Thomas RabensteinPERRY RHODAN ONLINE CLUB (PROC) HomepageErschienen am:
01.06.2003

Der Letzte Ritter

30000 Jahre in der Zukunft - das Universum steht kurz vor dem Untergang

Was bisher geschah

Das Phänomen näherte sich mit millionenfacher Überlichtgeschwindigkeit der Milchstraße. Der Energiewirbel hatte einen Durchmesser von 20.000 Lichtjahren und war selbst so groß wie eine kleine Galaxie. Als sämtliche Hyperorter der Milchstraße unter einer furchtbaren Strukturerschütterung durchschlugen, war es bereits zu spät. Die HESPIES war angekommen!

Auf allen Schlüsselwelten, waren die warnenden Klagelaute von ES zu hören. Dann schwieg die Superintelligenz plötzlich. Der rätselhafte Energiewirbel verdichtete sich zu einem superdichten, kugelförmigen Objekt von nur 1000 Kilometern Durchmesser und erschien innerhalb weniger Sekunden über allen Hauptwelten der Milchstraße. Es machte den Eindruck, als ob die fremde Entität die Bewohner der Milchstraße testete. Überall herrschte Entsetzen, das Galaktikum war gelähmt. Als die Posbis eine Flotte von 50.000 Fragmentraumern aussandten, um der Erscheinung entgegenzutreten, wurde die Fragmentraumer einfach in den Hyperraum geschleudert. Das Klagen von Tausenden Matten-Willys verstummte, als die Hundertsonnenwelt dasselbe Schicksal teilte.

Überall in der Milchstraße war eine mächtige Stimme zu hören: »ICH BIN HESPIES, EURE QUAL, EUER SCHMERZ UND EUER TOD

Die Terraner hüllten ihr Heimatsystem sofort in das neue ATG-Feld, was die HESPIES jedoch keine Sekunde lang aufhalten konnte.

Die Terraner wurden mitsamt dem Sol-System aus der Galaxis entfernt und niemand wußte wohin.

Die meisten Zellaktivatorträger starben innerhalb eines Tages, ausgenommen Perry Rhodan und Atlan. Die HESPIES schien die Aktivatoren orten und gezielt abschalten zu können. So tötete sie einen nach dem anderen. Es wurde vermutet, daß lediglich die Ritter-Aura und die besonders abgestimmten Zellaktivatoren Rhodan und Atlan vor dem sofortigen Tode rettete.

Als die beiden alten Freunde sich voneinander verabschiedeten, wußten sie bereits, daß dies das Ende war. Rhodan trennte ein Kugelsegment der SOL ab und flüchtete in das Zentrums-Black-Hole der Milchstraße. Zuvor richtete er noch einen Appell an alle Völker, nicht aufzugeben und auf seine Rückkehr zu warten. Er würde so lange suchen, bis er mit Hilfe mächtiger Verbündeter zurückkehren würde.

Atlan, der alte Arkonide, versammelte seine letzten Freunde um sich und flog der HESPIES entgegen. Er war gewillt, im Kampf zu sterben. Als die SOL auf die Entität traf, war von Anfang an klar, wer als Sieger aus dieser Auseinandersetzung hervorgehen würde. Der Arkonide stand hochaufgerichtet in der Kommandozentrale, als er den Befehl gab, sämtliche Waffensysteme zu aktivieren.

Die HESPIES ließ diesen Feuerüberfall über sich ergehen, ohne einen Millimeter zurückzuweichen, dann versetzte sie die SOL für zehn Sekunden ohne schützendes Schirmfeld in den Hyperraum. Als Sie das Schiff wieder in das Einsteinuniversum entließ, hatten sich Teile des Schiffes bereits entstofflicht. Atlan sah viele Tote in der Zentrale und den großen, schwarzen Körper, der auf die SOL zuschoß. Der Arkonide entschloß sich zur Selbstaufgabe. Er aktivierte die Selbstvernichtung und beseitigte die Sperrvorrichtung.

Bevor die SOL jedoch in einem blauen Blitz verging, wurde Atlan aufgegriffen und ins Innere der HESPIES geholt. »Du kleiner Barbar. So einfach kannst du dich nicht davonschleichen. Ich habe eine Sammlung ehemaliger, positiver Elemente, in der du noch fehlst. Ich werfe dich zu den anderen Fossilien und lasse dir vorerst dein erbärmliches Leben. Jetzt fehlt mir nur noch DER LETZTE RITTER …«

Prolog. Das Schwarze Loch

Ich wollte meine Hände an die Schläfen pressen, doch ich erreichte nur den Helm meines SERUNs. Mir wurde übel. Ich konnte nichts mehr sehen, meine Sinne hatten den Dienst quittiert.

»Wir driften auf den Ereignishorizont zu.«

Die modulierte Stimme vernahm ich mehr in meinem Unterbewußtsein als in Wirklichkeit. Wer sprach da überhaupt zu mir?

»Zusammenbruch der Paratronblase in zwei Minuten.«

Es gelang mir mit Mühe, die Augen zu öffnen, doch ich sah nur verwirrende Muster und konnte die Instrumente der Rettungskapsel nicht ablesen. Aber ich war noch in der Lage zu denken, also war ich am Leben! Das hier war kein Traum!

Die Panzerplastkuppel meiner Rettungskapsel wurde plötzlich von hellem Licht geflutet.

Das Licht war so grell, daß es durch meine geschlossenen Lider blendete.

Mein Mund formte Worte, die trotz größter Anstrengung nicht über meine Lippen kommen wollten.

Oh mein Gott, dachte ich nur, das ist das Ende. Die Akkretionsscheibe des Amagorta Black Holes! Dieses Monster wird mich zu Plasma zerreiben.

»Zusammenbruch der Paratronblase in einer Minute 30 Sekunden.«

Ich wollte mit meinen Händen die Notschaltungen erreichen um einen Notruf abzusetzen, doch sie gehorchten mir nicht.

Du Narr, dachte ich im stummen Selbstgespräch. Der Notsender arbeitet, seit du dich von der TORSO abgesprengt hast. Niemand hört dich! Anderenfalls hätte dich längst ein Rettungsschiff der LFT aufgenommen.

Ich begann bereits zu resignieren und ergab mich in mein Schicksal.

Was konnte ich auch anderes tun? Gegen die mörderischen Gravitationskräfte des Schwarzen Lochs war ich machtlos.

Meine Gedanken begannen sich im Kreis zu drehen. Wie war ich nur in diese mißliche Lage geraten?

Ich erinnerte mich noch, daß die TORSO, ein Raumer der NOVA Klasse, völlig überraschend in einen Hinterhalt der Arkoniden geraten war.

Gegen zehn Schlachtkreuzer des Kristallimperiums, hatte das terranische Schiff keine Chance gehabt.

Plötzlich hatte ich das Gefühl, daß sich der kleine Raum, in dem ich eingezwängt war, in die Länge zu ziehen begann.

»Die Kapsel beginnt dem Einfluß des Black-Holes zu unterliegen.«

Der Syntron plärrte weiterhin stupide seine Meldungen heraus.

»Noch drei Relativminuten bis zum Zusammenbruch der Paratronblase.«

Ich wollte lachen, doch es kam nur ein Husten zustande. Also dachte ich:

Da ist dir ein Rechenfehler unterlaufen, mein Lieber. Und was soll das heißen, Relativminuten?

»Noch zehn Relativminuten bis zum Zusammenbruch der Paratronblase.«

Die Stimme des Syntrons klang tief und verzerrt. Ich glaubte eine antiquierte Tonbandaufzeichnung zu hören, die viel zu langsam ablief.

Im gleichen Atemzug wurde mein Herzschlag immer langsamer. Wurde ich bereits wahnsinnig?

Amagorta preßt dir das Leben aus dem Leib. Gleich ist es aus, dachte ich entsetzt.

Wann kam endlich die erlösende Ohnmacht? In diesem Moment hatte ich mich mit meinem bevorstehenden Tod bereits abgefunden.

Die Kapsel begann sich erst langsam, dann immer schneller um die eigene Achse zu drehen. Als ich aus dem kleinen Fenster der Rettungsluke blickte, zogen die Sterne Striche über den Hintergrund des Alls. Dann änderte sie ihre Farbe! Die Striche wurden rot.

Das Letzte, an das ich dachte, war mein Haus auf Terra und mein Garten …

1. Die Rettung

Vor 4000 Jahren, hatten die letzten zwei unsterblichen Ritter den Kampf gegen die HESPIES verloren. Einer von ihnen, ein Zweifüßler und Albino, wurde von der mächtigen Entität in die Namenlose Zone geschleudert. Dort wurde er, zusammen mit den Superintelligenzen und devolutionierten Kosmokraten, für alle Ewigkeit von ihr gequält. Der Andere, ein Zweifüßler wie der erste, jedoch von anderer Art, galt als verschollen. Nachdem seine Heimat vernichtet und sein Volk in alle Winde verstreut worden war, wußte er keinen Ausweg mehr und sprang über den Ereignishorizont von Amagorta …

Aus dem Buch des Verkünder, Genesis I.

Die Zeit hatte längst keine Bedeutung mehr für mich. Es gab nichts woran ich mich hätte orientieren können. Ich wußte nicht mehr, ob ich zehn Minuten, zehn Stunden oder zehntausend Jahre in diesem Zustand gewesen war.

Alles änderte sich, als es um mich herum wieder hell wurde. Ich fühlte angenehme Wärme, die jede Zelle meines geschundenen Körpers durchflutete. Dann hörte ich Stimmen.

Ich versuchte angestrengt, die Bedeutung der fremden Sprache zu ergründen, doch es war mir am Ende unmöglich.

Hin und wieder glaubte ich ein vertrautes Wort zu verstehen, doch dann drangen völlig unverständliche Laute an mein Ohr. Ein fremder Dialekt?

Ich öffnete vorsichtig meine Augen, doch ich konnte noch immer nichts sehen. Meine Sehfähigkeit stellte sich nur sehr langsam wieder ein. Dafür vernahm ich sofort aufgeregte Stimmen. Man hatte mich also beobachtet.

Nach ersten, kläglichen Versuchen, gab ich es auf zu sprechen. Ich brauchte noch etwas Ruhe.

Kein Wunder, dachte ich. Es kommt nicht alle Tage vor, daß man aus den Fängen eines Schwarzen Loches gerettet wird. Ich schloß die Augen, entspannte mich und genoß die Wärme, die mich umfing. Später war noch genug Zeit, mich für meine Rettung zu bedanken.

Die Völker des Universums weinten und wünschten sich die Tage vor dem Erscheinen von der HESPIES zurück. Es gab keine positiven Kräfte mehr, keine Ritter, keine Superintelligenzen. Es gab nur noch Gehorsam oder den Tod. Die Macht der HESPIES war allgegenwärtig. Nachdem Sie für die ersten 3000 Jahre ihre Residenz auf Wanderer errichtet hatte, begann Sie der Kunstplanet zu langweilen. Sie schleuderte ihn mitsamt seinen Kreaturen in eine Sonne.

Aus dem Buch des Verkünder, Genesis I.

Der Humanoide musterte mich eigentümlich und sprach dabei kein Wort.

Er war etwa 1,80 Meter groß und schlank. Mir fielen sofort seine roten Augen auf. Ein Arkonide? Ich verwarf den Gedanken sofort wieder, denn er hatte schwarzes Haar und eine gelbliche, pergamentartige Haut. Ansonsten hätte er von den Körperproportionen durchaus ein Terraner sein können.

Ich suchte in meiner Erinnerung nach Kolonisten, deren Beschreibung auf die Person vor mir zutraf, vergeblich.

Du kennst nicht alle Kolonien der LFT und der Arkoniden, dachte ich noch, da begann der Fremde plötzlich zu sprechen.

Ich lauschte seiner Sprache, in der etwas Vertrautes lag. Dennoch konnte ich nur ein einziges Wort verstehen, das sich auf Interkosmo wie das Wort gut anhörte.

»Es tut mir leid, ich verstehe dich nicht«, antwortete ich wahrheitsgemäß. Ich hob die Arme und versuchte eine hilflose Geste anzudeuten.

Der Fremde legte den Kopf schief und sah mich eigentümlich an. Dann holte er einen kleinen Gegenstand aus der Tasche und legte ihn vor uns auf den Tisch. Er gab mir ein Zeichen weiter zu sprechen.

Mir kam der Gedanke, daß es sich um einen Translator handeln könnte. Wollte der Fremde ihn mit meinem Sprachschatz füttern?

Ich tat ihm den Gefallen, obwohl ich nicht verstand, warum das Gerät Interkosmo lernen mußte. Diese Sprache galt für alle Translatoren als Standardeinstellung.

Ich zuckte kurz mit den Schultern und begann zu erzählen, von meinem Haus auf Terra, meinem ersten Raumflug, meiner Familie.

Nach etwa zwei Minuten gab das Gerät ein akustisches Signal ab und signalisierte, daß es meinen Sprachschatz analysiert hatte. Mein Gegenüber warf einen erstaunten Blick auf das Gerät und sah dann unsicher zu mir herüber.

Er schien einen Moment zu überlegen, dann begann er langsam zu sprechen.

Das Gerät war tatsächlich ein Translator, jedoch konnte ich mit den Worten, die es übersetzte, nicht viel anfangen.

»Wir sind froh, daß die Prophezeiung eingetreten und der letzte Ritter zu uns zurückgekehrt ist. Jetzt werden wir die HESPIES schlagen und die Ordnung wieder herstellen!«

Und es wird der Tag kommen, an dem der letzte Ritter aus dem schwarzen Schlund steigt und als Vorbote eines Millionenheeres, die Galaxis von der Herrschaft der HESPIES befreit. Seine Aura eilt ihm voraus und jeder wird erkennen, daß er zum heiligen Ritterorden gehört.

Aus dem Buch des Verkünder, Genesis I.

Ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Was sollte das alles bedeuten? Erlaubte sich jemand einen Scherz mit mir? Ich beschloß, in die Offensive zu gehen.

»Hören Sie«, sprach ich den Fremden an, »Mein Name ist John McGiver. Ich bin Offizier der LFT vom NOVA-Raumer TORSO. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich zu einem Hyperfunkgerät führen würden. Ich muß eine Nachricht an das Flottenkommando absetzen und meinen Standort übermitteln. Man wird sich für Ihre Kooperation dankbar zeigen.«

Der Fremde verzog keine Miene und ignorierte meine Worte. Dann entgegnete er leise, fast andächtig: »Ich bin Dolmuc, der zweite Terhan von Aphon. Wir können Eure Aura nicht anmessen. Es kann aber daran liegen, daß Ihr sie geschickt verbergt. Ich bin sicher, würdet ihr Eure Aura offen tragen, die HESPIES hätte bereits einen Töter geschickt.«

Ich sah mich unschlüssig um. Wollte oder konnte mich dieser Dolmuc nicht verstehen? War das ganze am Ende ein Psychotest der terranischen Abwehr? Glaubten die Jungs vom TLD etwa, das mich die Arkoniden beeinflußt und als Doppelagent zurückgeschickt haben?

Ich lehnte mich entspannt zurück und setzte mein berühmtes Grinsen auf. »Ihr haltet mich also für einen Ritter?«

Dolmuc bestätigte meine Frage mit einem Nicken, eine sehr menschliche Geste wie mir schien.

Ich beschloß eine Weile auf das Spiel einzugehen. Dabei war ich mir sicher, daß in einem anderen Raum ein paar Abwehrleute des TLD saßen, alles mithörten und bereits Tränen lachten. Mittlerweile mußte man längst an meiner Individualfrequenz festgestellt haben, daß mir das Kristallimperium nicht das Gehirn fritiert hatte.

»Und warum glauben Sie, daß ich ein Ritter bin?« fragte ich schmunzelnd und sah zur Decke.

Dolmuc machte eine merkwürdige Geste, die mich ein wenig an das Gebetssymbol der Akonen erinnerte. »Weil Ihr die Sprache des Verkünders sprecht.«

Ich nickte. »Aha, so ist das also. Und da habt ihr mich gleich erkannt, wie? Bin ich ein Gefangener oder kann ich jetzt gehen? Als Ritter wird mir doch wohl die entsprechende Ehrerbietung entgegengebracht?« Ich mußte mich beherrschen, nicht laut loszulachen.

Dolmuc schien einen Moment zu überlegen, dann sagte er: »Natürlich dürft Ihr gehen, wohin Ihr wollt. Wir wissen aber auch, daß ihr lange Zeit im schwarzen Schlund Eure Wiederkehr vorbereitet habt. Ihr findet Euch wahrscheinlich nicht mehr so einfach zurecht. Es ist mir deshalb eine große Ehre, Euch als Diener beizustehen.«

Ich konnte mich nicht mehr halten.

Laut lachend platzte ich heraus: »Köstlich, köstlich! Wer hat sich das Ganze ausgedacht? Mein Diener? Köstlich!«

Ich sprach einfach darauf los, denn ich war nach wie vor der Überzeugung, jemand würde mithören. »Ich bedanke mich jedenfalls für die Rettung! Ihr könnt jetzt die Geräte abschalten und herauskommen.«

Ich lachte in Dalmucs Richtung und blinzelte ihm zu. Dolmucs Mine drückte eine Mischung aus Traurigkeit und Freude aus. Dann sagte er langsam, seine Hand auf meiner Schulter. »Wir wissen, daß Ihr verwirrt sein müßt. Viel hat sich seit Eurer Zeit verändert. Das Universum ist in Unordnung und Ihr werdet es wieder ordnen, edler Raudan.«

Mein Lachen erstarb abrupt und mich beschlich plötzlich ein seltsames Gefühl. »Wie habt Ihr mich genannt? Raudan?«

Dolmuc neigte den Kopf. »Das ist Euer Name. Der Verkünder hat ihn uns genannt.«

Ich sah mich aufmerksam um. Der Raum in dem ich mich befand, ließ keine Schlüsse über meinen Aufenthaltsort zu.

Und wenn das hier ein Psychospiel der Arkoniden war? Vielleicht war ich der Gegenseite in die Hände gefallen, dachte ich mit steigender Unruhe.

Ich straffte mich. An diesen Aspekt hatte ich noch gar nicht gedacht. »Warum sprichst du von meiner Zeit? Welches Datum ist heute?«

Dolmuc legte die Hände zusammen. »Heute ist der 20. Docmusch, 30501 NGZ

Mein Gesicht versteinerte. »Wie bitte

Dolmuc hob beide Hände zu einer erhabenen Geste. »Wir schreiben das Jahr 30501 NGZ. Das Jahr, in dem Ritter Raudan ausholt, die HESPIES aus dem Universum zu fegen!«

Im Raum materialisierten plötzlich unzählige Gestalten, alle von Dolmucs Art.

Ich zuckte erschrocken zusammen, denn die Gruppe stimmte in derselben Sekunde einen euphorischen Gesang an. Mir lief eine kalte Gänsehaut über den Rücken.

Du mußt hier so schnell wie möglich raus, dachte ich nur.

2. Gestrandet in Raum und Zeit

Zuerst erschütterte die HESPIES den moralischen Code und lockte so die Inkarnationen der Kosmokraten an. Dann spielte Sie eine Zeit lang mit den hohen Wesen, genau so, wie eine Katze mit ihren Opfern zu spielen pflegt. Als die HESPIES keinen Gefallen mehr an ihrem Spiel hatte, desintegrierte sie einige, andere verbannte sie in die Namenlose Zone, um sich an den Qualen der ehemals Mächtigen zu laben. Das Universum erzitterte vor Furcht. Nur die letzten Ritter der Tiefe leisteten noch Widerstand. Sie versuchten die Völker des Universums zu einen, um sich gegen die Macht der HESPIES zu stellen. Doch die niederen Wesen waren viel zu zerstritten.

Aus dem Buch des Verkünder, Genesis I.

Ich wollte schreien, weinen oder einfach davonlaufen.

Dolmuc legte seine Hände auf meine Schultern, was mich eigentümlicher Weise sofort beruhigte.

Wenn alles der Wahrheit entsprach, was ich in der vergangenen Stunde erfahren hatte, dann befand ich mich in einer fremden Zeit! Ich war in einem Universum gestrandet, das ich nicht mehr kannte und das mir nichts sagte.

Amagorta, durchzuckte es meine Gedanken. Ich mußte irgendwie am Ereignishorizont entlang geflogen und einer Zeitverzerrung unterlegen sein. Irgendwann später, viel später, hatten mich dann Dolmucs Leute aus dem Schwarzen Loch gerettet.

Ich versuchte wenigstens annähernd zu begreifen, was mir widerfahren war, konnte aber keine Ordnung in meine Gedanken bringen.

Wenn die Zeitangabe verläßlich war, dann befand ich mich etwa 29200 Jahre in der Zukunft und man hielt mich für eine Person, die ich nicht war.

Aus reinem Selbstschutz beschloß ich den Namen Raudan vorerst zu akzeptieren. Ich hatte keine Vorstellung, wie Dolmuc und seine Leute reagierten würden, wenn sie erfuhren, daß ich nicht der ersehnte Ritter war.

Aber was war nur in der Zwischenzeit geschehen? Gab es noch Terraner? Was ist mit der Erde und wo befand ich mich genau?

Die Antwort auf diese Fragen zu finden, beherrschte von nun an mein gesamtes Denken. Ich wußte sehr wohl, daß es sich dabei nur um einen Verdrängungsprozeß handelte, der mich vor dem Wahnsinn bewahrte. Aber wie dem auch sei, ich mußte diesen Fragen auf den Grund zu gehen.

Die versklavten Völker wurden demotiviert. Ihnen wurde jeder Antrieb genommen sich aufzulehnen oder auch nur an Widerstand zu denken. Galaktiker empfingen den Pesthauch der HESPIES in unterschiedlicher Weise. Während die meisten Humanoiden völlig der Demotivation erlagen und nur noch dahin vegetierten, zeigten die vierarmigen Riesen eine gewisse Resistenz. In zyklischer Folge begannen sie motivierten Vorhaben nachzugehen und fügten der HESPIES empfindliche Schläge zu. Am 10. Jactul 10023 NGZ wurde das Volk der vierarmigen Riesen durch die DNA Resonanzwaffe vernichtet. Ihr Heimatsystem wurde in den Hyperraum geschleudert. Als Zeichen ihrer Stärke, errichtete die HESPIES ein Fanal, das jeder in der Milchstraße sehen sollte. Das Fanal trug die Namen aller Rassen, die für immer ausgelöscht worden waren. Der erste Name der Liste lautete: Haluter.

Aus dem Buch des Verkünder, Genesis I.

Sie hatten mir einen ihrer Gürtel gegeben. Mir wurde verständlich gemacht, daß ich mich damit an jeden beliebigen Ort wünschen konnte.

Diese Technologie war mir völlig unbekannt. Wenn ich Dolmucs Einweisung richtig verstanden hatte, dann handelte es sich um eine Art Fiktivtransmitter, den ich mit meinen Gedanken steuern konnte. Wie sich das Gerät in meine Gedanken einschaltete, war mir unklar.

Dolmuc erklärte mir umständlich, daß er seinen SCHAD mit meinem synchronisiert hatte. Das konnte nur bedeuten, daß er mich von jetzt ab auf Schritt und Tritt begleiten würde. Ich fluchte über diesen Umstand.

Dolmuc und alle anderen, die ich bis jetzt getroffen hatte, sprachen einen stark verfremdeten Dialekt des Interkosmo. Ich konnte ohne Translator nicht auskommen.

Als ich einen ersten Versuch mit dem Gürtel unternahm und mich einfach nach draußen wünschte, wechselte das Bild augenblicklich.

Ich fand mich unversehens auf einem großen Platz wieder. Vor mir ragte ein gigantisches, pyramidenförmiges Bauwerk in die Höhe.

Ich konnte weder den Baustiel einordnen, noch einen anderen Hinweis über meinen momentanen Aufenthaltsort finden. Zumindest nicht auf den ersten Blick.

Ich sah hinauf zum Himmel. Im Zenit stand eine heiße, weiße Sonne und brannte erbarmungslos herab. Doch auch das half mir nicht weiter. Sterne wie diesen gab es viele.

Als ich mich umdrehte, fiel mein Blick auf eine riesige Stadt. Das Meer aus Gebäuden erstreckte sich bis zum Horizont. Der Vorplatz mit der großen Pyramide, lag auf erhöhter Position. So konnte ich auf die Metropole herabsehen.

Bevor ich fragen konnte, sagte Dolmuc: »Das ist Ebrihil.«

Ich sah Dolmuc von der Seite her an. »Ist das eure Hauptstadt?«

Dolmuc schloß kurz die Lider. »Das ist Ebrihil, es gibt nur diese Stadt.«

Ich kniff die Augen zusammen versuchte die Stadtgrenzen zu erkennen. »Wie viele Menschen leben hier?«

Dolmuc sah mich unverständlich an. Er wirkte irgendwie eingeschläfert, ohne Elan. »Zehn Milliarden.«

»Und der Planet heißt Aphon?« hakte ich nach.

Dolmuc sagte nichts, was ich als Zustimmung werten konnte. Ich bohrte weiter. »Wo liegt Aphon? In welchem Teil der Milchstraße?«

In Dolmucs Augen blitzte es kurz auf. »Milchstraße?« Der Aphoner schien etwas mit dem Begriff anfangen zu können.

Unvermittelt wechselte die Umgebung. Ich fluchte. An diese Art der Fortbewegung mußte ich mich erst noch gewöhnen.

Dolmuc war mit mir in eine große Halle gesprungen. Der Raum war erfüllt mit Ausstellungsstücken und Hologrammen aller Art. Handelte es sich um ein Informationszentrum oder ein Museum?

Dann fiel mein Blick auf ein Hologramm unserer Galaxis, was mir ein Gefühl der Erleichterung vermittelte. Mit der holografischen Karte, würde sich einiges klären lassen.

Dolmuc lächelte und zeigte auf die dreidimensionale Darstellung. »Milchstraße!«

Ich ging näher heran und sah mir das Kunstwerk genauer an. Genaugenommen war es gar kein Kunstwerk, auch wenn es auf den ersten Blick so aussah.

Es handelte sich vielmehr um eine detailgetreue Holoprojektion unserer Galaxis. »Ja Dolmuc, das ist unsere Galaxis. Auch wenn einige Positionen merkwürdig verschoben erscheinen, so kann man dennoch die Magelanischen Wolken und einige markante Kugelsternhaufen erkennen.«

Dolmuc sah mich nichtssagend an. Sein anfängliches Interesse, war bereits wieder verflogen. »Dolmuc, zeig mir, wo wir uns befinden. Wo liegt Aphon?«

Der Aphoner zuckte kurz mit den Schultern und flüsterte. »Laß uns wieder gehen, Raudan. Du mußt damit beginnen, die Galaxis zu befreien. Das hier ist zu nichts nutzte.«

Ich sah mich um. Die Halle war riesig und dennoch menschenleer. Interessierte sich niemand mehr für die Dinge, die hier ausgestellt waren?

Ich zeigte auf die Holoprojektion. »Das ist die Galaxis, Dolmuc«, sagte ich trotzig.

Der Aphoner schien völlig gleichgültig zu sein und entgegnete. »Das ist die Milchstraße, Raudan.«

Ich begann mich über das lethargische Benehmen meines Dieners zu ärgern. »Aber das ist doch das selbe! Verdammt, was ist los mit dir? Vorhin warst du wesentlich agiler und hast geredet wie ein Wasserfall.«

Dolmuc deutete eine leichte Verbeugung an. »Ich habe nur den Verkünder zitiert. Seine Weisheit gibt uns Kraft.«

Ich ignorierte Dolmucs Worte und trat in einen rot markierten Kreis, der die Projektion einschloß. Kurz darauf vernahm ich eine leise, mentale Stimme. Wähle die Koordinaten.

Na also, triumphierte ich innerlich, es gab ein Führungssystem mit dem man bestimmte Bereiche des Models anzeigen konnte!

Ich überlegte kurz und sprach dann laut: »Zeig mir die Position von Aphon.«

Die Syntronik reagierte nur mit kurzer Zeitverzögerung. »Aphon wird nicht im Katalog geführt.«

Ich stutzte. Mit einem Seitenblick registrierte ich verhaltenes Interesse bei meinem Partner.

Ich versuchte es erneut. »Zeige mir die aktuelle Position des Sol-Systems.«

In meinem Kopf breitete sich sofort ein ziehender Schmerz aus, der in sekundenschnelle von meinem ganzen Körper Besitz ergriff. Ich schrie auf und taumelte.

Mit einem beherzten Sprung entkam ich aus dem markierten Bereich. Die Schmerzen ließen sofort nach.

Fluchend massierte ich mir die Schläfen. »Das Ding ist ja lebensgefährlich! Eine Fehlfunktion?«

Ich drehte mich um und sah direkt in Dolmucs, vor Schrecken geweitete Augen. »Was ist mit dir?«

Dolmuc zitterte am ganzen Körper und antwortete stockend. »Du hast das Tabuwort ausgesprochen.«

Ich sah mich irritiert um. »Das Tabuwort?«

Dolmuc wirkte auf mich wie ein Häufchen Elend. Er war total in sich zusammengesunken und zitterte am ganzen Körper. »Die HESPIES wird einen Töter schicken und Aphon in das Fanal eintragen!«

Ich verstand zwar kein Wort, aber ich begann mit dem Schlimmsten zu rechnen. Ich war in einer fremden Zeit gestrandet, auf einem fremden Planeten gelandet und hatte offensichtlich gerade eine Tabuverletzung begangen. Obwohl ich mir keiner Schuld bewußt war, würde mir das im Zweifelsfall kaum helfen. Die aufsteigende Angst schnürte mir langsam die Kehle zu.

Als A-2000-38560 seinen Befehlsimpuls erhielt, wußte er bereits was zu tun war. Es gab nur eine einzige Aufgabe, für die er abgestellt war. Die Beseitigung von Motivierten.

A-2000-38560 sprang zu den überspielten Koordinaten und rematerialisierte in der Zentralbibliothek von Aphon. Er erfaßte sofort zwei Personen, die ihn mit weit aufgerissenen Augen entgegensahen.

A-2000-38560 registrierte einen Aphoner namens Dolmuc. Der Aphoner wurde sofort anhand seiner Ferromohnspur identifiziert. Die zweite Person war nicht registriert. Das brachte A-2000-38560 einen Augenblick in Verwirrung, den so etwas konnte es nicht geben. Niemand auf dem ganzen Planeten konnte sich der Registrierung entziehen. War es vielleicht ein Beauftragter der HESPIES? Der Töter war unschlüssig. Er fuhr den DNA-Destruktor aus und wieder ein.

Nur Kommissare oder Agenten der HESPIES, durften ihre Identität verschleiern. Der Fremde war kein Aphoner. Die Art dieses Zweifüßlers, konnte von A-2000-38560 nicht eindeutig bestimmt werden. Die DNA-Analyse zeigte außerdem eine unerklärliche Abweichung, von den gespeicherten Mustern. Es konnte sich demnach nur um einen Kommissar handeln.

A-2000-38560 wog Millionen verschiedener Möglichkeiten ab und kam doch immer wieder zum selben Schluß.

Würde er einen Kommissar angreifen, dann hätte der ganze Planet die Antwort der HESPIES zu tragen. Aphon würde zweifellos in das Fanal eingetragen werden und sein Stamm würde mit dem Planeten untergehen. Der Töter zog sich diskret zurück und gab seine Entscheidung zu Protokoll.

Die Kommissare der HESPIES waren überall gefürchtet. Mit unvergleichlicher Machtfülle ausgestattet, konnten sie mit einem Blick ganze Welten vernichten. Es gefiel der HESPIES, ihre künstlichen Wesen nach dem Vorbild bekannter Persönlichkeiten zu modellieren. So schuf sie Faktor-1, ein humanoides Weibchen, das den Galaktikern unter dem Namen Mirona Thetin bekannt war. Die HESPIES gab ihrer Kommissarin dieselbe Brutalität und Machtgier, wie sie das Original besessen hatte. 3000 Jahre knechtete Faktor 1 die Wesen der großen Insel, danach gab es keine Maahks und Tefroder mehr. Die HESPIES war ihrer Schöpfung bald überdrüssig und warf Mirona in eine Sonne. Kurz darauf erschuf sie einen neuen Kommissar, der noch gefürchteter sein sollte. Sein Name war Gucky …

Aus dem Buch des Verkünder, Genesis I.

Dolmuc hatte die Augen geschlossen und war ganz in sich zusammengesunken. Er wagte kaum zu atmen und erwartete zweifellos das Ende.

Der Roboter, der vor uns aus dem Nichts materialisiert war, gehörte zu einem Stamm der Androgynen. Die Stammnummer war deutlich lesbar auf seiner Brust eingraviert.

Ich tastete vorsichtig nach meiner Waffe, die mir die Aphonern gelassen hatten.

Als ich den kalten Griff des Thermostrahlers mit meinen Fingerspitzen berührte, fühlte ich mich sicherer.

Du Narr, dachte ich. Wenn der Androgyne dich töten möchte, dann hast du keine Chance. Deine Reaktionszeit kann sich nicht mit der eines modernen Robots messen.

Der Androgyne schien unschlüssig und verharrte auf seiner Position. Er hatte keinen Schutzschirm aktiviert. Rechnete er nicht mit einer möglichen Gegenwehr?

Auf der anderen Seite wußte ich, daß Gruener seinen Androgynen eingeimpft hatte, keine Menschen zu verletzen oder in Gefahr zu bringen. Konnte mich der Robot überhaupt angreifen?

Mir kam der Gedanke, daß dieses Exemplar nicht mehr viel mit den Androgynen meiner Zeit gemein hatte. Womöglich folgte er einer völlig anderen Programmierung. Wie hatte Dolmuc ihn genannt? Töter?

Ich zuckte zusammen, als der Robot übergangslos verschwand, genau so plötzlich, wie er erschienen war. Die zurückströmende Luft, füllte das entstandene Vakuum mit einem lauten Knall auf.

