von ihrem Beiboot zu bringen und ihren Vorgesetzten zu berichten …

Kommandozentrale

Gegen 18:30 Uhr meldeten die Orter der Außenbeobachtung, dass eine der ausgeschleusten Korvetten zurückgekehrt war. Es handelte sich um die HUITZILOPOCHTLI, die direkten Kurs auf die CREST V nahm. Da man sich nahe dem Zentrum der Milchstraße aufhielt, überraschte es keinen, dass man keinen Funkspruch von der Korvette empfangen hatte, mit dem sie ihre Rückkehr angekündigt hatte. Nachdem man die Korvette kontaktiert hatte, schickte man ein Peilsignal aus, das die HUITZILOPOCHTLI in einen der Hangars führte. Emerson war schon sehr gespannt darauf, was die Untersuchung der geborgenen Sonde erbringen würde.

Endlich wurde es ruhiger in der Zentrale und Jean schob die SERT-Haube zurück, um einen Blick auf die zahlreichen Schirme zu werfen, auf denen verschiedene Ausschnitte des Raumsektors zu sehen wahren. Hier in der Nähe der Galaktischen Zentrums standen die Sonnen schon recht dicht beieinander und strahlten miteinander um die Wette.

Wie sollen wir in diesem Durcheinander überhaupt dieses verschwundene Schiff finden, wenn wir nicht einmal Kontakt zu unseren eigenen Korvetten halten können? Gut dass sich die Rebellion der Robbies endlich erledigt hat.

Er befand sich zwar während der ganzen Zeit in der Zentrale und damit in relativer Sicherheit, jedoch waren ihm ebenfalls die Hände gebunden. Die Spezialpositronik für die Umsetzung der SERT-Impulse war von der Systemstörung zwar nicht betroffen, sehr wohl jedoch die angeschlossenen Subsysteme, die nicht unabhängig von der Hauptpositronik funktionierten.

Dann können wir uns ja jetzt vielleicht ein wenig auf unsern Auftrag konzentrieren. Doch im gleichen Moment fielen sein Blicke auf den Panoramaschirm, der die Schiffe der beiden Kontrahenten zeigte. Ach herrje, die haben wir ja auch noch zu verarzten.

Unbewusst musste er mit dem Kopf schütteln. Das konnte noch eine lange Schicht werden.

Krankenstation

Kurz nachdem Allan den Raum verlassen hatte, wurde der Alarm aufgehoben, und Allan eilte in die Zentrale, während der Arzt Kiril erst einige kreislaufstabilisierende Mittel gab, und sie anschließend einer belebenden Bestrahlung aussetzte. In der momentanen Situation war sein Platz in der Zentrale, auch wenn die Dienstzeit rum war. Er koordinierte mit dem Kommandanten die Aufräumaktionen und kurz vor 19:00 Bordzeit meldete sich sein Armbandkommunikator und der Arzt informierte ihn, dass er nun zu Kiril kommen dürfe.

Davids Kabine (BZ: 18:43 Uhr)

David Halman zuckte zusammen, als jemand an seine Kabinentür klopfte. Zögernd betätigte er die Öffnungsschaltung an dem Computerterminal, das er in den letzten Stunden aus lauter Angst vor den Robotern nicht zu verlassen gewagt hatte. Als das Schott zur Seite glitt, trat ein ihm unbekannter Mann ein und unterrichtete ihn darüber, dass sich die Roboter im ganzen Schiff deaktiviert hatten und keine Gefahr mehr bestünde. Kaum hatte David das gehört, eilte der Navigator wie vom Teufel gehetzt in die Hygienezelle seines Quartiers, um einem wirklich extrem dringenden Bedürfnis nachzugehen. Dann machte er sich auf den Weg in die Kommandozentrale, um ziemlich verspätet seinen Dienst anzutreten.

Zentrale (BZ: 18:59 Uhr)

Zu Emersons Überraschung betrat kurz vor 19 Uhr der Zweite Navigator David Halman die Kommandozentrale – ziemlich genau vier Stunden nach dem eigentlichen Beginn seiner Schicht. Mit blassem Gesicht und verlegenem Lächeln ging der Terraner zu Emerson hinüber, der an der Navigationsstation saß.

»Melde mich zum Dienst, Major«, salutierte der Mann mit gezwungener Fröhlichkeit.

»Setzen Sie sich, Halman«, erwiderte Emerson und deutete auf den Stuhl vor dem zweiten Terminal. »Bis der Alarm aufgehoben ist, muss ich hier bleiben. Die Vorschriften, Sie wissen ja.«

»Natürlich«, sagte David und ließ sich nieder. Der sonst so redselige Terraner brachte nun kaum ein Wort heraus, und das änderte sich auch lange Zeit nicht. Offenbar hatten die vergangenen Ereignisse ihn sehr stark mitgenommen.

Krankenstation (BZ: 18:45 Uhr)

Bimmel-Bammel hatte mit Hilfe von Ansons Jargo sein »kleines Missgeschick« beseitigt und wollte gerade Dr. Tsuran fragen, ob er noch andere Arbeiten für ihn hätte. Doch statt eine erneute Strafarbeit aufgebrummt zu bekommen sagte Dr. Tsuran nur: »Sie können sowieso gleich gehen, es kam von der Zentrale eine Nachricht durch, dass die Roboter alle deaktiviert worden sind. Die Nachtschicht müsste gleich eintreffen. Dr. Steel hat befohlen dass zu der normalen Nachtschicht mehrere Ärzte und Pfleger Dienst tun müssen. Sie sind nicht dabei, wegen ihrer vorbildlichen Leistung als sie mich heute retteten. Wenn die Nachtschicht den Dienst angetreten hat, dann können sie gehen.«

Erleichtert ging Bimmel-Bammel weg, um Ansons Jargo die freudige Nachricht zu überbringen. Schnell verbreitete sich die freudige Nachricht in der gesamten Krankenstation. Die Freude währte bei manchen nur kurz, wenn sie hörten, dass sie ihren Dienst verlängern durften.

Krankenstation (BZ: 19:00 Uhr)

Nachdem er sich in der Krankenstation etwas zurückgehalten hatte, hoffte Robert, dass sich die Situation wieder besserte. Vor allem nach der Ankunft Allans war jede Aktion unnötig. Dass Tsuran sich recht schnell erholte, weckte in Robert den Wunsch möglichst schnell zu verschwinden. Okay, der Doc hatte in letzter Zeit mal nicht versucht ihn ins Jenseits zu befördern, aber er hatte zu viel mit ihm erlebt, um nicht den Wunsch zu verspüren so schnell wie möglich zu verschwinden.

Da war er froh, als die Meldung kam, dass die Roboter abgeschaltet waren. Möglichst schnell und unauffällig verdünnisierte er sich aus der Krankenstation und nahm sich vor sie nicht so bald wieder aufzusuchen.

Immer wenn Saboteure hier für Unruhe sorgen, lande ich in der Krankenstation. Das muss aufhören!, waren seine Gedanken, als er sich verdünnisierte.

Gang (BZ: 19:00 Uhr)

Bimmel-Bammel, Ansons Jargo und Jones David waren auf den Weg zu ihren Kabinen. Alle drei hatten Glück gehabt und waren nicht zu der Sonderschicht eingeteilt worden. Jones hatte sich schon von dem Paralyseschock erholt den er heute Nachmittag erhalten hatte.

»Du Bimmel-Bammel, was ist jetzt mit deiner Feier, die du uns versprochen hast?«, fragte Jargo. »Spendierst du jetzt eine Flasche von dem terranischen Whisky? Oder hast du das schon wieder vergessen?«

»Natürlich habe ich das nicht vergessen, sagen wir um 21 Uhr bei mir, aber ihr könnt ja auch noch was mitbringen«, antwortete Bimmel-Bammel.

»Soso auch was mitbringen, was denn zum Beispiel?«, setzte Jones nach.

»Ich dachte da an nichts Bestimmtes.«, sagte Bimmel-Bammel und verschwand schnell in seiner Kabine.

»Der wird sich heute noch wundern, ich habe noch eine kleine Flasche Vurguzz und die nehme ich mit und die mische ich ihm unter seinen Whisky, so wie er es mit mir das letzte Mal gemacht hat«, sagte Jargo zu Jones.

»Das wird ja heute noch ein lustiger Abend werden. Hoffentlich nervt er uns nicht wieder mit seinen Monologen über seinen geliebten Politiker Mao Tsu Schtung oder so ähnlich«, antwortete ihm Jones und machte sich auf den Weg in seine Kabine.

Ansons Jargo hatte seit Mittag nichts mehr gegessen und der Hunger machte sich bei ihm bemerkbar, deswegen ging er in die nächste Kantine. Schließlich würde es ein feuchter Abend werden und da brauchte man(n) einen guten »Unterbau« und vielleicht traf er auch auf Kollegen aus anderen Abteilungen, die mehr über die heutigen Vorgänge wussten.

Kabine Bimmel-Bammels (BZ: ein paar Minuten später)

Endlich wieder daheim, dachte Bimmel-Bammel und aktivierte seinen Interkomanschluss. Auf meinen Vortrag »Hätte das soziale Ungleichgewicht zwischen den terranischen Staaten im 20. Jahrhundert zu einen 3. weltweiten Krieg geführt, oder hat dies nur die Entdeckung des Arkon-Raumers auf den Mond verhindert?« hat sich noch niemand gemeldet, und die Bordnachrichten bringen auch noch keine Neuigkeiten – wissen die noch nicht was genau passiert ist oder dürfen die noch nichts bringen? Die Erklärung mit der rätselhaften Box ist doch wirklich ein bisschen schleierhaft! Aber was soll’s es ist überstanden.

Er bereitete alles für den »netten« Abend vor.

Sicherheitszentrale (BZ: 19:00 Uhr)

Sulae trat von den erstarrten Robotern zurück. Es hatte allen Anschein, als wäre diese Krise überstanden. Vor kurzem war auch ein junges Mitglied der Landetruppen herein gestürmt und hatte die Nachricht überbracht, dass die Roboter im gesamten Schiff deaktiviert waren und am Problem mit dem Computer gearbeitet wurde.

Zeit, wieder zur Tagesordnung überzugehen, nicht wahr?, meinte Shalannan. Abgesehen davon hast du noch ein Hühnchen mit einem Sicherheitsoffizier zu rupfen!

Sulae musste bei dieser Wortwahl beinahe lächeln, gestand Shalannan aber zu, dass sie recht hatte. Sie sorgte also dafür, dass der Befehl zum Appell gegeben wurde. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen verfolgte sie die Hektik in der Zentrale, als ihre Mannschaft dem Befehl nachkam. Über allem bellte ihre Stellvertreterin Africa Goimez weitere Befehle. Langsam verstand Sulae, warum Goimez in Kreisen der Mannschaft nur »der Drache« genannt wurde.

Ach, du sei ruhig, du bist doch selbst einer, meinte Shalannan dazu, nicht ohne eine Portion Selbstmitleid. Sulae zog vor, darauf nichts zu antworten und wandte sich statt dessen an die voll versammelte Mannschaft:

»Nun denn, diese Krise haben wir überstanden, dafür muss ich Sie alle loben. Der Großteil von Ihnen hat vorbildlich gehandelt und die Nerven behalten. Doch nun ist es an der Zeit, sich wieder um die eigentlichen Aufgaben zu kümmern. Es gilt einen Dieb zu fangen und dafür zu sorgen, dass der Betrieb hier wieder reibungslos läuft. Sorgen Sie dafür, dass die nächste Schicht alle Informationen bekommt, die sie braucht. Abgesehen davon möchte ich sobald es geht die Statusberichte, Berichte der Personen die unsere Gäste bewachen, und die neusten Informationen im Fall Diebstahl. Abgesehen davon möchte ich, dass sich die Person, die vorhin die Nerven verloren und geschossen hat, in meinem Büro meldet. Ich will gleich sagen, dass dies die bessere Lösung für die betreffende Person ist, denn ich bin eigentlich nicht nachtragend. Tut sie dies nicht bis morgen um Punkt 12 Uhr, werde ich eine offizielle Borduntersuchung einleiten lassen. Nun, das wäre vorerst alles. Arbeiten Sie weiter so, wie bisher. Ich bin stolz auf meine Abteilung! Wegtreten.«

Sulae nickte Goimez zu, die wohl noch einiges mit dem Untersuchungsteam für den Diebstahl zu besprechen hatte, und setzte sich in ihr Büro. Dort wartete sie auf die Statusberichte, die sie noch lesen wollte, bevor sie Schluss machte für heute, andererseits hoffte sie, dass sich der betreffende Offizier melden würde.

14. Endlich Feierabend

Quartier (BZ: 19:00 Uhr)

Natalie betrat mit einem leisen Seufzer ihr Quartier. Sie hatte nach ihrer Meldung zuerst Taron begrüßt, doch nichts kam dem Gefühl gleich, nach Hause zu kommen. Natürlich, es war nicht ihr wirkliches zuhause, aber es war das, was dem am nächsten kam. Taron zog sie immer damit auf, dass sie so viele Kleinigkeiten in ihrem Quartier stehen hatte, doch vieles davon verband sie mit ihrer Heimat und ihrer Herkunft.

Wie konnte sie den Weltraum erforschen, wenn sie ihre Wurzeln vergaß? Taron konnte das nicht verstehen, doch sie verlangte es auch gar nicht; es war ihre Sache. Schnell brachte sie ihre Sachen in Ordnung, rief einige Nachrichten ab und machte sich dann wieder auf den Weg, denn in einer Nachricht war die Aufforderung zu lesen gewesen, sie auf dem Erholungsdeck zu treffen. Sie kannte nur eine Person, die auf diese Weise Nachrichten schrieb. Sie hatte einige von dieser Art während der Mission bekommen. Mit einem Lächeln auf den Lippen verließ sie ihr Quartier. Es war gut, wieder hier zu sein.

Krankenstation (BZ: 19:05 Uhr)

Allan bog in die Krankenstation ein, und erfragte wo man seine Tochter hingebracht hatte. Kurz darauf kam er bei ihr an, als sie schon wieder halbwegs munter im Krankenbett saß.

Kommandozentrale (BZ: 19:10 Uhr)

Oberst Strader sprach gerade mit der Sicherheitszentrale und den mit den Aufräumarbeiten beschäftigten Technikern, um sich über den aktuellen Stand zu informieren. Als er das Interkomgespräch beendet hatte machte er einen einigermaßen zufriedenen Gesichtsausdruck. Er stand auf, aktivierte die Rundsprechanlage und verkündete:

»Es ist jetzt genau 19:15 Bordzeit. Die Bedrohung durch die falsch programmierten Roboter ist einstweilen beseitigt und die Aufräumarbeiten sind im Gange. Daher hebe ich hiermit den Alarmzustand auf.«

Puh! Wurde ja auch langsam Zeit, dachte sich Jean Stiletto. Jetzt nur noch warten bis die Ablösung eintrifft und dann kann ich endlich was gegen meinen Hunger tun.

Die Ablösung traf dann auch tatsächlich nach ein paar Minuten ein. Jean erhob sich von seinem Pilotensessel um die Zentrale zu verlassen. Als Oberst Strader sein Vorhaben erkannte wies er ihn darauf hin, dass er sich weiterhin bereithalten sollte. Hier im sternenreichen Gebiet in der Nähe des galaktischen Zentrums war das manövrieren auch mit SERT-Unterstützung schon kompliziert genug, da war es besser die Emotionauten in Bereitschaft zu haben. Stiletto, der so etwas schon erwartet hatte, erwiderte lediglich ein knappes »Jawohl, Sir!« und verschwand durch einen der Antigravschächte.

Als er ein paar Decks höher den Gang betrat schlug er ohne zu zögern den Weg zu Offiziersmesse ein. Als er dort eintraf, hielten sich hier in Anbetracht der Urzeit relativ wenige Leute auf. Das würde sich, jetzt wo der Alarm beendet war aber sicher schnell ändern. Jean versorgte sich an der Ausgabe mit einem Tablett und schaufelte es mit allen möglichen angebotenen Speisen voll. Sein ohnehin gewaltiger Appetit als Epsaler war durch die lange Schicht nicht gerade geringer geworden. Nachdem er absolut keine praktikable Möglichkeit sah weitere Nahrungsmittel auf sein Tablett zu bekommen ging er zu einem freien Tisch mit Blick auf den Eingang und begann genüsslich zu essen.

Zentrale

Um 19:15 Uhr war es dann endlich soweit, der schiffsweite Alarm wurde aufgehoben. Zusammen mit den anderen Offizieren der Hauptschicht verließ Emerson die Kommandozentrale und ging als erstes in seine Kabine, wo er sich gründlich frisch machte. Kaum war er damit fertig, als ein Piepsen seines Armbandchronometers ihn erschrocken zusammenfahren ließ. Doch nach einem Moment wurde ihm klar, dass es nicht der Einbruchsalarm seiner Kabine war, sondern eine Erinnerung an einen wichtigen Termin.

Nach kurzem Nachdenken fiel dem Veego wieder ein, dass der Dagor-Kurs von Allan da Gonozal und Yohko Takashi in Kürze beginnen würde.

Welcher Teufel hat mich eigentlich geritten, als ich mich dazu angemeldet habe?, fragte sich Emerson, während er eine leichte, bequeme und weite Sportkombination anzog. Dann machte er sich auf den Weg zu der Sporthalle, in der der Kurs stattfinden würde.

Sicherheitszentrale, Büro

Sulae war mit ihrem Bericht fertig und sandte ihn an den Kapitän. Zu ihrem Bedauern hatte sich der Unglücksschütze immer noch nicht gemeldet. Sie wollte, wenn möglich, ein Bordverfahren umgehen und es bei einer Rüge belassen. Doch das lag nun nicht mehr in ihren Händen.

Er hat immer noch bis morgen Mittag Zeit. Lass ihm eine Nacht, um darüber zu schlafen. Vielleicht kommt er zur Vernunft, riet Shalannan. Es war seltsam, ausgerechnet sie über Vernunft reden zu hören. Ja ja, mach dich nur lustig über mich. Im Übrigen sollte ich dich doch an den Dagor-Kurs erinnern, der bald statt findet.

Danke, erwiderte Sulae mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.

Shalannan erstaunte sie immer wieder … Aber der Extrasinn hatte wie so oft recht. Sie stand also auf, verließ ihr Büro und machte sich auf den Weg in Richtung Quartier.

Quartier

Dort angekommen zog sie sich schnell einen bequemeren Trainingsanzug an und betrachtete sich kurz im Spiegel. Dabei erinnerte sie sich an ihre Dagorausbildung als Jugendliche. Sie konnte noch den etwas ältlichen Meister vor ihr stehen sehen und hörte, wie er sie streng ermahnte, nachdem sie wieder einmal einen Fehler gemacht hatte. Aber immerhin hatte sie ihre Ausbildung halbwegs erfolgreich abgeschlossen.

Nach der ARK SUMMIA-Ausbildung und der »Flucht« hatte sie das Training ein wenig vernachlässigt, aber seit sie in der Solaren Flotte war, trainierte sie regelmäßig, soweit es ihr Dienst erlaubte. Sie war schließlich Sicherheitsoffizierin. Schließlich nickte sie ihrem Spiegelbild zu und machte sich auf den Weg zu den Trainingsräumen.