Dolmuc starrte einige Sekunden auf die leere Stelle und fiel dann zitternd vor mir auf die Knie. Ich wollte ihn wieder auf die Beine heben, doch er war völlig aufgelöst.

»Ihr seid es! Ritter Raudan! Niemand sonst könnte einen Töter bannen!«

Ich wischte mir mit der Hand über die feuchte Stirn. Was um alles in der Welt war hier bloß los? Ich setzte mich neben Dolmuc auf den kalten Boden und wartete, bis sich der Aphoner einigermaßen beruhigt hatte. Was sollte ich bloß als nächstes tun?

Ich weiß nicht mehr genau, wie lange wir da gesessen hatten. Es war mit Sicherheit länger als eine Stunden gewesen. Ich bemühte mich, noch mehr über diese Zeit zu erfahren. Ich wollte wissen, was den Menschen dieses Planeten so Angst machte. Wie Dolmuc berichtete, war mein Körper wäre über eine Transmitterverbindung nach Aphon gekommen. Die Galaver hätten mich geschickt, wer auch immer das war. Offensichtlich hatten mich diese Wesen aus dem Black-Hole gezogen und direkt hierher befördert.

Der Aphoner tat mir leid. Er war seit der Begegnung mit dem Androgynen total eingeschüchtert. Ich wußte nicht was ihn mehr beeindruckt hatte, die Begegnung mit dem Töter oder der Umstand, das wir noch immer am Leben waren.

Dolmuc nannte mich weiterhin Raudan. Ich lächelte. Irgendwie erinnerte mich dieser Name an den großen Terraner meiner Epoche.

Bei diesem Gedanken kroch mir plötzlich ein kalter Schauer über den Rücken. Rhodan!

Wie jeder Bürger der LFT hatte ich gelernt, das Rhodan den Status eines Ritters der Tiefe inne hatte. Ich erstarrte. Einem Impuls folgend packte ich Dolmuc an den Schultern und schüttelte ihn. »Was ist hier los? Sag es mir! Wieso haltet ihr mich für einen Ritter der Tiefe und warum verwechselt man mich mit Perry Rhodan!«

Als ich den Namen Rhodans aussprach, erstarrte Dolmuc zu einer Statue.

Leise, fast flüsternd, raunte er mir zu: »Spreche niemals deinen richtigen Namen aus oder die HESPIES wird über Aphon erscheinen und uns alle in die Namenlose Zone schleudern!«

Ich sah in zwei total verängstigte Augen.

»Schon gut, schon gut«, beruhigte ich ihn.

Es war offensichtlich, daß die Aphoner den Namen Rhodans mit Absicht verfremdeten. Wahrscheinlich ging es dabei wieder um Schutzschutz vor einer Tabuverletzung. Ich wußte nicht, warum das bloße Aussprechen eines Namens gefährlich sein konnte, aber Dolmucs Reaktion ließ sämtliche Alarmsignale in mir klingen. Ich beschloß, von nun an vorsichtiger zu sein.

Ratlos sah ich mich um. Hier gab es nichts mehr von Bedeutung. Was würde Rhodan an meiner Stelle als nächstes unternehmen? Ich beschloß als ersten Schritt herauszufinden, wo genau ich mich befand und ermunterte Dolmuc aufzustehen.

»Gibt es auf Aphon einen Raumhafen?« fragte ich.

Als das Bild vor meinen Augen verwischte, war Dolmuc bereits gesprungen.

Die HESPIES sah belustigt der anrückenden Flotte der Albinos entgegen. Die Rotaugen hatten alle ihre Schiffe zusammengezogen. Was für ein erbärmliches Aufgebot! Die Entität fühlte sich beleidigt und sandte die DNA-modifizierten Topsider aus, um den Motivierten entgegenzutreten. Die barbarischen Echsen hatten schon mehrmals Strafaktionen im Namen der HESPIES durchgeführt und waren ihr willenlos ergeben. Mit einem Wutschrei verfolgte die HESPIES, wie die Albinos mit ihrer Flotte das Aufgebot der Echsen, mehr und mehr dezimierten. Aus Rache und als Warnung, schickte die HESPIES ihren Hauch und modifizierte die DNA-Struktur aller Albinos samt ihrer Abkömmlinge. So hatten plötzlich alle Albinos schwarzes Haar und gelbe Haut. Damit sie sich an ihren Ursprung erinnerten, beließ ihnen die HESPIES die rötlichen Augen. Die Albinos waren schwer betroffen und der Stolz des einst großen Volkes, war gebrochen. Ihre Flotte geriet in Unordnung und kehrte zum Heimatplaneten zurück. Die HESPIES erneuerte den Demotivationsbann und entließ die Albinos in Agonie …

Aus dem Buch des Verkünder, Genesis I.

Ich atmete schwer und stützte mich auf meine beiden Arme. »Nein! Oh mein Gott, ich wußte es!«

Vor mir breitete sich ein weites Landefeld aus, übersät mit Raumern aller Typenklassen und Größen.

Ich hatte die Antwort auf meine Frage erhalten! Ich wußte wo ich mich befand und dennoch konnte ich es nicht akzeptieren.

»Dolmuc! Das sind Kugelraumer! Ich kenne den Typ. Das sind Schiffe des Kristallimperiums. Wir sind auf Arkon, richtig?!«

Dolmuc hielt sich demonstrativ beide Ohren zu.

Ich zischte ihn wütend an. »Verdammt noch mal! Aphon! Arkon! Ihr verfälscht den Namen eures eigenen Heimatplaneten!«

Ich klammerte mich an das fünfzig Meter hohe Absperrgitter, das mich vom nächsten Schiff trennte und schrie auf das weite Landefeld hinaus: »Das ist alles Wahnsinn!«

Der Raumhafen war verwaist. Kein Mensch bewegte sich zwischen den Schiffen. Wo normalerweise hektische Aktivität herrschte, war nur Totenstille.

Ich erschrak, als das Echo meines Schreis von dem Kugelgiganten reflektiert widerhallte.

»Wie lange schon?« fragte ich deprimiert.

Dolmuc sah mich nur traurig an.

»Wie lange stehen diese Schiffe schon hier und verrotten?« setzte ich nach.

Dolmuc blickte ins Leere. »Schiffe?«

Ich deutete auf die gewaltigen Kugelkörper. »Die großen Kugeln.«

Dolmuc schien zu verstehen. »Schon immer.«

Ich schüttelte den Kopf. »Laß uns in eines der Schiffe springen.«

Dolmuc hob abwehrend die Arme. »Das ist tabu.«

Ich sah ihn eindringlich an. »Na und? Ich bin Raud … Rhodan! Vertrau mir! Wenn man eine Galaxis befreien will, dann muß man sich über Tabus hinwegsetzen!«

Dolmuc dachte einen Moment nach, dann gab er sich einen Ruck. Er vertraute mir wirklich.

Gemeinsam sprangen wir in das nahe Schlachtschiff mit dem Namen IMPERATOR XXV. Ich war aufs höchste gespannt. Wann bekam man schon die Chance, als Flottenangehöriger der LFT, ein Schiff der Arkoniden aus der Nähe zu sehen?

Nicht in meiner Zeit, flüsterte ich nur.

Die HESPIES war gerade in der Galaxis erschienen, als die dominierende Rasse versuchte, sich ihrer Macht durch einen antitemporalen Zeitschirm zu entziehen.

Die Entität stieß Heiterkeit aus und war sich einen Moment unschlüssig, ob sie diese Rasse vernichten oder vielleicht doch demotivieren sollte. Wußten diese Primitiven nicht, daß sie über der Zeit stand? Sie schnippte das ATG-Feld beiseite, das wie eine Seifenblase zerplatzte und weidete sich am Entsetzen der Eingeborenen. Nach einer kurzen Prüfung erkannte die HESPIES, welches Potential in dieser Rasse steckte. Sie entschloß sich deshalb, das Volk der Terraner vorerst nicht zu vernichten. Statt dessen nahm sie das Sol-System in ihre Hand und verkleinerte es. Die Schatulle, in der das Heimatsystem der Terraner aufbewahrt wurde, schmückte von nun an ihren Hauptsitz.

Aus dem Buch des Verkünder, Genesis I.

Staub, nichts als Staub! Die Zentrale des einst stolzen Raumers war leer, die Geräte deaktiviert. 29000 Jahre, vielleicht weniger, hämmerte es in meinem Schädel. Das ist unglaublich!

Ich wischte den dicken, schmierigen Belag von den Instrumenten und war bemüht, eine aktive Schaltung zu finden. Ohne Erfolg.

Entweder waren sämtliche Kraftstationen des Schiffes heruntergefahren, oder aber längst ausgebrannt.

Der Zustand des Landefeldes hatte mich bereits sehr nachdenklich gemacht. Alles war verwahrlost. Sicherlich konnten die blanken Schiffszellen noch weitere Tausend Jahre überstehen, ohne einen Makel zu zeigen. Auch die Arkoniden bauten ihre Schiffe aus demselben Spezialstahl wie die Terraner.

Äußerlich scheinbar unversehrt, hatte ich es trotzdem mit Wracks zu tun. Das Schiff, das wir gerade untersuchten, würde jedenfalls niemals wieder fliegen.

Ich gab meine sinnlosen Versuche auf, den Syntron zu aktivieren und begab mich statt dessen in die Mannschaftsquartiere.

Alles lag verlassen da. Meine Ängste, mumifizierte Besatzungsmitglieder vorzufinden, erfüllten sich nicht.

Alles war so, wie die ehemalige Besatzung es verlassen hatte.

Bezüge und Textilteile waren teilweise verwittert und zerfallen. Doch überall wo Kunstplastik oder Metall eingesetzt wurde, standen diese kahlen Teile, in einem Haufen Staub.

Ich sah leere Bilderrahmen aus Metallplastik, Kontursesselgerüste ohne Bespannung und halb zerfallene Speicherwürfel, die bei der kleinsten Berührung in sich zusammen fielen.

Dolmuc sah mir schweigend zu.

Ich schüttelte verständnislos den Kopf. »Warum haben deine Leute ihre Schiffe aufgegeben? Was hat Euch so verändert?«

Der Arkonide sah mich an. »Die Knechtschaft unter der HESPIES

»Was oder wer ist die HESPIES?« fragte ich eindringlich.

Dolmucs Gesichtsfarbe veränderte sich und aus seinen Augen rann ein Schwall Tränenflüssigkeit. Es war ihm offensichtlich unangenehm, über dieses Thema zu sprechen. »Die HESPIES ist alles. Richter, Herrscher und grausamer Knechter.«

Ich ließ meinen Blick ein letztes Mal über die Umgebung schweifen, dann sprangen wir zurück.

Ritter Rhodan hatte ein letztes Mal über GALORS zum Widerstand aufgerufen. Sein Ruf war in jedem Winkel der Galaxis zu hören und versetzte die HESPIES in rasende Wut. Der letzte Ritter Rhodan hatte sich daraufhin ihrem Zugriff entzogen und war im Zentrums Black-Hole der Milchstraße untergetaucht. Die HESPIES folgte ihm, konnte den Ritter der Tiefe aber nicht mehr finden. Ihr Wutschrei brachte die Lokale Gruppe zum Erbeben. Es befriedigte sie auch nicht, die drei Metropolen Gatas, Akon und Oxtorne zu vernichten. Ihr Wunsch nach Rache für diese Demütigung, war nicht zu stillen. Die Liste des Fanals wurde immer länger. Schließlich nahm sie haßerfüllt die Schatulle des Sol-Systems in ihre Hände und sprach. »Terraner! Ihr werdet leiden wie noch kein Volk gelitten hat! Ich werde euch so quälen, daß ihr eure eigene Evolution verflucht!«

Aus dem Buch des Verkünder, Genesis I.

Wir saßen an einem reichhaltig gedeckten Tisch. Erst jetzt übermannte mich der Hunger und ich aß viel und gut.

Die Arkoniden der Jetztzeit waren also dunkelhaarig!

Ich brütete noch immer fassungslos, über all die Dinge, die ich im Laufe dieses Tages erfahren und gesehen hatte.

Wir waren im weiteren Verlauf des Tages mit einigen Arkoniden zusammengetroffen, die aber wenig Interesse an einem Gespräch hatten und wohl lieber in den Tag hinein lebten.

Immerhin, die Versorgung war gewährleistet. Es gab zu essen und zu trinken und man brauchte nicht zu arbeiten.

Die Technik dieses Jahrhunderts hatte sich teilweise weiterentwickelt. Mir war schleierhaft, wie das mit dem riesigen Raumschifffriedhof in Einklang stand, den ich vor wenigen Stunden inspiziert hatte.

Offensichtlich arbeitete man nach wie vor an Dingen, die das Überleben garantierten oder die Bewegung auf der Oberfläche angenehmer gestalteten.

Ich berührte mit meinen Fingerspitzen den SCHAD. Das gerät beeindruckte mich sehr. Man hatte aber offenbar kein Interesse mehr an der Raumfahrt. Ich verstand diesen Widerspruch nicht.

Mein Blick verdunkelte sich. Jede Person auf Arkon schien höllische Angst vor einem Wesen namens HESPIES zu haben. Mir war weiterhin unklar, ob es sich um eine Person oder eine ganze Rasse handelte.

Wurden die Arkoniden in der Vergangenheit von einem überlegenen Gegner geschlagen und mental verkrüppelt oder unterjocht?

Fragen in diese Richtung hatte Dolmuc steht's unbeantwortet gelassen. Ich blinzelte in das helle Sternenmeer von Tantur Lok. Das helle Zentrum des Kugelsternhaufens, schien eindrucksvoll durch die Panzerplastfenster von Dolmucs Haus.

Dolmuc deutete an, das er mich am nächsten Morgen zum Verkünder bringen wollte.

Dabei handelte es sich wohl um eine Art Prediger, von dessen Geschichtskenntnissen ich mir mehr Informationen erhoffte.

Ich drängte Dolmuc mehrmals sofort zu gehen, doch er verwies mich auf den kommenden Tag.

Ich respektierte seine Entscheidung und fiel bald darauf in tiefen Schlaf.

Geplagt von Alpträumen wälzte ich mich hin und her.

Der Raum war kahl und leer. Weit im Hintergrund lagen einige Arkoniden flach auf den Boden und wagten nicht sich zu erheben.

Ich sah mich vorsichtig um. »Dolmuc, wo ist der Verkünder? Wann kommt er?«

Wir warteten bereits seid einer Stunde, ohne daß sich etwas ereignete.

Dolmuc sah zum Boden, als er mir leise zuflüsterte: »Des Verkünder wird bald sprechen. Er tut es immer um diese Zeit. Die meisten Dinge verstehen wir nicht, aber dein Kommen wurde von ihm vorausgesagt.«

Ich runzelte die Stirn. Die Arkoniden schienen eine Art Religion aus dem zu machen, was der Verkünder mitteilte. Ich war sehr gespannt.

Als die kräftige Stimme durch den Raum donnerte, erschrak ich erst zu Tode. Dann entlud sich meine Spannung in schallendem Gelächter.

Es war die Kunststimme einer Syntronik! Der Verkünder war ein Computer und dazu noch einer, der zu funktionieren schien.

Ich schaute kurz zu Dolmuc hinüber und sprach dann mit kräftiger Stimme: »Syntron! Hör auf mit dem Gefasel und akzeptiere meine Befehle per Spracheingabe.«

»Akustische Befehlseingabe bestätigt«, plärrte die Maschine.

Im Raum entstand Unruhe. Scheinbar hatte noch niemand gewagt, den Syntron anzusprechen.

»Syntron! Wer hat dir dieses Verkünder-Programm eingegeben?« fragte ich laut.

»Thebis von Las Tor, 5380 NGZ«, antwortete die Maschine prompt.

Ich setzte mich zu Dolmuc auf den Boden. Es war mir unangenehm, daß alle Arkoniden in demütiger Haltung vor der Maschine lagen. »Was war deine ursprüngliche Aufgabe, Syntron?«

»Unabhängiger, zentraler Nachrichten Syntron von Arkon I. Ich koordinierte eingehende Nachrichten von GALORS und leitete sie an das Zentralarchiv weiter.«

Ich pfiff zwischen den Zähnen hindurch. Das war ja hoch interessant! »Wie lange reichen deine Aufzeichnungen zurück?«

»Bis zum Jahr 10530 NGZ, danach schwieg GALORS

Das war nur die halbe Spanne der vergangenen Zeit. Trotzdem hoffte ich, wertvolle Informationen über die Katastrophe zu erfahren. »Syntron, kannst du einen Zusammenschnitt der wichtigsten Ereignisse der letzten 10000 Jahre liefern?«

»Selektierung läuft, Laufzeit fünf Minuten. Audio oder visuell?« fragte die Syntronik.

»Beides!« entschied ich. Ich war zum Zerreißen gespannt.

Das Phänomen näherte sich mit millionenfacher Überlichtgeschwindigkeit der Milchstraße. Der Energiewirbel hatte einen Durchmesser von 20.000 Lichtjahren und war selbst so groß wie eine kleine Galaxie. Als sämtliche Hyperorter der Milchstraße unter einer furchtbaren Strukturerschütterung durchschlugen, war es bereits zu spät. Die HESPIES war angekommen!

Auf allen Schlüsselwelten, waren die warnenden Klagelaute von ES zu hören. Dann schwieg die Superintelligenz plötzlich. Der rätselhafte Energiewirbel verdichtete sich zu einem superdichten, kugelförmigen Objekt von nur 1000 Kilometern Durchmesser und erschien innerhalb weniger Sekunden über allen Hauptwelten der Milchstraße. Es machte den Eindruck, als ob die fremde Entität die Bewohner der Milchstraße testete. Überall herrschte Entsetzen, das Galaktikum war gelähmt. Als die Posbis eine Flotte von 50.000 Fragmentraumern aussandten, um der Erscheinung entgegenzutreten, wurde die Fragmentraumer einfach in den Hyperraum geschleudert. Das Klagen von Tausenden Matten-Willys verstummte, als die Hundertsonnenwelt dasselbe Schicksal teilte.

Überall in der Milchstraße war eine mächtige Stimme zu hören: »ICH BIN HESPIES, EURE QUAL, EUER SCHMERZ UND EUER TOD

Die Terraner hüllten ihr Heimatsystem sofort in das neue ATG-Feld, was die HESPIES jedoch keine Sekunde lang aufhalten konnte.

Die Terraner wurden mitsamt dem Sol-System aus der Galaxis entfernt und niemand wußte wohin.

Die meisten Zellaktivatorträger starben innerhalb eines Tages, ausgenommen Perry Rhodan und Atlan. Die HESPIES schien die Aktivatoren orten und gezielt abschalten zu können. So tötete sie einen nach dem anderen. Es wurde vermutet, daß lediglich die Ritter-Aura und die besonders abgestimmten Zellaktivatoren Rhodan und Atlan vor dem sofortigen Tode rettete.

Als die beiden alten Freunde sich voneinander verabschiedeten, wußten sie bereits, daß dies das Ende war. Rhodan trennte ein Kugelsegment der SOL ab und flüchtete in das Zentrums-Black-Hole der Milchstraße. Zuvor richtete er noch einen Appell an alle Völker, nicht aufzugeben und auf seine Rückkehr zu warten. Er würde so lange suchen, bis er mit Hilfe mächtiger Verbündeter zurückkehren würde.

Atlan, der alte Arkonide, versammelte seine letzten Freunde um sich und flog der HESPIES entgegen. Er war gewillt, im Kampf zu sterben. Als die SOL auf die Entität traf, war von Anfang an klar, wer als Sieger aus dieser Auseinandersetzung hervorgehen würde. Der Arkonide stand hochaufgerichtet in der Kommandozentrale, als er den Befehl gab, sämtliche Waffensysteme zu aktivieren.

Die HESPIES ließ diesen Feuerüberfall über sich ergehen, ohne einen Millimeter zurückzuweichen, dann versetzte sie die SOL für zehn Sekunden ohne schützendes Schirmfeld in den Hyperraum. Als Sie das Schiff wieder in das Einsteinuniversum entließ, hatten sich Teile des Schiffes bereits entstofflicht. Atlan sah viele Tote in der Zentrale und den großen, schwarzen Körper, der auf die SOL zuschoß. Der Arkonide entschloß sich zur Selbstaufgabe. Er aktivierte die Selbstvernichtung und beseitigte die Sperrvorrichtung.

Bevor die SOL jedoch in einem blauen Blitz verging, wurde Atlan aufgegriffen und ins Innere der HESPIES geholt. »Du kleiner Barbar. So einfach kannst du dich nicht davonschleichen. Ich habe eine Sammlung ehemaliger, positiver Elemente, in der du noch fehlst. Ich werfe dich zu den anderen Fossilien und lasse dir vorerst dein erbärmliches Leben.«

Aus dem Buch des Verkünder, Genesis I.

Das war ja grauenhaft! Ich war schweißgebadet, während die Arkoniden völlig unberührt blieben. Sie verstanden das alles nicht. Mir war jedoch die grausame Realität klar geworden.

Eine unbegreifliche, mächtige Entität hatte alle Werte dieses Universums zerschlagen. ES, die Kosmokraten einfach alles! Was die HESPIES damit bezweckte, ging aus dem Bericht nicht hervor.

Ich erkannte aber mit aller Deutlichkeit, daß ich hier nicht das geringste ausrichten konnte. Vielmehr konnte ich mich über jeden Tag freuen, den ich noch in Freiheit erleben durfte.

Die Arkoniden hatten mich für Rhodan gehalten, weil sie mich aus demselben Black-Hole gefischt hatten, in dem der Unsterbliche verschwunden war. Selbst wenn Rhodan hier wäre, besäße er kein Mittel gegen diese brutale und mächtige Entität.

Dolmuc sah mir erwartungsvoll entgegen, nachdem die Syntronik ihren Bericht beendet hatte.

»Wie ist dein Plan? Was tust du als erstes?« fragte er gespannt.

Ich fühlte mich wie betäubt. »Plan?«

Ich lachte wie von Sinnen. »Bist du verrückt? Ich habe nicht einmal ein Schiff, mit dem ich Arkon verlassen könnte. Wie soll ich da einen Plan zur Bekämpfung der HESPIES ausklügeln? Ich bin genau wie ihr an diesen Planeten gefesselt. Wenn mich die Entität entdeckt, dann schnippt sie mich mit dem kleinen Finger aus diesem Universum.«

Dolmuc verzog keine Miene. »Du mußt jetzt zu den Widdern gehen.«

Ich horchte auf. »Widder

Das war der Name der Widerstandsbewegung gegen Monos gewesen!

Dolmuc löste den Sprungimpuls aus und wir materialisierten mitten in einer Transmitterhalle. Ich ärgerte mich erneut über die unwillkürliche Ortsversetzung, denn ich hätte dem Syntron gern noch einige Fragen gestellt. Statt dessen sah ich direkt in das waberte Abstrahlfeld eines Torbogentransmitters.

Dolmuc legte seine Hand auf meine Schulter. »Du mußt jetzt zu den Widdern gehen und sie führen. Wenn die HESPIES vernichtet ist, dann komm zurück und wir werden ein Fest ausrichten.«

Ich schüttelte nur den Kopf und wollte Dolmuc sagen, wie unsinnig ein Aufbegehren gegen diese Wesenheit ist, doch dann sah ich die Hoffnung in seinen Augen.

Ich wollte ihn nicht enttäuschen. »Ich verspreche dir, ich werde zurückkehren.«

Dolmuc rann Tränenflüssigkeit aus den Augenwinkeln. Da fühlte ich, daß dies ein Abschied werden würde. »Die Widder haben lange auf dich gewartet und brennen darauf, wieder Motivation zu zeigen.«

Ich sah zum Transmitter hinüber. »Dolmuc, wo bringt er mich hin?«

Der Arkonide lächelte nur. »Zu deinem Schicksal.«

3. Bei den Widdern

Das erste, was ich fühlte, als ich aus dem Transmitter taumelte, war Kälte.

Ich befand mich in einer Höhle. Die Wand war rauh und wirkte, wie mit einem groben Werkzeug bearbeitet.

Das zweite was ich bewußt wahrnahm, war Enge.

Kaum das ich die Transmitterzone verlassen hatte, wurde ich von einem brutalen Fesselfeld umschlossen und auf den Kopf gestellt. In dieser Lage hing ich nun schon seit bereits zehn Minuten

Mein Blickfeld war stark eingeschränkt. Ich war nicht in der Lage den Kopf zu drehen und konnte nur sehen, was sich unmittelbar vor mir abspielte.

Als ich jedoch die erste Bewegung wahrnahm, traute ich meinen Augen nicht.

Da schlenderte eine kleine Gestalt, von höchstens fünfzehn Zentimetern Größe, in mein Blickfeld! Das Unglaubliche daran war, es handelte sich um einen Blue!

Ich kniff die Augen zusammen und öffnete sie erneut. Aber der Blue war noch immer da. Erst jetzt fiel mir die zartgrüne Hautfarbe auf. Aber ich war mir sicher, daß die Blues einen blauen Körperflaum besaßen!

Ich wand mich in dem Fesselfeld, gab den Widerstand jedoch sofort auf, als es sich schmerzhaft um meinen Brustkorb verengte.

Der Zwerg zwitscherte in ultrahohen Tönen, was wohl das Synonym zum terranischen Gelächter sein sollte.

Mein Translator gab plötzlich einige, wenige Worte aus: »Gib es auf, Großer. Du bist jetzt bei den Widdern.«

Ich hustete. Das Blut stieg mir in den Kopf und ich wurde ärgerlich über meine unkomfortable Lage. »Ist auf Siga Maskenball? Das Kostüm ist ja zum Brüllen!« rief ich dem Zwerg entgegen.

Ein Elektroschock brachte mich in die Realität zurück. Der kleine Kerl schien keinen Spaß zu verstehen. »Mach dich nicht über Ytriel lustig, Kurzhals!«

Ich holte tief Luft. »Schon gut, schon gut. Entschuldige. Ich habe nur noch nie einen so kleinen Blue wie dich gesehen. Das ist alles.«

Ytriels Tellerkopf schwankte auf dem dünnen Hals hin und her, daß ich Angst bekam, er könnte gleich abbrechen.

Der Blue kam ganz nahe heran und sah mich aus zwei seiner vier winzigen Augen an. »Du siehst tatsächlich aus wie einer der verschollenen Terraner.«

»Ich bin Terraner!« antwortete ich gepreßt.

»Bevor ich dir etwas anderes sage, bist du für uns ein Agent der HESPIES!« zwitscherte der kleine Kerl energisch.

Ich ärgerte mich über diese Anschuldigung. Immerhin wirkte der kleine Blue agil und entscheidungsfreudig. Was für ein Gegensatz zu den DNA-manipulierten Arkoniden. »Wo sind wir hier?« wagte ich eine erste Frage.

Der Blue zwitscherte sofort. »Sei jetzt ruhig. Die Scanner arbeiten bereits und analysieren deine Erbinformationen. Wenn du das HESPIES-Gen in dir trägst, wanderst du zurück in den Transmitter und von dort direkt in die nächste Sonne!«

Ich schwitzte. Der kleine Gataser meinte es ernst.

Nach weiteren fünf Minuten erlosch das Fesselfeld plötzlich, und ich landete kopfüber und schmerzhaft auf dem harten Bodenbelag.

Ytriel zwitscherte erneut in höchsten Tönen. Am liebsten hätte ich dem Kleinen seinen Hals umgedreht. Eine innere Eingebung riet mir jedoch, es besser nicht zu tun.

»Die Untersuchung verlief zu deinen Gunsten. Du hattest Glück! Wie ist dein Name, Kurzhals?«

Ich pokerte und antwortete bestimmt. »Perry Rhodan.«

Der kleine Blue machte vor Überraschung einen Satz von drei Metern Rückwärts und stieß dabei einen panischen Schrei aus. Er schien wirklich aufgeregt zu sein.

»Beweise es!« giftete er.

Ich setzte mich aufrecht hin, massierte meinen Hals und sah den Blue offen an. »Sag mir zuerst, wie es dazu kam.«

Ytriel stemmte die dünnen Arme in die Hüften und sah mich an. »Wozu kam?«

Ich räusperte mich. »Na, deine Größe. Ich hatte die Gataser anders in Erinnerung.«

Ytriel reckte stolz die Brust nach vorn. »Ich bin ein echter Siga-Blue!«

Ich zog eine Augenbraue in die Höhe. »Was ist ein Siga-Blue?«

Der Blue zog den Kopf etwas ein als er fortfuhr. »Nachdem die Terraner von der HESPIES aus der Galaxis gefegt wurden, übernahmen die Gataser viele Planeten. Unter anderem ließen sie sich auf Siga nieder. Wir dachten nicht daran, daß die Strahlungskomponente von Gladors Stern auch auf uns wirken könnte.«

Der Zwerg ließ den Satz in der Luft hängen.

Ich sah zur Decke und schüttelte den Kopf. »Das gibt es doch gar nicht!«

Ytriel fiepte energisch: »Wenn du glaubst, mich nach meiner Größe beurteilen zu müssen, dann machst du einen schweren Fehler!«

Ich vernahm ein tiefes Brummen, das aus einer dunklen Ecke der Höhle kam, dann sah ich ihn. Ein Naat! Mindestens drei Meter groß!

Ytriel zwitscherte: »Das ist Lachmann, mein Leibwächter und Freund.«

Lachmann packte mich an den Beinen und hielt mich erneut kopfüber, wenige Zentimeter über dem Boden.

Ich verstand augenblicklich. Die Siga-Blues kämpften mit denselben Minderwertigkeitskomplexen, wie ihre terranischen Brüder.

Ich beschloß mich darauf einzustellen. »Es tut mir leid, wenn ich dich gekränkt haben sollte. Es lag nicht in meiner Absicht. Ich bitte um Entschuldigung.«

Ytriel klimperte mit allen vier Augen und Lachmann ließ mich abrupt los. Wieder landete ich auf dem Boden.

Der Siga-Blue hüpfte auf mein Handgelenk und postierte sich in Siegerpose. »So und nun zu dir, Mr. Rhodan.«

Der Kleine hatte mich über eine Stunde verhört. Er setzte dabei keine Wahrheitsdrogen ein, um meine Aussagen zu überprüfen. Ich war ihm für die humane Behandlung sehr dankbar. Am Ende hielt er mich für einen Terraner namens Rhodan, so glaubte ich wenigstens.

»Es ist erstaunlich. Ich habe noch nie einen echten Terraner gesehen. Ihr seid nicht so verschieden von den Arkoniden, wie ich dachte.«

»Unsere Rassen sind verwandt«, preßte ich zwischen den Lippen hervor, immer darauf gefaßt, daß mein Schwindel aufflog.

Yltirel sah mich an. »Die Gataser, meine großen Verwandten, haben dich aus dem Black-Hole gezogen und nach Arkon abgestrahlt.«

Diese Eröffnung zeigte mir, daß Ytriel durchaus über die Lage informiert war. »Diese Arkoniden glauben immer noch an den Rhodan-Kult. Wir Widder leben jedoch in der Realität! Wo immer du auch hergekommen bist, du bist ein Terraner und du bist motiviert! Das macht dich zum wertvollen Verbündeten. Wärst du ein Spion der HESPIES, dann wärst du bereits desintegriert. Glaub mir das ruhig.«

Ich glaubte ihn!

»Was genau verbirgt sich hinter der HESPIES?« fragte ich ruhig.

Ytriel machte eine deutliche Geste. »Eins nach dem Anderen. Das hier ist nur eine Zwischenstation. Ich werde dich zu einem unserer Stützpunkte weiterleiten. Leute wie dich, hat die HESPIES auf ihrer speziellen Liste. Die Terraner waren eine der ersten Rassen, die dem Wüten dieser Bestie zum Opfer fiel. Irgend etwas hat sie gegen Leute wie dich. Trotzdem gibt es Gerüchte, das Solare-System würde noch existieren, verkleinert auf atomare Größe. Was für ein Unsinn!«

Ich schloß einen Moment verkrampft die Augen. Ytriel hatte meinen wunden Punkt getroffen. Ich mußte mich dennoch beherrschen, denn viele Völker hatten schwer bezahlt. »Was ist das Ziel dieser HESPIES? Was will sie erreichen?«

Ytriel legte seine Hand auf einen meiner Finger als er sagte: »Es gibt keine Konkreten Vermutungen. Aber wir erhalten Berichte, daß von den Planeten der Milchstraße, der Magelanischen Wolken, Andromeda und M33, zyklisch Einwohner verschwinden. Wir wissen nicht was mit diesen Wesen geschieht.«

Ich fühlte wie das Grauen nach mir griff. »Die HESPIES holt sie?«

Ytriel machte ein zustimmendes Zeichen. »Wir glauben es. Die Bevölkerungen der Planeten sind demotiviert und leben in Gleichgültigkeit. Sie interessieren sich nur noch für ihr Tagwerk und haben keine Motivation mehr größere Pläne oder Vorhaben anzugehen. Dabei geht es ihnen verhältnismäßig gut. Die Infrastruktur der Planeten ist in Ordnung, trotzdem mancherorts stark in Mitleidenschaft gezogen.«

Ich wand ein: »So wie die Raumhäfen?«

Ytriel signalisierte Zustimmung. »Wie die Raumhäfen. Es ist überall dasselbe Bild.«

Endlich bekam ich wenigstens einige Informationen aus erster Hand! »Warum greifen die Ordnungsmächte nicht ein?«

Ytriel stieß einen Seufzer aus. »Die HESPIES hat überall verbreitet, daß sie die Kosmokraten vernichtend geschlagen hat. ES ist verschwunden und die Unsterblichen tot oder verschollen. Aber das müßtest du ja alles wissen, oder nicht?«

Ich holte tief Luft. Ytriel hatte mich längst durchschaut.