Erholungsdeck (BZ: 19:30 Uhr)

Natalie kam am Erholungsdeck an und sah sich aufmerksam um. Sie wartete nicht lange, und die zierliche, quirlige Gestalt, die sie erwartet hatte, kam um die Ecke gebogen und winkte aufgeregt.

Natalie grinste. Sie hatte Anthea fast schon vermisst. »Hallo, Nat! Endlich bist du wieder da, es wurde fast schon langweilig!«

Natalie lachte. »Na, übertreib nicht.«

Anthea hakte sich fröhlich bei ihr unter und die beiden betraten das Erholungsdeck. Eine Weile lang plauderten sie fröhlich und ausgelassen über das, was während Natalies Abwesenheit passiert war. Anthea erzählte ihr von der Geschichte mit den Robotern und ihrem Zusammenstoß mit Kiril.

»Ich weiß nicht, aber irgendetwas an diesem Mädchen ist seltsam«, meinte Anthea nachdenklich, verlor dabei jedoch dieses listige Funkeln, das sie beinahe immer trug, nicht aus den Augen.

»Na komm, du hast doch gar nicht mit ihr gesprochen! Sie war doch beinahe die gesamte Zeit paralysiert.«

»Trotzdem, du weißt, ich habe ein untrügliches Gespür für solche Dinge. Da steckt mehr dahinter.«

Natalie schüttelte den Kopf. »Du solltest da wirklich die Finger von lassen! Du weißt, nach deinem Auftritt bei der Beförderungsfeier solltest du dich ein wenig von den Führungsoffizieren fern halten.«

Anthea kaute auf ihrer Lippe, und Natalie konnte förmlich sehen, wie es in ihrem Gehirn arbeitete. Gleichzeitig wusste sie, dass ihre Worte nicht die geringste Wirkung hinterlassen hatten. Manchmal fragte sie sich wirklich, wie diese Frau die Akademie hatte bestehen können. Sie hatte teilweise so viel Unsinn im Kopf, aber eines musste Natalie ihr lassen: Sie hatte wirklich ein Gespür für solche Dinge … ein Gespür, das sie immer wieder in Schwierigkeiten brachte. Natalie seufzte gespielt dramatisch und sah zu ihrer Freundin. Was immer auch geschah, sie würde ihr beistehen.

»Aber immerhin habe ich die Wette damals gewonnen«, warf Anthea ein.

Natalie lachte. »Ja, das ist allerdings wahr. Aber keiner hat geglaubt, dass du das wirklich fertig bringen würdest …«

Die beiden schwiegen einen Moment, denn sie kamen an einer Bank vorbei, auf der zwei mehr oder weniger gewichtige Personen saßen. Die beiden Freundinnen sahen sich an und mussten sich ein Lachen arg verkneifen, denn sie dachten genau das gleiche. Sie bogen um die Ecke und brauchten die nächsten Minuten, um sich wieder zu beruhigen.

»Manchmal könnte man wirklich glauben, wir wären zwei pubertierende Schulmädchen.«

Anthea nickte und antwortete: »Aber sollen wir immer ernst bleiben? Dazu haben wir noch den Dienst … mehr oder weniger …«

Natalie nickte und die beiden setzten ihren Weg und ihr Gespräch fort. Sie erwarteten nicht, heute Nacht früh ins Bett zu kommen. Dazu hatten sie sich zu viel zu erzählen.

Trainingshalle (BZ: 19:45 Uhr)

Als Emerson den Raum betrat, waren bereits viele Leute anwesend. Im Hintergrund bemerkte er Yohko Takashi, die den Dagor-Kurs leiten würde und im Moment mit irgendwelchen Vorbereitungen beschäftigt war. Doch von Allan da Gonozal war nichts zu sehen, und das machte ihm Sorgen.

Ach, Unsinn, machte der Veego sich selber Mut. Vor all diesen Leuten wird sie es nicht wagen, mir etwas anzutun.

Irgendwann sah Takashi zufälligerweise in Emersons Richtung, doch sie ließ sich nicht anmerken, dass sie ihn bemerkt hatte. Ihre Selbstbeherrschung war vorzüglich, was man vom Emerson nicht sagen konnte. Nur mit Mühe konnte er sich davon abhalten, den Raum fluchtartig zu verlassen. Er bereute jetzt schon, sich auf diese Sache eingelassen zu haben.

Wenig später trat die Sicherheitschefin Sulae Shalannan ein, und Emerson ging zu ihr hinüber, um sich mit ihr zu unterhalten.

Sulae betrat die Trainingshalle und sah sich um, ob sie jemanden kannte. Nicht, dass sie es erwartet hätte, so neu wie sie war, sie tat es aus reiner Gewohnheit. Umso überraschter war sie, als auf einmal der Chefnavigator Emerson Ostrog auf sie zukam. In ihrem Hinterkopf kicherte Shalannan bedrohlich.

Ich warne dich, Shalannan, lass es lieber bleiben! Nicht hier, beim Dagor-Kurs. Da schneidest du dich nur ins eigene Fleisch.

Shalannan wusste das ebenso gut wie sie, und Sulae war klar, dass ihr Extrasinn im Moment nur mit ihr spielte, sie wollte es aber dennoch klar gemacht haben. Sie verbannte die Sorge um ihren Extrasinn für eine Weile aus ihren Gedanken und wandte sich Emerson zu:

»Guten Abend, Mr. Ostrog, ich hoffe Sie haben diese Krise unbeschadet überstanden. Ich bin, um ehrlich zu sein, ein wenig überrascht, Sie hier zu sehen, doch ich will nicht sagen, dass ich mich nicht darüber freuen würde.«

»Schön zu hören, dass sich jemand um mich Sorgen gemacht hat«, erwiderte Emerson geschmeichelt. »Mir geht es soweit ganz gut, nur mein Kollege David Halman scheint von den Ereignissen sehr mitgenommen zu sein. – Was meine Anwesenheit hier betrifft: Nun, es war ehrlich gesagt eine spontane Entscheidung, mich für diesen Kurs anzumelden. Aber da mein letztes Kampftraining schon Jahre zurückliegt, war es eigentlich schon höchste Zeit für eine Auffrischung.«

Wie alle Angehörigen der Solaren Raumflotte hatte natürlich auch Emerson auf der Raumakademie ein Nahkampftraining absolviert, dass unter anderem die Grundprinzipien des Dagor umfasst hatte. Während der Veego die obligatorische Waffenausbildung nur mit größtem Widerwillen hinter sich gebracht hatte, war er dem waffenlosen Kampfsport schon eher zugetan. Schließlich hatte er während seiner Zeit in Estartu eine der so genannten Upanishad-Schulen besucht, die er jedoch wegen der unmenschlichen Zustände dort schon bald wieder verlassen hatte. Dennoch war Emerson immer noch an den Kampfkünsten interessiert, auch wenn er es darin nie zu sonderlicher Gewandtheit gebracht hatte.

Das alles konnte Sulae Shalannan natürlich nicht wissen. Einzig allein seine Fertigkeiten im Kunstschießen waren ihr möglicherweise bekannt, denn diese hatte er kurz vor dem Start der CREST V unter Beweis gestellt, als er zwei außer Kontrolle geratene Kampfroboter auf einen Streich kaputtgeschossen hatte.

Büro des Raumlandechefs (BZ: 19:56 Uhr)

Nachdem Zento in der Kantine seinen Hunger gestillt hatte, war er in sein Büro gegangen um die Berichte seiner Leute über den Roboteraufstand zu sichten. Anschließend hatte er einen gesammelten Bericht an die Zentrale geschickt und das Kommando an seinen Stellvertreter übergeben. Da er noch nicht allzu müde war, beschloss er die Erholungsdecks aufzusuchen um sich in den künstlichen Gärten ein bisschen zu entspannen.

Erholungsdeck (BZ: ca. 20:00 Uhr)

Nachdem Jean seinen Hunger endlich gestillt hatte und bei einem Glas Orangensaft noch in der Offiziersmesse saß, dachte er so bei sich: Eigentlich könnte ich ja einen kleinen Verdauungsspaziergang auf dem Erholungsdeck einlegen.

Ein bisschen träge erhob er sich von seinem Platz, trank den Orangensaft aus und stellte das leere Glas zurück auf den Tisch. Bevor er jedoch die Erholungsdecks aufsuchte machte er einen kleinen Umweg über seine Kabine, um sich etwas frisch zu machen und in eine saubere Uniform zu schlüpfen. Gleich darauf machte er sich auf den Weg zu den künstlichen Gärten.

Jean nutze diese Anlagen gern um sein Lauftraining zu absolvieren, wenn er nicht die große Runde durch die Hangars im Ringwulst nahm. Jetzt wollte er jedoch nur einen kleinen Spaziergang machen, um sich von der stressigen Schicht zu erholen. Er spazierte gerade an dem kunstvoll angelegtes Japanische Steingarten vorbei als er auf einer Bank Major Zento Rutan sitzen sah. Auch der Ertruser schien hier Entspannung zu suchen. Jean schlenderte zu ihm hinüber und begrüßte ihn freundlich: »Hallo Zento, war ein ganz schönes durcheinander heute oder?«

Zento schaute zu dem Sprecher runter und antwortete: »Ja!«

Der Mann, den er noch nicht kannte, kam auf ihn zu und setzte sich neben ihn. Auf seinem Namensschild stand Jean Stiletto. »Es stört dich doch nicht wenn ich mich zu dir setzte?«

»Nein, Jean. Nach der Aufregung heute tut ein bisschen Nichtstun richtig gut, oder?«

»Ja das kannst du laut sagen!«, erwiderte Jean und im gleichen Moment dachte er erschrocken: Oh, oh. Hoffentlich nimmt er das jetzt nicht wörtlich. Wenn so ein Ertruser mit seiner ganzen Stimmkraft loslegt bekommt der Kahn Schlagseite!