»Mein Freund! Als Erstes ließ ich untersuchen, ob deine Zellen einem Alterungsprozeß unterliegen. Sie tun es! Also bist du nicht unsterblich. Wie ist dein richtiger Name?«

Ich war froh, daß dieser peinliche Punkt vom Tisch war. »Ich heiße McGiver, John McGiver. Ich komme aus einer Zeit, in der es noch Hoffnung gab.«

Ytriel lachte. »Willkommen im Kreis der Hoffnungsvollen!«

Ich hatte gelernt, daß die Organisation der Widder eine kleine, zusammengewürfelte Gruppe war, die sich mit der Herrschaft der HESPIES nicht abfinden wollte.

Allesamt hatten sie eines gemeinsam, der Demotivator der HESPIES zeigte keine Wirkung an ihnen!

Ytriel wurde bereits als Kind von seinen Eltern genmodifiziert. Somit versagte die DNA-Waffe bei ihm. Der Großteil der übrigen Siga-Blues war bereits tot, oder von der HESPIES geholt. Was immer das auch genau bedeutete.

Ich hatte noch zu wenige Informationen über die rätselhafte Entität. Aber wenn es der Wahrheit entsprach, daß sie die Kosmokraten besiegt hatte, dann war die HESPIES und seine Machtfülle weit über ES und den Ordnungsmächten anzusiedeln.

Nach dem was ich bisher gehört hatte, reichte ihr Einflußbereich von Andromeda bis über alle Teile der Milchstraße und der umliegenden, kosmischen Regionen.

Sie hat sich in der ehemaligen Mächtigkeitsballung von ES breit gemacht, dachte ich entsetzt. Ob ihr Einfluß noch weiter reichte, war nicht bekannt.

Die Raumfahrt war seit Jahrzehntausenden zum Erliegen gekommen. Anstelle dessen, hatten die Widder ein Transmitternetz eingerichtet, mit dem sie ihre wichtigsten Stützpunkte verbanden.

Nur bestimmte, DNA-modifizierte Völker, durften Raumfahrt betreiben. Den übrigen, fehlte jeglicher Antrieb.

Und dann waren da noch die Kommissare. Sie paßten irgendwie nicht ins Bild.

Die HESPIES gestattete ihnen Angst und Schrecken zu verbreiten. Sie quälten die Bevölkerung der verschiedenen Planeten. Auf der anderen Seite sorgte die HESPIES dafür, daß es den Betroffenen relativ gut ging. Sogar technische Entwicklung war in Grenzen möglich.

Ytriel hatte mich über einige Pläne der Widder informiert, wie seine Organisation der HESPIES Schaden zufügen wollte. Das reichte von einem Hilferuf an die Porleyter, bis hin zu dem tollkühnen Plan, den Schwarm einzuholen und die Cynos zu bitten, erneut die Milchstraße aufzusuchen, um die HESPIES zu verdummen.

Am Ende mußte ich erkennen, das die Widder nichts in den Händen hatten, außer vielleicht ein paar verwegene, aber undurchführbare Wunschträume.

Gegen einen solchen Gegner gab es kein irdisches Mittel!

Was hatte Ytriel gesagt? Willkommen im Kreis der Hoffnungsvollen?

Nach allem was ich bereits gehört hatte, erschien mir diese Aussage grenzenlos optimistisch.

4. Olymp

Ich lief durch die Straßen einer Stadt, die mit dem ehemaligen Trade City nichts mehr gemein hatte. Immerhin fand ich den Denkmalsockel des Freifahrers Roi Danton, oder besser gesagt, was davon übrig geblieben war. Jemand hatte die Statue in Brusthöhe mit einem Energiestrahl durchtrennt.

Die Straßen der einstigen Metropole wirkten verhältnismäßig sauber. Aufmerksamen Beobachtern entging jedoch nicht, daß der Verfall nicht mehr aufzuhalten war. Langsam und unmerklich glitt die Stadt in Chaos.

Das war nicht mehr der Planet, den ich kannte. Selbst als im Jahr 1289 NGZ der Philosoph hier gehaust hatte, war die Stadt geordneter gewesen als heute.

Ich setzte nach wie vor meinen SCHAD ein, um mich zu bewegen. Es mir jedoch oft an Orientierungspunkten. Als ich am Morgen zum ehemaligen Raumhafen springen wollte, landete ich nahe einer zentralen Konverteranlage. Von da an war ich vorsichtiger gewesen.

Denk an die vergangene Zeit, rief ich mir immer wieder ins Gedächtnis.

Die Widder-Leute hatten mich in eine Arkonidenmaske gesteckt und mir einen Ferromohnsimulator angeheftet. Er sollte einen registrierten Abdruck vortäuschen. Ich hoffte inständig, daß er funktionierte.

Ich leistete Erkundungsarbeit. Ich sollte in Erfahrung bringen, was von Gerüchten zu halten war, die von der baldige Ankunft eines Kommissars kündeten.

Ein äußerst heikler Auftrag, wußte ich doch über die Kommissare nur, daß sie künstliche Geschöpfe waren, mit denen nicht zu spaßen war.

Das Schwierigste für mich war jedoch der Umstand, daß ich bisher auf keine Terraner getroffen war.

Olymp wurde heute von verschiedenen Rassen bevölkert. Ein Großteil der Einwohner wurde von den Blues gestellt. Ich sah aber auch Arkoniden und Vertreter anderer galaktischer Zivilisationen.

Das Verhalten dieser Leute war dasselbe, wie ich auf Arkon beobachten konnte.

Niemand kümmerte sich um den Anderen und es fiel mir schwer, dieses Verhalten anzunehmen.

Ich fragte mich die ganze Zeit über, warum ausgerechnet ich nicht der Strahlung des Demotivators unterlag.

Ich zuckte heftig zusammen, als ich das charakteristische Zischen einer Energiewaffe vernahm.

Etwa hundert Meter voraus, schwebte ein Androgyne über einen getöteten Gataser hinweg. Ich preßte vor Wut die Kiefer fest zusammen. Nur keine Emotionen zeigen! Lauf weiter, dachte ich intensiv.

Ich konnte jetzt nicht einfach umkehren und eine andere Richtung einschlagen. Das mußte verdächtig aussehen.

Der Androgyne hatte mich mit Sicherheit bereits bemerkt, also ging ich langsam weiter und bemühte mich, möglichst teilnahmslos zu wirken.

Die furchtbare Szene würdigte ich nur mit einem kurzen Seitenblick. Jeder hätte auf den Mord reagiert und ich mußte diese normale Reaktion nicht einmal improvisieren.

Äußerlich ruhig, tobte in mir ein Orkan. Ich war versucht die Waffe zu ziehen und den Roboter für seine Tat zu vernichten.

Er bekommt dich vorher! Beherrsch dich! dachte ich verbittert.

Der Androgyne trug die Aufschrift A-6000-2354. »Stehenbleiben«, plärrte die Maschine, als ich bereits zwanzig Meter an ihr vorbei war.

Auf meiner Stirn bildeten sich kleine Schweißperlen. Ich gehorchte und wagte nicht, mich umzudrehen. Ich ahnte, daß sich die Maschine von hinten näherte und vernahm gleich darauf das leise Summen des Antigravprojektors.

»Identifikation!« vernahm ich die modulierte Stimme.

Ich zitterte leicht in den Knien als ich antwortete. »Peris da Hator«

»Bestätigt«, antwortete der Androgyne knapp.

»Ich orte Schwankungen deines Ferromohnabdrucks. Hast du Angst, Peris da Hator?«

Ich beschloß, diesbezüglich die Wahrheit zu sagen. »Ich habe Angst, daß du mich desintegrierst.«

Der Androgyne schwebte langsam um mich herum bis die Maschine in mein Blickfeld geriet. »Warum sollte ich das tun, Peris von Hator. Gibt es einen Grund?«

Meine Gedanken überschlugen sich.

Die Maschine hatte offenbar eine böse Ader. Es schien ihr zu gefallen, mich zu verängstigen und zu quälen.

Ich antwortete mit zitternder Stimme, die ich nicht zu spielen brauchte. »Du bist ein Töter.«

Der Robotkörper kam ganz nah heran und berührte mich leicht. Ich wagte nicht mich zu bewegen. »Warum benutzt du einen Translator, Peris da Hator?«

Ich fühlte meinen Puls heftiger schlagen und suchte verzweifelt nach einer sinnvollen Antwort. »Ich spreche das Interkosmo sehr schlecht. Ich bin nicht motiviert genug, es zu erlernen. Warum auch, es gibt doch Translatoren.«

Der Androgyne schwebte einen Meter zurück. »Das ist gut, Peris da Hator. Weitergehen!«

Ich ging langsam weiter und rechnete jeden Augenblick damit, daß mich der Androgyne rücklings erschoß. Doch nichts dergleichen geschah.

Als ich mich einige hundert Meter entfernt hatte, setzte ich den SCHAD ein und sprang auf das gerade Wohl. Direkt in ein Wespennest.

Ich materialisierte inmitten einer Gruppe Uniter, die wie gebannt in eine Richtung starrten. Als ich ihren Blicken folgte, sah ich das gigantische Landefeld vor mir.

Auf einer Fläche von vielleicht dreißig Quadratkilometern war der Belag leer.

Am Rande türmten sich Schiffswracks aller Bauarten. Teilweise waren die Schiffe umgestürzt, teilweise sahen sie aus wie neu. Ich fragte mich, was die Prozession sollte und sprach einen der Uniter darauf an.

Der drehte nur leicht den Kopf als er antwortete: »Wir erwarten den Beauftragten der HESPIES

Ich sah mich verständnislos um. »Aber hier ist niemand. Das Landefeld ist leer.«

»Er wird kommen«, antwortete einer der Uniter verzückt.

Ich beschloß, den Redefluß des Unbekannten auszunutzen und fragte weiter: »Was wird geschehen?«

Der Rüssel des Uniters zitterte. »Jedes Mal, bevor die HESPIES einen Teil der Bevölkerung zu sich holt, kommt ihr Beauftragter und prüft, ob die Bewohner reif sind. Freust du dich nicht darauf?«

Bei dem Wort reif lief es mir eiskalt über den Rücken. »Doch, ich freue mich sehr«, antwortete ich schnell und sprang mit meinem SCHAD zurück zum Ausgangspunkt meiner Exkursion. Zu Fuß ging es dann zurück zum Versteck der Widder.

Als ich unser Versteck erreichte, erstarrte ich erneut. Vor mir, mitten im Raum, schwebte ein Androgyne!

Ich zog blitzschnell die Waffe und richtete sie auf den Roboter.

Wenn diese Maschine im Versteck der Widder anwesend war, dann hatten die Töter irgendwie unseren Aufenthaltsort in Erfahrung gebracht.

Ein lautes Trompeten brachte mich zur Besinnung, gerade rechtzeitig, bevor ich meine Waffe abfeuerte. »Halt! Nicht schießen!«

Ounkar rannte auf mich zu und wedelte wie wild mit seinem Rüssel. Ich hatte den Uniter noch niemals zuvor so aufgeregt gesehen. »Tu es nicht!«

Seine Warnung war überflüssig, ich hatte bereits erkannt, daß dieser Androgyne etwas Besonderes war.

Er hatte zwar eine 6000er Nummer, verhielt er sich aber absolut passiv und machte keine Anstalten, mich anzugreifen.

Ounkar kam schwer atmend vor mir zum stehen. »Wir hatten leider keine Zeit, dich über den Androgynen zu informieren. Das ist A-6000-234.«

»Eigentlich ist meine Bezeichnung A-P500-243«, erwiderte der Androgyne langsam, »Die Stammnummer ist meine Tarnung. Ich bin ein Widder.«

Ich holte tief Luft.

Der Androgyne sprach weiter. »Es tut mir Leid, wenn ich dich erschreckt habe, Terraner. Ich und meine Brüder sind sehr traurig darüber, daß sich der entartete Stamm derart verbreiten konnte. Die HESPIES hat meine armen Brüder gefördert und benutzt.«

Ich verstand. »Es gibt also noch Stämme, die der ursprünglichen Programmierung Grueners folgen?«

Durch den Androgynen ging ein Zittern. »Du hast von dem Urschöpfer gehört?«

Ich nickte. »Ich kenne ihn sogar noch von zahlreichen Dokumentationen und Auftritten in den galaktischen Medien.«

Der Androgyne war sichtlich erregt. »Du mußt mir von unserem Vater erzählen!«

Ich winkte ab. »Das werde ich bei Gelegenheit tun. Aber sag mir, woher kommst du?«

Der Uniter gab A-P500-243 ein zustimmendes Zeichen, worauf dieser zu berichten begann. »Wir Androgynen haben ein paar wenige, versteckte Stämme gegründet, die von der HESPIES bisher nicht gefunden wurden. Wir glauben, daß sich dieses Wesen an den mentalen Ausstrahlungen von lebenden, intelligenten Wesen orientiert. Unsere Stützpunkte sind klein und abgelegen und wir halten unsere Population in engen Grenzen. So fallen wir nicht auf. Wir arbeiten mit den Posbis zusammen. Einige Fragmentraumer sind dem Exodus der Hundertsonnenwelt entkommen. Unser Ziel ist, die fehlgeleiteten Brüder aus dem Einfluß der HESPIES zu befreien und zu uns zurück zu holen.«

Die positiven Androgynen hatten also vor, die Stämme der Töter zu infiltrieren und ihre Brüder langsam umzudrehen.

Ein guter Plan wie ich fand, jedoch ein auf lange Zeit angelegtes Vorhaben.

Sollten die Töter einmal einem positiven Bruder auf die Spur kommen, würden sie sicher bald Mittel und Wege finden, eine Unterwanderung zu verhindern.

Ich behielt meine Bedenken für mich und nickte Ounkar zu. »Ich habe von deinen Landsleuten gehört, daß der Beauftragte bald eintreffen wird.«

Der Uniter schien bei dem Gedanken zu frieren. »Das werden zehn Tage der Qual! Ich trauere schon jetzt um die Bewohner dieses Planeten.«

Ich wand mich an den Androgynen. »Wie ist Deine Sicht der Lage. Was genau ist die HESPIES und was ist ihr Ziel?«

A-P500-243 drehte sich einmal seine Achse. »Es muß sich um eine mächtige Entität handeln, die im Zwiebelschalen-Model noch über den Kosmokraten steht. Trotzdem lebt sie im Normaluniversum, mitten unter uns.«

Ich schüttelte den Kopf. »Das kann ich kaum glauben. Schon die Kosmokraten haben größte Probleme, sich in unserem Kosmos zurechtzufinden. Müßte nicht ein höher entwickeltes Wesen, mit noch mehr Schwierigkeiten kämpfen?«

Der Androgyne schnarrte: »Ein interessanter Gedanke. Wir haben das ebenfalls mehrfach diskutiert. Die HESPIES könnte ein fünfdimensionaler Abdruck seiner selbst sein. Quasi ein Schatten, den die wahre Entität in unserem Universum hinterläßt. Den Informationen zufolge, hat sie die Kosmokraten in das Normaluniversum gelockt und deren Inkarnationen geschlagen. Das könnte bedeuten, daß sie jenseits der Materiequellen den Kampf verloren hätte. Aber auch wenn sie den Moralischen Kode des Universums erschüttert hat, so hat sie die Ordnungsstrukturen nicht gänzlich vernichtet. Sie ist offensichtlich in irgendeiner Weise auf dieses Universum angewiesen.«

Es war schwierig, an dem Androgynen einen Fixierpunkt auszumachen. Einem anderen Gesprächspartner hätte ich wohl in die Augen gesehen. »Wie sollen wir einer solchen Macht nur entgegentreten? Wir haben nicht einmal ein Raumschiff.«

Der Androgyne zögerte eine Sekunde dann sagte er: »Wir haben sogar eine ganze Flotte. Im Twin-System, zwischen Andromeda und der Milchstraße, halten sich 300 Fragmentraumer versteckt. An Bord arbeiten Androgynen und Posbis an der Verbesserung der Waffen- und Defensivsysteme.«

Ich atmete durch. Das waren ausnahmsweise einmal gute Neuigkeiten.

»Außerdem«, dozierte Ounkar, »haben wir Kontakte zu einem Topsider namens Ket Har. Er ist zwar genmodifiziert, steht aber dennoch nicht unter dem Einfluß der HESPIES. Sein kleines Schiff steht auf dem südlichen Raumhafen. Er ist den Widdern wohl gesonnen.«

Ich sah Ounkar direkt in die kleinen Augen. »All diese Infomationen …«

Ounkar ließ den Rüssel sinken. »Ich weiß was du sagen willst. Was passiert, wenn wir in die Hände der HESPIES oder ihrer Häscher fallen?«

Ich nickte.

Der Androgyne antwortete zuerst. »Mein Notprogramm desintegriert mich sofort, falls jemand meine gespeicherten Informationen abruft.«

Ich horchte auf. »Desintegriert?«

Der Androgyne fuhr emotionslos fort: »Meine Selbstvernichtungsschaltung wiegt Einhundert Megatonnen!«

Ich wußte was das bedeutete. Der Androgyne ging kein Risiko ein. Falls es zu einer Entdeckung kam, wollte er vor seinem eigenen Ende noch so viele negative Brüder wie möglich ausschalten. Ich betete, daß es nicht in der Nähe einer bewohnten Stadt sein würde.

Ounkar schloß sich an. »Ich besitze ein Neuroprogramm, das ich nicht willentlich beeinflussen kann. Wenn ich unter Gewalt verhört werde, dann wird es automatisch ausgelöst und löscht alle neuronalen Verbindungen in meinem Gehirn.«

Ich war entsetzt. »Das wäre dein Tod!«

Ounkar bestätigte. »So ist es. Übrigens hat Ytriel dir dasselbe Programm implantiert, bevor er dich nach Olymp geschickt hat. Ich finde du solltest es wissen.«

Meine Hände ballten sich zu Fäusten. »Dieser kleine Bastard …«

Ich schluckte den Fluch hinunter. Natürlich mußten sich die Widder schützen. Jeder Tag im Leben eines Widders war gefährlich und man durfte nicht riskieren, die Organisation zu gefährden.

Ich sah in die Runde. »Und jetzt? Wir wissen nun mit Sicherheit, daß in Kürze ein Kommissar der HESPIES hier ankommt. Was tun wir dagegen?«

Ounkar ballte die Fäuste. »Wir planen ein Attentat!«

Der Androgyne begann, sich sofort wild im Kreis zu drehen. »Das ist nicht ratsam. Ihr solltet Olymp verlassen, solange ihr noch könnt. Der Kommissar ist unangreifbar. Ich werde versuchen, einige meiner Brüder zu retten.«

Ich war erstaunt. »Gibt es denn keinen Plan, verfolgt ihr keine Strategie?«

Ounkar zeigte mit seinem Rüssel auf den A-P500-243. »Die Androgynen arbeiten an ihren eigenen Zielen. Wir können selbst entscheiden, was zu tun ist.«

Ich machte dem Durcheinander ein Ende. »Mir scheint, die Widder sind nichts als ein Haufen lose zusammenhängender Immuner, die sich in Einzelaktionen verzetteln. Gibt es keinen Oberbefehl, keine Strategie? Wofür oder wogegen kämpfen wir? Was wollen wir erreichen?«

Meinen letzten Worten, fügte ich deutliche Schärfe hinzu.

Ounkar duckte sich. »Du hast recht. Wir haben keine Führungsstruktur. Ytriel hat dich aus eigenem Ermessen nach Olymp geschickt. Er glaubte, daß wir mit der Ankunft des Kommissars überfordert wären.«

Ich weigerte mich zu glauben, was ich soeben gehört hatte.

Ich schwor mir im Gedanken, daß ich mir den Siga-Blue noch vorknöpfen würde.

Zuerst schien es mir aber erforderlich, mehr über die HESPIES zu erfahren. Das Wissen der Widder-Leute war zu allgemein. Ich wollte herausfinden was hinter dem Kommissar und seiner Aufgabe steckte.

»Ich denke«, sagte ich leise aber bestimmt, »es ist an der Zeit, unsere Anstrengungen zu koordinieren.«

Ounkar und der Androgyne widersprachen nicht.

»Ounkar! Rufe die anderen zusammen. Ich habe eine Idee.«

Ounkar trompetete. »Du willst uns führen?«

Ich bestätigte. »Wenn diese Organisation nur ein kleines Stück von dem leisten soll, was der Widerstand gegen Monos zustande brachte, dann müssen wir uns anstrengen!«

Ounkar rannte aus dem Raum.

Der Androgyne schwebte langsam näher. »Wer ist Monos?«

Ich winkte ab. »Vergiß es. Das war lange vor deiner Zeit.«

Ich war schneller mitten ins Geschehen geraten, als es mir lieb war. Die vier Widder von Olymp, hatten mich sofort als ihren Führer akzeptiert. Nun saßen wir zusammen und diskutierten die nächsten Schritte.

Der Uniter Ounkar, der dunkelhaarige Ara Zoglet, der Androgyne und der Überschwere Samsor, lasen dabei von meinen Lippen.

Ich bemerkte dabei eine deutlich gesteigerte Aufmerksamkeit.

»Was wissen wir sonst noch über die Kommissare?« fragte ich in die Runde.

Der Androgyne meldete sich. »Sie kommen in großen Schiffen, etwa zehn Tage, bevor die Bevölkerung dezimiert wird.«

Ich fühlte mich unwohl in meiner Haut als ich fragte. »Was heißt dezimiert? Verschwinden sie einfach? Werden sie getötet?«

Ounkar trompetete leise. »Sie sind plötzlich verschwunden. Keiner weiß wohin. Es ist aber immer nur ein Teil der Bevölkerung betroffen. Wir haben Berichte aus Andromeda erhalten, die besagten, daß die Kommissarin Thetin Anfangs zu maßlos war. Die Tefroder und Maahks wurden faktisch ausgerottet.«

Meine Kehle trocknete aus. Die HESPIES braucht die Galaktiker, schoß es mir durch den Kopf. Der Kommissar betreibt eine Vorauswahl, welche Intelligenzen von ihr geholt werden.

Ein infernalisches Dröhnen unterbrach plötzlich unsere Diskussion. Was war das? Ein Schiff?

Der Überschwere Samsor zitterte am ganzen Körper. »Das ist das Kommissarschiff!«

Der Ara begann zu wimmern und Ounkar ließ seinen Rüssel hängen, ein deutliches Zeichen für seine Angst.

Einzig der Androgyne zeigte keinerlei Emotion. »Wenn es sein muß, dann opfere ich mich für das Wohl meiner Brüder!«

Ich lauschte dem Dröhnen nach. »Du kannst die Selbstvernichtungsschaltung auch bewußt aktivieren?«

»Natürlich«, bestätigte der Androgyne, »Jedoch ist es mir unmöglich, sie bewußt zu deaktivieren.

»Das ist gut zu wissen!« sinnierte ich.

5. Der Kommissar

Der Schatten des riesigen Diskusschiffes, verdunkelte den Himmel über Trade City. Die Stadt erlebte eine künstliche Sonnenfinsternis und der Kernschatten lag unheilvoll über dem ehemaligen Raumhafen.

Ich hielt mich nahe dem Landefeld auf, an dem ich zuvor mit den unter Trance stehenden Unitern zusammengetroffen war.

Die ursprünglich kleine Gruppe war mittlerweile auf über Hunderttausend Wesen aller vertretenen Rassen angewachsen. Der Zustrom an weiteren Zuschauern riß nicht ab.

Wir hatten uns geeinigt möglichst viele Informationen zu sammeln und an die übrigen Widder weiterzuleiten.

Nachdem allem was ich wußte, war noch nie ein Kommando auf einem Planeten aktiv geworden, der von einem Kommissar heimgesucht wurde.

Ich sah ungläubig zu den Massen hinüber. Was geschah hier? Was zog die Wesen zum Landefeld? Standen sie vielleicht unter kollektivem Suggestivzwang?

Eine Kette von Androgynen hatte das Landefeld abgesperrt und vor meinen Augen bereits einige Blues getötet, die sich zu nah vorgewagt hatten.

Ich sah hinauf zu dem Schiff. Es mußte unglaublich groß sein und schwebte hoch über der Stadt.

Dann geschah es, ohne Vorwarnung oder erkennbare Anzeichen.

Ich hörte plötzlich die Massen wie unter schrecklichen Schmerzen schreien und heulen.

Ounkar umklammerte meinen Arm. »Es geht los!«

Ich fühlte ein leichtes Kribbeln im Hinterkopf, ein sicheres Zeichen dafür, daß eine Beeinflussung stattfand. »Was ist das? Fühlst du es auch?«

Ounkar lauschte in sich hinein. »Ich spüre ein schwaches Prickeln.«

Vor uns wälzten sich die ersten Bewohner auf den Straßen.

Ich schloß kurz die Augen. »Ist es eine Strahlung oder mentale Beeinflussung?«

Ounkar wedelte mit dem Rüssel. »Es hat etwas mit den Erbinformationen zu tun. Sie bringen die DNA in Resonanz, daß verursacht unglaubliche Schmerzen die in jede Zelle reichen.«

Ich sah ungläubig zu Ounkar. »Aber warum nicht wir?«

Der Uniter trompetete mit steigender Unruhe »Ich bin anders. Mein Erbgut ist mutiert. Die Doppelhelix meiner DNA folgt einem anderen Drall, sie ist gespiegelt. Ich kann keine Kinder zeugen aber jetzt ist der Moment, an dem ich das erste Mal glücklich darüber bin.«

Ich verstand. Jeder Widder war auf seine Weise etwas Besonderes. Aber was war mit mir?

Ounkar rief. »Du bist auch anders. Du stammst aus einer anderen Zeit. Es muß minimale Unterschiede in der Codierung deiner Erbinformationen geben, die dich zu deinem Glück schützen. Frag nicht! Sei einfach froh darüber!«

Ich sah was der Uniter andeuten wollte. Überall lagen sich vor Schmerzen windende Gestalten auf dem Boden.

Ounkar hatte Tränen in den Augen. »Ich trauere um meine Artgenossen.«

Dann sah ich die Energiesphäre herabschweben.

Sie leuchtete grell, wie ein überladener HÜ-Schirm.

Das Wehklagen der Massen steigerte sich noch um eine Nuance und ich machte die schwersten Minuten meines Lebens durch.

Ich hatte schon Freunde verloren und Schiffe mit ihren Besatzungen im Kampf explodieren sehen, doch das hier war anders. Die Bewohner wurden absichtlich gequält. Ich ballte die Fäuste bis meine Knöchel weiß hervortraten.

Die Sphäre schwebte jetzt über dem freien Landefeld und schrumpfte auf einen Durchmesser von nur zwei Metern, dann erlosch sie abrupt.

Was ich dann sah verschlug mir den Atem. Ich konnte das einfach nicht glauben!

Ich kam erst in die Realität zurück, als mich Ounkar schmerzhaft am Arm zerrte.

Der Uniter war außer sich. »Das ist er! Oh mein Gott!«

Ich war wie betäubt.

Vor uns stand breitbeinig, die Arme in die Hüften gestemmt ein kleines Lebewesen, das kalt und ohne Emotionen auf die Leidenden blickte.

»Gucky!« kam es über meine Lippen. »Das ist Gucky, der Ilt!«

Ich war tief geschockt. Das hätte ich nicht erwartet!

Ounkar schlug mir mit dem Rüssel ins Gesicht und weckte mich so aus meiner Starre. »Das ist der schlimmste Kommissar!«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein!« schrie ich. »Das ist Gucky, ein Freund der Menschen.«

Der Uniter sah mich an, als ob ich von Sinnen wäre. »Das ist ein künstliches Geschöpf, geformt nach irgendeinem Vorbild! Wenn er uns entdeckt, dann ist es aus!«

Ich sah mich gehetzt um. Überall lagen die Blues und Uniter am Boden und wälzten sich vor Schmerzen, nur wir standen einigermaßen unbehelligt da. »Verdammt, Ounkar! Wir müssen verschwinden.«

Wir wünschten uns an einen anderen Ort, doch der SCHAD funktionierte nicht. Ounkar trompetete in höchster Panik. »Mein SCHAD wird blockiert!« Dann rannte er los.

Ich rief ihm noch hinterher, doch der Uniter hörte nicht auf mich.

Sofort wurden einige Androgyne auf ihn aufmerksam und nahmen die Verfolgung auf.

»Verdammt, Ounkar!« flüsterte ich betroffen.

Ich legte mich auf den Boden und amte die Schmerzen nach, die von den Anderen tatsächlich empfunden wurden, nur um im Gewimmel der Leiber nicht aufzufallen. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie die Androgynen den Uniter einholten.

Mit einem Mal begriff ich. Ounkar wollte die Roboter ablenken, damit ich entkommen konnte. »Du Narr«, zischte ich.

Der Uniter wurde in ein Fesselfeld gehüllt und angehoben.

Dann sah ich Gucky!

Er materialisierte direkt vor dem Uniter und beseitigte mit einem kurzen Impuls das Fesselfeld, trotzdem schwebte Ounkar noch immer über dem Boden.

Gucky hielt ihn erbarmungslos, in seiner telekinetischen Umklammerung.

Die Androgynen wichen ehrfurchtsvoll zurück.

Dann sah ich die Augen des Ilt aufglühen. Sie leuchteten wie das Feuer eines Pulsars und waren direkt auf den Uniter gerichtet. »Du armseliger Wurm! Warum unterliegst du nicht den Qualen? Was bist du für eine Mißgeburt, daß du den Atem der HESPIES nicht spüren kannst?«

Bei diesen Worten gefror mein Blut. Ounkar sah dem Tod ins Gesicht.

»Wir werden dich schlagen!« schrie er mit letzter Kraft. »Wir haben jetzt einen Anführer! Einen Terraner! Er ist der letzte Ritter!«

Das Geschöpf der HESPIES erstarrte in der Bewegung und meine Gedanken überschlugen sich.

Ich suchte verzweifelt nach einem Weg, Ounkar zu helfen. Hätte ich gewußt, was auf uns zukommt, ich hätte alle Widder sofort in die Fluchttransmitter steigen lassen. Jetzt sah es danach aus, als ob unsere Spähaktion in einer Katastrophe endete.

Der Ilt stimmte plötzlich ein wütendes Heulen an. Noch nie hatte ich solche Geräusche von einem Lebewesen gehört. »Wo, wo ist dieser Narr? Wie kann ein Ritter der größten Macht des Universums trotzen, für die Kosmokraten und ihre Handlanger nur Spielbälle sind!«

Das Wesen sah sich um und rief nochmals laut über das Landefeld. »Wo ist er!«

Ounkars Körper wurde plötzlich schlaff und leblos. Ich verkrampfte mich. Das Neuronalprogramm des Uniters hatte angesprochen.

Wahrscheinlich hatte der Mausbiber versucht, Ounkars Gehirn telepathisch zu sondieren.

Gucky warf den Uniter achtlos auf den Boden und drehte sich langsam im Kreis.

Er setzt seine telepathische Gabe ein, schoß es mir durch den Kopf.

Höchste Gefahr, dachte ich alarmiert Ich hatte zwar während der Flottenausbildung gelernt, wie man einen Gedankenblock errichten konnte. Ich war jedoch nicht mentalstabilisiert und meine Versuche, konnten nur kurze Zeit bestand haben.

Mir kam zur Hilfe, daß Gucky mich unter all den mentalen Schmerzensschreien nicht so einfach orten konnte.

Ich robbte aus dem Blickfeld der Kreatur, die wie ein Mausbiber aussah, aber keiner war. Die am Boden liegenden Leiber gaben mir Deckung.

Was mußte die HESPIES für einen kranken Verstand haben, so etwas zu tun.

Als ich im Sichtschutz eines Gebäudes angekommen war, sprang ich auf die Füße und rannte los.

Mein SCHAD funktionierte noch immer nicht. Wahrscheinlich wurden während der Anwesenheit des Kommissars alle Transporte auf der Oberfläche unterbunden. Ich betete, daß der Fluchttransmitter funktionierte, denn eine andere Möglichkeit wie die Flucht gab es nicht. Wir konnten hier nichts ausrichten.

Ich war vom Beobachter zum Gejagten geworden und rannte um mein Leben.

Längst hatte ich das vereinbarte Abbruchsignal gesendet und hoffte, daß sich die anderen Widder an den vereinbarten Kode hielten.

Auch hier, in beträchtlicher Entfernung zum Landefeld, sah ich überall zuckende, gequälte Lebewesen.

Die Strahlung schien den gesamten Planeten einzuschließen.

Ich mußte mehrmals patrouillierenden Androgynen ausweichen bis ich endlich zu unserem Versteck vorstoßen konnte.

Der Überschwere und der Ara waren bereits anwesend.

»Wo ist der Androgyne?« fragte ich energisch.

Samsor hantierte an der Schaltung des Fluchttransmitters herum. »Er ist zum Landefeld und hat sich unter seine Brüder gemischt.«

Ich wurde bleich. »Was hat er vor?«

Der Ara wirkte äußerst beunruhigt. »Er will sich, die negativen Androgynen und den Kommissar in die Luft sprengen.«

Ich überschlug kurz die Entfernung zum Landefeld. Es mußten etwa fünf Kilometer Luftlinie sein. »Wenn er das tut und seine Fusionsladung zündet, dann äschert er uns ein!«

Samsor ergänzte panisch. »Und die halbe Stadt.«

Der Ara begann zu zittern.

Ich packte Samsor an den Schultern. »Was ist mit dem Transmitter?«

Der Überschwere machte eine hilflose Geste. »Die Empfangsstation von Ytriel bestätigt nicht!«

Ich schrie ihn an. »Dann wähle einen anderen Empfänger an, irgendeinen!«

Samsor arbeitete panisch an der Justierschaltung des Transmitters. Dann rief er mit überschlagender Stimme. »Grünzeichen!«

Ich packte den Ara am Arm und schleuderte ihn in das Abstrahlfeld. Samsor folgte sofort.

Dann erhellte ein unglaublich greller Lichtblitz den Raum.

Die Panzerplastfenster tönten sofort ab, begannen aber unter der Hitzestrahlung anzulaufen.

Noch zwei Sekunden, dachte ich, dann ist die Druckwelle hier.

Ich sprang kopfüber in Transmitter. Keine Sekunde zu früh, denn das Gebäude wurde einen Moment später von der Wucht der Explosion pulverisiert.