»Trotzdem wünschte ich wir könnten uns langsam mal unserer Mission widmen diese Störungen zwischendurch kommen mir schon fast verdächtig vor. Als ob jemand versucht zu verhindern, dass wir nach diesem Schiff suchen«, während er sprach lehnte er sich, mit einer zügigen Bewegung zurück, was die Bank mit einem protestierenden Knarren quittierte.

»Ja … Stimmt!«, erwiderte Zento tiefsinnig. Das wirkte ein wenig wie ein Stichwort. Beide hingen ihren eigenen Gedanken nach und saßen ein paar Minuten einfach schweigend nebeneinander und ließen den jeweiligen Gedanken freien Lauf. Das Kichern zweier Frauenstimmen riss Jean aus eben dieser Gedankenverlorenheit und lenkte seine Aufmerksamkeit auf zwei Gestalten die im Licht der künstlichen Sonne über den Weg schlenderten und dabei offensichtlich in eine sehr angenehme Unterhaltung vertieft waren. In einer der beiden Personen glaubte Jean die Beibootkommandantin Major Natalie Jackie Daniels zu erkennen. Mit ihr hatte er bislang nicht viel zu tun gehabt, was er aufgrund des sich ihm bietenden Anblicks einen Augenblick bedauerte. Die andere Person war ihm bisher noch nicht begegnet.

Als die beiden in Höhe der Bank waren lehnte Jean sich vor (auch jetzt protestierte die Bank wieder auf ihre charmante Art und Weise) und rief den beiden zu: »Hallo ihr zwei. Was gibt es den so witziges zu besprechen?« Dabei lächelte er den beiden freundlich zu und musste wegen der künstlichen Sonne leicht blinzeln.

Anthea blieb stehen, als sie und Natalie angesprochen wurden. Sie sah ihre Freundin an und unterdrückte ein Grinsen. Natalies Gesicht sagte etwas wie »Die meinen wirklich uns? Schwerer Fehler!« aus, aber Anthea konnte sich wirklich gaaar nicht erklären, wo das herkommen könnte … Sie wandte sich also mit einem Unschuldsgesicht an den Fragenden und antwortete wahrheitsgemäß: »Hm, Freundinnen haben immer etwas parat, über das sie lachen können. Aber sagen wir einfach, wir sind vor kurzem auf etwas Witziges gestoßen.«

Anthea warf wieder einen Blick zu Natalie und biss sich auf die Zunge, um nicht wieder loszulachen. Die beiden waren schon etwas verrückt, aber irgendwie, fand Anthea, passten sie gut zum Rest der Crew. Wie die beiden Männer ihre Antwort nun auslegten, war deren Entscheidung.

Jean setzte eine erstaunte Mine auf und fragte: »Mit ›etwas Witzigen‹ meint ihr doch wohl nicht zwei Leichtgewichte auf einer Bank auf dem Erholungsdeck oder?«

Dann setzte er ein Lächeln auf und fügte hinzu: »Vielleicht stelle ich uns erst einmal vor. Diese zierliche Person neben mir ist Zento Rutan und mein Name ist Jean Stiletto und mit wem haben wir die Ehre?«

Zento wölbte angesichts der Beschreibung als zierliche Person ein wenig die Augenbraunen, nickte dann aber den beiden zu und schenkte ihnen sogar ein kleines Lächeln. Die beiden Damen reagierten auf diese Beschreibung mit einem Kichern und stellten sich anschließend ebenfalls vor. Jean stand vorsichtig von der Bank auf, zum einen um die beiden nicht zu erschrecken, zum anderen aber auch um die Stabilität der Bank nicht noch mehr auszureizen. Etwas sorgenvoll schaute er sich dann um, um festzustellen ob die Bank diese Tortur überstanden hatte.

Dann rieb er sich die Hände und sagte: »So! Wollen wir diese neue Bekanntschaft nicht mit einem Fruchtsaft begießen? Ich werde vom reden immer ziemlich durstig!«

Dabei schaute er die drei fragend an und lächelte.

Natalie sah Anthea an und schüttelte geistig den Kopf. Mit dieser Frau machte man wirklich was mit! Aber ihr war es recht, es hörte sich nach der geeigneten Entspannung nach der Mission an. Anthea stellte sie vor, dann wurden sie gefragt, ob sie nicht mit ihnen einen Obstsaft trinken wollten. Natalie schmunzelte, denn sie konnte sich Antheas Antwort denken. Sie selbst nickte ebenfalls zu dem Vorschlag. Einen Augenblick dachte sie daran, wie Taron darauf reagieren würde, doch es war ihre Entscheidung. Die beiden Männer standen auf, hakten sich bei den Frauen unter und setzten die Unterhaltung fort.

Die vier schlenderten durch die lichtdurchfluteten, parkähnlich angelegten Gärten des Erholungsdecks in Richtung des Ausganges. Dabei unterhielten sie sich über dies und jenes, meist allerdings belanglose Dinge. So wie sich ein Mensch im 20. Jhdt. über das Wetter unterhalten konnte, gab es auch im Jahre 3431 Themen die immer genügend Stoff für eine Konversation hergaben. Gerade aktuell zum Beispiel der Anblick des galaktischen Zentrums mit seinen vielen Sonnen, kosmischen Nebeln und Gaswolken, der durch seine urgewaltige Schönheit eine besondere Anziehung auf Jean ausübte, obwohl (oder vielleicht auch gerade deswegen) das Zentrum besondere Ansprüche an ihn als Emotionauten stellte.

Nach einem kurzen Spaziergang durch die breiten Gänge des Erholungsdecks erreichten die vier eine der »Bars«. Natürlich handelte es sich eher um einen besonders gemütlich eingerichteten Aufenthaltsraum, aber das Barfeeling war trotzdem deutlich zu spüren. Dominiert wurde der Raum durch die wuchtige Theke gegenüber der Tür. Hier verfügte der Barkeeper über eine ganze Batterie Flaschen und Karaffen, die neben allerlei Säften und Sirups auch diverse Getränke enthielten, die geschmacklich bekannten Spirituosen nachempfunden waren, jedoch keinen Alkohol beinhalteten. Die übrige Einrichtung des Raumes war eher schlicht gestaltet. Links und rechts neben dem Eingang waren einige runde Tisch aufgestellt, die geschickt durch Pflanzen und niedrige Stellwände voneinander separiert wurden. Abgedunkelte, teilweise farbige Scheinwerfer erzeugten zusammen mit Kerzen auf den Tischen eine angenehme Beleuchtung. Nicht hell genug um alles zu erkennen, jedoch nicht so grell wie in den übrigen Räumen und Gängen des Schlachtschiffes. Leise, sorgfältig ausgewählte Hintergrundmusik verstärkte das angenehme Ambiente des Raumes.

Die vier suchten sich einen der freien Tische aus und setzten sich. Sie bestellten sich verschiedene Fruchtsäfte bzw. alkoholfreie Cocktails. Jean bat die Bedienung außerdem noch ein wenig zu knabbern zu bringen, da er schon wieder ein wenig Hunger verspürte. Sie unterhielten sich weiter und schlürften an ihren Getränken. Schließlich brachte Jean das Gespräch auf den »Vorfall« von heute Nachmittag und erkundigte sich bei Natalie über die Entdeckung die sie und ihre Crew draußen im Weltraum gemacht hatte.

Zento war die Situation ein bisschen unangenehm, da es schon lange her war das er mit einer Frau privat geredet hatte, aber er hatte sich von Jeans Elan mitreißen lassen und wollte das Beste aus dieser Situation machen. In der »Bar« angekommen hatten sie einen Platz mit stabilen Sitzgelegenheiten ausgesucht, was bei den Damen wieder einen Kicheranfall auslöste. Nachdem die Getränke und einige Knabbereien gekommen waren, brachte Jean das Gespräch auf den letzten Beibooteinsatz. Innerlich atmete Zento erleichtert auf, da er schon befürchtet hatte Smalltalk mit den Damen machen zu müssen.

Anthea musterte die beiden Männer über ihr Glas hinweg von oben bis unten. Dann konzentrierte sie sich wieder auf ihr Getränk und sah fasziniert zu, wie sich Blasen bildeten, wenn sie hineinblies. Sie pustete noch etwas mehr. Die Blasen quollen fast über … Natalie stupste sie verwirrt an. Vor Schreck holte sie tief Luft, bekam den Drink in die Nase und begann fürchterlich zu Husten. Dabei schmiss sie das Glas um, und das klebrige Zeug verteilte sich schön gleichmäßig über ihre Kollegen.

Jean hatte gerade nach dem Ergebnis der Beibootmission gefragt als eine der Damen, erschreckt durch einen Schubser ihrer Freundin, ihr Getränk über die ihr gegenübersitzenden Männer schüttete. Zento blieb wie versteinert sitzen, da er merkte wie sich das klebrige Zeug einen Weg über seine Uniform bahnte. Langsam tropfte die Flüssigkeit von seiner Kleidung auf den Boden und bildete eine kleine Lache. Die beiden Frauen waren vor Schreck aufgesprungen und starrten ihn und Jean an. Plötzlich begann Zento unmotiviert zu grinsen. »Darf ich Ihnen ein neues Getränk bringen, Anthea? Anscheinend hat Ihnen dieses nicht mehr gemundet.«

Entgeistert schaute Jean auf die angerichtete Bescherung. Der Saft hatte sich beinahe über seine gesamte Uniformhose verteilt. Während er begann mit ein paar Servietten die Hose zu trocknen dachte er etwas wie: Mist! Dabei hatte ich gerade erste eine frische Kombination angezogen.