Als ich aus der Empfängerstation taumelte, sah ich Samsor und den Ara am Boden liegen. Ich wunderte mich noch über die seltsame Körperhaltung, dann realisierte ich, daß beide paralysiert waren.

Als ich aufblickte, sah ich direkt in den Lauf einer großen Kombinationswaffe.

Das Abstrahlfeld des Strahlers flimmerte bedrohlich.

Die Waffe wurde von einem Echsenwesen gehalten, das mich aus schmalen Reptilienaugen drohend anblickte. »Nicht bewegen«, zischte der Topsider mir zu.

Zum Zeichen, daß ich keine Gegenwehr im Sinn hatte, hob ich beide Hände an. Ein Fehler wie sich herausstellte, denn der Topsider schrie und rammte mir den Kolben seines Gewehrs an den Kopf.

Ich stürzte schwer und fluchte laut. »Kosmopsychologie, erstes Semester«, murmelte ich. Hände hoch bei den Topsidern heißt, ich fordere dich zum Kampf.

Ich blieb einfach liegen und bewegte mich nicht, auch dann nicht, als ich ein weiteres Echsenwesen den Raum betrat.

Ich vernahm einige gesprochene Kommandos, dann herrschte Stille.

Als ich es wieder wagte, aufzusehen, stand ein sehr groß gewachsener Topsider in einer silbernen Kombination vor mir und fixierte mich.

Meine Maske war durch den Schlag teilweise abgeblättert und das künstliche Haarteil verrutscht.

Was mußte in den Gedanken des Topsiders vorgehen, wenn er mich jetzt so sah?

Ich wußte nicht, ob es als unhöflich galt, einen Topsider direkt in die Augen zu sehen, aber ich erwiderte den forschenden Blick direkt.

»Ich bin Ket Har, Kommandant des Schiffes WIT-HTOL. Sie sind der Terraner!« eröffnete der Topsider ohne Umschweife.

Ich zögerte einen Augenblick und wählte meine Worte sorgfältig. Die Topsider verachteten schwaches Auftreten oder Unterwürfigkeit. Ich mußte selbstbewußt sein, um unsere Lage zu verbessern.

»Mein Name ist John McGiver und ja - ich bin Terraner. Ich bedanke mich für die angemessene Behandlung, aber war es nötig, meine Partner zu paralysieren?«

Ich holte tief Luft.

Der Kopf des Topsiders schnellte ein Stück nach vorn. »Wir haben eine nukleare Explosion auf der Oberfläche angemessen. Das Landefeld ist in weitem Umkreis verwüstet. Viele Bewohner sind in den Tod gegangen.«

Ich senkte den Blick. »Wobei die Frage bleibt, ob es nicht das beste für sie war.«

Der Topsider zischte. »Das wird dem Kommissar nicht gefallen. Er wird Rache nehmen.«

Ich erhaschte einen Blick einem in der Wand eingelassenen Monitor und erkannte Olymp. Die Planetenoberfläche war wolkenverhangen.

»Wir sind im Orbit?« fragte ich erleichtert.

Der Topsider gab keine Antwort.

Ich murmelte leise »Ich hoffe nur, der Kommissar ist der Explosion nicht entkommen und die Bombe brachte ihn ins Grab!«

Ket Har sah mich mit schiefem Kopf an. »Grab? Ich werde niemals verstehen, warum die Terraner und ihre Abkömmlinge die Toten vergraben und den Würmern überlassen.«

»Ist der Kommissar tot?« wiederholte ich lauter meine Frage.

Der Topsider sah mich durchdringend an. »Das Ganze war sehr dumm von euch. Das Geschöpf lebt. Er kann nicht vernichtet werden, nicht auf diese Art.«

Ich zeigte offen meine Enttäuschung.

Der Topsider sah mich emotionslos an. »Olymp wird nun noch mehr zu leiden haben. Ich weiß nicht, ob Gucky für den Anschlag Rache an den Bewohnern nehmen wird. Aber ich habe den Befehl gegeben, dieses System sofort zu verlassen. Der Kommissar trifft jetzt Vorbereitung für die Tage der Qual und konzentriert sich auf seine Aufgabe. Danach wird er sich auf die Suche nach euch machen. Ich möchte dann nicht mehr hier sein.«

Ich sah den Topsider direkt in die Augen. »Ket Har, was geschieht dort unten?«

Der Topsider ging in Lauerstellung. »Das zu fragen ist Blasphemie! Überspannt den Bogen nicht. Schon der Umstand, daß Ihr ein Terraner seid, sollte genügen, das Kommissarschiff sofort anzurufen und euch auszuliefern. Statt dessen bringe ich Euch von hier fort.«

Ich bedankte mich mit einem nicken. »Sie können mit Ihrem Schiff fliegen wohin sie wollen?«

Ket Har zeigte keine Regung, als er antwortete. »Wir Topsider zählen zu den privilegierten dieses Universums. Die HESPIES hat sich uns offenbart und mein Volk als Hilfsvolk anerkannt. Gleich nachdem ihr Terraner es abgelehnt habt, Ihr zu dienen.«

Ich verstand. Das war also der Grund, warum die HESPIES die Terraner haßte. Rhodan hatte sie wahrscheinlich abgewiesen. Dieses Wesen schien Ablehnung nicht so einfach zu ertragen.

Der Topsider fuhr fort. »Ich bin kein Widder aber ich fühle mich Ihrer Organisation verbunden, der Grund dafür liegt in der Vergangenheit.«

Mehr sagte der Topsider nicht zu dem Thema und ich respektierte das.

»Wo bringen sie uns jetzt hin?« fragte ich nach einigen Minuten des Schweigens.

Ket Har wandte sich nochmals vor dem Gehen um. »Ihre Leute haben im Wega-System einen Kontaktpunkt. Dort werde ich Sie absetzen. Dann trennen sich unsere Wege für immer.« Ket Har verließ den Raum.

Als sich das Schott schloß, stand nur noch die Wache im Raum.

»Ausgerechnet das Wegasystem! Habt ihr Topsider keine Hemmungen dort einzufliegen?«

Der Topsider sah mich verständnislos an. »Unsere Schiffe fliegen überall hin!«

Ich nickte. »Vergessen Sie es.«

Der Topsider würde mich sowieso nicht verstehen.

6. Im Wega-System

Der Flug zur Wega dauerte zehn Stunden. Als wir in das System erreichten, fühlte ich mich der Erde so nah, wie schon lange nicht mehr.

Die Wega war das erste System, das von Terranern erkundet wurde. Mit der Wega und den Ferronen verband uns viel. Was würde mich hier erwarten und wann endete dieser Alptraum?

Die Topsider flogen ohne vorherige Anmeldung in das System ein.

Ich redete mir ein, daß wenigstens die Ferronen noch Raumfahrt betrieben, aber meine Hoffnung wurde enttäuscht.

Als wir uns dem sechsten Planeten näherten, begann der Topsiderkreuzer zu verzögern.

Der Planet wurde über eine Holoprojektion eingeblendet.

»Pigell!« flüsterte ich fasziniert.

Samsor wirkte beunruhigt. »Eine verdammte Dschungelwelt!«

Ich nickte versonnen. »Mit einer bewegten Vergangenheit.«

Zoglet stand auf und besah sich das Hologramm aus der Nähe. »Da, wir schwenken in einen Orbit ein!«

Der Ara hatte recht. Die WIT-HTOL nahm eine geostationäre Kreisbahn ein.

Ich drehte mich zu Samsor um. »Gibt es auf Pigell eine Station der Widder?«

Ich erntete nur ein Schulterzucken.

Dafür hörten wir einige Sekunden später eine kräftige Stimme über die Sprechanlage. »Ihr seid am Ziel Eurer kurzen Reise. Ich habe meine Schuld gegenüber den Widdern erfüllt und hoffe in eurem Interesse, daß sich unsere Wege nie wieder kreuzen werden.«

Ich sah mich um. Die Stimme kam aus den Akustikfeldern unter der Decke.

»Und was passiert jetzt?« Ich lauschte.

»Ihr werdet in wenigen Sekunden zur Oberfläche abgestrahlt. Euren Weg müßt ihr selber finden.«

Ich wurde unruhig. »Was soll das heißen? Gibt es keinen Empfangstransmitter?«

Der Topsider schien gelangweilt. »Was kümmert es mich?«

Ich sah mich in der Halle um. »Halt! Wartet! Beantworte mir noch ein paar Fragen!«

»Deine Fragen kümmern mich auch nicht«, zischte der Kommandant.

»Was ist mit den Ferronen? Wie sieht es auf Rofus und Ferrol aus?«

Es erfolgte keine Antwort mehr. Statt dessen empfand ich ein kurzes Ziehen im Nacken und fand mich einen Wimpernschlag später, auf der Oberfläche des Planeten wieder.

Die hohe Luftfeuchtigkeit und die schwüle Hitze des Planeten, trieben mir sofort den Schweiß auf die Stirn.

Der Ara stand inmitten einer sumpfigen Pfütze und versuchte sich vom Schlamm zu befreien. Samsor schlug plötzlich wild um sich und wehrte lästige Insekten ab.

»Willkommen in der Hölle!« rief ich verbittert.

Die zwei Widder sahen mich entsetzt an, schließlich schnaubte Samsor. »Ist das terranischer Humor?«

Ich verzog das Gesicht zu einer schmerzlichen Grimasse. »War nur eine Redensart.«

Ich umfaßte die nahe Umgebung mit einem Blick.

Pigell war noch immer eine subtropische Dschungelwelt, daran hatten auch die vergangenen Jahrhunderte nichts geändert.

Mir wurde plötzlich bewußt, wie kurz und unbedeutend ein Menschenleben im kosmischen Maßstab war.

Dieser Planet würde vielleicht noch immer so aussehen, wenn die Menschheit schon längst aus der Milchstraße verschwunden war.

Über uns verdeckte dichte Vegetation den Blick auf die Sterne.

Ich räusperte mich. »Der Topsider hat uns nicht ohne Grund hier abgesetzt. Ich denke, es gibt eine Widderstation auf diesem Planeten.«

Ich riß einen lästigen, fingerlangen Blutsauger von meinem Arm und fügte verbissen hinzu. »Wir müssen sie nur finden.«

Zoglet wischte sich seine hohe Stirn ab. »Und dabei um den halben Planeten wandern? Durch dichten Dschungel? Vorher erwischt uns einer der sicherlich vorhandenen Fleischfresser!«

Ich zog meinen Thermostrahler aus dem Futteral. »Das wird ihm den Appetit verderben! Jetzt reißt euch zusammen! Wenn wir auf Olymp geblieben wären, dann hätte uns entweder der Kommissar geholt oder wir wären von unserem Kamikaze Androgynen atomisiert worden! Seid froh das wir noch leben!«

Samsor schüttelte sich. »Uns was jetzt? Welche Richtung?«

Ich berührte den Gürtel an meine Hüfte. »Funktioniert euer SCHAD

Samsor schüttelte verärgert den Kopf. »Natürlich nicht! Auf Pigell gibt es nicht die notwendigen Leit- und Steuersysteme.«

Ich faßte einen Entschluß. »Wir schlagen diese Richtung ein.«

Ich zeigte mit dem Arm in Richtung einer nahen Anhöhe. »Von der Kuppe können wir ein weiteres Gelände überblicken, als von dieser Senke aus. Samsor ist der kräftigste und geht voraus.«

Der Überschwere sah unbehaglich in den dunklen Dschungel hinein. »Und wenn mich ein Raubtier anfällt?«

Ich zwinkerte ihm zu. »Dann hat es gleich den größten Happen erwischt!«

Der Ara sah mich so entsetzt an, daß ich spontan laut lachen mußte.

»Das«, sagte ich langsam, »war terranischer Humor.«

Der Überschwere fluchte und setzte sich in Bewegung. Wie beide folgten ihm auf den Schritt.

Nach einer Stunde beschwerlichen Marsches hatten wir die Anhöhe erreicht.

Samsor nahm mich auf seine Schultern und drehte mich im Kreis. »Kannst du etwas sehen, Terraner?«

Im Norden machte ich einige hohe Bergzüge aus und einen nicht enden wollenden Dschungel in alle Richtungen.

Meine Augen suchten nach Spiegelungen oder Reflexionen, so wie sie Metall im Sonnenlicht erzeugte, jedoch erfolglos.

Wenn es in dieser Nähe eine Station gab, dann war sie sehr gut getarnt. Vielleicht übersahen wir sie auch einfach. In diesem Dschungel kein Wunder, dachte ich niedergeschlagen.

Samsor setzte mich ab und sah mich fragend an. Auch der Ara schien sich völlig auf meine nächsten Schritte zu verlassen.

»Wir gehen nach Norden«, entschied ich und deutete mit dem Arm in eine Richtung.

Bevor der Ara zu einer Frage ansetzen konnte, fiel ich ihm ins Wort. »Dort wird der Wald lichter, das Gelände hügliger und ich bin sicher wir finden dort Wasser. Schließlich müssen wir irgendwann etwas zu uns nehmen.«

Samsor verzog das Gesicht. Ihm wurde wohl eben bewußt, daß sein Magen dringend Nachschub benötigte.

Ich wandte mich an den Ara. »Falls wir Früchte finden, kannst du dann eine Auswahl treffen, welche eßbar sind und welche nicht?«

Zoglat griff in die Seitentasche seines ehemals, weißen Overalls.

»Ich habe nur ein Notpaket dabei, das gegen die gängigsten Toxine prüft.«

Ich nickte. »Immerhin etwas! Wenn wir Wasser finden, dann werden wir es abkochen, bevor wir es trinken.«

Der Ara schüttelte den Kopf. »Das ist nicht genug. Manche Bakterien leben im Innern von Vulkanen.«

Ich gab ihm keine Antwort, sondern stand demonstrativ auf. »Gehen wir weiter!«

Dich meine Aufforderung wurde nicht mehr gehört. Beide, der Ara und Samsor, fielen fast synchron zu Boden.

Bevor ich realisierte, daß die beiden soeben betäubt wurden, fühlte ich einen Stich am linken Arm.

Ich konnte gerade noch den kleinen Pfeil aus dem Arm ziehen, bevor es mir schwindelig wurde und meine Beine den Dienst versagten.

Als ich aus der Bewußtlosigkeit erwachte, sah ich direkt in ein bunt bemaltes, blaues Gesicht. Ich erschrak und wollte eine abwehrende Haltung einnehmen, doch meine Hände waren gefesselt. Ich lag auf einer Art Bambusmatte und konnte mich nicht bewegen.

Der Fremde, bis auf die blaue Haut absolut humanoid, grinste und entblößte dabei eine Reihe gelber Zähne.

Ich verzog das Gesicht. Es handelte sich ohne Zweifel um einen Ferronen und er stank erbärmlich. Wo befanden wir uns? In einem Urwalddorf?

Ich sagte ein paar Worte in Interkosmo, belangloses Zeug, nur um meine friedlichen Absichten zu unterstreichen und um den Eingeborenen zu beruhigen. Gleich darauf erschien ein zweites Gesicht über mir.

Ich musterte die Fremden genauer. Das kupferfarbene Haar war teilweise dunkelrot gefärbt. Gelbe Streifen zogen sich über ihre Gesichter. »Seid ihr auf dem Kriegspfad?« fragte ich leise.

Der Ferrone legte den Kopf schief. »Takla betalus.«

Ich verstand nicht. Um mich herum schien Leben in den Ferronenstamm zu kommen, denn ich hörte viele Stimmen, die durcheinander sprachen.

Als ich ruckartig, mitsamt der harten Unterlage aufgerichtet wurde, konnte ich einen Teil des Dorfes einsehen, dann fand ich meine zwei Begleiter.

Wir waren alle gefesselt und befanden uns auf einer Art Dorfplatz. Vor uns hatten sich etwa fünfzig Ferronen versammelt, die allesamt äußerst primitiv wirkten.

»Was ist mit euch!?« rief ich ihnen entgegen.

»Terraner und Ferronen waren einmal Freunde!«

Einer der Ferronen, ein ganz besonders bunt geschmückter Mann, ging auf mich zu und rammte mir das Ende einer Hiebwaffe in den Magen.

Ich stöhnte leise. Das hatte weh getan.

Der Fremde hieb seine Faust gegen die eigene Brust und sagte laut: »Thaard.«

Ich hustete, dann fragte ich leise. »Ist das dein Name?«

Als Antwort erhielt ich einen neuen Schlag. »Thaart!«

Ich überlegte. Wenn ich mich in der Zukunft befand und die Reste des ferronischen Volkes vor mir hatte, dann mußten sie bereits ein neues Idiom entwickelt haben. Plötzlich wußte ich was mir der Fremde sagen wollte!

Ich mußte lachen, was dem Anführer gar nicht zu gefallen schien, denn er holte erneut aus.

»Thort!« rief ich schnell. »Thort!«

Ein Raunen ging durch die Menge. Der Eingeborene verharrte in der Bewegung und sah mich mit großen Augen an. Hatte ich in ihm eine Erinnerung geweckt oder vielleicht ein Tabu verletzt?

Der Ferrone murmelte unverständliche Worte und ging mit hängenden Schultern davon. Ich verstand gar nichts mehr.

Niemand beachtete uns von nun an mehr. Ich hing noch etwa eine Stunde in den Fesseln und die Stricke begannen, mir schmerzhaft in die Handgelenke zu schneiden, als ich ein feines, hohes Lachen vernahm.

Ich suchte die düstere Umgebung mit den Augen ab, dann schließlich sah ich ihn. »Ytriel!«

Der Siga-Blue stand breitbeinig auf einem Baumstumpf und sah mit zwei seiner vier Augen zu mir herüber.

»Verdammt Ytriel! Mach' uns los!« zischte ich.

»Sachte, sachte«, wisperte der kleine Blue, erst will ich mich davon überzeugen, daß ihr bei klarem Verstand seid und die HESPIES euch nicht manipuliert hat.«

Der Gataser schnellte mit einer beachtlichen Sprungkraft in meine Richtung und landete nur einen Meter vor mir auf dem Boden.

Ytriel stemmte die Hände in die Seiten und legte den kleinen Tellerkopf schief. »Na, du starker Terraner? Wie fühlt man sich nach dem ersten Kontakt mit dem Häscher der HESPIES

Ich sah kurz zu Samsor und dem Ara hinüber. »Leben sie?«

Der Blue kicherte in ultrahohen Tönen. »Ihr hattet Glück. Die Ferronen haben auch tödliche Gifte für ihre Pfeile.«

Ich atmete schwer. »Wie kommst du hierher?«

Der Blue sah mich an. »Ich war schon immer hier!«

Es trieb mir die Zornesröte ins Gesicht. »Dein Stützpunkt befindet sich auf Pigell?«

Ich rüttelte an den Fesseln. »Du kleiner, grüner …«

Der Blue zirpte laut. »Sachte, mein Freund! Wenn ich der Letzte meiner Rasse wäre, dann würde ich mir keine Feinde machen!«

Ich schrie den Zwerg an. »Warum hast du die Transmitterverbindung nicht geschaltet! Um ein Haar wären wir von dem Kamikaze Androgynen atomisiert worden!«

Der Blue zog einen kleinen Strahler. »Was ist ein Kamikaze? Willst du mich beleidigen?«

Ich beruhigte mich wieder. »Vergiß es!«

Der Blue zielte auf mich. »Für wie dämlich hältst du mich eigentlich, Terraner? Die Verbindung herstellen und dem Kommissar einen roten Teppich ausrollen, direkt in unser Hauptquartier?«

Ich schluckte entsetzt, als mir die Wahrheit bewußt wurde.

Ytriel hatte unseren Tod als letzte Möglichkeit mit einkalkuliert, um sich selbst und den Stützpunkt zu schützen. Meine Kehle wurde plötzlich trocken. »In Ordnung. Mach uns los.«

Wir saßen in einer der Hütten und aßen einen gelben Brei, den uns die Ferronen gereicht hatten. Es erwies sich, daß Ytriel beste Kontakte zum Anführer der Ferronengruppe hatte. Ich erfuhr, daß auf Pigell die letzten Ferronen ums Überleben kämpften und die beiden Hauptwelten des Wegasystems entvölkert waren. Jene Ferronen, die sich damals vor dem Kommissar retten konnten, waren nicht weit gekommen. Die Ferronen hatten keine Chance gehabt.

Mein Blick verdüsterte sich. Ytriel stand in respektvollem Abstand zum Feuer. »Was damals hier geschah, wiederholt sich gerade auf Olymp. Über verschiedene Kanäle erfahren wir, daß die Bevölkerung von Olymp schrecklich von Gucky gepeinigt wird. Schon bald werden viele Bewohner plötzlich verschwinden.«

Ich ballte die Fäuste zusammen und warf ein Stück Kohle ins Feuer. »Das ist nicht Gucky! Das ist ein künstliches Wesen! Der Gucky, den ich kenne, würde so etwas niemals tun. Er würde alles daran setzen, die HESPIES und ihre Genmonster zu bekämpfen!«

Samsor aß bereits den dritten Eimer des nahrhaften Breis. Der Überschwere brauchte von Natur aus wesentlich mehr Nahrung als wir und hatte viel nachzuholen. »Der Kommissar wird nicht vergessen, was geschehen ist. Mit der Selbstopferung des Androgynen hat er das erste Mal echten Widerstand erfahren.«

Ich sah in die Runde. »Leider hat er es offensichtlich überlebt. Aber er kann sicher sein, daß es nicht unsere letzte Aktion war. Er wird sich wundern!«

Der Ara und der Überschwere sahen mich an.

Ytriel hob beide Hände. »Und was schwebt dir genau vor?«

Ich lächelte. »Wir werden ihn nervös machen. Wenn ich wirklich der letzte Terraner in der Galaxis bin, dann glaubt möglicherweise, daß ich wirklich Perry Rhodan bin.«

Ytriel war aufgeregt. »Und was soll das nützen, Terraner? Er wird uns nur noch mehr nachstellen. Wir werden keine ruhige Minute haben.«

»Nein! Wir werden ihn jagen!« entgegnete ich ruhig. »Er ist es nicht gewohnt, daß sich jemand widersetzt. Er wird Fehler machen und dann haben wir ihn!«

Der Ara wurde von einem Schüttelfrost erfaßt. Der Gedanke, gegen das mächtige Wesen vorzugehen, schien ihm nicht zu gefallen.

Ich sah durch den Rauchabzug der Hütte jenes Sternbild, das von der Wega aus betrachtet, Sol beinhaltete.

Doch an der Stelle, den normalerweise die Sonne einnahm, suchte ich vergebens. Der Stern war verschwunden.

»Und später«, sagte ich nach kurzer Pause, »gehe ich auf die Suche nach meinem Volk.«

Am nächsten Morgen brachen wir zum Stützpunkt auf. Eine Gruppe Ferronen begleitete uns und schlug einen schmalen Trampelpfad durch den dichten Urwald.

Ytriel ließ verlauten, daß keiner die Gefahren Pigells besser kannte als die Eingeborenen.

Der Fußmarsch zum Widderstützpunkt nahm zirka zwei Stunden in Anspruch und ohne den ferronischen Führer, hätten wir uns sicherlich verirrt.

Der Dschungel offenbarte sich uns als undurchschaubare, grüne Hölle. Doch die Eingeborenen konnten die wenigen Orientierungspunkte richtig interpretieren.

Endlich am Ziel angelangt, entpuppte sich der Widder-Stützpunkt, als verlassene Station der Kosmischen Hanse. Niemand konnte mit Sicherheit sagen, wie lange die Reste dieses Stützpunktes hier schon standen.

Alles sah sehr verwahrlost aus und komplettierte den Eindruck, den ich bis jetzt von den Widdern gewonnen hatte.

Was ich seit meiner Ankunft auf Pigell erfahren hatte, war wenig ermutigend.

Eine handvoll Ferronen waren auf die Dschungelwelt geflüchtet und lebten wie in den martialischen Zeiten ihres Volkes. Die großen Metropolen des Wegasystems waren entvölkert und wahrscheinlich erinnerten nur noch Ruinenstädte an die einstigen Bewohner.

Ich versuchte mir ein Bild, vom gegenwärtigen Zustand der Galaxis zu machen. Was ich aus den vielen Informationsstücken zusammensetzte, war erschreckend.

Raumfahrt gab es bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr. Die einst mächtigen Völker der Galaxis, waren zerschlagen, zurückgefallen in Monotonie oder genmodifiziert. Aber die schlimmste Befürchtung die mich plagte, war der Verdacht, tatsächlich der letzte Terraner zu sein.

Was war aus all den Zukunftsplänen geworden, die einst Thoregon, Camelot und speziell Perry Rhodan verkörpert hatten?

All diese Personen, für mich Helden und Wegbereiter in eine strahlende Zukunft, zählten heute und hier nichts mehr. Man sprach bestenfalls in Legenden über sie.

Ich wischte mir über die kalte Stirn.

Perry Rhodan! Allein dieser Namen schien noch eine Reaktion bei den Schergen der HESPIES hervorzurufen.

Alter Freund, flüsterte ich, du hast dich ihr widersetzt. Wie dankbar wäre ich jetzt für einen Rat von dir.

Ich grübelte über die Vergangenheit nach, jene Zeit, in der Rhodan noch als Helfer der Ordnungsmächte agierte. Ich suchte in meinem Gedächtnis nach Hinweisen, die mir helfen konnten, das Geschehene zu begreifen. Ein Wesen wie die HESPIES, war mir nicht aus keinen Erzählungen bekannt.

Der kleine Siga-Blue schien immer noch mißtrauisch zu sein.

Ich merkte es daran, daß er bei der Führung durch den Stützpunkt, einige Bereiche aussparte.

Der spartanisch eingerichtete Raum, welcher mir als Quartier zugewiesen wurde, wirkte ungemütlich. Blanker Fels schmückte die Wände. Wahrscheinlich hatte man die Räume mit einem Desintegratorbohrer in den blanken Fels geschnitten.

Die Nachrichten flossen äußerst spärlich. Das Nachrichtensystem der Widder funktionierte sehr langsam, wenn überhaupt.

Das einzige, was ich auf meine ständigen Nachfragen über die Situation auf Olymp in Erfahrung bringen konnte, sagte aus, das der Kommissar die Bevölkerung vorbereitete.

Was das hieß, konnte ich mir an fünf Fingern abzählen. Das Wesen quälte die Bevölkerung.

Ich beschloß, gegen den kleinen Blue etwas fordernder aufzutreten und mich durchzusetzen.

Es war nicht zuletzt der Gataser, der Informationen zurückhielt. So konnte es nicht weiter gehen.

Ytriel legte den Kopf in den Nacken. »Niemand kann mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, was die HESPIES dazu bewegt, die Menschen der betroffenen Planeten zu quälen. Einziger Fakt ist, daß nach einer Leidensphase von mehreren Tagen, ein Großteil der Bevölkerung verschwindet.«

Ich versuchte zu begreifen, was genau das bedeutete.

Mit leicht spöttischem Unterton, um ein paar Informationen zu entlocken, fragte ich. »Sie lösen sich doch nicht etwa in Luft auf, oder?«

Der Blue antwortete für meinen Geschmack eine Spur zu aggressiv. »Woher soll ich das wissen? Du warst doch selbst dort! Sag du es mir.«

Ich schüttelte den Kopf. Der Kommissar begann erst mit seiner Behandlung. Niemand verschwand vor unseren Augen. Wir sahen die Bewohner nur leiden.

Ytriel zuckte die Schultern, eine recht menschliche Geste. »Es beginnt immer so …«

Ich wurde bestimmter. »Gab es niemals Zeugen? Wo waren denn die Widder die ganze Zeit?«

Der Blue wirkte verärgert, wollte aber diese Schelte nicht auf sich sitzen lassen. »Wenn jemand Bescheid weiß, dann vielleicht der Weise von Kahalo.«

Ich zuckte zusammen. »Kahalo? Der alte Justierplanet der Lemurer?«

Der Siga-Blue zwitscherte aufgeregt. »Wer sind die Lemurer?«

Ich schloß die Augen und ignorierte die Frage. »Erzähl mir etwas über den Weisen.«

Ytriel machte eine Geste der Unwissenheit. »Man sagt, er könne den Planeten nicht verlassen, weil er sonst sterben muß. Die HESPIES hat ihn mit einem Bann belegt.«

Ich war verblüfft. »Einem Bann? Was für ein Bann und warum?«

Der Siga-Blue verfiel wieder in seine arrogante, spitze Art. »Hast du es noch immer nicht kapiert? Es macht ihr Spaß andere Wesen zu quälen. Vielleicht spielt sie mit ihm!«

Ich dachte nach. Vielleicht war das wieder nur eine neue Geschichte, unter den zahlreichen Legenden, die hier gesponnen werden. Aber vielleicht war es auch eine wichtige Spur.

»Warum fliegen wir nicht hin und sehen nach?« fragte ich direkt.

Der Siga-Blue betrachtete mich wie ein giftiges Insekt. »Natürlich, der tatendurstige Terraner! Was glaubst du wird geschehen, wenn wir einfach den Planeten verlassen und ins All starten? Glaubst du, wir kämen weit? Ganz davon zu schweigen, daß wir über kein Schiff verfügen. Außerdem kennt niemand die Position dieses Planeten, namens Kahalo.«

»Oh, doch«, entgegnete ich ruhig. »Ich kenne die Position.«

Der Blue war eine Sekunde sprachlos. »Du kennst sie?«

Ich lächelte. »Bevor ich hierher verschlagen wurde, tat ich Dienst auf einem Schiff, eines der modernsten, die es damals gab. Die Kenntnis der Position des Orbon-Systems, betrachten die Raumfahrer meiner Zeit als Ehrensache.«

Ich lächelte leicht vor mich hin. »Zumindest ist sie eine beliebte Prüfungsfrage bei uns auf der Flottenakademie.«

Der Blue sprang mit einem Satz auf meinen Arm und drohte mit der Faust. »Ihr Terraner seid gefährlich! Ich wußte es schon immer, obwohl ich nie einen von euch zu Gesicht bekommen hatte! Ihr seid anmaßend, arrogant und Maulhelden! Wahrscheinlich hat die HESPIES dein kleines Heimatsystem gar nicht vernichtet, sondern ihr seid aus Angst geflohen.«

Mit einer schnellen Bewegung griff ich nach dem Blue und hielt ihn fest. Der Mini Gataser war leicht wie eine Feder, ich mußte aufpassen, daß ich ihn nicht verletzte. »Hör mir jetzt mal gut zu, du kleiner, grüner Giftzwerg. Wenn es noch Terraner gäbe, dann hätte die HESPIES nichts zu lachen. Wir würden nicht eher aufgeben, bis dieses Monstrum vernichtet oder von hier vertrieben ist!«

Der Blue ächzte unter meinem Griff.

Ich ließ ihm etwas Luft. »In Ordnung, Terraner. Ich wollte dich nicht beleidigen.«

Ich nickte. »Das hört sich schon viel besser an.«

Der Blue entfernte sich mit einem Sprung aus meinem Aktionsradius. Es sah so aus, als ob er Sicherheitsabstand gewinnen wollte.

Ich machte mich auf die nächste Schimpfkanonade gefaßt, die jedoch nicht über mich hereinbrach.

Statt dessen sagte Ytriel mit ruhiger Stimme: »Und was wäre, wenn wir doch ein Schiff hätten? Ein kleines zwar, aber immerhin ein Schiff. Würdest du einen Flug nach Kahalo wagen?«

Ich brauchte nicht lange zu überlegen. »Ja, das würde ich! Wir brauchen einfach mehr Informationen, um der HESPIES nachhaltig schaden zu können. Eure Aktionen basieren auf viel zu wenig Wissen. Ich bin für jeden Strohhalm dankbar. Sehen wir uns den Weisen an. Vielleicht existiert er und hat wirklich ein paar brauchbare Informationen für uns.«

Der Siga-Blue überlegte kurz. »Wenn du die Position von Kahalo kennst, dann vertrau ich dir das einzige, funktionsfähige Schiff an, über das die Widder verfügen.«

Ich glaubte nicht was ich da hörte. »Ihr habt tatsächlich ein Schiff? Wo ist es? Zeig es mir!«

Ich konnte meine Erregung kaum zügeln.

Ytriel winkte ab. »Wir treffen uns in einer Stunde wieder. Ich muß noch etwas nachdenken und nach ein paar Informationen suchen, die auf deiner Mission hilfreich sein könnten, dann zeige ich dir das Schiff.«

Ich stimmte widerstrebend zu. »In einer Stunde also.«

Es war eine Space-Jet modernster Bauart, jedoch völlig verrottet und wahrscheinlich seit mindestens Hundert Jahren nicht mehr geflogen. Die Widder hatten sich nicht sonderlich viel Mühe gegeben, das Schiff zu pflegen. Es stand einfach, mit Tarnnetzen überzogen, mitten im Dschungel von Pigell!

Ich umrundete das Kleinraumschiff mehrmals und betastete die Hülle der Jet, wie einst die Piloten der alten terranischen Flugzeuge, kurz vor dem Abflug.

»Und sie fliegt?« fragte ich ungläubig.

Ytriel saß auf meiner Schulter und hielt sich an meinen Schultergurten fest. »Ich weiß nicht genau. Wenn die Maschinen langlebig genug sind, dann kann sie starten. Sie steht schon hier, solange ich den Stützpunkt von Pigell leite. Eine halbe Ewigkeit.«

Ich schüttelte den Kopf. »Wie um alles in der Welt konnte es so weit kommen? Wart ihr nicht neugierig, wie es da draußen aussieht?«

Ich deutete mit der Hand zum Sternenhimmel. »Hat die HESPIES euch allen Antrieb genommen?«

Ytriel senkte den Kopf, als er sagte. »Ja, das hat sie. Fast mein ganzes Volk ist ausgerottet worden und jene die überlebten, fielen der Demotivationsstrahlung zum Opfer.«

Er tat mir plötzlich leid. Ich nahm Ytriel auf die Handfläche und sah ihn an. »Kannst du mich führen? Ich kenne diese Baureihe nicht. Sie ist wesentlich moderner, als die Schiffe meiner Zeit.«

Ich maß einige Korrosionsflecken auf der Schiffshülle mit einem skeptischen Seitenblick. »Jedenfalls relativ gesprochen.«

Ytriel zirpte. »Aber ja! Gehen wir zur Schleusenkammer!«

Der Kommissar war zufrieden mit seinem Tun. Die HESPIES sandte wie immer Lenksignale und gab ihm zu verstehen, daß alles in ihrem Sinne verlief. Die Vorbereitungsphase war in wenigen Tagen abgeschlossen. Mit jedem Planeten, den der Kommissar vorbehandelte, stieg die Wahrscheinlichkeit, daß er in das Kollektiv zurückkehren konnte. Er sehnte sich danach, wieder Teil eines Ganzen zu sein, behütet in das Kollektiv der HESPIES eingebettet.

Unter die Vorfreude der bevorstehenden Verschmelzung, mischte sich ein unangenehmes, bedrohliches Gefühl.

Der Kommissar erinnerte sich deutlich an den Zusammenstoß mit dem Uniter, der die Rückkehr Perry Rhodans beschworen hatte.

Der anschließende Opfergang eines Androgynen, hatte kurze Zeit all seine Kräfte in Anspruch genommen. Deshalb konnte er nicht nach diesem verhaßten Terraner suchen.

Im Zentrum von Trade City klaffte nun ein großes, strahlendes Loch. Der Terraner, wenn es ihn tatsächlich gegeben hatte, war geflohen.

Der Kommissar gab seinem Schiff den Befehl, den Flugverkehr innerhalb der Galaxis genau zu beobachten und alle ungewöhnlichen Meldungen, sofort an ihn weiterzuleiten.

Auf die hörigen Topsider konnte sich das Geschöpf der HESPIES verlassen. Sie würden wie immer zwischen den Systemen patrouillieren und jeden Verdächtigen aufbringen. Wie konnten sie auch anders, die HESPIES hatte ihr ganzes Volk als Faustpfand.

Der Kommissar grinste nach Guckys Manier und ließ den Nagezahn sehen.

Für einen Moment hätte man ihn wirklich mit Gucky, dem Ilt, verwechseln können. Doch das war nur eine Illusion.

Der Körper, den der Kommissar benutzte, war dem Kommissar völlig gleichgültig. Wenn es an der Zeit war, dann würde er den Kunstkörper verlassen und die organischen Reste zerstrahlen.

Ich saß im Sessel des Piloten und strich vorsichtig mit den Fingerkuppen über die Sensorfelder der Flugkonsole.

Einen Moment zögerte ich noch, dann aktivierte ich die Bord Syntronik.

Mit einem Mal leuchteten überall auf den Konsolen die Kontrollinstrumente auf und zeigten die Standby-Werte der verschiedenen Sektionen an.

Mir fielen einige Anzeigen auf, die im roten Bereich lagen, wie zum Beispiel die Anzeige der Schiffszelle. Irgendwo mußte es einen Mikro-Crack geben, der uns im All zum Verhängnis werden könnte.

Ich wartete geduldig, bis die Syntronik ihren Selbsttest beendet hatte, dann bekam ich das Grünsignal.

Als das geschehen war, wurde mir die Steuergewalt über die manuellen Startsequenzen gegeben.

Beiläufig nahm ich war, daß irgendwo unter mir, die Kraftstation des Schiffes ansprang. Das Brummen klang sehr unregelmäßig und schwoll an und ab.

Bevor ich mir ernsthafte Sorgen machte, bekam ich eine Statusmeldung der Syntronik. Die Feldleiter der Energieprojektoren mußten neu abgestimmt werden, ein Vorgang, der voll automatisch ablief.

Ytriel wirkte nervös und sprang ständig in der Nähe meiner Hände herum. »Ist alles in Ordnung?«

Ich nickte. »Ich beginne jetzt mit den Routineüberprüfungen. Diese Kiste hat schon seit hundert Jahren keine Wartung mehr bekommen!«

»Seit tausend!« zirpte der Siga-Blue. »Was glaubst du, wie lange schon keine terranischen Schiffe mehr gebaut werden?«

Ich resignierte. »Setz dich endlich hin und sei ruhig! Du wirst noch auf ein Sensorfeld treten und eine Fehlschaltung verursachen.«

Seltsamerweise gehorchte Ytriel und verhielt sich von nun an ruhig.

Ich gab dem Syntron den manuellen Befehl, den Crack zu lokalisieren und die Hülle zu schweißen, dann deaktivierte ich die Startsicherung.

Die Konsole wurde sofort in ein dunkelrotes Licht getaucht, das warnend pulsierte.

Ytriell sprang auf. »Was tust du? Etwas stimmt nicht! Siehst du nicht das Warnsignal?«

Ich beruhigte ihn. »Normalerweise gibt die Syntronik den Start nicht frei, wenn ein ernsthafter Schaden vorliegt. Ich will aber nicht starten sondern nur die Teleskopstützen probehalber einziehen, um das Antigravfeld zu testen. Da diese Funktionen aber der Startkontrolle unterliegen, bekommen wir eine Warnung.«

Ytriel zitterte am ganzen Körper.

Ich ignorierte sein Jammern und zog die Landestützen ein.

Es gab ein Geräusch, als ob man mit einem rostigen Nagel über eine Metallplatte kratzt.

Ich kniff die Augen zusammen und erwartete jeden Moment, daß die Jet mit dem Bauch auf den Dschungelboden knallte, doch das Antigravkissen hielt.

Ich blies mit dicken Backen, heftig die angestaute Luft aus. »Na bitte!«

Ich zwinkerte kurz zu Ytriel, dann befahl ich der Syntronik: »Startkoordinaten speichern. Ein Kilometer Gleitflug, Richtung Norden. Höhe zwanzig Meter, dann Stillstand.«

Die Syntronik bestätigte den Befehl, dann begann sich das Schiff zu bewegen.

Wir rasierten bei unserem kurzen Schwebeflug mindestens zwanzig Urwaldbäume um, die krachend zur Seite gedrückt wurden.

Vogelähnliche Tiere flohen in alle Richtungen, als die Jet durch das Dickicht brach.

Zurück blieb eine 30 Meter breite Schneise.

Nach genau einem Kilometer stoppte die Jet und verharrte auf der Stelle.

Ich fuhr die Landestützen wieder aus und setzte die Jet auf. Dann schaltete ich das Antigravfeld ab.

Es gab noch einige Dinge, die wir unbedingt vor dem ersten Start überprüfen mußten.

Ich hatte alle Inspektionen zu meiner Zufriedenheit beendet. Die Schäden an der Hülle waren behoben, die Jet war Startbereit.

Bei dem Kleinraumschiff mußte es sich um eine moderne Folgeserie handeln.

Ytriel hatte mir erzählt, daß frühere Widder die Jet aus einem versiegelten LFT Depot entwendet hatten, kurz bevor eine Topsiderflotte den Planeten atomisierte.

Seitdem stand sie hier im Dschungel von Pigell und verrottete langsam.

Als Baujahr gab mir die Syntronik den 30. Juli 5120 NGZ an.

Das bedeutete im Klartext, ich saß in einem Fluggerät, das rund 25.000 Jahre alt war! Unglaublich!

Ich wußte natürlich, daß die LFT über Depots verfügte, in denen Raumschiffe für den Krisenfall bereitstanden und nur noch bemannt werden mußten. Diese Depots wurden von voll autarken Systemen und Robots gewartet, Die eingelagerten Schiffe alterten nicht.

Ich studierte noch einmal eingehend die Kontrollen und bewunderte den hohen Grad der Automatisierung. Dann entschloß ich mich zu einem ersten Probestart. »Syntron! Startsequenz einleiten, Flugkontrolle übergeben.«

»Check!« antwortete die Maschine nur.

»Fahrwerk eingezogen, Antigravtriebwerk für Atmosphärenflug bereit, Prallschirm auf Bereitschaft!«

Ich lehnte mich zurück. »Syntron, Startvektor Null, Orbit 500 Kilometer stabil. Maximaler Ortungsschutz. Für Flugbahnüberwachung nur Passivortung. Bestätigen!«

Der Syntron wiederholte die Anweisung und startete dann die Gravojet Triebwerke.

Ytriel hatte sich an ein Teil der Konsolenverkleidung geklammert, völlig unnötigerweise, denn die Andruckabsorber arbeiteten einwandfrei.

In der Kommandozentrale war nichts von dem schnellen Steigflug zu bemerken. Nur auf den Außenbildschirmen fiel der Boden rasend schnell zurück und verwandelte sich in eine grüne, verwaschene Landschaft.

Ytriel schrie und deutete mit den kleinen Händen nach oben durch die Panzerplastkuppel.

Ich beruhigte ihn. »Das ist die vom Prallschirm ionisierte Atmosphäre. Kein Grund zur Beunruhigung. Früher nannte man das einen Gewaltstart.«

Ganz so unwichtig war Ytriels Bemerkung nicht gewesen, denn die Jet mußte wie ein leuchtender Feuerball in den Himmel von Pigell rasen. Ich gab den Syntron Anweisung, etwas Fahrt wegzunehmen, denn solche Effekte konnte man selbst mit optischen Sensoren orten.

Langsam ließ das Leuchten über der Jet nach und machte der Schwärze des Alls Platz.

Ytriel sah fasziniert nach draußen. »Die Sterne!«

Die Syntronik gab emotionslos ihre Statusmeldung ab. »Orbit erreicht.«

Ich schloß kurz die Augen. »Na also!«

7. Der Flug nach Kahalo

Wir verließen den Orbit nach weiteren fünf Stunden. Ich wollte sicher sein, daß uns nicht im Ortungsschatten des Planeten, eine Topsiderflotte auflauerte. So umrundeten wir den Planeten mehrmals und stießen erst dann in den freien Raum vor.

Ytriel hatte die ganze Zeit über nichts gesprochen. Er hatte genug an seinen ersten Raumflug zu knabbern.

Er und die anderen Widder, hatten sich immer mit Hilfe des in großen Abschnitten noch intakten Transmitternetzes durch die Galaxis bewegt. Selbst geflogen waren sie niemals.

Ich ließ den Syntron die Rückwärtsansicht in ein Holo projizieren.

Langsam wurde die Kugel Pigells kleiner und war bald nur noch als verwaschener Lichtfleck zu sehen.

Ich schaltete auf Flugrichtung. »Ich nehme geraden Kurs aus dem System, keinen Aufenthalt oder Umwege. Falls sich hier doch Topsider herumtreiben, möchte ich möglichst schnell die nötige Distanz zwischen uns bringen.«

Ytriel sah gebannt auf den Schirm. »Wir kommen nahe an Rofus heran.«

Ich überprüfte die Anzeigen. »Wir passieren den Planeten in 400 000 Kilometer Entfernung. Vielleicht können wir mit den Passivortern einen Blick auf die Oberfläche werfen.«

Ytriel ließ den Kopf hängen. »Du würdest nicht viel sehen. Die Städte sind verlassen, überall abgestürzte Eiraumer der Ferronen.«

Ich hatte etwas Zeit, mich um Ytriel zu kümmern. Die Syntronik übernahm gerade das Flugmanöver. »Was ist hier genau geschehen? Ich habe noch kein komplettes Bild von der Sache.«

Der Siga-Blue sah mich an. »Auch hier erschien ein Kommissar der HESPIES und landete auf Ferrol. Die Ferronen ergaben sich und leisteten keinen Widerstand. Dann begann der Kommissar mit der Vorbereitung der Bevölkerung auf das große Ereignis. Überall im System war der quälende Impuls zu spüren und dann, nach einer gewissen Zeit, begann die Bevölkerung zu schwinden. Sie starben nicht, sondern waren einfach nicht mehr da.«

Ich sah den kleinen Blue in die zwei Frontaugen. »Sie entstofflichen oder entmaterialisieren?«

Ytriel zirpte leise. »Wir glauben, die HESPIES holt sie.«

Ich massierte mir die Schläfen. »Also fiel die HESPIES über die Ferronen her? Wie sieht sie aus?«

Ytriel sprach plötzlich ganz leise, gerade so als ob er ein Tabu verletzten würde. »Die HESPIES war nicht im Wega-System. Wenn es so gewesen wäre, dann gäbe es hier nichts mehr. Wir glauben, daß der Kommissar eine Art Seelenfänger ist. Er nimmt die Lebenden mit sich!«

Mir fuhr es kalt über den Rücken. »Seelenfänger?! Du glaubst der Kommissar ist verantwortlich, daß sich die Lebewesen auflösen und nicht etwa ein Transmittervorgang oder ein anderer technischer Prozeß der vor sich geht?«

Ytriel ließ den Kopf hin und her schwanken, was eine Verneinung andeutete. »Ich glaube, daß der Kommissar einen Vorgang auslöst, der eigentlich noch gar nicht stattfinden dürfte, weil es viel zu früh dafür ist. Deshalb leiden die Wesen so.«

Ich verstand nicht, was Ytriel damit sagen wollte.

Der Siga-Blue bemerkte meine fragenden Blicke und fuhr fort: »Ich bin der Überzeugung, daß der Kommissar die Lebewesen durch eine unbekannte Methode zwingt, sich zu vergeistigen. Ich erkläre mir den Vorgang, wie bei der Entstehung einer Superintelligenz. Alle Wesen gehen in einem Kollektiv auf. Hier geschieht aber etwas anderes. Die Bewohner der betroffenen Planeten werden gedrängt, einen Vorgang mitzumachen, für den sie noch gar nicht bereit sind.«

Ich fühlte mich plötzlich sehr unbehaglich. »Ist das deine eigene Theorie, oder stehen gesicherte Erkenntnisse dahinter?«

»Das ist vorläufig nur eine Theorie von mir. Ich glaube die HESPIES sammelt Seelen. Warum weiß ich nicht, aber mein Gefühl sagt mir, daß der Grund dafür kein guter ist.«

Ich nickte. »Ich werde darüber nachdenken. Vorab vielen Dank. Du hast meinen Pessimismus gegenüber der aktuellen Lage, nur noch gesteigert.«

»Gern geschehen!« antwortete der Blue beleidigt.

Ich kontrollierte nochmals den Kursvektor. Vielleicht gab es diesen Weisen von Kahalo ja wirklich. Möglich das wir von ihm weitere Informationen erhalten konnten.

»Wir werden es überprüfen«, murmelte ich leise vor mich hin.

Wir hatten die Systemgrenzen fast erreicht, als mich Ytriel auf einen Ortungsreflex aufmerksam machte. Ich hielt die Luft an und las die Zeit bis zum Eintauchpunkt in den Hyperraum ab. Noch drei Minuten, zwanzig Sekunden.

Der Punkt kam schnell heran und entpuppte sich als Patrouillenkreuzer der Topsider.

»Verdammt!« fluchte ich laut. »Der hat uns gerade noch gefehlt!«

Ytriel sprang aufgeregt hin und her. »Kriegen sie uns? Sie werden uns kriegen!«

Ich wies ihn, an sich irgendwo festen Halt zu suchen.

Mir war nicht bekannt, auf welchem Stand die Waffensysteme der Topsider in dieser Epoche waren, speziell was ihre Reichweite betraf. Am liebsten, wollte ich es erst gar nicht in Erfahrung bringen.

Eine Minute vor Absprung glühte etwa zehn Lichtsekunden vor mir ein greller Feuerball auf. Die Umformerbänke der Jet brüllten auf und leiteten alle verfügbaren Energien in die Schirme.

»Transformbomben«, sagte ich trocken.

Um die Jet, baute sich automatisch ein mehrfach gestaffelter Paratronschirm auf, der beim Durchstoßen der Energiewolke hektisch flackerte.

Die Geräusche, die dabei von der Schiffszelle des Kleinraumers ausgingen, brauchte man nicht kommentieren.

»Wer zum Teufel hat den Echsen Transformkanonen gegeben?« schrie ich in aufsteigender Panik.

»Wenn die besser zielen, dann ist es aus!«

Ich wandte mich mit schwankender Stimme an die Syntronik. »Gegenmaßnahmen? Waffensysteme?«

Die Syntronik antwortete sofort. »Empfehle Aktivierung der Notfallschaltung B.«

»Was immer das auch ist … Sofort aktivieren!« rief ich erschrocken, als sich in unmittelbarer Nähe ein weiterer Feuerball bildete.

Die plötzliche einkehrende Stille wirkte befremdlich und ich fragte mich, ob ich überhaupt noch unter den Lebenden weilte.

Die wenigen Sterne, die ich durch die Panzerplastkuppel sehen konnte, schimmerten plötzlich bläulich.

Als zweites nahm ich wahr, daß die Jet gerade mit annähernder Lichtgeschwindigkeit durch die Kernzone einer Transformexplosion raste und sich das Schiff nicht einmal kurz schüttelte.

»Was zum Teufel …«, ließ ich den Satz in der Luft hängen, als sich die Syntronische Stimme des Bordrechners meldete. »Galornenschirm stabil, Energiespeicher garantiert weitere 40 Sekunden.«

Ich sah mich hektisch um. Die Jet wurde soeben von einem direkten Wirkungstreffer erfaßt, was nur ein leichtes schütteln der Zelle nach sich zog.

»Eintauchpunkt erreicht.«

In der nächsten Sekunde, zeigten die Bildschirme die üblichen Störmuster des Hyperraums.

Ich atmete erleichtert durch. Wir hatten es geschafft!

Da Ytriel keine Ahnung von der technischen Bestückung der Jet hatte, holte ich mir die nötigen Informationen direkt vom Syntron.

Der Galornenschirm dieser Jet, der uns soeben das Leben gerettet hatte, war offensichtlich eine Entwicklung der Terraner. Er beruhte auf der Grundlage der Defensivsysteme der Schwarzen Schiffe.

Für Kleinraumschiffe wie die Jet, konnte einzig das Problem des hohen Energiebedarfs noch nicht befriedigend gelöst werden. Deshalb verfügte jedes Kleinraumschiff über einen speziellen Energiespeicher, der im Notfall den Schirm für etwa eine Minute stabil halten konnte. Danach mußte der Galornenschirmprojektor abgeschaltet werden.

Ich dankte den Wissenschaftlern für diese Innovation, anderenfalls wäre die Jet bereits atomisiert worden.

Yltirel war nur noch ein zitterndes Bündel.

Ich machte eine aufmunternde Geste. »Keine Sorge, Kleiner. Es ist vorläufig überstanden.«

Der Siga Blue sprang auf und zeigte mir die Faust. »Kleiner?!«

Ich lächelte über die Erkenntnis, wie einfach man den kleinen Blue aus der Lethargie wecken konnte.

Yltirel durchschaute mich in derselben Sekunde, als er mein Grinsen bemerkte und ließ langsam die Arme sinken. »Wann erreichen wir das Orbon-System?«

Ich sah auf die Anzeigen. »Der Flug dauert etwa acht Stunden. Wenn du etwas ruhen möchtest, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür.«

Erst jetzt machte sich auch bei mir eine bleierne Müdigkeit bemerkbar. Ich lehnte mich zurück und schlief fast augenblicklich ein. Für die nächsten Stunden war ohnehin die Automatik am Zug.

Ich hatte das Gefühl, ewig geschlafen zu haben. Der bequeme Kontursessel der Jet, hatte mir die kurze Ruheperiode äußerst angenehm gestaltet.

Ein unangenehmer Summton brachte mich radikal in die Realität zurück. Der Siga-Blue auf meiner Schulter und trommelte wie wild mit seinen Fäusten gegen meine Schläfen. »Wach auf! Wach auf!«

Ich erschrak heftig, denn die Bildschirme waren bereits aktiviert und zeigten den Normalraum. »Sind wir schon da?«

Ytriel schrie. »Seit einer Minute! Du bist nicht gleich aufgewacht. Ich hätte nicht gewußt, was ich …«

»Schon gut!« schnitt ich ihm das Wort ab.

»Große Flotte voraus!« mischte der Syntron sich ein.

Ich fluchte erneut. »Aktivortung!«

Yltirel schrie erregt. »Aber dann orten sie uns leichter!«

Ich lachte humorlos auf. »Siehst du die Flotte auf den Schirmen? Glaubst du im ernst, die hätten uns nicht bereits auf ihren Schirmen? Syntron! Auswertung! Schnell!«

»Zirka 50.000 Kugelraumer aller Klassen voraus«, schnarrte die modulierte Stimme.

»Kugelraumer?« rief ich heftig aus. In mir keimte eine Hoffnung.

Der Syntron fuhr fort. »Flugvektoren aller Schiffe instabil. Wahrscheinlichkeit für Kollisionen größer 90 Prozent. Energieortung negativ.«

Ich schloß die Augen und vergrub das Gesicht in meinen Händen.

Yltirel war noch immer aufgeregt. »Was heißt das? Was für eine Flotte ist das?«

Ich war gefaßt und ruhig als ich antwortete.

»Das ist …«, ich stoppte kurz, bevor ich fortfuhr, »… das war eine große terranische Flotte. Den Flugbewegungen nach zu urteilen jedoch nur noch eine Geisterflotte, die durch das Orbon-System driftet …«

Es waren alle Schiffstypen vertreten. NOVA-Raumer, Kreuzer, aber auch größere Schiffe mit einem Durchmesser von Tausend Metern, eine Klasse, die ich nicht kannte. Was ich auf den Schirmen der Orter hatte, sah aus wie das letzte Aufgebot der Terraner.

»Es könnte sich um die terranische Heimatflotte handeln«, flüsterte ich leise. »50.000 Einheiten.«

In der Nahortung zeigte sich deutlich, daß viele Kugelraumer schwer beschädigt waren. Die Zerstörungen waren jedoch nicht auf Feindbeschuß zurückzuführen, sondern eine Folge der zahlreichen Kollisionen, die sich unter den driftenden Schiffen ständig abspielten.

Yltirel sah stumm auf das Bild des Holoschirms. »Sind das deine Leute?«

Ich nickte bestimmt. »Das waren sie. Oder zumindest ein Teil der LFT Flotte. Keine Ahnung was die Kugelraumer hier zu suchen haben.«

Ich manövrierte die Jet zwischen zwei Tausend Meter Riesen hindurch. Die Kugelzelle des einen Schiffes war eingedrückt.

Ytriel sah mich aufmerksam an. »Viele Schiffe sind beschädigt, aber einige sehen wie neu aus. Ob sie noch funktionieren?«

Ich erahnte die Gedanken des Siga-Blues. Er wollte sich hier für die Widder bedienen.

So abwegig war der Gedanke nicht einmal. »Wir werden uns eines der Schiffe ansehen. Such dir eins aus!«

Yltirel war mit einem Satz auf der Steuerkonsole und suchte mit seinen kleinen Augen das Holobild ab.

»Da, dieses hier!« sagte er schließlich.

Ich überprüfte die Energieortung. Das Schiff war tot wie ein Türnagel. Keine Aktivitäten. Während ich das Schiff umflog, las ich die Kennung von der Schiffshülle ab. »Es ist die CYLON. Ein Schiff der NOVA-Klasse. Eine der Schleusen steht offen. Das ist zumindest ungewöhnlich. Das Ende muß sehr schnell gekommen sein. Vermutlich hat man versucht, noch vor dem Exodus Beiboote auszuschleusen. Da gehen wir rein!«

Ich steuerte die Jet zielsicher auf den offenen Hangar zu.

Als ich mich nach einigen Minuten kurz nach dem Siga-Blue umsah, hatte Ytriel bereits seinen Schutzanzug angelegt. »Du kannst es wohl kaum erwarten, wie?«

Der Siga-Blue machte eine Geste der Zustimmung.

Ich ließ die Jet langsam in die offene Schleusenkammer schweben und paßte das Kleinraumschiff an die Eigenbewegung des Kugelraumers an, keine leichte Aufgabe.

»Syntron! Status des Kugelraumers!«

Der Syntron antwortete prompt. »Null Gravitation. Keine Energieortung. Lebenserhaltungssysteme negativ.«

»Na toll!« rief ich Ytriel zu. »Hat dein Anzug einen Antigrav?«

Der Siga-Blue baute sich vor mir auf. »Selbstverständlich! Was soll die Frage?«

Ich antwortete mit einem Seitenblick auf die Monitore. »Wir müssen die inneren Schotten wahrscheinlich per Hand öffnen. Dort drinnen herrschen dieselben Bedingungen wie im freien Weltraum.«

Mit einem metallischen Geräusch setzte die Jet auf. Ich aktivierte die magnetische Landestützenverankerung.

»Also gut! Steigen wir aus!« sagte ich knapp. Damit setzten wir uns in Bewegung.

Ich konnte meinen entsetzten Blick nicht abwenden.

Überall im Schleusenhangar des NOVA-Raumers lagen und schwebten Terraner, teilweise ohne Schutzanzüge.

Die Leichen konnten schon Jahrtausende alt sein. Die Körper waren absolut dehydriert, bei der herrschenden Kälte des Alls für die Ewigkeit konserviert.

Nur dem Umstand, daß sie an Gurte gefesselt waren bevor sie starben, war es zu verdanken, daß die Körper noch innerhalb des Schleusenraums waren.

»Was ist hier nur geschehen?« flüsterte ich betroffen.

Ich schwebte nahe an eine der Leichen heran. Ytriel hatte sich magnetisch an meinem Helm verankert. Wir standen in ständiger Funkverbindung.

Der tote Körper gehörte einer Frau, soviel war noch zu erkennen. Am Ärmel trug sie das Rangabzeichen eines Hangar-Offiziers. Die Augenhöhlen waren leer und boten ein grausames Bild.

Ich vernahm Ytriels Stimme. »Terraner, was erhoffst du dir hier zu finden? Sollten wir nicht weitergehen?«

Ich winkte ärgerlich ab. »Ich will wissen, woran diese Leute gestorben sind. Die ganze Flotte wirkt wie mit einem Blitz ausgelöscht. Diese Person hier, hat der Tod völlig unerwartet ereilt.«

»Woher willst du das wissen?« kam es ultrahoch aus meinem Empfänger.

»Weil diese Frau kurz vorher noch Essen zu sich nahm. Hier auf dem Tisch neben ihrem Sitz stehen noch einige magnetische Tassen und unter ihrem Arm eingeklemmt, ein Nahrungspaket der Flotte.«

»Und was schließt du daraus?« fragte der Siga-Blue gelangweilt.

Ich sah mich um. »Auf einem terranischen Kriegsschiff wird bei Alarmbereitschaft nicht gegessen. Wenn die Flotte hier im Kampf gewesen wäre, dann wäre das gesamte Hangarpersonal in SERUNs gesteckt! Laß uns in die Zentrale gehen, vielleicht finden wir dort weitere Hinweise.«

Yltirel trommelte auf meinen Helm, was wohl seine Zustimmung andeuten sollte.

Der Siga-Blue hegte wohl noch immer die Hoffnung, eines der Schlachtschiffe für die Widder flott zu machen.

»Narr«, sagte ich laut, so das er es hören mußte.

»Was ist?« zirpte es sofort.

»Nichts, ich hab nur laut gedacht«, erwiderte ich.

Die SPNX saß schon sehr lange auf ihrer Position. Das halb organisch, halb sextahypertronische Wesen, hatte keinen Sinn für die Zeit. Es hatte nur eine einzige Aufgabe, die Überwachung der FALLE.

Die FALLE bestand aus Tausenden Komponenten, die alle von der letzten Schlacht der HESPIES übrig geblieben waren.

Jede Komponente wurde von einer SPNX besetzt und jede SPNX hatte die Fähigkeit, abhängig von der Situation, Informationen an die HESPIES abzustrahlen oder aber die Eindringlinge auszulöschen.

Ersteres mußte die SPNX sorgfältig abwägen, denn eine Informationsübertragung an die HESPIES bedeutete gleichzeitig die Aufgabe ihrer Existenz.

Die organische Komponente wurde dabei aufgelöst und als ÜBSEF-Impuls an das Kollektiv der HESPIES gesendet.

Seit vielen tausend Jahren, hatte der Wächter keine Bewegung mehr gemacht und hing wie versteinert kopfüber an der Decke der Kommandozentrale.

Dann ertasteten seine feinen Sensoren plötzlich feine Schwingungen, die sich seinem Standort schnell näherten.

Innerhalb kürzester Zeit war die SPNX voll aktiv und öffnete ihr erweitertes Sensorenfeld. Sie registrierte augenblicklich eine Energiequelle, die sich ihr vom Antigravschacht her näherte. Leben! Es regte sich Leben im Schiff!

Die organische Komponente zuckte unruhig. Der künstliche Teil der SPNX zwang sie zur Ruhe. Bevor eine Aktion eingeleitet werden konnte, mußte die SPNX erst herausfinden, wer oder was sich da in die FALLE gewagt hatte.

Sie hob die vorderen vier Beine an.

Sie zitterten leicht gleich sensiblen Fühlern und deuteten auf den Eingang des Antigravschachtes. Von dort mußte das Wesen kommen. Als ein Helmscheinwerfer in die Zentrale leuchtete, hatte die SPNX bereits ihr Deflektorfeld aktiviert. Sie ging auf Lauerstellung.

Ich sah mich in der großen Zentrale des ehemaligen NOVA-Raumers um. Auch hier gab es Tote, die teilweise fürchterlich entstellt waren. Ein Blick auf mein Armgerät zeigte mir keinen atmosphärischen Druck an. Die Leichen waren mumifiziert. Unter Druckbedingungen wären sie wahrscheinlich zu Staub zerfallen. Energie gab es nicht, also kein Licht.

Ytriel war noch immer an meinem Helm gesichert und sagte kein Wort mehr. Auch er hatte wahrscheinlich eingesehen, daß diese Flotte nur noch Schrottwert hatte.

Ich ging zum Sessel des Kommandanten und suchte auf dem Befehlsstand nach Datenträgern oder Speicherkristallen, ohne Erfolg.

Resigniert ließ ich mich in einen Kontursessel fallen, der wie in Zeitlupe unter mir zusammenbrach. Ich kippte rücklings und machte einen klassischen Purzelbaum. Trotz der Harmlosigkeit dieser Übung raste mein Herz vor Schreck. Das künstliche Gravitationsfeld meines SERUNs hatte ausgereicht, um die marode Sitzverankerung zusammenbrechen zu lassen.

Ytriel jagte eine wahre Schimpfkanonade über den Äther und war kaum zu beruhigen. »Du terranischer Tölpel! Du bringst uns noch beide um!«

Ich lachte über den Wutausbruch des Siga-Blues. Er wirkte einfach lächerlich.

Das Kontursesselpolster des Sitzes hatte sich in feinen Staub zerlegt. Von der Schwerelosigkeit erfaßt, verteilte sich das feine Pulver überall im Raum. Ich wischte über die Sichtscheibe meines SERUNs und sah an mir herab.

Yltirel schimpfte noch immer. »Sieh dich an! Total verdreckt!«

Ich schenkte ihm keine Beachtung mehr.

Unter den eben gemachten Erfahrungen hielt ich es besser, das marode Schiff sofort zu verlassen.

Ich nahm mir vor, nur noch im Antigrav durch die Gänge zu fliegen, um die Konstruktionen nicht mehr zu belasten.

»Staub aufwirbeln, das könnt ihr Terraner!« hörte ich den Siga-Blue erneut zetern.

Ich war versucht, nach dem kleinen Wicht zu greifen, beherrschte mich aber dann.

Als ich meinen SERUN abklopfte, stieg abermals eine Wolke des Kunststoffstaubes auf. Die mehlige Substanz trübte die Zentrale ein.

Als ich mich ein letztes Mal umsah, gefror mir das Blut. Ich blieb wie angewurzelt stehen und regte mich nicht.

Mein SERUN erkannte sofort an meiner erhöhten Herztätigkeit, daß etwas nicht stimmte.

»Was stehst du so dumm herum, Terraner? Gehen wir zur Jet zurück!«

Ich schluckte heftig. Sah der Siga-Blue es nicht?

Der feine Kunststoffstaub, den ich aufgewirbelt hatte, wurde offenbar von einer Stelle der Zentrale besonders gut angezogen und legte sich, statisch haftend, um einen Körper, der sich immer deutlicher aus dem Dunkel herausbildete.

»Sei Still!« zischte ich den Blue an. »Siehst du das nicht?«

Ytriel stieß einen kurzen spitzen Schrei aus und war darauf wie gelähmt.

Ich tastete vorsichtig nach meiner Waffe.

Dieses Ding, das entfernt an eine überdimensionale Spinne erinnerte und kopfüber an der Decke hing, gehörte auf jeden Fall nicht hier her!

»Vorsicht, es ist aktiv!« zischte ich dem Blue zu. »Es hatte sich unter einem Deflektorschirm verborgen. Wir sehen es nur, weil sich der Staub um das Feld gelegt hat.«

Der Blue krallte sich an meinem Anzug fest. »Die Blaue Gottheit stehe uns bei! Ein Geschöpf der HESPIES

Ich transpirierte stark. Für eine Sekunde beschlug die Sichtscheibe des SERUNs, dann reagierte der Pikosyn und regelte das Klimamodul nach. Ich stand starr vor Schreck.

Das Ding an der Decke hatte mittlerweile seinen Deflektorschirm abgeschaltet. Es mußte also erkannt haben, daß ein weiteres Tarnen sinnlos war.

Das angstvolle Zirpen Ytriels versuchte ich zu überhören, was nicht leicht war. Der Siga-Blue jammerte und zitterte vor Angst. Ich schaltete kurz entschlossen den Funkverkehr aus und überlegte fieberhaft, was nun zu tun sei.

Ich stand noch immer in der Mitte der ehemaligen Kommandozentrale, quasi auf dem Präsentierteller und starrte zu dem seltsamen Wesen hinauf.

Was der Siga-Blue als Geschöpf bezeichnet hatte, wertete ich eher als einen Robot.