Nachdem auch auf dem Tisch die Saftflut eingedämmt war stand Jean auf, entschuldigte sich kurz mit einem Lächeln und verschwand auf die Toiletten um sich die Hände zu waschen, die noch von dem zuckerhaltigen Getränk klebten. Als er an den Tisch zurückkehrte hatte Athena bereits ein neues Getränk bekommen und die Spuren des Unglücks waren beseitigt. Jean setzte sich auf seinen alten Platz und sagte »Gut dass die Uniformen keine Flüssigkeiten durchlassen und Schmutz abweisend sind.«

Dabei lächelte er Athena an, um ihr zu verstehen zu geben, dass er ihr das auf keinen Fall übel nahm. Gleichzeitig griff er in die Schale mit den Knabbereien nach einer Salzbrezel.

Anthea überspielte ihr kleines Missgeschick mit einem nervösen Lachen und dem Wedeln eines Tuches, das ihr der Barkeeper gebracht hatte – Robot oder nicht. Die Einladung ihres Gegenübers nahm sie dankend an, bestellte sich aber diesmal etwas weniger Klebriges … Hoffentlich hatte sie es sich nicht mit den anderen verdorben? Jean schien ihr immerhin vergeben zu haben, was sie wieder zufrieden lächeln ließ. Ach, warum konnte sie sich einfach nicht beherrschen? Dann fiel ihr wieder der Beginn ihres Gesprächs ein.

»Sagt mal, wolltet ihr uns nicht etwas fragen?« Neugierig beugte sie sich vor.

Jedenfalls scheint ihr die Sache ziemlich peinlich zu sein, dachte Jean als er Anthea beobachtete wie sie mit einem Tuch herumwedelte. Sie sieht irgendwie niedlich aus wenn sie verlegen ist.

In dem Augenblick realisierte Jean das sie ihn mit ihrer Frage gemeint hatte. Geschickt überspielte er seine kleine Unaufmerksamkeit indem er sich zurücklehnte und dabei tief Atem holte als ob er für die Frage noch einmal weit ausholen müsse. Innerlich erstaunte es ihn etwas das es ihm schwer viel sich vom Anblick Antheas loszureißen und Natalie den Kopf zuzuwenden.

»Ich wollte mich eigentlich nur bei dir über die Entdeckung erkundigen, die du mit deiner Crew heute Nachmittag da draußen gemacht hast«, sagte er und deutete dabei mit dem Daumen unbestimmt über seine Schulter als ob es nötig wäre »da draußen« genauer zu erklären. »Wenn ich ehrlich bin, geht mir diese Warterei ein bisschen auf die Nerven. Anstatt hier mit der CREST zwischen den ganzen Sonnen herumzuhängen würde ich lieber selbst mit ihr die Suchraster abfliegen!«

Krankenstation (BZ: 19:10 bis 20:05 Uhr)

Kiril war munterer als Allan erwartet hatte. Sie litt auch kaum an Nachwirkungen, was darauf hinwies, dass sie nicht voll getroffen worden war. Ein leichter Muskelkater war zum Glück alles. Sie umarmte Allan kurz zur Begrüßung, was ihn leicht, aber angenehm, überraschte, dann bestürmte sie ihn mit Fragen über Fragen. Die Simulation einer Frühlingswiese, die die Wände des Raums optisch fast unsichtbar machte, faszinierte sie und war das Erste wonach sie Allan fragte.

Allan hatte erwartet das sie total verstört dasitzen würde, ein zitterndes Bündel Panik, stattdessen hatte sie die Erfahrung sehr gut verdaut. Er erklärte ihr, dass das Bilder seien, damit die Leute in diesen Räumen nicht so erschreckten, wenn sie aufwachten. Viel weiter kam er nicht, denn dann bestürmte sie ihn wieder.

Allan erinnerte sich noch an sein erstes Mal, als er mehrere Stunden steif dagelegen hatte, unfähig auch nur die Augenlieder zu schleißen, das Gefühl im eigenen Körper begraben zu sein. All das beschrieb sie zwischen ihren Fragen auch, aber in einem fast vergnügten Tonfall.

Allan lächelte sie aufmunternd an, während er innerlich den Hut abnahm, und versuchte ihre Fragen so einfach wie möglich zu beantworten. Wobei sie bei vielen, vor allem technischen, Worten nachfragte. Sie hatte die Sprache zwar dank der modernen Technik sehr gut gelernt, aber vieles waren noch mehr oder minder leere Worthülsen.

Aber am schwersten war zu erklären, warum der Roboter auf sie gefeuert hatte. Weitausgreifend versuchte er ihr zu erklären was Roboter eigentlich seien, und den Zusammenhang mit den Saboteuren. Aber ihr Blick zeigte ihm das er sie nur noch mehr verwirrte, also sagte er ihr sie seien wie eine Stadtwache die einen falschen Befehl bekommen habe alle von den Straßen zu vertreiben, und sie Kiril habe im Weg gestanden und deshalb sozusagen einen Knüppel abbekommen. DAS verstand sie, nur jetzt kamen die Fragen, wer den Befehl gegeben habe.

Das Ganze zog sich etwas hin, bis Allan nach fast einer Stunde abbrach und sagte, das sie doch eigentlich gleich trainieren wollten. Und ob sie denn mitmachen wolle. Das bejahte sie und stand auf. Beide gingen gemeinsam zu ihren Kabinen, und die Fragestunde ging bis sie zu ihren Kabinen kamen weiter.

15. Ein bisschen Sport

Trainingshalle

Kurz darauf kamen die beiden in Trainingsoveralls in den als Trainingshalle ausgebauten Lagerräumen an und wurden von Yohko begrüßt.

Allan stellte sich selbst und seine Tochter vor, was diese mit Erröten quittierte. Er hatte sich mit Yohko vorher abgesprochen und sie hielt eine kleine Ansprache über das was sie vorhatten. Allan musterte die 32 Gestalten die im Kreis vor ihm auf den Matten saßen, einige sahen aus als ob sie sich besser erstmal auf eine Sechzehntel-Ration setzen sollten, aber die meisten waren durchaus sportlich. Nach der kleinen Ansprache wurden die Anwesenden in einem Block aufgestellt und Allan und Yohko stellten sich davor, und zeigten Grundhaltung.

Das Gespräch zwischen Emerson und der Sicherheitschefin Sulae Shalannan wurde unterbrochen, als Allan Dean da Gonozal und sein junges Mündel die Sporthalle betraten, wo sie von Yohko Takashi begrüßt wurden. Nachdem der erste Offizier sich und seine Begleiterin vorgestellt hatte, hielt er eine kleine Ansprache darüber, was die Teilnehmer dieses Kurses erwarten würde. Emerson war wieder einmal überrascht über das Verhältnis zwischen Yohko und Kiril. Während die Japanerin sich sonst so knallhart gab, behandelte sie die Primitivweltlerin geradezu fürsorglich – und erntete dafür ehrliche Bewunderung und Respekt. Wie passte das zusammen mit ihrer beinahe krankhaften Abneigung ihm gegenüber, wo er doch so ein sympathisches Kerlchen war?

Ich werde diese Terraner wohl nie ganz verstehen, seufzte Emerson in Gedanken, während er wie die anderen im Block in Dagor-Grundstellung ging.

Allan freute sich über die rege Beteiligung, für einen Auffrischungs-/Einführungskurs waren es relativ viele die gekommen waren. Einige der Gesichter kamen ihm auch sehr bekannt vor, die neue Sicherheitschefin, oder den Navigator, der mit auf dem Planeten war auf dem er Kiril gefunden hatte. Etwas weiter hinten stand Africa Goimez, die Stellvertretende Sicherheitschefin und verantwortliche für kriminalistische Ermittlungen. Zuerst ging es erst mal daran noch mal alles zu dehnen und zu strecken. Kiril war sehr enthusiastisch, und machte ihre mangelnde Erfahrung mit Elan mehr als wett. Einige schienen das Ganze eher als Gelegenheit zu sehen einige Speckröllchen loszuwerden. Nach den Dehnübungen hielt Allan noch mal eine kleine Rede über das geistige Feuer, dem Zhy und dem Gos, dem Kristall, die beiden Hauptsymbolkomplexe des Dagor, als Philosophie und Meditationstechnik ähnlich dem terranischen Tai-Chi. Das Zhygor, der Kampf ums Licht, der das Ziel, aber auch den Weg darstelle. Er erwähnte vor allem das die Anwendung des Dagor als Kampfkunst eigentlich erst am Ende einer längeren Ausbildung angesiedelt sei, schon allein da es eine sehr effektive Kampftechnik sei und die Eignung dafür erst erworben werden müsse. Das niemals Dagor im Zorn eingesetzt werden dürfe, betonte er besonders. Mit Leidenschaft ja, aber nie im Rausch des Zorns.

Dagor, der Allkampf, sei eigentlich die Beherrschung des Feuers des Geistes zur Körperbeherrschung und der waffenlosen Kampfkunst gedacht, aber daraus könne eine ganze Familie von Kampfkünsten abgeleitet werden. So sei der philosophische Aspekt des Dagor nicht auf das eigentliche Dagor, den Waffenlosen Kampf anzuwenden, sondern die alt-arkonidischen Ritter, die Dagoristas hätten natürlich auch diverse andere Waffen geführt, wie die Katsugos oder Gift Tharks, denn bei allem sei Dagor primär eine Kampfkunst geblieben. Die Spentsch und die Mannax seien die Regeln nach denen die Dagoristas lebten, und in angepasster Form seien diese Regeln der Ehre und der Treue auch Basis des »zivilen« Dagors. Ziel dieser Übungen sei es vorerst, pro Monat einen der Dagorcai vorführen zu können sowie die grundlegenden Siima-Ley, die grundlegenden Grifftechniken zu beherrschen zu lernen.