Die Form kam der einer Spinne ziemlich nahe. Allerdings hielten nicht acht, sondern zehn dünne Beine, den etwa einen Meter durchmessenden Kugelkörper, an der Decke fest.

Feine Antennen wuchsen aus der Oberfläche des Kugelkörpers und zitterten nervös.

Ich machte mir keine Illusionen. Was da über mir hing, wirkte wie ein hoch sensibler Spähroboter.

Einen Moment unterlag ich der Versuchung, hinter der Steuerkonsole Deckung zu suchen, doch ich wäre vermutlich nicht weit gekommen.

Zwei runde Öffnungen an der Unterseite des Kugelbauches zogen meine Aufmerksamkeit auf sich. Was dort bläulich flimmerte, sah wie das Abstrahlfeld einer Energiewaffe aus. Das Ding hatte mich bereits im Visier!

Ich befahl dem Pikosyn einen Funkruf zu initialisieren und auf allen Frequenzen zu senden. Mein Instinkt sagte mir, daß die Spinne auf Lauerstellung lag und gerade darüber nachdachte, was mit mir zu geschehen hatte.

Als ich das Freizeichen erhielt, sprach ich langsam und beherrscht in das Akustikfeld meines Raumhelmes. »Ich bin Terraner und auf der Suche nach meinem Volk. Identifiziere dich, Robot!«

Ytriel zuckte spürbar zusammen, er hatte meine Funksendung auch gehört.

Die feinen Fühler der Spinne wirbelten plötzlich eine Spur aufgeregter umher. Was hatte das zu bedeuten?

Ein Signal, daß die höchstzulässige Amplitude bei weitem übersteuerte, kam herein.

Obwohl der Pikosyn sofort reagierte und die Lautstärke einregelte, zuckte ich vor Schreck zusammen. »Identifiziere dich! Nenne Deinen Namen, Terraner!«

Die Spinne machte plötzlich wieselflink ein paar Schritte an der Decke entlang.

Ich erschrak. Diese Schnelligkeit hätte ich dem Robot nicht zugetraut.

Im Falle einer Auseinandersetzung, besaßen wir keine Chance dem Robot zu entkommen.

Ich überlegte, was ich auf die Frage antwortete sollte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, daß mein weiteres Leben von genau dieser Antwort abhing.

Die SPNX bemerkte sehr schnell, daß ihr Deflektor nutzlos geworden war. Sie wollte in der nächsten Sekunde das Wesen auslöschen, als ihre Waffensysteme von einer Sperrschaltung blockiert wurden. Der organische Teil der SPNX hatte blitzschnell reagiert und den Zugriff gesperrt.

Das Wesen wies eine Körperform auf, die eine nähere Untersuchung verlangte.

Die Wächterin beobachtete weiter und richtete ihre Sensoren auf den Eindringling. Dann nahmen ihre Antennen plötzlich einen Funkruf auf.

Was sie durch die primitive Informationsübertragung übermittelt bekam, erschütterte sie in ihren Grundfesten.

Die organische Komponente rebellierte und drängte sofort darauf, den Ruf an die HESPIES abzustrahlen.

Das Wesen hatte sich als Terraner zu erkennen gegeben, eine Behauptung, die eigentlich unmöglich war. Trotzdem sprachen alle Anzeichen dafür.

Die SPNX befand sich im Zwiespalt, denn sie erkannte, daß ihr gesamter Lebenszweck nur dazu ausgerichtet war, solch einen Vorfall zu melden.

Die stummen Schreie der organischen Komponente wurden immer schwerer kontrollierbar.

Die SPNX strahlte ihrerseits einen Ruf auf der Frequenz des vermeintlichen Terraners ab, mit der Aufforderung zur Identifikation.

Die motorischen Kontrollen fielen einen kurzen Augenblick auf die organische Komponente über und die SPNX bewegte sich schnell auf das Wesen zu.

Die Antwort, die sie nach kurzem Zögern erhielt, löste einen Prozeß aus, der nicht mehr aufzuhalten war. Die organische Komponente übernahm die Kontrolle, formierte sich zu Energie und bereitete den Sprung vor.

Als übergeordneter Impuls würde sie alle Daten aus der Sextahypertronik abziehen und mit sich nehmen.

Die SPNX ließ es geschehen. Sie konnte sich nicht mehr dagegen wehren.

Mit ihrem letzten Schaltvorgang registrierte sie den Absprung des ÜBSEF-Impulses. Dann lösten sich ihre Schaltkreise auf und der Kugelkörper verlor den Halt unter der Decke.

Ich atmete heftig. Das hatte ich nicht erwartet. Nach meiner Antwort hatte der Robot die Beine angezogen und sich von der Decke gelöst. Er schwebte langsam durch den Raum, sah inaktiv aus und glich einer toten Spinne.

Die Abstrahlfelder seiner Waffensysteme waren erloschen. Langsam, der fehlenden Schwerkraft wegen, driftete der Kugelkörper auf mich zu.

Ich machte einen schnellen Schritt zur Seite, weil ich verhindern wollte, daß der Robot in das Gravitationsfeld meines SERUNs geriet und von mir angezogen wurde. Diese seltsame Maschine war mir noch immer unheimlich.

Der Siga-Blue funkte mich ständig an. Erst jetzt schaltete ich auf Empfang.

»Was hast du nur getan! Bei der blauen Gottheit, was hast du dem Ding übermittelt?«

Ich sah dem toten Kugelkörper hinterher. »Es wollte meinen Namen wissen.«

Der Siga-Blue zirpte aufgeregt. »Und, was hast du gesagt?«

Ich schmunzelte. »Perry Rhodan.«

Der Siga-Blue schluckte. »Was?«

Der Mini-Gataser tauchte direkt vor meiner Sichtscheibe auf.

Sein Gravopack hielt ihn im Schwebezustand. »Du hast was gesagt?«

»Du hast mich verstanden. Eigentlich hast du mich auf die Idee gebracht. Wenn das ein Wachroboter der HESPIES war, dann hatte das Ding sicher den Auftrag, alle ungebetenen Eindringlinge zu eliminieren, alle bis auf einen.«

Ytriel stieß einen gequälten Ruf aus. Ich machte mir ernsthafte Sorgen um den Kleinen. Die Belastung war vielleicht zu viel für ihn gewesen.

»Was ist mit dir?« fragte ich vorsichtig.

Der Siga-Blue sprach leise und schleppend. »Wenn der Robot vor seinem Ableben diese Information weitergeleitet hat, dann sollten wir hier schnellstens verschwinden.«

Ich mußte den Kleinen recht geben, wir waren hier nicht mehr sicher. Vielleicht gab es noch mehr dieser Wesen an Bord.

Ohne ein Wort zu reden, heftete ich den Blue an meinen Anzug und begann zügig mit dem Abstieg durch den Antigravschacht.

Seine Protestrufe ignorierte ich, bis wir wieder in der Jet saßen. »Was fällt dir ein, Terraner!«

Ich wischte seinen Vorwurf mit einer schnellen Geste beiseite. »Wir waren äußerst leichtsinnig, hier einfach einzusteigen. Lassen wir die Schiffe und ihre Toten ruhen!«

Merkwürdigerweise kam diesmal von Yltirel kein Widerspruch. »In Ordnung, Terraner. Laß uns aus dem System verschwinden!«

Die Jet schoß aus dem offenen Hangar und mußte gleich darauf einem weiteren Wrack ausweichen.

Ich steuerte das Kleinraumschiff manuell durch die Geisterflotte, bis wir nur noch auf vereinzelte Raumer trafen.

Yltirel hatte die ganze Zeit über meine Flugmanöver aufmerksam verfolgt. »Was tust du? Wir sollten nicht weiter in das Systeminnere vorstoßen!«

Meine Haltung versteifte sich. »Ich werde Kahalo anfliegen. Wenn es diesen Weisen wirklich gibt, dann werden wir ihn finden.

Ytriel begann, zu wimmern. »Hast du noch nicht genug? Die HESPIES hat ein Auge auf dieses System. Wenn wir nicht schleunigst verschwinden, dann werden wir sterben!«

Ich sah den Siga-Blue direkt in die zwei vorderen Augen. »Gerade, weil die HESPIES ein Auge auf dieses System hat, verspreche ich mir ein paar Erkenntnisse wenn wir uns hier genauer umzusehen.«

Ich beschleunigte die Jet mit Maximalwerten und nahm den leuchtenden Planeten Kahalo in das Zentrum der Zielerfassung des Navigationssystems.

Ich war fest entschlossen, das Orbon System nicht zu verlassen, bevor ich den Pyramidenbereich von Kahalo besucht hatte, denn wenn es ein Wesen auf Kahalo gab, dann konnte ich mir keinen anderen Platz als dessen Aufenthaltsort vorstellen.

8. Der Weise von Kahalo

Ich war etwa 200 Metern entfernt von den Pyramiden gelandet. Die sechs Pyramiden ragten in den bewölkten Himmels Kahalos, wie sie es schon seit Jahrhunderten getan hatten.

Ich stellte mir vor, wie einst die Lemurer ihre Bevölkerung über den Sonnentransmitter in Sicherheit gebracht hatten. Das lag von der aktuellen Zeitebene her betrachtet unglaublich lange in der Vergangenheit zurück.

Ich hatte die alten Memowürfel aus den Zeiten des Solaren Imperiums oft studiert und mich für die Geschichte der Menschheit interessiert, niemals hatte ich gedacht, daß so ihre Zukunft aussehen würde!

Der Helm meines SERUNs war zurückgefaltet und ich sog einen Moment die Luft des Planeten ein.

Oft schon war ich an dieser Stelle gewesen und hatte die Pyramiden betrachtet, allerdings in meiner Zeit.

Die Natur des Planeten hatte sich längst die Flächen um die Pyramiden zurückgeholt. Überall wuchs das für Kahalo typische, flache Gras zwischen den breiten Rissen des Bodenbelags. An den Pyramiden wucherten Schlinggewächse empor und hatten fast die Spitzen erreicht.

Yltirel flog neben mir her, immer in Höhe meines Kopfes. »Wer hat diese Dinger gebaut? Terraner?«

Ich lächelte. »In gewisser Weise schon … Es waren die Lemurer, unsere Vorfahren.«

»Eure Vorfahren …?«

Der Blue schwieg plötzlich.

Ich ruckte herum. »Was ist?«

Yltirel ließ sich tiefer sinken. Suchte er im Gras Deckung?

»Da vorn ist eine Bewegung zwischen den Pyramiden!« klang es aus meinem Empfänger.

Der Siga-Blue hatte erstaunlich gute Augen. Erst jetzt sah ich es auch.

Aus dem Schatten der uns nächsten Pyramide war ein Wesen hervorgetreten und sah zu uns herüber.

Ytriel Stimme klang eine Spur zu schrill als er rief: »Das ist ein Zweibeiner! Das ist der Weise!«

Ich kniff die Augen zusammen. »Tatsächlich, ein Zweibeiner. Könnte ein Terraner sein …«

Der Blue zeterte. »Oder ein Arkonide, oder ein Springer …«

»Schon gut«, unterbrach ich den Redeschwall des Siga-Blues. »Sehen wir nach wer da auf uns wartet.«

Wir näherten uns vorsichtig und ohne Eile. Der Fremde, zweifellos ein männlicher Humanoide, sah uns entgegen und rührte sich nicht vom Fleck. Es schien so, als ob es für ihn eine unsichtbare Grenze gab, die die er nicht überschreiten durfte.

Ytriel war äußerst ängstlich und schwebte weiterhin in Bodennähe.

Ich lief ohne Deckung und offen auf den Fremden zu, der uns zweifelsfrei längst entdeckt hatte.

Der Mann, vielleicht ein Springer, hatte langes, rotes, total struppiges Haar.

Ich verzog das Gesicht. Die Haare hingen ihm weit über die Schultern und sahen ungepflegt aus.

Er mußte sich die Haare über Jahre selbst abgetrennt haben und wenn die Geschichten über den Weisen einen wahren Kern hatten, dann war dieser Mann schon Ewigkeiten auf diesem Planeten gefangen.

Je näher ich kam, desto mehr Einzelheiten konnte ich erkennen.

Der Mann trug einen blauen, total zerfetzten Overall. Die Sohlen seiner Schuhe waren löchrig und das Material porös.

Ytriel schickte einen kurzen Funkimpuls. »Es ist ein Terraner! Total verwahrlost! Gehe nicht zu nahe ran, sonst holst du dir gatasische Blutläuse!«

»Still!« zischte ich den Siga Blue an. »Du mußt ihn nicht beleidigen! Er ist schlimm genug dran.«

Noch gut zehn Meter trennten uns von dem Terraner.

Ich ließ meine Hand locker um meine Hüfte streifen, immer in der Nähe meines Thermostrahlers.

Als ich schließlich vor dem Fremden stand, wußte ich, daß ich mich nicht vor ihm fürchten brauchte.

Er wirkte schwach und sehr gebrechlich. Die Stoffetzen schlotterten haltlos um seine abgemagerten Beine. Sein Blick war unstetig und flackernd.

Ich hob beide Hände zum Zeichen, daß ich nichts Böses wollte.

Einen Moment erschien es, als spiegelte sich Interesse im Blick des Mannes. Doch dann sah er wieder stumpf, auf die weite Ebene vor den Pyramiden hinaus.

Ich wollte etwas sagen, ein paar beruhigende Worte sprechen, doch da hörte ich schon seine schwache Stimme. »Was würde ich nur dafür geben …«

Ich lauschte seiner Stimme. Er sprach in einem alten, terranischen Idiom. Ich glaubte, es war Englisch.

Da ich dem Altterranisch nicht mächtig war, schaltete ich schnell den Translator ein.

Ich legte meine Hand auf seine Schulter. Er machte einen schnellen Schritt zur Seite und blickte wie von Sinnen, vor sich auf den Boden. »Da! Da ist sie!«

Ich ging dem Bedauernswerten nach und versuchte mit ruhiger Stimme zu sprechen, was mir nicht so ohne weiteres gelang, denn auch ich war äußerst angespannt und aufgeregt.

Immerhin war dies der erste Terraner, der mir in dieser Zeitebene begegnete. Vielleicht wußte er ja etwas.

Ytriel schien ständig nach allen Seiten zu sichern gerade so, als erwartete er jeden Augenblick einen Angriff.

»Wie ist dein Name?« fragte ich ruhig.

Der Fremde sah mich kurz an. »Mein Name?«

Ich nickte. »Wie heißt du?«

Der Fremde zog sich weiter in den Schatten der Pyramide zurück. »Komm, weg hier! Zu nah am Rand!«

Ich verstand nicht was der Terraner meinte, aber ich folgte ihm vorsichtig.

Der Kommissar stand starr und bewegte sich nicht. Kein natürliches Wesen konnte so lange ohne Regung bleiben und in der Tat, der Kommissar war kein natürliches Wesen.

Das Kunstgeschöpf konzentrierte sich mit all seinen Sinnen auf den mentalen Ruf der HESPIES.

Als ein Teil von ihr, fühlte sich der Kommissar wie ein funktionierendes Organ eines größeren Ganzen.

Als der Ruf plötzlich abbrach, zeigte der Kommissar seinen einzigen Nagezahn und lächelte.

Es war jedoch nicht jenes schelmische Lächeln, welches das große Vorbild des Kommissarkörpers auszeichnete, sondern ein grausames.

Gucky saß ganz allein in der großen Zentrale des Kommissarsschiffes und lenkte alle Funktionen mit seinen gedanklichen Befehlen.

Es genügte nur ein kurzer Gedankenimpuls und das Kommissarsschiff verließ den Orbit um Olymp.

Die Eingeborenen waren auf den großen Tag vorbereitet, und sie durften schon bald der HESPIES dienen. Ihn aber erwartete ein neuer Auftrag.

Er war schon lange Kommissar, bereits über 10000 Jahre.

Er hatte Spaß an seiner Arbeit und genoß die Tage des Triumphes, über die stumpfsinnigen und unwissenden Kreaturen dieser Galaxis.

Ein kurzer Blick zeigte dem Kommissar, daß Olymp hinter dem Kommissarschiff zurückfiel.

Noch immer dachte das Geschöpf der HESPIES an den Zwischenfall während seiner Ankunft auf dem Planeten.

Etwas Ungeheueres war passiert! Ein Attentat war auf ihn und seine Mission verübt worden! Aber was waren sie für Narren zu glauben, eine thermonukleare Explosion könnte Leib und Leben des Kommissars gefährden.

Der Kommissar ließ seinen Nagezahn verschwinden.

Und doch, offener Widerstand gegen die Gesetze der HESPIES hatte es seit dem Verschwinden der verhaßten Terraner nicht mehr gegeben.

Gucky war noch immer verärgert, daß er den ängstlichen Unither getötet hatte.

Mit seinen Hilfsmitteln wäre es kein Problem gewesen, den lächerlichen Hypnoblock zu durchbrechen.

Aber aus einem toten Gehirn kann man keine Informationen mehr abziehen und so war der Zwischenfall auf dem Raumhafen von Olymp, noch immer ein ungelöstes Rätsel.

Und dann der Ruf! Einer jener verhaßten Terraner war aufgetaucht!

Der Kommissar spürte körperlich die Aufregung der HESPIES.

Wenn es sich wirklich um den Letzten Ritter handelte, dann war bald das große Werk vollbracht und dieses Universum gehörte ihr!

»Kurs Kahalo!« rief der Kommissar laut, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre. In seiner Stimme klang der endgültige Triumph mit.

Wir hatten uns weiter in den Kreis der Pyramiden zurückgezogen. Der Terraner schien sich nun wohler zu fühlen. »Schmerzen …«

Ich sah ihn an. »Hast du Schmerzen?«

Der Terraner deutete nach außen. »Schmerzen …«

Ich wußte nicht genau, was er meinte. Aber ich nahm es als Andeutung hin, daß er entweder physische oder psychische Qualen lit.

Vielleicht gab es wirklich eine unsichtbare Grenze für ihn, die er nicht überschreiten durfte.

Erst jetzt entdeckte ich im Zentrum des Pyramidensechseckes ein halbkugelförmiges, kleines Gebäude. War das seine Unterkunft?

Der metallische Iglu mußte etwa 30 Meter durchmessen, nicht gerade viel Platz zum leben.

Schleppenden Schrittes, ging der Terraner weiter in Richtung auf das Zentrum zu.

An seiner zerschundenen Kleidung fiel mir ein kleines Symbol auf, das mir bekannt vorkam. Auf der linken Schulter war das zerschrammte Bild einer Spiralgalaxie zu erkennen.

Woher kannte ich das nur?

Langsam stieg in mir ein Verdacht auf.

»Sag mir, wie lange bist du schon hier?«

Der Mann blieb kurz stehen und schien zu überlegen. Er blickte dabei starr vor sich hin. »Wie lange …?«

Ich versuchte, ihn erneut am Arm zu fassen, doch er entzog sich wieder. »Lucky ist tot!«

Ich sah mich um. »Lucky? Wer ist das?«

Der Mann blickte traurig und faßte sich an die Brust. »Lucky ist tot …«

Ich kenne diesen Namen, schoß es mir durch den Kopf. »War Lucky ein Freund von dir?«

Die Gesichtszüge des Mannes hellten sich auf. »Freund!«

Er zog mich am Ärmel in Richtung des kleinen Iglus und wiederholte ständig dieselben Worte. »Lucky … Freund …«

Ich war mir plötzlich unsicher, ob wir von dem armen Mann echte Informationen erhalten konnten.

Als ich mich kurz sträubte, zog er heftiger.

Ytriel zirpte. »Soll ich ihn ausschalten?«

»Untersteh dich!« rief ich energisch.

Als der Blick des Terraners zufällig den Siga-Blue streifte, wirkte er plötzlich unsicher. »Freund?«

Ich klopfte dem Mann auf die Schulter. »Das ist Ytriel, du kannst ihm vertrauen.«

In seinen Augen las ich Unverständnis. Ob er mit dem kleinen Blue nichts anfangen konnte?

Wir hatten das Iglu erreicht und traten in das offene Schott. Der Innenraum wirkte aufgeräumt und gepflegt. Ich entdeckte einen alten positronischen Haushaltsroboter und wußte warum.

»Lucky!« Der Terraner deutete auf ein kleines Kissen. Und da sah ich Lucky!

Ich bekam eine Gänsehaut. Lucky war die Miniatur eines Galornen, eine kleine Buddhastatue.

Der Terraner kniete vor das Kissen hin und rief mehrmals. »Lucky, Aktiv-Modus!« aber nichts geschah.

Ich wollte nicht glauben, was ich da sah! Die Fetzen, die der Mann trug, waren die Reste eines galornischen Anzuges. Perry Rhodan hatte so einen Anzug getragen.

Mein Puls beschleunigte. Ich stand kurz vor einer unglaublichen Entdeckung.

Mein Blick streifte ein paar wahllos, hingeworfene Bilder.

Der Schock traf mich wie ein Blitzschlag! Ich kannte die Personen auf den Bildern!

»Nein! Nicht das!« stieß ich hervor.

Meine Kehle wirkte von einer Sekunde zur nächsten wie ausgetrocknet. Jetzt, wo sich mein Verdacht bestätigte, erkannte ich den Mann, der mich mit Unverständnis ansah.

Die langen Haare und der verwahrloste Zustand, hatten mich in die Irre geführt. Doch jetzt sah ich klar.

»Nein!« wiederholte ich. »Um Gottes willen! Alles nur das nicht! Sie sind Reginald Bull!«

Der Terraner drehte langsam den Kopf. »Bull?«

Mir wurden die Knie weich, ich mußte mich setzen.

Vor mir saß Reginald Bull, Zellaktivatorträger und engster Freund Perry Rhodans. Aber was war mit dem Mann geschehen?

Ich atmete heftig.

Als Ytriel meine Aufregung erkannte, kam er näher geschwebt und blieb genau vor meinem Gesicht in der Luft hängen. Ich scheuchte ihn weg wie ein lästiges Insekt. Im nächsten Moment tat es mir leid.

»Was ist los?« rief der Siga-Blue wütend, doch ich ignorierte ihn.

Bully sah noch immer traurig zu Lucky hinüber, einer exakten Kopie von Rhodans Moo.

Ich wußte, daß diese Anzüge auf ihre Träger abgestimmt waren. Auch Bully mußte offenbar irgendwann später, einen Anzug von den Galornen erhalten haben.

Meine Augen wurden feucht.

Von dem Blauen Anzug waren nur noch Fetzen übrig und Bullys kleiner Helfer Lucky hatte längst den Betrieb eingestellt.

Wie lange war der Mann schon im Kreis dieser Pyramiden gefangen? »Bully! Können Sie mich verstehen?«

Bull drehte sich wieder kurz um und wiederholte mein letztes Wort. »… verstehen?«

Ich schüttelte den Kopf. War er über die lange Zeit wahnsinnig geworden?

Er sah mich wieder traurig an. »Schmerzen …«

Ich sah mich hilflos um und überlegte, wie ich ihm helfen konnte. »Haben sie Schmerzen? Kann ich etwas für Sie tun? Kann ich Ihnen helfen?«

»Zu spät«, entgegnete er leise.

Er setzte sich auf den Boden und sah zum Panzerplastfenster hinaus.

Die Sterne waren sehr dicht in der Zentrumsregion. Ich sah seinen sehnsüchtigen Blick.

So verharrten wir eine Stunde ohne ein Wort.

»Ich nehme Sie mit!« sagte ich spontan, doch er schüttelte nur leicht den Kopf.

Er wirkte jetzt ruhiger und aufmerksamer als zu Beginn. Vielleicht war ich der erste Terraner, mit dem er seit vielen Jahrhunderten gesprochen hatte.

»Ich kann nicht … Was würde ich dafür geben, noch einmal die Sterne zu sehen.«

Ich war tief betroffen, denn seine Worte hatten etwas Endgültiges.

»Warum sind Sie hier?« fragte ich zum wiederholten Mal.

Dann bemerkte ich plötzlich ein hektisches Flackern in seinen Augen. »Warum ich …?«

Er fuhr herum und sah mich an. »Geht! Ihr müßt gehen!«

Ich versuchte, ihn zu besänftigen, doch er wurde nur noch energischer. »Sie wird bald kommen …«

Ich spürte, wie eine Eiseskälte von mir Besitz nahm. »Eine Falle?«

»Sie wird kommen«, sagte er eindringlich.

Ytriel zwitscherte aufgeregt. »Was meint der Mensch? Wer wird kommen?«

Ich brauchte die Antwort nicht abzuwarten, denn ich wußte was Reginald Bull uns sagen wollte.

Ich verstand auch plötzlich, warum der Terraner hier festgehalten wurde.

Bully war Perry Rhodans engster Freund und Wegbegleiter gewesen. Zusammen haben sie vor langer Zeit auf dem Erdmond den havarierten Arkonidenkreuzer gefunden.

Die HESPIES benutzt ihn als Lockvogel, schoß es mir in Panik durch den Kopf.

Alle Geschichten die ich bisher gehört hatte, waren also wirklich wahr!

Perry Rhodan war ihr also wirklich entkommen, schloß ich konsequenter Weise.

Die HESPIES zählte darauf, sollte der letzte Ritter der Tiefe in die Milchstraße zurückkehren, das er sicher versuchen würde, seinen besten Freund zu retten.

Auf meiner Stirn bildete sich kalter Schweiß. Eine Falle und wir waren blind hineingelaufen!

Wie viel Zeit hatten wir noch? Ich packte Bully am Arm und zog ihn auf die Beine.

»Kommen Sie, wir müssen verschwinden! Wir nehmen Sie mit!«

»Nein!« Das war mehr ein Klagen als eine Weigerung.

»Hier hält Sie nichts! Sie kommen wieder auf die Beine und die Widder brauchen einen Anführer!«

Einen Moment schien Bully nachzudenken. »Die Widder?«

Er streifte langsam das blaue Oberteil über die Schultern, dann sah ich es. »Schmerzen …«

Mir wurde übel. Das dufte einfach nicht war sein!

An der Schulter, genau dort, wo sein Zellaktivatorchip gesessen hatte, klaffte eine tiefe Wunde!

Bully blickte mich traurig an. »Sie hat ihn mir herausgerissen …«

Ich starrte ungläubig auf seine Schulter und kämpfte gegen meinen Würgreflex. Die Wunde sah fürchterlich aus.

Dann stieg unglaubliche Wut in auf und ich mußte mich beherrschen, nicht einfach los zu schreien.

Der alte Terraner legte seine Hand auf meine Schulter und sagte leise: »Perry kommt eines Tages zurück und dann wird er uns alle retten.«

Ich senkte meinen Blick, als ich fragte. »Aber wie können Sie leben?«

Bully seufzte tief. »Um die Pyramiden liegt ein auf meine Zellschwingungen abgestimmtes 5D-Feld, das die Funktion des Aktivators nachahmt. Verlasse ich diesen Bannkreis, dann muß ich sterben.«

Bully wischte sich über die Augen. »Und alles nur, weil sich die guten Mächte um einen Hauch der Zeit langsamer entwickelten.«

Ich sah auf. »Wie bitte? Was meinen Sie?«

Doch Bully reagierte nicht mehr auf meine Frage, sondern zog umständlich einen Gegenstand aus der Tasche.

Ytriel zwitscherte aufgeregt. »Was ist das? Eine Waffe? Sei vorsichtig Terraner, der Mensch ist nicht mehr bei Sinnen!«

Ich betrachtete den Gegenstand, den Bully mir in den Händen entgegen hielt.

Er war schwarz und eiförmig. Der Gegenstand erinnerte mich entfernt an die Zellaktivatoren der alten Tage, welche die Unsterblichen um den Hals getragen hatten. »Was ist das?«

Bully lächelte leicht vor sich hin. »Das ist dein Passierschein nach Terra.«

»Terra? Ich hörte, das Sol-System wurde verkleinert und von der HESPIES in eine Schatulle …«

»Unsinn!« Reginald Bull atmete heftig und schnell. Er war äußerst aufgeregt.

»Unsinn!« preßte er erneut zwischen seinen Zähnen hervor.

Ich stützte den Mann und half ihn, aufzustehen.

Er faßte sich an seine Schulter. »Du glaubst doch diesen Unsinn nicht!«

Ich setzte zu einer Erwiderung an. »Ich erfuhr es von den Arkoniden …«

Bulls Blick wanderte wieder in die Ferne. »Oh Atlan, alter Freund.«

Bull richtete sich plötzlich mit einem Ruck auf. »Ich spüre sie! Ein Teil von ihr kommt! Ihr müßt sofort fliehen!«

Bull drückte mir den seltsamen Gegenstand in die Hand und sah mir in die Augen. Eindringlich sagte er. »Geh nach TEKLOS IV und betrete das Portal.«

Ich schüttelte den Kopf. »Wo liegt TEKLOS? Was ist das für ein System?«

Bully erstarrte plötzlich und riß die Augen auf. »Sie ist hier! Es ist zu spät!«

Ein dunkler Schatten senkte sich über das Feld der sechs Pyramiden.

Ytriels ultrahoher Schrei ließ mich zusammenfahren. »Das Kommissarsschiff! Wir sind verloren!«

9. Das Duell

Unweit von Bullys Unterkunft flimmerte plötzlich die Luft und ein heller Energieball entstand, der skurrile Schatten um die Pyramiden tanzen ließ.

Als sich die Energieblase verflüchtigte, wurde die Gestalt des Kommissars sichtbar.

Beide Hände in die Hüften gestemmt sah er abwartend herüber.

Ich hatte innerlich bereits mit meinem Leben abgeschlossen.

Ganz anders reagierte Bully.

Sein Gesicht hellte sich auf und eine Freudenträne lief über seine Wange. »Freund!«

Ich hielt ihn am Ärmel fest. »Nein! Das ist kein Freund! Seien Sie vernünftig!«

Der geschwächte Terraner entwickelte ungeahnte Kräfte und riß sich los.

Er rannte mit ausgebreiteten Armen auf das Wesen zu, das ihm mit kalten Augen entgegensah. »Freund Gucky!«

Ich rief nach Ytriel.

Der Siga-Blue bestätigte sofort. »Wenn wir schon sterben, dann liefern wir dem Bastard wenigstens noch einen Kampf!«

Ich rannte Bully hinterher. Deckung zu suchen war aussichtslos. Der Platz um die kleine Unterkunft bot keinen Schutz.

Bully war zehn Meter vor dem Kommissar wie angewurzelt stehen geblieben.

Ich zog meine Waffe und ging langsam weiter.

Bullys zeigte plötzlich Unsicherheit. Der Terraner schien unbewußt zu fühlen, daß etwas nicht stimmte.

Mit einem lauten, wütenden Schrei, stürzte er sich plötzlich mit bloßen Fäusten auf das Wesen und wurde heftig zurück geschleudert.

Er landete direkt vor meinen Füßen auf dem Boden.

Der alte Terraner wimmerte und rollte sich zusammen.

Ich sah dem Kommissar entgegen. Seine Stimme hallte unnatürlich laut über den Platz unter den Pyramiden. »Du bist nicht der den ich erwartet habe! Du bist kein Ritter der Tiefe, du bist ein Nichts!«

Ich hob trotzig den Kopf. »Ich bin ein Terraner, du Scheusal!«

Das von dem Kommissar ausgehende Lachen hallte zwischen den Pyramiden hin und her. Es ging mir durch Mark und Bein.

»So! Einen Terraner haben wir hier! Einen echten Terraner? Ja, ich kann es in deinen Gedanken lesen!«

Der Kommissar besaß alle Fähigkeiten seines Vorbildes, dachte ich erschrocken.

Ich versuchte, meine Gedanken so gut wie möglich abzuschirmen.

Plötzlich entstand direkt vor mir ein Luftwirbel. Der falsche Gucky materialisierte keine zwei Meter vor mir und sah mich kalt an. »Vergiß es, Terraner!«

Er entriß mir telekinetisch meine Waffe und hielt sie plötzlich in den Händen. »Das ist alles, womit du mir entgegen trittst?«

Ich hörte plötzlich den Schrei Ytriels. Wie eine Hornisse stürzte er sich auf den Kommissar und feuerte todesmutig seine Waffe ab.

Der ultrafeine, hochgebündelte Thermostrahl verwehte im Körperschirm des Kommissars und Ytriel landete direkt neben Bull auf dem Boden.

Der Kommissar deutete auf Bull. »Dieser Mensch muß noch leben, aber ihr«, er machte eine kurze Pause, »aber ihr werdet jetzt sterben!«

Ich spannte unwillkürlich alle Muskeln meines Körpers und erwartete den tödlichen Schlag.

Das Kunstwesen kostete jeden Moment unserer Angst aus. Es schien sich an unserer Qual zu erfreuen.

»Mach schon!« schrie ich das Wesen an. »Mach ein Ende!«

Das böse Grinsen wurde noch eine Spur breiter. Ohne erkennbaren Grund erlosch plötzlich sein Körperschirm. Er mußte ihn deaktiviert haben. Was hatte er vor?

Er zischte mir zu. »Du bist ein Terraner! Terraner sind mutig, hörte ich.«

Ich fluchte und sah mich fieberhaft um. Er wollte mich reizen, mich herausfordern.

»Stimmt!« zischte der Kommissar.

Er kann meine Gedanken lesen, dachte ich nur.

Ich analysierte die Lage. Die Space-Jet war unerreichbar und meine einzige Waffe hielt er in seinen Händen.

Gegen das Kunstgeschöpf hatte ich mit meinen bloßen Körperkräften keine Chance. Es war aussichtslos, also warum spielte es mit mir?

Ich richtete mich auf. »Du fühlst dich stark mit deinen Parakräften, doch das ist alles, was du kannst! Du und deine Schöpferin seid doch nur ein Produkt aus einem Alptraum!«

Das Gesicht des Kommissars verzog sich zu einer schrecklichen Grimasse. »Du Wurm! Wie kannst du es wagen so über die HESPIES zu sprechen.«

Ich erhielt einen Stoß, der mich gute fünf Meter zurück schleuderte. Benommen blieb ich liegen. Aus meiner Nase tropfte Blut. Ich suchte nach Ytriel, konnte den Siga-Blue aber nicht finden. Ob er entkommen konnte?

Ich gab mich keinen falschen Hoffnungen hin.

Der Kommissar beachtete den Siga-Blue nicht, weil er den Anführer der Widder für absolut ungefährlich hielt.

Das Kunstgeschöpf stemmte beide Arme in die Hüften, lehnte sich zurück und lachte so lautstark, daß ich mir die Ohren zuhalten mußte.

»Widder! Was seid ihr nur für ein Haufen sentimentaler Narren! Hättet ihr Monos damals nicht getötet, die HESPIES hätte ihn als Spielgefährten Atlans in die Namenlose Zone verfrachtet!«

In mir stieg Wut auf und überdeckte kurzzeitig meine Todesangst. »Ihr hättet sie besser alle getötet! Eines Tages werden sie einen Weg finden sich zu befreien. Dann bist du dran, du Mißgeburt!«

Wieder lachte der Kommissar und konnte sich nur schwer beruhigen. »Du verkennst vollkommen die Situation, Terraner! Atlan und ES sind nichts anderes als die verzweifelten Babysitter der lallenden, devolutionierten Kosmokraten! Sie dürfen nur noch in der Namenlosen Zone leben, weil die HESPIES es unterhaltend findet, mit ihnen zu spielen.«

Meine Augen begannen, vor Wut zu tränen. »Was seid ihr … was bist du nur für ein Wesen? Der Höllenschlund muß dich ausgespuckt haben!«

Der Kommissar legte den Kopf schief und imitierte so eine typische Geste Guckys. »Aus deiner Sichtweise gar nicht mal so falsch, Terraner! Primitive Lebensformen wie du, sehen in ihr das Böse. Wärst du auf einem höheren Stand der Entwicklung, dann würdest du ihre Perfektion und Vollkommenheit bewundern.«

Ich spürte, wie sich eine telekinetische Klammer um meinen Hals legte und fest zudrückte. Ich konnte nicht weglaufen, denn ich wurde von den Kräften des Kommissars an die Stelle gefesselt.

Reginald Bull hatte die Hände vor die Augen gelegt, wimmerte vor sich hin und Ytriel war nirgends mehr zu sehen.

Der Kommissar zischte mit seiner unnatürlichen Stimme. »Und nun, Terraner, sag mir, wie soll ich dich töten? Oder soll ich dich lieber behalten und in Spiritus einlegen? Ihr seid ziemlich selten geworden.«

Ich rang nach Luft. »Was hast du mit den Menschen gemacht?«

Ich begann zu röcheln. »Wo ist das Sol-System?«

Der Kommissar lockerte die Umklammerung und grinste bösartig. »Ist das dein letzter Wunsch? Willst du erfahren, was mit deinen Leuten geschehen ist?«

»Sag es mir«, hauchte ich. Ich mußte husten, mein Kehlkopf schmerzte.

Ich fühlte mich plötzlich angehoben und schwebte zwei Meter über dem Boden.

Reginald Bull sah mir traurig nach. Der alte Terraner streckte eine Hand nach mir aus, fast so als wolle er mich festhalten. »Nicht!«

Seine Worte klangen schwach und kraftlos.

Der Kommissar würdigte ihn keines Blickes. Das Ganze wirkte gespenstisch, denn wieder erklang die Stimme unnatürlich laut. Das Echo, von den Pyramiden Kahalos zurückgeworfen, verfremdete die Situation nur noch mehr.

Wieder wünschte ich, daß alles nur ein schlimmer Traum wäre, doch die Schmerzen belehrten mich eines besseren.

»Du kannst dir nicht vorstellen welche Freude es ist, ein Volk wie die Terraner gekannt zu haben. Ihre verzweifelten Versuche sich gegen das Unumgängliche zu wehren. Dann schließlich die Erkenntnis, wen sie vor sich hatten! Die HESPIES hat gut daran getan, in dieser Galaxis ihre Residenz einzurichten!«

Ich versuchte, mich aus der Umklammerung zu lösen und begann zu zappeln, mit dem Resultat, daß der telekinetische Griff noch fester wurde.

»Die HESPIES hat dein Heimatsystem nicht vernichtet und auch nicht verkleinert, wie es diese primitiven Barbaren allerorts erzählen.«

Der Tonfall des Kommissars klang verächtlich. Es war zu hören, daß dieses Wesen das Leben der Normalsterblichen mit keiner Faser seiner Existenz schätzte und respektierte.

»Was habt ihr mit ihnen getan? Warum tut ihr das alles?« Ich schrie ihm die Fragen mit letzter Kraft entgegen.

»Sie sind wohl behütet!« Das Lachen des Kommissars schallte über den Platz.

»Die HESPIES zehrt von ihnen, denn dein Volk ist sehr widerstandsfähig und besitzt einen edlen Tropfen an Lebenskraft! Die Erde ist ihr neues Zuhause und deinesgleichen sind ihre Diener!«

Es knackte in meinem Genick. Er wollte mich langsam töten und gab seine Geheimnisse stückweise preis.

»Dein Heimatsystem, Terraner, ist unantastbar. Es ist die Burg der HESPIES! Sie lebt auf Terra und labt sich an der Verzweiflung der Einwohner. Ich spüre das Gefühl, denn ich bin mit ihr verbunden. Schon heute freue ich mich auf den Tag, an dem ich zurückkehren werde.«

Ich schloß die Augen und lächelte trotz meiner aussichtslosen Situation. Also gab es noch Leben auf Terra. Seltsam, aber ich glaubte dem Kommissar jedes Wort. Er fühlte sich überlegen und selbstsicher. Er erzählte keine Lügen, das fühlte ich. Außerdem, dachte ich bitter, wird er mir gleich mein Lebenslicht ausblasen.

»Noch nicht ganz, Terraner! Erzähl mir noch, wie du hierher gekommen bist! Wir dachten, es gibt keinen deiner Rasse außerhalb es Sol-Systems.«

Ich wollte etwas sagen, konnte aber nicht. Die Umklammerung um meinen Hals war zu stark.

»Es genügt vollkommen, wenn du denkst! Worte sind überflüssig.«

Ich versuchte so gut ich konnte, einen Mentalblock zu errichten. Ich wußte aber auch, daß ich ihn unter diesen Umständen nicht lange aufrecht erhalten konnte.

»Gib es auf, Terraner! Ich erfahre sowieso alles, wenn ich will.«

»Du Bastard!« rief ich aus.

Die Augen des Kommissars wurden plötzlich groß. »Sieh einer an! Aus der Vergangenheit kommst du!«

Mein Widerstand war vollkommen zusammengebrochen. Ich fühlte mich plötzlich leer und kraftlos. Ich begann, das Unvermeidliche zu akzeptieren und rechnete mit meinem Leben ab.

»Du hast dein Todesurteil nur beschleunigt! Wenn es einen Weg zwischen den Zeiten gibt, dann darfst du nicht zurückkehren und die Nachricht von der Ankunft der HESPIES verbreiten.«

Es war mir egal, was das Wesen dachte. Ich wollte nur noch meinen Frieden.

Das auftretende, sirrende Geräusch, vernahm ich nur noch am Rande meiner bewußten Wahrnehmung. Dafür spürte ich die plötzlich einsetzende Schwerkraft um so deutlicher. Ich fiel aus über zwei Metern Höhe und schlug hart auf das Landefeld auf.

Ein stechender Schmerz raste durch meine Schulter. Ich mußte sie ausgerenkt haben.

Was ich dann sah, brachte mich mit deutlicher Schockwirkung in die Realität zurück.

Vor mir rollte der Kopf des Kommissars über den Boden, direkt auf mich zu!

Ich schrie vor Entsetzen auf und versuchte mit strampelnden Bewegungen, nach hinten auszuweichen.

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie der kopflose Körper des Geschöpfes zusammensackte.

»Was ist …?«

Da sah ich plötzlich einen Schatten aus dem Nichts entstehen, etwa einen Meter hinter dem toten Körper.

Das rote Licht der Sonne Orbon blendete mich. Ich sah nur die Umrisse eines Wesens, das mich allein wegen seiner Größe, aufs tiefste erschrak.

Das Wesen mußte sich hinter einem Deflektorschirm verborgen haben, unbemerkt vom Kommissar der HESPIES und es hielt ein langes, scharf geschliffenes Messer in den Händen.

Was ich mit Messer bezeichnete, war in Wirklichkeit für einen Terraner nur mit beiden Armen zu stämmen.

Ich hielt den Atem an. Waren wir gerettet worden, oder vom Regen in die Traufe geraten?

Das Wesen kam langsam auf mich zu.

Als das fremde Wesen vor mir stand, griff es nach dem Kopf des Kommissars und hob ihn auf. Sorgfältig betrachtete es ihn von allen Seiten. »Ein schönes Stück!«

Mir wurde schlecht und ich mußte mich übergeben.

Das Wesen lachte. »Ich vergaß die sensible Seite der Terraner! Trotzdem! Ich sollte nicht spotten. Du hast etwas geschafft, was noch niemand zuvor geleistet hatte. Du hast die Bestie dazu verleitet ihren Schutzschirm abzuschalten! Das hat sie noch niemals zuvor getan. Innerhalb ihres Individualschirmes war sie für mich unangreifbar. Die Trophäe gehört deshalb dir!«

Das Wesen warf mir den Kopf vor die Füße. »Ich hätte ihn zwar gern noch etwas mehr erzählen lassen, aber das wäre dir wahrscheinlich nicht mehr lange bekommen, richtig?«

Ich nickte.

Ich blickte zu der imposanten Gestalt auf und erkannte durchaus weibliche Züge im Gesicht des Wesens. Eine Frau?

»Wer bist du?« brachte ich mühsam hervor.

Doch bevor sie selbst antworten konnte, vernahm ich die schwache Stimme Reginald Bulls. »Moira! Es ist Moira!«

Es durchzuckte mich wie ein elektrischer Schlag. Vor mir stand Moira, die Ayindi!

Behutsam hob Moira den schlaffen Körper an. Zuvor hatte sie mit einer schnellen Bewegung den Kopf des Kommissars in einem Beutel verschwinden lassen.

Es stimmte also, sie war wirklich eine Trophäensammlerin.

Der Siga-Blue wagte kein Wort zu sagen und mir ging es nicht wesentlich anders.

Wie erstarrt sah Ytriel zu dem leblosen Körper hinüber, noch immer unfähig, sich zu rühren.

Ich verfolgte stumm, wie die Ayindi den schlaffen Körper des Terraner anhob und langsam zur Wohnkuppel in der Platzmitte trug.

Ich folgte ihr. Die Erscheinung der Ayindi war beeindruckend. Der muskulöse, humanoide Körper wirkte bedrohlich.

Ich beruhigte mich damit, daß sie an meinem Kopf sicherlich nicht interessiert war. Als sie Bullys Wohnquartier erreicht hatte, legte sie den müden Mann auf das Konturbett.

Ich räusperte mich leise, worauf ihr Kopf blitzschnell herumfuhr. Die Haare machten die Bewegung starr mit und ihre Augen funkelten warnend.

Ich nickte und wagte kein Ton mehr von mir zu geben.

Nach etwa einer Stunde erhob sich die Ayindi plötzlich und verließ die Behausung, ohne sich umzudrehen.

Ich folgte ihr schnell nach draußen, wo sie nach einigen Schritten stehen blieb und sagte. »Was willst du, Terraner? Warum folgst du mir?«

Ihre Stimme hatte nicht weniger laut geklungen, als die des toten Kommissars.

»Ich brauche …« Meine Stimme war kaum zu hören. Ich stand noch immer unter den Nachwirkungen des Schocks.

Moira sah mich durchdringend an, dann musterte sie meinen Halsansatz abschätzend. »Was willst du Terraner?« fragte sie nochmals lauter.

»Ich brauche deine Hilfe, Ayindi!«. Ich versuchte meiner Stimme einen festen Klang zu geben.

Ihr massiger Körper schob sich pfeilschnell an mich heran. Die Bewegung verlief so schnell, daß ich sie fast nicht erfassen konnte.

Ich fühlte mich angehoben, sah plötzlich ihr kantiges Gesicht vor mir und roch ihren Atem. Es war mir unangenehm, trotzdem wagte ich nicht, mich abzuwenden.

»Warum sollte ich dir helfen? Einem terranischen Wicht, der nur mit großem Glück dem Tod entkommen ist?«

Ich faste meinen Mut zusammen. »Weil ich dich darum bitte, Moira«, schnell fügte ich hinzu. »Und weil du es mir schuldest.«

In ihrer Mimik ging eine Veränderung vor. Die harten Züge wichen einem fragenden Blick. »Weil ich es dir schulde?«

Ich hatte Angst, sie würde mir jede Sekunde mit einem schnellen Griff das Genick brechen. Mein Herz raste wie wild.

Gerade rechtzeitig besann ich mich über die Dinge, die ich im terranischen Zentralarchiv über Moira gelesen hatte.

Demnach war die Ayindi zwar eine brutale Kämpferin, hatte sich aber am Ende als hilfreiche Verbündete bei den Geschehnissen an der Großen Leere erwiesen.

Ich deutete mit dem Daumen an den Beutel, der an ihrem breiten Gürtel baumelte. »Die Trophäe! Ohne uns hättest du sie niemals bekommen. Ohne uns hätte der Kommissar niemals leichtfertig seinen Individualschirm abgeschaltet.

Ich wartete auf einen Donnerschlag oder darauf, daß mein Kopf über den Belag des alten Kahalo-Raumhafens rollte, doch nichts dergleichen geschah.

Sie maß mich mit einem abschätzenden Blick. »Ihr Terraner seid ein merkwürdiges Volk. Am stärksten, wenn es euch am schlechtesten geht. Was willst du von mir?«

Ich atmete auf. »Zu aller erst einmal Informationen.«

Bevor ich ausreden konnte, geschahen zwei Dinge gleichzeitig.

10. Der Weg nach THEKLOS IV

Der Körper der Ayindi spannte sich plötzlich. Sie sah mich mit weit aufgerissenen Augen an, dann fühlte ich einen zerrenden Schmerz im Nacken.

Bevor ich verstand, wie mir geschah, wechselte die Umgebung und ich stand in der Zentrale eines Schiffes.

Der Siga-Blue schwebte noch immer neben mir und schien genauso desorientiert zu sein wie ich.

Auf einer Holoprojektion sah ich, wie Kahalo schnell kleiner wurde. Wir entfernten uns mit rasender Geschwindigkeit.

Die Ayindi sah mich durchdringend an. »Woher kommst du?« stieß sie gepreßt zwischen den Zähnen hervor.

Bevor ich etwas sagen konnte, brachte sie mich durch eine Geste wieder zum Verstummen. »Du trägst die Uniform der LFT, wie sie vor ungefähr 30.000 Jahren ausgesehen hat. Die STYX hat mir gerade die Daten bestätigt.«

Ihr Blick schien mich zu sezieren. Sie hatte die Lage schnell und treffend analysiert.

»Ich wurde vor langer Zeit in das Amagorta-Black-Hole geschleudert und unterlag einem Zeiteffekt. In dieser Gegenwart, hielt mich wohl jemand für den erhofften Letzten Ritter und fischte mich mit mitsamt meiner Rettungskapsel aus dem Ereignishorizont.«

Moiras Augen wurden zu schmalen Schlitzen.

Welche Erinnerung hast du von deinem Aufenthalt im Black Hole?

Ich sah sie verwundert an. »Keine, warum fragst du?«

Sie schien sich nicht weiter um mich zu kümmern und wandte sich den Kontrollen zu.

Über die Schulter hinweg sagte sie plötzlich. »Weil ein alter Freund von mir einst in diesem Schwarzen Schlund verloren ging.«

Ich lächelte stumm, denn ich kannte die Geschichte über Rhodans Verschwinden vom Verkünder auf Arkon.

»Und, hast du je nach ihm gesucht?« fragte ich leise.

Überraschender Weise erfolgte eine prompte Antwort. »In allen Galaxien.«

Ich schluckte betroffen. Erst jetzt wurde mir klar, daß die Ayindi verzweifelt war.

»Rhodan wird zurückkehren!« sagte ich in die Stille hinein. »Und er wird der HESPIES alles heimzahlen!«

Moira sah zu der Holoprojektion hinüber, auf der die Sonne Orbon als kleiner Stern mit der Zentrumsballung verschmolz.

»Warum hast du so überstürzt den Planeten verlassen? Ich hatte gehofft, Reginald Bull mit deiner Technik doch noch helfen zu können.«

Moira wirkte das erste Mal betroffen. Sie schien nach Worten zu suchen. »Ich war schon oft auf Kahalo und hatte meinen alten Freund besucht. Ich habe es jedoch niemals fertig gebracht, mich ihm zu zeigen. Ich wollte ihm keine Hoffnungen machen, denn ich kann ihm nicht helfen.«

Sie sah mir wieder direkt in die Augen. Ich glaubte ihr.

»Die STYX hat zahlreiche, sich schnell nähernde Objekte im Hyperraum geortet. Wenn es Schiffe oder Inkarnationen der HESPIES sind, dann verschwinden wir besser.«

»Aber Bull?« fragte ich stockend.

Die Ayindi klang traurig. »Ihm wird nichts geschehen solange die HESPIES daran glaubt, daß er als Falle für Rhodan taugt. Wenn sie jedoch eines Tages seinen Tod beschließen sollte, dann wird es seine Erlösung sein!«

Meine Stimme zitterte. »Aber warum hast du es nie versucht.«

Sie sagte leise: »Wir Ayindi können keine Zellaktivatoren bauen und ES wurde von der HESPIES geschlagen, genau wie alle anderen Ordnungskräfte.«

Ich atmete schwer. »Was weißt du über die HESPIES

Die Ayindi spannte sich plötzlich. »Sie ist das absolut Böse. Über ihr wahres Gesicht habe ich jedoch nur Vermutungen. Wenn meine Vermutungen jedoch zutreffen, dann gibt es für dieses Universum keine Rettung mehr.«

Mir wurde bei ihren Wirten kalt.

»Kommen wir zum Geschäft!« wechselte sie das Thema.

Ich sah verwundert auf. »Geschäft?«

Die Ayindi sah auf mich herab. »Einen Gefallen hast du frei, Terraner. Und sogar ohne Bezahlung.«

Ich schluckte. »Bezahlung?«

Moira lachte laut. »An deinem Kopf liegt mir nichts. Wie ich schon sagte, du gehörst zu einer seltenen Art und stehst unter Naturschutz.«

Ich lachte gepreßt. »Was für ein Glück. Aber du könntest uns wirklich einen Gefallen tun. Was weißt du über TEKLOS

Über das Gesicht der Ayindi huschte ein wissendes Lächeln. »Alles«, sagte sie nur.

Ich spürte Hoffnung in mir aufsteigen. Ich zog den seltsamen Gegenstand aus der Tasche, den mir Bully gegeben hatte und hielt ihn ihr entgegen.

Sie erschrak und fuhr zurück. »Wo hast du das her?«

Sie schien äußerst erregt zu sein. »Reginald Bull gab es mir«, sagte ich verwundert.

Die Ayindi beherrschte sich mühsam. »Es war in seinem Besitz?

Ich nickte stumm. Sie schien einen Moment mit ihrer Beherrschung zu kämpfen. Auf mich wirkte es so, als wolle sie ihre Klauen ausstrecken und mir den eiförmigen Gegenstand entreißen.

»Du Unwürdiger! Du weißt ja nicht, was du da in den Händen hältst!«

Mir war, als ob der Gegenstand plötzlich leicht vibrierte.

Dann glaubte ich Stimmen zu vernehmen. Stimmen wie aus großer Ferne.

Ich lauschte in mich hinein.

Moira sah mich interessiert an. »Du hörst es?«

Ich schüttelte den Kopf. »Einen Moment hatte ich geglaubt, daß ich …«

»Du hörst es!« sagte sie bestimmt. »Es hat dich angenommen!«

Ich sah sie an. »Angenommen? Was ist es?«

Anstelle einer Antwort gab Moira der STYX den Befehl für eine Kurskorrektur. Ich sah bestürzt, wie die Galaxis immer kleiner wurde.

»Wo bringst du uns hin?« fragte ich unsicher.

»Nach TEKLOS, mein kleiner, unwissender Terraner.«

Die Galaxis war nur noch als milchige Scheibe zu erkennen.

Weitab, ebenfalls nur diffus, erkannte ich M33.

»Wir verlassen die Lokale Gruppe«, flüsterte ich Ytriel zu.

Der Siga-Blue verstand das alles nicht. Bis vor kurzem reichte sein Horizont nur über einige, wenige Planeten der Milchstraße.

Moira verharrte bewegungslos in der Mitte der Zentrale. Ab und zu gab sie ein paar erklärende Bemerkungen ab. »Wir verlassen in Kürze die ehemalige Mächtigkeitsballung von ES

Ich sah interessiert zu den Hologrammen hinüber. Dieses Schiff war ein Wunder! Noch niemals hatte ich so einen leistungsstarken Antrieb gesehen.

»Wie weit reicht der Einfluß der HESPIES?« fragte ich beiläufig.

Moira gab einen knurrenden Ton ab. »Wie weit reicht der Einfluß der Kosmokraten?« kam die Gegenfrage.

Meine Lippen bebten. »Über das ganze Universum?« fragte ich ungläubig.

»Die HESPIES hat die Kosmokraten zu stumpfsinnigen Kreaturen devolutioniert. Sie hat dem Universum die ordnenden Kräfte genommen. Selbst wenn sie noch nicht in allen Galaxien bekannt ist und viele Kulturen noch nichts von dem ahnen, was gerade geschieht, der Untergang und das Chaos ist vorprogrammiert.«

Ich sah ungläubig zu ihr hinüber und schüttelte den Kopf. »Warum hat sie sich ausgerechnet in der Milchstraße eingenistet?«

Moiras Augen wurden schmal. »Die Milchstraße war viel zu oft der Knotenpunkt der Geschichte. Die Terraner haben aktiv an der positiven Gestaltung des Parresums mitgearbeitet. Niemals hat ein Hilfsvolk der Kosmokraten so gute Arbeit geleistet.«

Ich lehnte mich in den Kontursessel zurück und schloß einen Moment die Augen. »Die Terraner sind kein Hilfsvolk der Kosmokraten! Sie haben sich von der Beeinflussung der Ordnungsmächte losgesagt!«

Moira lachte laut auf. »Wie naiv ihr doch seid und wie wichtig für das Universum! Glaubst du im ernst, Terraner, ihr hättet nur eine Sekunde allein über eure Zukunft entscheiden können? All die Dinge die dein Volk durchgemacht hat, waren nur Vorprüfungen auf diesen Tag!«

»Wir wurden vorbereitet?«

Moira nickte nach terranischer Manier. »Natürlich wurdet ihr das. ES wußte was einmal geschehen könnte und auch die Terraner wären darauf gekommen, hätten sie sich nur einen Moment Zeit genommen, kosmische Gedanken zu machen und nicht nur von Jahrhundert zu Jahrhundert in den Tag hineingelebt!«

Das waren harte Worte. Was meinte sie nur damit?

Alle meine weiteren Bemühungen, mehr über die Zusammenhänge zu erfahren, scheiterten an ihrer Verschwiegenheit. So zog ich es vor, das Gesprächsthema zu wechseln. »Was ist TEKLOS IV

Die Ayindi verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Sollte das ein Lächeln andeuten?

»TEKLOS IV ist der Deckname für einen Planeten.«

Ich horchte interessiert auf. »Deckname? Warum hat dieser Planet einen Codenamen und wo liegt er?«

Die Ayindi kam ganz nahe heran und starrte mit einem Seitenblick auf meine Tasche. Der seltsame Gegenstand flößte ihr offenbar Respekt ein. »Der Planet, um den es geht, konnte als einziger seiner Art erfolgreich vor der Zerstörung durch die HESPIES-Schwadronen verteidigt werden. Ein ganzes Volk hat sich für diesen Planeten geopfert! Du siehst, wir steuern historischen Boden an.«

Ich war mir plötzlich nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, dieses Ziel zu wählen.

Nach weiteren zehn Stunden Flugzeit erreichten wir die Außenbereiche einer großen Spiralgalaxie. Ich hatte längst das Gefühl für Raum und Zeit verloren und keine Ahnung, wo wir uns momentan befanden.

Moira projizierte das Abbild der Galaxis in die Mitte der Zentrale der STYX und aktivierte einen Holopointer.

Sie markierte einen Bereich des Spiralnebels und sah zu mir herüber. »Hier liegt unser Ziel. TEKLOS IV, wie der Planet jetzt genannt wird.«

»Warum sagst du mir nicht, um welchen Planeten es sich handelt? Was ist das für eine Galaxis?«

Moira legte den Kopf schief und sah mich an. »Du hast sie nicht erkannt? Ich dachte, du warst bei der terranischen Flotte?«

Ich wurde ärgerlich. »Muß ich deshalb jede Galaxis sofort erkennen? Es gibt Tausende, die aussehen wie diese!«

»Millionen«, korrigierte mich die Ayindi sanft.

Ich gab es auf. Ich konnte nur hoffen, daß mich das Wesen nicht ins Verderben führte.

Seit einigen Stunden hatte ich das Gefühl, daß die Stimmen in meinem Kopf lauter wurden. Aber ich konnte mich auch täuschen. Die ganze Geschichte wurde mir immer unheimlicher.

Moira hatte mich nach meiner Erinnerung über den Sturz in das Black-Hole befragt. Ich konnte mich tatsächlich an nichts mehr erinnern.

Meine Gedanken drehten sich nur im Kreis, wenn ich an den Unfall zurückdachte. War das normal? Konnte man sich überhaupt an eine Fahrt über einen Ereignishorizont erinnern? Hatte mein Verstand einfach ausgesetzt?

Die Galaxis in Flugrichtung schien mich anzuspringen. Ich erschrak heftig.

Erst dann bemerkte ich, daß nur die Holoprojektion einen größeren Ausschnitt zeigte.

»Welche Völker leben hier?« fragte ich interessiert.

Der Blick der Ayindi verfinsterte sich. »Keine mehr. Die Galaxis ist tot!«

Wieder spürte ich die Gänsehaut über meinen Rücken laufen. »Eine ganze Galaxis entvölkert?«

Moira sah mich an. »Ich war damals hier, als die Völker mutig das Portal verteidigten. Es war mehr als nur ein technisches Produkt. Es war ihnen heilig! Die HESPIES hatte Probleme den Widerstand zu brechen. Also setzte sie ihre DNA-Waffe ein und ließ alle organischen Wesen sterben. Ich entkam nur knapp aus dem Wirkungsfeld, das die gesamte Galaxis umspannte.«

Meine Hände zitterten. »Was ist das für ein Geschöpf? Sag es mir!« hauchte ich der Ayindi zu.

»Du wirst ihr begegnen, bald.«

Die STYX war unter höchster Vorsicht in die Galaxis eingeflogen. Die Vorsichtsmaßnahmen erwiesen sich jedoch als Grundlos, denn wir wurden von keinem Tasterstrahl erfaßt und registrierten keinen Schiffsverkehr.

Auf allen Hyperfunkkanälen war nur monotones Rauschen zu hören. Die Frequenzen waren Tod.

Zehn Lichtstunden vorab lag unser Zielsystem. Doch schon jetzt traf die STYX fortwährend auf große Trümmerzonen, ehemalige Schiffsfragmente, aus einer großen Schlacht.

Die STYX hatte ihre Schirme aktiviert und flog ohne Rücksicht einfach durch die Trümmerfelder hindurch. Ausweichen wäre bei dem unüberschaubaren Durcheinander ohnehin sinnlos gewesen.

Ich war sprachlos. Hier mußte eine gigantische Flotte gekämpft haben, denn die Trümmer reichten bis an die Ortungsgrenzen der Styx.

Ich hatte bei meiner Reise bereits viele unglaubliche Dinge gesehen, doch dieser Anblick übertraf alles Bisherige. »Mein Gott! Was ist hier geschehen?«

Die Ayindi stand nun fortwährend an den Kontrollen. Sie hatte alle Defensiv- und Offensivsysteme ihrer STYX auf Bereitschaft geschaltet. Die Atmosphäre in der Kommandozentrale knisterte vor Spannung.

»Ich sagte es dir bereits, Terraner. Ein ganzes Volk hat sich auf diesem Schlachtfeld geopfert. Möchtest du umkehren?«

Mein Hals war ausgetrocknet und mein Nein klang wenig glaubhaft. Dennoch hielt die Ayindi Kurs.

Einen Augenblick erstrahlte das Bild eines Schiffsrumpfes im Holofeld, kurz bevor es vom Abwehrschirm der STYX atomisiert wurde.

In mir kam eine Erinnerung auf. Ich hatte schon einmal Bilder von solchen Schiffen gesehen.

Moira beobachtete mich sehr aufmerksam, enthielt sich aber weiteren Kommentaren.

Ich spürte plötzlich, wie das Vibrieren des Gegenstandes in meiner Tasche stärker wurde. Ich fühlte wie tastende Ströme nach meinem Gehirn griffen. Was geschieht mit mir?

Plötzlich stand das Abbild eines Planeten vor uns. Die Oberfläche war total verwüstet und es ließ sich nicht erkennen, ob hier früher einmal eine Zivilisation gelebt hatte.

Moira gab mir ein Zeichen. »Es ist so weit, Terraner. Bist du bereit?«

Ich stand auf. »Was ist mit Ytriel?«

Moiras Augen fixierten den Siga-Blue, der unwillkürlich näher zu mir schwebte. »Ich weiß nicht, ob er deinem Weg folgen kann.«

Ich wurde unsicher. »Meinem Weg? Was meinst du damit?« Dann spürte ich wieder das Ziehen im Nacken.

Moira beförderte uns hinunter auf die Oberfläche des Planeten. Ich hatte damit gerechnet.

Als ich die Augen öffnete, traf mich die Erkenntnis wie ein Blitzschlag.

In einiger Entfernung erkannte ich den ausgefransten und glasierten Rand eines Explosionstrichters. Dort mußte einmal eine Stadt gestanden haben.

Ich wußte bereits ihren Namen.

Um mich herum standen Hunderte, skurrile Gestalten, die mit dem seltsamen Belag der Hochebene verschmolzen waren. Die Wesen waren zweifellos allesamt tot. Einige der kleinen Körper waren unnatürlich verkrümmt und halb im Boden eingesunken. Sie hatten offensichtlich versucht, mit einer letzten, verzweifelten Kraftanstrengung, mit der Umgebung zu verschmelzen.

Meine Knie zitterten. Überall um uns herum hatten sich große, schwarze Raumschiffswracks in den Boden gebohrt. Ihre Anzahl lies sich nicht schätzen und sie bedeckten die Oberfläche bis zum Horizont.

Ich wagte nicht, mich zu rühren. Ich hatte Angst, mit einer der kleinen, versteinerten Gestalten zusammenzustoßen.

Als es doch passierte, splitterte die Figur in tausend Teile. »Mein Gott!«

Moira stand wie ein Denkmal inmitten der seltsamen Landschaft. »Sie spüren nichts mehr.«

Ich drehte mich im Kreis, dann sah ich es. Das Portal!

Ich deutete mit den Händen in die Richtung des halb von Basalt überzogenen Portals und öffnete den Mund zu einem stummen Schrei.

»Du hast es erkannt, Terraner! Das ist ein Pilzdom! Wir sind auf Gaalo in der Galaxis Plantagoo.«

Der eiförmige Gegenstand in meiner Tasche brannte plötzlich wie Feuer.

Ich nahm in heraus und wollte ihn wegwerfen, doch da entfaltete sich das schwarze Ei zu einem Armband und legte sich blitzschnell um mein Handgelenk.

Ich stand nur da und sah auf das schwarze Armband. »Ein Passantum!«

Moira wirkte ehrfürchtig, als sie sagte. »Und es hat dich als Träger akzeptiert, ein Umstand der mich nachdenklich macht.«

Ich versuchte es abzustreifen, doch es gelang mir nicht. »Es sitzt fest!«

Wieder hörte ich eine Stimme in meinem Kopf, diesmal klar und deutlich. Das Passantum teilte mir mit, daß es betriebsbereit war. Wahnsinn!

Ich war nur ein einfacher Offizier der LFT Flotte, warum konnte ich es tragen?

Ein anderes Passantum hatte einmal die Hand des Kummerog abgetrennt, stand mir dasselbe Schicksal bevor?

»Keine Angst«, hörte ich die leise Stimme. »Du trägst die Aura eines Ritters.«

Ich erstarrte. »Was sagst du da?«

Ich lauschte in mich hinein. »Du trägst die Aura eines Ritters.«

Meine Lippen bebten. »Das ist ausgeschlossen! Ich hatte niemals etwas mit dem Ritterorden zu tun.«

Ich drehte mich hilfesuchend zu Moira um, doch die Ayindi war verschwunden. »Moira!«

Ich erhielt keine Antwort. Ich erschrak, als ich plötzlich die überlaute Stimme des Siga-Blues in meinem Helmempfänger hörte. »Das Ungeheuer ist verschwunden! Wie macht sie das?«

Ich gab meinem Pikosyn den Befehl, den Lautstärkeregler zu justieren und sah mich um. »Ich weiß es nicht. Die Ayindi verfügen über eine überlegene Technik. Sie kann überall sein. An Bord ihres Schiffes oder noch immer in unserer Nähe. Vielleicht beobachtet sie uns.«

Ytriel schien sich wieder sicherer zu fühlen. Die ganze Zeit über war er auffallend passiv gewesen. »Was sind das nur für arme Wesen?«

Man hörte das Mitleid aus Ytriels Stimme, als er auf die erstarrten Wesen zeigte. »Ich glaube, man nennt sie Adlaten. In meiner Zeit waren sie jedenfalls ein Begriff.«

Ytriel zirpte erregt. »Sie sind alle tot! Zu Stein erstarrt. Wie kann so etwas möglich sein?«

Ich konnte mich nur schwer von dem grauenvollen Anblick losreißen. »Ich weiß nicht viel über sie. Sie waren ein Hilfsvolk der Galornen.«

»Galornen?« Ytriel konnte damit nichts anfangen und ich nahm ihm es nicht übel. Zu lange hatten die letzten freien Galaktiker im Untergrund gelebt. Dinge aus meiner Zeit waren längst vergessen.