Das würde NICHT einfach werden, drohte er den Anwesenden mit einem Lächeln an. Und lies sich dann der Reihe nach einzeln die Vorkenntnisse darlegen, wobei ihn die eigentlich eher ungelenk und etwas plumper wirkende Africa Goimez mit einer Reihe von Titeln in terranischen Kampfkünsten überraschte. Dann ging es an die ersten Grundgriffe.

Nach den Aufwärm- und Dehnübungen sprach der Erste Offizier über die dem Dagor zugrunde liegende Philosophie und das strenge Regelwerk. Dann legte er den Anwesenden dar, wie er sich den Ablauf dieses Auffrischungskurses vorstellte.

Noch gerade so war Robert in der Trainingshalle aufgetaucht. Beinah hätte er den Termin verschwitzt. Er hatte Glück, dass er nicht der letzte war. Nachdem vor allem Allan eine interessante Rede über Dagor gehalten hatte, begann er die Leute nach Vorkenntnissen zu fragen. Robert hatte nicht viel zu melden. Dass er ein paar Hintergedanken zu diesem Kurs hatte verschwieg er lieber. Musste ja nicht jeder wiesen, dass Dr. Tsuran einiges damit zu tuen hatte. Nun ja, für sein geringes Vorwissen schlug er sich recht okay. Die blauen Flecken, die er davon tragen würde, sollte er lieber vergessen.

Im Anschluss an seine Rede, ließ sich Allan von jedem der Teilnehmer der Reihe nach dessen Vorkenntnisse zeigen. Als Emerson an der Reihe war, musste er höllisch darauf aufpassen, nicht aus Versehen eine Upanishad-Technik einzusetzen. Deshalb wirkte seine Vorstellung ziemlich verkrampft und laienhaft. Und ständig hatte der Veego das Gefühl, dass Yohko Takashi jede seiner Bewegungen genauestens studierte. Allan da Gonozal wollte von ihm wissen, ob er auch in anderen Kampfsportarten ausgebildet wurde.

»So ist es«, erwiderte Emerson und zählte alle Kampfstile auf, deren Grundlagen er sich mit mehr oder weniger großem Erfolg angeeignet hatte. Doch da er nie ernsthaft trainiert hatte, beherrschte er die Griffe und Techniken entweder nicht mehr oder brachte alles durcheinander. Als die Einzelvorführungen beendet waren, wurden die Kursteilnehmer ihren Vorkenntnissen entsprechend in drei Gruppen aufgeteilt.

Durch einen merkwürdigen Zufall war die Leiterin der Fortgeschrittenengruppe, der Emerson angehörte, niemand anderes als Yohko Takashi. Dann begannen sie mit dem ersten Dagorcai, d.h. der ersten Trainingseinheit. Es wurde eine ziemlich anstrengende Übungsstunde, die sogar Emerson den Schweiß auf die Stirn trieb. Nachdem die beiden Kursleiter die Teilnehmer bis an die Grenzen getrieben hatten, ließen sie es endlich gut sein und beendeten den Unterricht für diesen Tag. Als die ersten die Trainingshalle schon verlassen hatten und Emerson sich auch schon zum Gehen wandte, rief Yohko Takashi Emerson plötzlich zu: »Mr. Ostrog, würden Sie bitte noch dableiben?«

Mit nur mühsam beherrschtem Gesichtsausdruck drehte der Veego sich langsam um und kam zögerlich auf die hoch gewachsene Frau zu, während sich der Raum immer mehr leerte. Die Plophoserin nahm den Navigator zur Seite und unterhielt sich mit ihm über die Vorführung seiner Vorkenntnisse. Geradeheraus behauptete sie, dass er nicht sein ganzes Können gezeigt, sondern sich vielmehr zurückgehalten hätte.

»Das ist wahr«, gab Emerson sofort zu. »Ich musste sehr aufpassen, dass ich nicht versehentlich eine Technik aus einer anderen Kampfsportart anwende. Das passiert mir hin und wieder, und ich wollte mich hier nicht blamieren.« Im Grunde genommen stimmte das sogar, auch wenn mehr dahinter steckte. Doch es war zu bezweifeln, dass Yohko Takashi ihm das abkaufen würde. Ihre Reaktion kam für Emerson jedenfalls völlig überraschend: Sie lud ihn zu einem Freistil-Zweikampf ein, um seine wahren Fähigkeiten zu testen. Inzwischen waren sie ganz allein in der Trainingshalle, und es würde keine Zeugen für das nun Folgende geben.

Sulae hatte das Training förmlich genossen. Es war lange her, seit sie mit jemandem trainiert hatte.

Außer mit mir, sprach Shalannan lachend.

Das stimmt, aber du zählst nicht. Außerdem musst du zugeben, dass das Training auch dir gut getan hat.

Shalannan bejahte diese Aussage zu Sulaes Überraschung anstandslos. Sulae wischte sich mit dem Handtuch den Schweiß von der Stirn und sah sich in der Halle um, die sich langsam zu leeren begann. Hier und da verließen kleine Grüppchen den Trainingssaal, die meisten diskutierten noch, aber es gab auch viele, die alleine und ohne ein weiteres Wort aus der Halle gingen. Sie nahm all ihre Sachen und wollte sich gerade selbst verabschieden, als der Trainingsleiter Allan Dean Gonozal auf sie zutrat und sie fragte, ob sie nicht zum Abendessen in die Offiziersmesse mitkommen wolle.

Als sie Kirils bittenden Blick bemerkte, lächelte sie und sagte zu. »Treffen wir uns in zehn Minuten? Ich möchte den Offizieren diesen Anblick nicht bieten müssen«, setzte sie mit einem leichten Grinsen hinzu, verabschiedete sich kurz und eilte in ihr Quartier.

Wissenschaftliches Labor (BZ: 20:23 Uhr)

Hauptmann Professor Owen Wellogy war mit seiner Weisheit endgültig am Ende. Er hatte die von der HUITZILOPOCHTLI gefundene Sonde mit den verschiedensten Methoden mehrfach untersucht, doch er erhielt immer das selbe unmögliche Ergebnis. Sowohl der Isotopenzerfall als auch die Anzahl der Einschläge von Mikrometeoriten und die durch kosmische Strahlung verursachten Veränderungen des Hüllenmaterials der Sonde deuteten auf ein Alter von etwa 300 Jahren hin. Und das bei einem nur wenige Jahre alten Modell! Entweder hatte man die Sonde künstlich auf »alt« getrimmt, oder sie war sehr seltsamen Umweltbedingungen ausgesetzt gewesen.

Allerdings fiel ihm beim besten Willen keine kosmische Region ein, die solche drastischen Auswirkungen auf die Sonde gehabt haben könnte. Immerhin wurde das Schiff, von dem die Sonde eindeutig herstammte, erst seit einigen Tagen vermisst. Wellogy fragte sich unwillkürlich, was die Aufzeichnungen der Sonde wohl beinhalten mochten. Gaben sie vielleicht sogar eine Erklärung für die unsinnige Altersbestimmung? Das konnte jedoch nur der Kommandant beantworten, dem die Speicherdaten der Sonde sofort und unbesehen ausgehändigt worden waren.

Offiziersmesse (BZ: 20:25 Uhr)

Tatsächlich war Sulae zehn Minuten später in der Offiziersmesse, wo die anderen schon warteten und sie an ihren Tisch winkten. Sulae setzte sich zu dem ersten Offizier und seinem Mündel und schaute kurz auf die Karte, bevor sie sich für ein irdisches Gericht entschied. Dann lächelte sie in die Runde und sagte an Allan gewandt: »Das Kampftraining hat mir wirklich gut gefallen. Ich habe selten die Möglichkeit, mit anderen Personen zu trainieren, und alleine zu trainieren ist teilweise recht schwierig. Könnte man so etwas vielleicht irgendwann einmal außerhalb der eigentlichen Einheiten wiederholen, wenn Sie Zeit haben?«

Shalannan ließ ein bedeutungsschweres Lachen in ihrem Kopf erklingen, aber Sulae schob es entschieden zur Seite. Sie wusste, was ihr Extrasinn dachte, und sie wollte im Augenblick nicht darüber nachdenken.

Trainingshalle (BZ: 21:49 Uhr)

Der Kampf hatte nur wenige Minuten gedauert. Emerson hatte praktisch nur eingesteckt und keinen einzigen Schlag anbringen können. Nun lag er mit schmerzenden Gliedern am Boden und wartete ab, was Yohko Takashi als nächstes tun würde. Zu seiner Überraschung hielt sie ihm die Hand hin und half ihm wieder auf die Beine.

»Ihr Interesse für Kampfkünste scheint eher akademischer als praktischer Art zu sein, Ostrog-san«, gab sie leicht amüsiert von sich. »Zumindest bin ich jetzt davon überzeugt, dass sie sich nicht zurückgehalten haben.«

Das habe ich ja auch nicht, erwiderte Emerson in Gedanken. Nicht einmal mit Upanishad hätte ich dieses Macho-Weib abwehren können.

Laut sagte er: »Und was steht als nächstes auf dem Programm, Mrs. Takashi?«

»Wie wäre es mit einem Abendessen in meiner Kabine?«, schlug die Japanerin vor.

Beinahe wäre Emerson wieder auf den Hintern gefallen, und sein Gesichtsausdruck war in diesem Moment wirklich nicht der intelligenteste. Mit so ziemlich allem hätte er gerechnet, aber nicht mit einer Einladung zum Essen!

»Klar«, antwortete er reflexartig, ohne dass er näher darüber nachgedacht hätte.

Offiziersmesse (BZ: 22:00 Uhr)

Allan genoss den Ausklang des Abends in Begleitung der Sicherheitschefin des Schiffs und seines Mündels. Das Essen in der Offiziersmesse war hervorragend und die Gesellschaft angenehm. Allan hatte zwar eigentlich vor mit Kiril noch etwas »ins Gebet« zu gehen, aber natürlich nicht während Ms. Shalannan dabei war. Dieser schien das Training wirklich gefallen zu haben, denn sie fragte nach zusätzlichen Terminen. Vielleicht flirtete sie auch nur ein wenig. Allan war der Beweggrund egal, er fühlte sich wohl, auch wenn er sich sehr sicher war das der Klatsch-/Bordmoderator ihm spätestens Morgen im Frühprogramm eine Affäre mit Sulae Shalannan andichten würde.

Nicht das ich was dagegen hätte, dachte er sich, während er trank. Eine ganze Zeit später hoben sie die Tafel auf und begaben sich auf den Weg zu ihren Kabinen. Gemeinsam, da sie ja alle im selben Sektor untergebracht waren. Auf dem Weg aus dem Vergnügungssektor des Schiffes begegneten ihnen viele Besatzungsmitglieder auf Freiwache, die sich amüsierten.

»Eine entspannte Besatzung – ein gutes Zeichen«, murmelte er beiläufig und dachte dabei an all die Gefahren des Galaktischen Zentrumsbereichs, wie der Zentrumspest. Die Anwesenheit der beiden hohen Offiziere löste fast überhaupt nicht das übliche Dämpfen der Stimmung aus, wahrscheinlich da sie beide ihre Uniformjacken lässig über den Arm trugen und keinerlei Anstalten machten sich um irgendwas groß zu kümmern. Man konnte einfach so tun als hätte man sie nicht erkannt.

Die Beschreibung der Schiffsleitung war immer eins der ersten Dinge die ein Soldat an Bord eines Schiffs im Schlaf kannte. Zumindest als Allan noch jung und der Meinung war das die meisten Offiziere hohle Lamettaträger seien. Eine Einschätzung die sich leider zu seinem Leidwesen, nun da er selbst Offizier war, zum großen Teil bestätigt hatte.

»Nicht meckern, besser machen« war schon immer Allans Motto gewesen, und war es noch heute. In der arkonidischen Reichsflotte war das nach seiner Einschätzung zwar immer noch schlimmer als bei den Terranern, aber der von diesen so gern angebrachte Dünkel, dass es im Solaren Imperium um so vieles besser sei als bei den Arkoniden entlockte Allan nur noch ein müdes Lächeln.

Er kante beide Systeme, und obwohl es bei den Terranern viel leichter war etwas gegen wirklich unfähige Offiziere zu unternehmen, schien es zumindest ähnlich viele zu geben die eine Beförderung in der Lotterie gewonnen zu haben schienen. Die Flotte lebte von Legenden aus den Gründungstagen der Flotte. Namen wie: Don Redhorse; Clifton Cameron, Deringhouse, Don Kilmacthomas und Tifflor hatten auch nach über tausend Jahren ihren Klang nicht verloren. Sie inspirierten die jungen Rekruten, aber was nach 20, 30 oder 40 Jahren Karriere übrig blieb war oft mehr als traurig.

Als er sich von Sulae verabschiedete dachte er darüber nach, dass sie vielleicht eine der wenigen Personen an Bord des Schiffes war mit denen man über so was sprechen können dürfte, ohne gleich als politisch unzuverlässig angesehen zu werden.

Für Allan befand sich das Solare Imperium faktisch im Begriff der Auflösung, und das nicht erst seit dem Fall Laurin oder der Antisolaren Allianz, sondern schon deutlich länger, spätestens seit den Verfassungsänderungen welche die Wahl des obersten Repräsentanten des Imperiums auf die Bewohner des Solsystems beschränkte, die Verlängerung der Frist bis zur politischen Selbstständigkeit, die damit einhergehende Welle der Empörung. All diese Symptome kannte jeder der etwas über die Geschichte des Tai Ark'Tussan oder jedes anderen großen Hegemonialstaates gelernt hatte.

Selbst auf der Erde hatte es Reiche gegeben die an dieser Art von Problemen gescheitert waren. Es hatte nur noch zwei Möglichkeiten gegeben; die gewaltsame Unterwerfung separatistischer Kolonien, der Weg des Großen Imperiums vor 2000 Jahrhunderten, oder das Gehenlassen der Unzufriedenen, in der Hoffnung daraus irgendwann mal etwas wie das Commonwealth of Nations zu gründen, wie es aus dem Britischen Empire entstanden war.

Aber die Terraner hatten weder das eine noch das andere getan. »Demokratie« bedeutete in diesem Fall, dass das Parlament sich über Jahrhunderte uneins war, dass es keine klare Entscheidung gab, wieder und wieder widersprüchliche Entscheidungen, da sich Dinge in der Solarhall, dem Terranischen Parlament, abspielten die man früher nie für möglich gehalten hätte

Es wäre mit Sicherheit zum Bruderkrieg gekommen ohne Rhodans Voraussicht und den 500 Jahresplan, des »Fall Laurin«. Aber aufgeschoben heißt nicht aufgehoben. Die Idee das Solsystem mittels des Antitemporalen Gezeitenfeldes aus dem Einstein-Kosmos zu reißen und um einige Sekunden entlang der Zeitachse aus dem Gefüge zu rücken war, insbesondere da niemand auch nur ahnte, dass das Solare Imperium über diese verlorene Technik der Posbis verfügte, einfach genial. Aber trotz aller technischen Raffinesse, das Solsystem zum »Ghost« System zu verwandeln und zu behaupten es sei vernichtet, hatte nur Zeit erkauft.

Als Führungsoffizier war er im Groben in die Pläne eingeweiht, Olymp würde nun Terras Rolle übernehmen und als vorgeschobene Handelsschleuse mit dem angeblich vernichteten Terra wirken.

Natürlich vorgeblich mit geheimen Industriewelten auf die die terranische Bevölkerung evakuiert worden sei. Man hoffte das sich die Antisolare Koalition zerschlagen haben würde, bevor sie sich gesammelt hatte und vielleicht gegen Olymp losschlagen können würde. Fast sah es so aus als würde sich die Hoffnung erfüllen.

Die galaktopolitische Lage belastetet ihn mehr als er zuzugeben bereit war! Er machte sich Sorgen um die Zukunft der Menschheit und das wo er doch eigentlich nur zu ein Viertel Terraner und zu drei Viertel Arkonide war.

Allan verabschiedete Sulae an ihrer Kabine und ging mit Kiril zu ihrer Kabine zurück. Da es schon spät war und er sich in eine Stimmung gegrübelt hatte die nicht besonders geeignet schien sich mit Kiril zu unterhalten, fragte er sie noch mal nach ihrem Zustand und sagte ihr, das er am nächsten Tag was mit ihr besprechen wollte. Dann ging er in seine Kabine und legte sich zur Ruhe.

Bar (BZ: 22:12 Uhr)

Jean hatte gerade seine witzige Geschichte über die Sandspringer von Seplan 5 zum Besten gegeben. Es war halt eine von diesen Geschichten die man nie selbst erlebt sondern immer nur erzählt bekommt und mit dem Satz beginnt: Ein Kollege (wahlweise auch Freund oder Bekannter seltener jedoch ein Verwandter) hat erzählt … Bei solcherart Geschichten geht es ja im Allgemeinen auch nicht darum das Wissen der Zuhörer zu erweitern, sondern sie sollen stattdessen einfach nur erheitert werden. Und das schien Jean mit seinem kleinen Märchen geglückt zu sein. Denn die beiden Damen lachten ausgiebig und sogar Zento konnte sich das Schmunzeln nicht verkneifen. Jean hatte vorher einige Male versucht die Unterhaltung auf ein ernsthafteres Thema, nämlich die Mission zu bringen, jedoch ohne Erfolg. Besonders Natalie schien nicht der Sinn nach einer Diskussion über ihre Arbeit zu stehen, aber auch Anthea wollte sich anscheinend lieber über weniger ernsthafte Dinge unterhalten. Also lenkte Jean ein und gab ein wenig von seinem Raumfahrergarn zum Besten. So kam es das jeder von ihnen eine kleine Geschichte erzählen konnte. Sogar Zento hatte eine sehr lustige Geschichte von einem Manöver erzählen können.

Zufrieden darüber das seine Sandspringer-Geschichte offensichtlich solches Gefallen gefunden hat, lehnte der Epsaler sich auf seinem Stuhl zurück und erhaschte dabei einen Blick auf den Barkeeper, der mit ein wenig verzweifelter Miene zu der großen Uhr über der Tür zu den Toiletten schielte. Als ob er der Aussage dieser Uhr nicht traute schaute er zum Vergleich auf seine Armbanduhr und stellte fest, das es tatsächlich bereits reichlich spät geworden war.

Mit einem ehrlichen Seufzer durchbrach er die gerade aufkeimende Stille und sagte: »Man kann wirklich viel Spaß mit euch haben, aber ich fürchte wir müssen für Heute Schluss machen. Es war ein harter Tag und ich befürchte dass es Morgen noch dicker kommen könnte.«

Daraufhin erntete er mehr oder weniger zustimmendes Gemurmel und von Anthea das Bekenntnis: »Ja, fand ich auch echt toll, das müssen wir unbedingt wiederholen.«

Jean meinte: »Vielleicht können wir uns ja Morgen zum Mittagessen in der Offiziersmesse treffen?«

Auch hierauf erhielt er Zustimmung. Diesmal jedoch deutlich positiver. Nachdem sie ihre Drinks bezahlt hatten verließen sie die Bar in Richtung der Mannschaftskabinen. Sie gingen so, dass sich das kleine Grüppchen nach und nach auflöste. Zuerst verabschiedete sich Anthea und bog rechts in einen der Quergänge ein. Sie winkte zum Abschied und rief: »Dann bis Morgen ihr drei!«

Ihre Kabine lag ein paar Meter in diesem Gang.

Ein paar hundert Meter weiter verabschiedeten sich auch Natalie und Zento. Jean hatte den weitesten Weg, da seine Kabine sich relativ nahe an der Kommandozentrale, also am Zentrum der CREST befand, damit der Emotionaut im Notfall schnell an seinem Arbeitsplatz sein konnte. Als er seine Kabine erreichte und mit dem Impulsschlüssel öffnete bemerkte er es wie müde er eigentlich war. Der Tag hatte ihn doch ganz schön geschafft. Trotzdem nahm er sich die Zeit seine Uniform zu reinigen und sie ordentlich auf seinen Stuhl zu legen. Auch die Stiefel wurden sorgfältig vor den Stuhl gestellt. Für Jean war diese Art von Ordnungsliebe schon fast zu einem Ritual geworden. Nach einem kurzen Besuch des Badezimmers konnte er dann endlich ins Bett gehen. Dort war er innerhalb von Minuten eingeschlafen.

Erholungsdeck (BZ: 22:15 Uhr)

Natalie genoss den Abend in vollen Zügen. Sie war froh, wieder mit Anthea »das Schiff unsicher machen zu können«, wie ihre Freundin zu sagen pflegte. Schließlich war es jedoch wirklich spät, und sie spürte die Nachwirkungen der langen Mission noch immer. Sie hatte Glück, denn auch die anderen waren der Meinung es sei spät genug, und so machten sie sich auf den Weg in ihre Quartiere. Natalie verabschiedete sich bald, denn ihr Quartier lag praktisch in der Nähe, und sie war froh, als sie in ihrem Quartier verschwinden und in ihr Bett sinken konnte. Kichernd lief Anthea den Gang entlang, stupste Natalie noch mal zum Abschied und winkte ihren neuen Freunden zu. Danach ging sie in ihr Quartier zum schlafen.

Epilog. Ein gemütliches Abendessen?

Yohko Takashis Kabine (BZ: 22:30 Uhr)

Pünktlich zur ausgemachten Uhrzeit stand Emerson vor der Kabinentür, hinter der sich namenloses Grauen befinden mochte. Trotzdem betätigte er mutig die Türklingel, sich dabei des Risikos bewusst. Als Yohko Takashi ihm wenig später öffnete, trug sie eine einfache Freizeitkombination. Sie führte ihn zu einem Tisch mit zwei Gedecken, die Speisen waren bereits aufgetragen. Sie unterhielten sich über Belanglosigkeiten und den Bordalltag. Irgendwie kamen sie auf Emersons Vorliebe für die Science Fiction des 19. und 20. Jahrhunderts zu sprechen.

»Wussten Sie eigentlich, Ostrog-San, dass ich mich im Besitz von japanischen Animes des 20. und 21. Jahrhunderts befinde?«

»Nein, aber ich hatte es vermutet. In der Tat wollte ich Sie sogar darauf ansprechen und mir eventuell einige davon ausleihen.«

»Nun, leider sind mir vor kurzem einige von diesen unersetzlichen Stücken entwendet worden.«

»Tatsächlich? Das muss dieser Dieb sein, von dem mir Dr. Tsuran erzählt hat. Schlimme Sache. Mir ist auch mal was gestohlen worden, ein wertvolles Familienerbstück.«

»Haben Sie jemals herausgefunden, wer es war, Ostrog-san

»Nein, aber ich habe einen starken Verdacht. Auf jeden Fall war der Dieb ein ziemlicher Stümper, denn die Öffnung meiner Kabinentür wurde in der Sicherheitszentrale registriert. Und da ich zu der Zeit nicht an Bord gewesen war …«

»Also ist der Einbruch an Bord eines Raumschiffes passiert?«

»Ja, das haben Sie richtig erkannt. Der Dieb oder die Diebe haben übrigens eine Replik des gestohlenen Objektes zurückgelassen. Ziemlich aufwendig, wenn Sie mich fragen. Müssen professionelle Leute gewesen sein, vielleicht sogar von einem Geheimdienst.«

»Warum sollte denn ein Geheimdienst hinter Ihnen her sein, Ostrog-san

»Wahrscheinlich habe ich mich durch mein oftmals merkwürdiges Verhalten verdächtig gemacht. Dabei kann ich keiner Fliege was zuleide tun, und ich würde niemals das Solare Imperium verraten.«

»… sie vermuten also, dass es einer von unseren Geheimdiensten war?«

»Ja, das denke ich. Und ich glaube, dass man immer noch hinter mir her ist. Haben Sie als ehemalige SolAb-Agentin vielleicht einen Rat für mich, wie ich die Leute von meiner Harmlosigkeit überzeugen kann?«

»Sind Sie denn wirklich so harmlos, Ostrog-san? Wenn ja, warum haben Sie dann die Bordsicherheit nicht auf die Sache angesetzt?«

»Woher wollen Sie wissen, dass ich das nicht gemacht habe?«

»Nun, es hätte doch sicherlich Wellen geschlagen, wenn der Fall öffentlich geworden wäre.«

»Sagen wir mal so: Ich kann es mir nicht leisten, großes Aufsehen zu erregen.«

»Es gibt also dunkle Flecken in ihrer Vergangenheit, Ostrog-San?«

»… Nun, man kann es so ausdrücken. Aber meine Absichten sind lauter, ich will keinem Wesen Leid zufügen.«

»Davon werden ihre Gegner aber nur schwer zu überzeugen sein.«

»Ich weiß. Es spricht allerdings für mich, dass ich in meiner Laufbahn bei der Raumflotte niemals gegen die Interessen des Solaren Imperiums verstoßen habe. Auf der letzten Mission habe ich sogar einen bedeutenden Beitrag beim Kampf gegen die Saboteure geleistet und mein Leben aufs Spiel gesetzt.«

»Ja, ich kann mich daran erinnern. Das war ziemlich mutig von Ihnen, Ostrog-San. Aber wenn man glaubt, dass sie ein falsches Spiel spielen, dann bringen Ihnen solche Heldentaten rein gar nichts.«

»Ich müsste also meine Karten offen legen und darauf hoffen, dass man mich weiterhin in der Flotte behält?«

»So sehe zumindest ich das. Es ist genauso wie bei diesem enttarnten Androiden, diesem Spock. Wenn er sich nichts zuschulden hat kommen lassen und in keine undurchsichtigen Dinge verstrickt ist, dann gibt es sogar eine Chance, dass er auf die CREST V zurückkehren kann.«

»Leider ist das nicht für jeden ein gangbarer Weg«, sagte Emerson vorsichtig. »Manchmal kann es ein zu großes Risiko für den Betroffenen sein, seine wahre Identität aufzudecken.«

»Von was für einem Risiko sprechen Sie, Ostrog-san

»Nun, dieser Spock zum Beispiel wurde durch den Unfall im Maschinenraum dazu gezwungen. Aber er kann nicht alles offen legen, weil er sonst seine Leute gefährden würde. Soweit ich es verstanden habe, sind diese Mechanoiden auf einem vergleichsweise niedrigen technischen Stand und könnten sich gegen einen fremden Angreifer nicht wehren.«

»Aber das Solare Imperium würde so etwas nie tun«, widersprach Yohko Takashi. »Und man würde den Standort von Spocks Heimatwelt geheim halten. Wenn die Bewohner es wünschen, werden sie von der Außenwelt in Ruhe gelassen.«

»Schöne Worte«, erwiderte Emerson. »Aber sagen Sie das mal dem Mitglied einer Spezies, die eine geradezu paranoide Furcht vor der Entdeckung hat und sich deshalb bei jedem Fremdkontakt verstellt und maskiert.«

»Ist Ihnen so ein Fall persönlich bekannt, Ostrog-san

»… nun, als Smørebrøder bin ich es gewohnt, dass ich die krummen Geschäfte meiner Artgenossen verheimlichen muss. Aber sonst habe ich keine solchen Erfahrungen.«

Den Rest des Abends verbrachten sie mit belanglosem Smalltalk. Schließlich wurde es für Emerson Zeit zu gehen. Höflich verabschiedete er sich von seiner Gastgeberin und verließ ihr Quartier.

Puh, das war ein ziemlicher Drahtseilakt, dachte er auf dem Rückweg zu seiner Kabine erleichtert. Aber wenigstens verlief es entspannter als unser letztes Gespräch in der Beobachtungskuppel.

ENDE

Nun dieser zweite Missionstag war ja schon ganz schön aufregend. Kleiner Raumkampf zwischen einem Springer und einer Freihändlerin am frühen Morgen, dessen Schlichtung diverse Komplikationen hervorruft. Zum Mittagessen einen netten Roboteraufstand, ein schönes kleines Überbleibsel der Saboteure. Nur der Abend verlief bisher ohne große Aufregung. Allerdings wurde von einem Beiboot eine Sonde zurückgebracht, die bislang Rätsel aufgibt, da sie um etliches älter ist als sie eigentlich sein dürfte. Da warten also noch Geheimnisse des Zentrums auf ihre Aufklärung. Lassen wir uns überraschen, was die Zukunft noch so alles bringt.

PROC STORIES - Fan-Stories vom PROC - ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUBs. Kurzgeschichte »CREST V - Das Chaos geht weiter (2)« von PBeM-Team der CREST V. Erschienen am: 29.05.2003. Titelbild: DORGON. Lektorat, Nachbearbeitung: Christian Lenz. Umsetzung in Endformate: Alexander Nofftz. Generiert mit Xtory (SAXON, LaTeX). Homepage: http://stories.proc.org/. eMail: stories@proc.org. Copyright © 2000-2003. Alle Rechte beim Autor!