Ich rieb mir den Nacken und stöhnte. »Was ist?« kam es aus dem Empfänger.

»Nichts weiter, nur diese Kopfschmerzen! Sie werden schlimmer«, antwortete ich.

Im System Galornenstern hatte es offensichtlich einen Kampf bis zum bitteren Ende gegeben.

Die überall im Raum und auf der Oberfläche von Galorn verteilten Schiffswracks sprachen eine deutliche Sprache.

Die Adlaten, die sich alle in der Nähe des Pilzdomes versammelt hatten, wollten vielleicht den Zugang zur Brücke in die Unendlichkeit schützen und waren dabei gestorben.

Ich fröstelte, als ich zu dem Bauwerk hinüber sah. Niemals war ich einem der legendären Bauwerke so nahe gewesen.

Natürlich kannte ich die Bilder und Berichte von Trokan, wo ebenfalls eines der seltsamen Gebilde stand, doch kein Normalsterblicher konnte je in ihre Nähe kommen. Dafür sorgten weiträumige Absperrungen.

Ich riß mich von meinen Gedanken los. »Die HESPIES hat also auch nicht vor Plantagoo halt gemacht.«

Ytriel schwebte in meiner Gesichtshöhe und ruderte wild mit den Armen. »Warum hat uns die Ayindi verlassen! Ohne Raumfahrtzeug sind wir verdammt, an diesem furchtbaren Ort zu bleiben.«

Ich überlegte kurz und warf einen Blick auf das Passantum. »Ich glaube, sie hat sich etwas dabei gedacht.«

Der Siga-Blue schien nicht beruhigt zu sein. »Und was tun wir jetzt?«

Ich umrundete vorsichtig einige der kleinen Basaltstatuen. »Ich frage mich«, dabei deuteten meine Hände auf die erstarrten Adlaten, »ob wir nicht noch ein paar Informationen, über diese Katastrophe erhalten könnten.«

Ytriel zirpte erregt. »Wozu? Laß uns lieber schnell verschwinden.«

Ich blieb stehen. »Und wohin sollen wir deiner Meinung nach gehen?«

Meine Worte kamen etwas schärfer als beabsichtigt.

Ytriel schwieg. Auch er hatte keine Antwort.

Mir kam ein Gedanke. Ich versuchte, mich auf das Passantum zu konzentrieren.

Da es bereits einmal mental zu mir gesprochen hatte, war es vielleicht möglich, einen Gedankenkontakt aufzubauen.

Ich erschrak, als es auf Anhieb glückte. »Was kann ich für dich tun?«

Ich sah mich unsicher um. »Kannst du mir etwas über die Vorfälle erzählen, die sich hier abgespielt haben?«

»Negativ«, kam die prompte Antwort.

Ich fluchte, dann dachte ich intensiv: »Gibt es noch Leben auf diesem Planeten?«

Wieder hörte ich die leise Stimme in meinem Kopf. »Du kennst die Antwort bereits.«

Ich sah das schwarze Armband entgeistert an, dann begriff ich. Es hatte bereits meine Gedanken durchforscht. Ich glaubte nicht an Überlebende.

Ich nickte langsam. »Gibt es einen intakten Stützpunkt auf Galorn?«

»Nur das Arsenal von CeRhioton. Einer der Eingänge befindet sich nicht weit von hier.«

Ich spürte meinen Puls schneller schlagen. »Und du kannst den Zugang öffnen?«

»Natürlich«, hallte es in meinen Gedanken.

CeRhioton war einer der Boten Thoregons gewesen. Ich wußte nicht viel über den Boten, aber es gab sicherlich Informationen in seinem Stützpunkt, die uns weiterhelfen konnten. Zielstrebig lief ich los, geführt von der Stimme in meinem Kopf.

Ich war einige Minuten über die karge Basaltlandschaft gewandert, als ich plötzlich einen Impuls empfing. »Halt.«

Ytriel hatte bereits zu mir aufgeschlossen und fragte unsicher: »Hier soll es sein? Ich sehe nichts!«

Ich wußte, daß der Siga-Blue hervorragende Augen besaß, aber ich glaubte nicht, daß man den Eingang zum Arsenal CeRhiotons so einfach finden konnte.

»Und was jetzt?« dachte ich so konzentriert, wie es mir möglich war.

»Ich öffne den Zugang«, erwiderte die mentale Stimme.

Vor mir entstand ein drei Meter durchmessender, ovaler Eingang, aus dem diffuses Licht drang.

Yltirel schwebte auf die Öffnung zu und verharrte vor ihr. »Ist das ein Antigrav?«

Ich hob einen kleinen Stein auf und warf ihn hinein. Er fiel nicht, sondern schwebte langsam nach unten.

»Der Antigrav ist intakt. Du kannst ihn betreten«, hörte ich gleichzeitig die mentale Stimme des Passantums.

Ich zögerte kurz und trat dann entschlossen einen Schritt nach vorn. »Na dann …«

Die Dunkelheit hatte mich umfangen. Ich wußte nicht, wie tief der Stützpunkt im Fels lag, doch es mußte sich um einige hundert Meter handeln.

Schweigend schwebten wir beide nach unten.

Als wir plötzlich aus dem Antigravschacht entlassen wurden, breitete sich vor uns ein kleiner Vorraum aus.

»Die Empfangshalle«, sagte ich mit einem Seitenblick zu Ytriel.

Ich gab ihm ein Zeichen und ging langsam in den langen Gang hinein.

Ich erkannte unbekannte Schriftsymbole und Hinweisschilder, konnte sie jedoch nicht lesen.

Als es vor mir unversehens hell wurde, warf ich mich in einer Reflexhandlung auf den Boden.

Noch im Fall hatte ich den Nadelstrahler gezogen.

»Was ist los?« schrie der Siga-Blue in heller Panik.

Mein Herz raste wie von Sinnen.

»Die Anlagen des Raumes haben sich aktiviert«, hörte ich die feine Stimme des Passantums.

Ich stand langsam auf und fluchte erneut. »Es hat sich nur das Licht eingeschaltet?« fragte ich heftig atmend.

»Das ist richtig. Wir befinden uns in der Schaltzentrale der Station.«

Vor uns erstreckte sich ein kreisrunder Raum mit mindestens einhundert Metern Durchmesser. Die Wände waren mit Schaltkonsolen überzogen. Die Kontursitze waren Ergonomisch geformt, jedoch nicht für Terraner bestimmt. Sie waren zu breit und viel zu niedrig für einen Menschen.

»Passantum, was kannst du mir über diese Anlage sagen?«

Die mentale Stimme sagte. »Ich habe den Speicher der Syntronik abgefragt und verfüge nun über detaillierte Informationen über die Geschichte, die sich im System des Galornensterns abgespielt hat. Wenn du möchtest, dann kann ich sie dir abspielen.«

Ich setzte mich in einen der breiten Sessel und lehnte mich zurück. »Kannst du die Daten parallel auswerten um mir einige Fragen zu beantworten, die sich mir nach dem Rückblick stellen könnten?«

»Das könnte ich bereits jetzt«, antwortete die Stimme sanft. »Es ist aber wichtig, daß du dir die Informationen zuvor abhörst.«

Ich schloß die Augen. Ich fühlte meine Erschöpfung und mir wurde bewußt, wie lange ich schon nicht mehr geschlafen hatte.

Wie Traumbilder erreichten die ersten Informationen in mein Bewußtsein.

Im Traum wurde ich Teil des verzweifelten Kampfes, der diesen Planeten erschüttert hatte.

11. Die letzte Schlacht

Admiral Lewis Taan an die Flotte! Kanal für alle Schiffe öffnen!«

Die KEMPEST bestätigte den Befehl und stellte die Verbindung her.

Das Schiff wußte genau, daß der bevorstehende Kampf das Schicksal des gesamten, galornischen Volkes bestimmen würde.

»Fünf Feindschiffe haben ihren Kurs Richtung Galornenstern gesetzt. Laut Informationen, die uns der Sechste Bote überbracht hat, handelt es sich dabei um ehemalige Sporenschiffe, die in der Hand Der HESPIES zur vernichtenden Waffe geworden sind.«

Die KEMPEST unterbrach den Rundruf des Admirals für eine Eilmeldung aus der Pentrischen Wolke.

»Admiral Koim Katha spricht. Die zwei Komponenten des Doppelsterns Doogerosch stehen kurz vor der Explosion. Die HESPIES hat die Sterne zu einer überkritischen Reaktion angeheizt. Ich fürchte, das wird meine letzte Meldung aus der Heimat sein. Weicht nicht und bleibt standhaft. Beschützt das Unberührbare Heiligtum!«

Der Rest der Hyperfunknachricht ging in Störgeräuschen unter.

Lewis Taan verharrte einen Moment in andächtigem Schweigen. Er konnte sich vorstellen, was die letzte Nachricht zu bedeuten hatte. Der Plan Koims, die Lenker der fünf Sporenschiffe mit dem Shifting zu befrieden, war ein totaler Fehlschlag gewesen.

Der sechste Bote hatte deutlich davor gewarnt, die Fremden zu unterschätzen.

Es handelte sich bei den Kommandanten der Schiffe um Geschöpfe der HESPIES, die mit denselben Fähigkeiten ausgestattet waren, wie sie die ehemaligen sieben Mächtigen besessen hatten.

Lewis Taan erhielt die Bestätigung der 48 Schwarzen Galornenschiffe, die noch im System des Galornensterns versammelt waren.

Auch wenn die 48 Schwarzen Schiffe gefürchtete Kampfmaschinen waren, so war nicht darüber hinwegzusehen, daß es sich hier um das letzte Aufgebot Plantagoos handelte.

Die Adlaten hatten sich bereits auf der Basaltebene versammelt. Ein Blick auf den Bildschirm zeigte Taan, daß sie bewegungslos verharrten. Sie waren dabei, Energie für die bevorstehende Schlacht zu sammeln.

Taan wäre jetzt über den Beistand des Sechsten Boten sehr froh gewesen, aber der Terraner war unverzüglich in die Milchstraße zurück gekehrt. Auch er kämpfte um den Fortbestand seines Volkes.

»Es brennt an allen Ecken des Universums«, flüsterte Lewis Taan leise.

Die KEMPEST war hatte ihre Hochrechnung beendet und überspielte die Daten in einer holografischen Darstellung, die direkt vor Taan aufflammte.

»Die Wahrscheinlichkeit, daß wir mit unserer Flotte die Sporenschiffe wirksam bekämpfen können, liegt bei fünf Prozent.«

Taans Augen funkelten stolz. »Das ist mehr als für den Endkampf der Nonggo errechnet wurde!«

Die KEMPEST faßte das als Frage auf und antwortete prompt. »Ja, Kommandant. Die Nonggo waren zum Untergang verurteilt, nachdem die HESPIES einen Weg gefunden hatte, das Neuronische Netz zu beeinflussen. Es war ein kollektiver Selbstmord.«

Taans Hand zitterte leicht, als er die Schaltkonsole seines Schiffes berührte. »Wir müssen unsere Kampfkraft entscheidend aufwerten, bevor die Sporenschiffe aus dem Hyperraum auftauchen. Wie lange noch?«

Die KEMPEST brauchte nicht lange für die Abschätzung. »Zwanzig Minuten, Kommandant.«

»So sei es! Wir werden ihnen einen heißen Empfang bereiten. Bereitet alles vor für das Unternehmen DRACHENFEUER

Die anwesenden Galornen zuckten angstvoll zusammen.

Der erste Offizier berührte Taan an der Schulter. »Kommandant, seid Ihr sicher mit Eurer Einschätzung?«

Taans Augen blickten traurig. »Natvis, wir werden alle sterben! Aber nicht bevor wir mit Hilfe des Geistes unserer Vorfahren alles getan haben, das Heiligtum zu beschützen.«

Natvis senkte den Kopf und zog sich zurück. Es gab keine Diskussionen mehr.

Lewis Taan aktivierte über die KEMPEST den Spezialzünder im Drachenhort von Gaalo. »Es ist vollbracht!«

Der Funkspruch eines weit vorgeschobenen Beobachtungsschiffes traf ein.

Lewis Taans klobige Finger schwebten einen Moment über der Katastrophenschaltung, dann zog er ihn zurück. Es konnte noch nicht die Streitmacht der HESPIES sein, es war noch zu früh!

»Meldung!« rief Taan zu seinen Funkoffizieren hinüber, doch die KEMPEST war schneller.

»Drei Flugkörper nähern sich dem System im Hyperraum.«

Taan fuhr von einer kurzen Hoffnung angetrieben aus seinem Sitz auf. »Nur drei?«

Die KEMPEST korrigierte die Hoffnungen des Admirals sofort. »Energiemuster sind nicht identisch mit den Sporenschiffen.«

Nach fünf weiteren Minuten meldete sich das Außenpostenschiff erneut.

Die aufgeregte Stimme des Kommandanten war auf allen Schiffen der Flotte zu hören. »Es sind drei KREUZMONDE! Verbandsführer ist ein gewisser Kuplik.«

»Direktverbindung!«

Taan hatte den Befehl kaum ausgesprochen, als das Bild des Seelenhirten stand.

»Kuplik! Ihr seid es!«

Der Mönch neigte leicht den Oberkörper. »Wir hörten, Ihr seid in Schwierigkeiten?«

Taan brachte ein heißeres Lachen zustande. »In der Tat, Mönch! Wie kommt es, daß ihr hier seid, so weit von Eurer Heimat entfernt?«

Das Gesicht des Mönchs zeigte plötzlich Trauer. »Nach der Galaxis der Nonggo war Shaogen-Himmelreich an der Reihe. Das Böse zerschlägt systematisch alle positiven Kräfte des Universums. Thoregon existiert faktisch nicht mehr! Wir konnten mit den drei KREUZMONDEN fliehen und hofften auf Hilfe von den Galornen. Ich fürchte aber, dafür ist es bereits zu spät.«

Taan gab ein Zeichen der Trauer von sich. »Wir sind dennoch dankbar für euer Erscheinen. Eure Sonnenfeuergeschütze sind uns willkommen.«

Lewis Taan hatte kaum den Satz beendet, als eine furchtbare Strukturerschütterung das System Galornenstern traf.

Der Admiral sah gerade noch, wie Kuplik herumfuhr, dann wurde die Bildverbindung unterbrochen.

Auf allen Hyperfunkkanälen herrschte ein panikartiges Durcheinander.

Lewis Taan schloß kurz die Augen, dann hieb er entschlossen auf den Katastrophenauslöser.

Die Operation DRACHENFEUER hatte begonnen!

Operation DRACHENFEUER! Die Zünder hatten ganze Arbeit geleistet. Der orange Energiestrahl schoß in den Himmel von Galorn und verlor sich in den Weiten des Universums. Die Galornen hatten zu einer Verzweiflungstat gegriffen und die Aggressionsquanten des Drachenhorts freigesetzt.

Talsemon, der Anführer der Adlaten und Nachfahre des berühmten Foremons, spürte die aufsteigende Wut und Aggression in sich.

Er wies alle Adlaten an, die Wut gegen den Feind zu richten und nicht gegen die Artgenossen auf Galorn. Ein Befehl, den er bereits nach wenigen Minuten haßte, wie alles um sich herum.

Er begann zu Morphen um seine Aggression zu kanalisieren und begrub einen nahestehenden Adlaten unter dem Basalt. Erst als er sah, daß er soeben einen Artgenossen getötet hatte, konnte er seine negativen Emotionen, für einen Moment beherrschen.

Er sah in Sternenhimmel hinauf, wo zahlreiche Lichtpunkte Schiffe markierten, die einen letzten, engen Verteidigungsring um Galorn gezogen hatten.

»Kommt endlich!« rief der Adlate. »Es ist Zeit für den Tod!«

Taans Finger krallten sich um den Pilotensitz. Der Admiral hatte sich innerhalb weniger Minuten gewandelt. Unbeherrscht schrie er seine Kommandobesatzung an. »Nehmt Fahrt auf!«

Die KEMPEST schoß aus ihrer überhöhten Position auf die Koordinaten der Eintauchpunkte zu.

Die Tasterbilder der Sporenschiffe zeichneten sich deutlich ab. »Das sind sie!«

Taans Gesicht war zu einer Fratze verzogen. Die Energiequoten aus dem beschädigten Drachen heizten die Galornen zu nie dagewesenem Haß und Entschlossenheit an.

»Die KREUZMONDE haben Feindberührung! Sie setzen ihre Sonnenfeuergeschütze ein!« Der Ortungsoffizier hatte die Meldung hinausgeschrieen.

»Sehr gut! Materiestauber und Energiegeschütze fertig machen! Wir schlagen mit allem zu, was wir aufbieten können.«

Die KEMPEST beschleunigte mit Höchstwerten.

Taan rief das Schiff an. »KEMPEST! Ist das nach deinem Geschmack?«

Das Schiff antwortete sofort. »Ja, Kommandant! Es ist gut unter Ihrem Kommando in die Schlacht zu ziehen.«

Taan sah sich mit verengten Augen um. Alle Angst war von den Galornen gewichen.

Er erkannte Wut und Entschlossenheit und den Willen zu siegen.

Sein Plan war aufgegangen. Nur mit den freigesetzten Aggressionsquoten hatte die Flotte den Hauch einer Chance.

»Wie hoch ist jetzt die Wahrscheinlichkeit daß wir siegen, KEMPEST

»Im Moment keine Auswertung möglich. Achtung, werden soeben von unbekannten Tasterstrahlen getroffen. Der Feind hat alle Daten über unsere Offensiv- und Defensivbewaffnung ausgelesen. Ich konnte den Lesevorgang nicht unterbinden.«

Taan stieß einen Wutschrei aus. »Was soll es! Ich habe sowieso nicht vor, dem Gegner etwas vorzuenthalten! Laßt sie Energie fressen!«

Die KEMPEST antwortet ruhig. »Kernschußweite noch nicht erreicht!«

Taan schlug außer sich vor Wut auf die Konsole ein. »Dann flieg gefälligst schneller, du elender …«

Ein greller Energieblitz flutete den Frontbildschirm.

»Ein KREUZMOND wurde soeben vernichtet, Außenpostenschiffe greifen in die Schlacht ein, Gegner setzt Flug unbeirrt fort.«

Taan lehnte sich zurück. Eine plötzliche Ruhe ergriff ihn.

Ein zweiter Lichtblitz erhellte den Bildschirm. »Zweiter KREUZMOND vernichtet, dritter flieht in unsere Richtung.«

Taan aktivierte die Anschnallautomatik, er war auf alles gefaßt. »KEMPEST

»Ja, Kommandant?«

»Hast du Angst?«

Das Schiff zögerte eine Sekunde, bevor es antwortete. »Ich verstehe die Frage nicht.«

Taan nickte zufrieden. »Das ist gut so, KEMPEST! Angst lähmt dich!«

Dann hallten Taans Befehle durch die Zentrale. »Angriffsgeschwindigkeit! Anflugvektor 1/5/8, Feuer nach Zielerfassung!«

Taans Befehl erfolgte gleichzeitig mit der Vernichtung des letzten KREUZMONDES.

Der Kommandant rief seiner Besatzung noch zu: »Für Galorn und Plantagoo!« dann versank sein Geist in einer Flut von Wut und Aggression.

Die KEMPEST ging in ihre letzte Schlacht.

Ich war aus dem Kontursitz aufgeschreckt. Der kalte Schweiß stand mir auf der Stirn.

Ich stieß dabei ungewollt mit Ytriel zusammen, der fast um einen Meter zurück geschleudert wurde.

Der Siga-Blue schwebte dicht vor meinem Gesicht, als ich die Reflexbewegung machte. Sein Mini-SERUN regulierte den Flug sofort und brachte ihn wieder in eine stabile Lage. »Was ist los?« rief er aufgeregt. »Hast du etwas erfahren?«

Ich rieb mir den Nacken. Ich hatte noch immer diese Kopfschmerzen. »Die Informationen der Datenspeicher wirkten sehr realistisch«, antwortete ich.

Das Passantum hatte die Übertragung für einen Moment unterbrochen, vielleicht um mich in die Realität zurückzubringen.

»Die HESPIES hatte fünf Sporenschiffe nach Plantagoo entsandt.«

Ich wußte, daß Yltirel damit nichts anfangen konnte, trotzdem berichtete ich weiter. »Diese Schiffe sind nicht mehr das, was sie einmal waren, und auch die Lenker dieser Schiffe haben nichts mit den Sieben Mächtigen zu tun.«

Ich atmete heftig. »Es ist schlimmer als ich es mir vorgestellt hatte. Die Entität scheint überall zu sein! Sie überzieht das Universum mit Tod und Zerstörung.«

Ich hörte plötzlich ein leises Flüstern und erkannte die mentale Stimme des Passantums. »Möchtest du die Daten weiter sichten? Ich habe unterbrochen, weil deine Vitalimpulse bedenklich außer Kontrolle gerieten.«

»Schon gut«, sagte ich leise. »Diese Informationen sind nicht leicht zu verkraften. Es ist furchtbar!«

Ich lehnte mich wieder zurück. »Wie konnte das alles nur geschehen?«

Es erfolgte keine Antwort. Ich spürte statt dessen wieder die bohrenden Kopfschmerzen. Fast schien es mir, als ob eine innere Stimme mich drängte, keine Zeit zu verlieren.

Seit ich aus dem Black Hole gefischt worden war, plagte mich eine seltsame Unruhe. Zuerst kaum merklich, dann zunehmend stärker.

Was war nur mit mir los? Wieso konnte das Passantum behaupten, ich besäße eine Ritteraura?

Ich schloß erneut die Augen und gab dem Passantum den mentalen Befehl fortzufahren. Ich machte mich auf das Schlimmste gefaßt.

Meine letzten Gedanken kreisten um die Aussage des Verkünders von Arkon.

Und es wird der Tag kommen, an dem der Letzte Ritter aus dem schwarzen Schlund emporsteigt und als Vorbote eines Millionenheeres die Galaxis von der Herrschaft der HESPIES befreit. Seine Aura eilt ihm voraus und jeder wird erkennen, daß er zum heiligen Ritterorden gehört …

»Seine Aura eilt ihm voraus …« murmelte ich, dann fiel ich wieder in den Bann der Geschehnisse.

Die KEMPEST wurde von starken Erschütterungen geschüttelt. Die Bewaffnung der Sporenschiffe konnte von dem Galornenschiff nicht analysiert werden. Was die KEMPEST traf, waren offensichtlich Ausläufer fünfdimensionaler Schockwellen, die zur Zerstörung der Kreuzmonde geführt hatten. Die Sporenschiffe besaßen gewaltige Abmessungen und flogen zielstrebig Galorn an.

Lewis Taan hatte sich nicht mehr unter Kontrolle. Die Wirkung der Aggressionsquoten hatte die Galornen vollständig überwältigt und zu kompromißlosen Kämpfern gemacht.

Taan schrie den Angriffsbefehl über den Hyperkom hinaus.

Zehn schwarze Kampfraumer der Galornen stürzten sich auf das an der Spitze fliegende Sporenschiff und setzten rücksichtslos alle Waffen ein.

Eine neue Sonne erschien im System des Galornensterns und ließ kurzzeitig den Zentralstern verblassen. Mit einer so heftigen Gegenwehr, hatte man in den Sporenschiffen nicht gerechnet. Kurze Zeit kam Unordnung in den Verband der Angreifer. Die Galornen an Bord der KEMPEST quittierten es mit Jubelschreien.

Als die Sporenschiffe sich neu formiert hatten, lösten sich fünf Schiffe aus Taans Verband in einer grellen Leuchterscheinung auf.

Taan schrie wie von Sinnen. »KEMPEST, was ist das für eine Waffe?«

»Keine Analyse möglich«, antwortete das Schiff. »Unsere Taster können die übergeordnete Struktur des Implosionsfeldes nicht anmessen. Eine Wahrscheinlichkeitsrechnung gibt zu 75 Prozent an, daß es sich um der 5D-Technologie übergeordnete Felder handelt, die das eingeschlossene Schiff in einen höherdimensionalen Raum reißen.«

Der Galorne zertrümmerte vor Wut eine Glasabdeckung der Konsole. »Setzt die Grube ein!«

KEMPEST antwortete sachlich. »Wir verfügen nur über eine einzige dieser Waffen.«

Taan krallte sich in die Lehnen des Kontursessels. »Wenn wir wenigstens eines der Schiffe aufhalten könnten, wenigstens eines!«

Die KEMPEST antwortete sofort. »Ich verstehe. Die Grube wurde mit einem Trägerkörper abgefeuert und erreicht das erste Sporenschiff in zwanzig Sekunden.«

Taan gab den Schiffen den Befehl, sich kurzzeitig zurückzuziehen, um die Wirkung der Waffe zu beobachten.

Das Sporenschiff nahm von dem sich nähernden Flugkörper keinerlei Notiz.

Der Pilot des Feindschiffes schien sich absolut sicher zu fühlen.

Als die Grube sich automatisch aktivierte, wurde das Sporenschiff aus dem Universum gerissen. Es verharrte in absolutem Stillstand und verschwand aus dem Sichtbereich der Taster.

Taan jubelte. Er empfand Stolz für das Volk, daß einst im Baolin-Deltaraum diese Waffe entwickelt hatte.

Mit neuem Elan stürzten sich die schwarzen Raumer auf die Angreifer und konnten ein weiteres Sporenschiff vernichten.

Taan schöpfte neue Hoffnung.

Die Schlacht tobte unerbittlich hin und her. Lediglich ein Sporenschiff und die KEMPEST waren übrig geblieben.

Der Raumsektor um die beiden Schiffe war ein Meer aus Trümmern.

Überall dort, wo die Waffe der Sporenschiffe nicht exakt im Ziel ihre Wirkung entfaltet hatte, waren die Schiffe der Galornen in einem Trümmerregen explodiert.

Auf Galorn, hatten die Adlaten instinktiv versucht, den Pilzdom mit Basalt einzuhüllen.

Als der Pilzdom halb mit Basalt bedeckt war, erlagen die Adlaten der Aggressionsstrahlung.

Wer die Fähigkeit besaß, begann zu Morphen.

Die Adlaten hatten sich am Ende schließlich gegenseitig getötet, ein sinnloses Opfer. Bereits bevor die ersten Schwarzen Schiffe auf Galorn abstürzten und eine Lenkwaffe der Angreifer die Stadt Gaalo vernichtete, gab es keine Adlaten mehr.

Das Sporenschiff hatte Galorn fast erreicht, als die KEMPEST meldete. »Kommandant, ich messe ultrastarke Ausschläge auf den Energietastern an. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß es an Bord des Sporenschiffes einen Projektor gibt, der ganz Galorn mit dem Implosionsfeld einhüllen kann.

Taan sah starr auf die Projektionsfläche. »KEMPEST

»Ja, Kommandant!«

»Mein geliebtes Schiff, das wird heute unsere letzte Schlacht werden. Dir ist klar, daß wir das unberührbare Heiligtum nicht schutzlos ausliefern dürfen?«

»Ja, Kommandant.«

Taans Stimme zitterte keine Sekunde, als er sprach. »KEMPEST, Kurzsprung auf Nulldistanz zum Sporenschiff. Bei Wiedereintritt erfolgt die Freigabe aller Energien der Waffensysteme! Wir rammen das Schiff!«

»Werden wir in die Geschichte eingehen, Kommandant Taan?«

Der Galorne lächelte. »Wenn sie noch jemand weiter schreibt, dann ja. Ausführung!«

Die kurz darauf erfolgte Explosion war so gewaltig, daß sie die Nachtseite von Galorn einige Sekunden taghell erleuchtet wurde.

Dann gab es kein Schiff mehr im Orbit von Galorn.

Taan hatte es geschafft. Das Unberührbare Heiligtum war nicht in die Hände der HESPIES gefallen, doch er hatte einen hohen Preis dafür gezahlt.

Ich schüttelte mich wie in unter Krämpfen. Die Darstellung war so realistisch gewesen, daß ich den Schmerz und die Verzweiflung körperlich mitfühlte, die den galornischen Admiral zu seiner Verzweiflungstat getrieben hatte.

Nur durch das öffnen des Drachenhorts waren die Galornen in der Lage gewesen, den Schergen der HESPIES so erfolgreich Widerstand zu leisten.

Warum die HESPIES nicht noch einmal später nach Galorn zurückgekehrt war, um ihr begonnenes Vernichtungswerk zu vollenden, blieb ein Geheimnis.

Vielleicht hatte sie anderen Orts bereits Erfolge erzielt, die es nicht mehr nötig machten, Galorn zu zerstören.

Vielleicht war sie bereits in den Endkampf mit Rhodan in der Milchstraße verwickelt.

Das Universum war so groß, daß selbst die HESPIES nicht überall gleichzeitig sein konnte.

Aber noch etwas kam mir zu Bewußtsein. Die HESPIES hatte ihr Vorgehen geändert!

Hatte sie zu Beginn noch gnadenlos zugeschlagen, so war ihr Handeln heute von einem anderen Vorgehensmuster geprägt.

Sie quälte die Bewohner der Milchstraße, vernichtete aber die bedauernswerten Völker nicht völlig. Auf das spurlose Verschwinden der Planetenbevölkerung nach einer Tortur der Qual, konnte ich mir aber noch immer keinen Reim machen.

Langsam wuchs in mir der Verdacht, daß die Qual der Intelligenzwesen nur ein Symptom eines ganz anderen, mir unverständlichen Vorganges war.

Ich beschloß alles daran zu setzen, die Zusammenhänge zu verstehen und gegen diese Monster vorzugehen.

Ich sah auf das Passantum, das ich noch immer um mein Handgelenk trug. »Kannst du mich auf die Brücke führen?«

Das Passantum machte sich wieder mit seiner mentalen Stimme bemerkbar. »Das ist meine eigentliche Funktion.«

Einem inneren Impuls folgend fragte ich: »Wer war dein früherer Träger?«

Das Passantum brauchte diesmal ein paar Sekunden, um zu antworten. »Der Sechste Bote.«

Ich spürte, wie sich die Gänsehaut über meinem Rücken ausbreitete. »Der Sechste Bote war Perry Rhodan!«

Ich hatte die Antwort selbst gegeben. Irgend etwas in mir sagte, daß es so war. »Das ist richtig«, antwortete das Passantum.

»Warum hast du mich dann als deinen Träger akzeptiert?« fragte ich, dann hielt ich den Atem an.

»Weil du seine Ritteraura trägst!« antwortete das Passantum.

Diese Information traf mich wie ein Schlag.

Der Pilzdom hatte nichts von seinem imposanten Eindruck eingebüßt. Das Passantum strahlte beruhigende Impulse aus, es spürte meine Erregung.

Wir waren aus dem Arsenal zur Basaltebene zurückgekehrt. Moira war nicht wieder aufgetaucht. Entweder war sie weitergezogen, immer auf der Suche nach einer Trophäe, oder sie war noch irgendwo da draußen und beobachtete uns.

Ich wußte nicht, was die Ayindi vorantrieb, aber ich kannte die Berichte von der Expedition zur Großen Leere. Die Ayindi war immer schwer zu durchschauen gewesen. Ich stufte sie außerdem als Einzelgängerin ein. Vielleicht sah sie in meiner Beförderung nach Galorn, eine Art Bezahlung für den Kopf des Kommissars. Aber wer konnte so ein fremdartiges Wesen schon durchschauen.

Ich nahm mir vor, nicht mit ihr zu rechnen und selbst die Dinge in die Hand zu nehmen.

12. Der Brückenwächter

Nach reiflicher Überlegung hatten wir uns entschlossen, den Pilzdom zu betreten. Weniger wegen unseres Entdeckergeistes, sondern weil wir keine andere Wahl hatten. Auf Trokan gab es zumindest einen weiteren Pilzdom. Aber ich machte mir auch kein großen Illusionen. Nach den Informationen des Verkünders war das Sonnensystem verschwunden. Reginald Bull hatte dem zwar widersprochen, doch war sein Wissen aktuell?

All meine Hoffnungen beruhten darauf, daß die Informationen des Verkünders nur teilweise auf Fakten beruhten und meine Heimat noch irgendwo da draußen zu finden war.

Auf die Warnung des Passantums, hatte ich Ytriel fest mit meinem SERUN verbunden. Da der kleine Gataser keine Berechtigung hatte die Brücke zu betreten, bestand für ihn die Gefahr verloren zu gehen und vom Universum aufgesaugt zu werden. Was immer das heißen mochte, ich wollte dem von vorn herein vorbeugen. Daß Ytriel auf Galorn zurückblieb, war für mich indiskutabel.

Der Pilzdom war halb mit Basalt überzogen, was jedoch für den Zugang kein Problem bedeutete.

Ich dachte traurig an das Schicksal der versteinerten Adlaten. Seit dem Rückblick im Arsenal des zweiten Boten, wußte ich welche Tragödie sich hier abgespielt hatte.

Ich streckte die Hand aus und berührte das Nebelfeld des Pilzdomes und nahm einen tastenden, dann ziehenden Impuls war.

Was wird uns auf der Brücke erwarten, dachte ich intensiv.

Obwohl ich keine Antwort erwartet hatte, hörte ich die leisen Impulse des Passantums. »Ich registriere Beschädigungen der Brücke. Sie ist jedoch noch begehbar.«

Ich lauschte in mich hinein. Ich hatte mich bereits an die seltsame Kommunikation mit dem Armgerät gewöhnt.

Daß ich meine Gedanken oftmals noch immer laut aussprach, mußte auf Yltirel schizophren wirken. Trotzdem verkniff sich der Siga-Blue jegliche Bemerkungen, was vielleicht auf seine eigene Hilflosigkeit zurückzuführen war.

Er wußte, daß er ohne mich keine Chance hatte, jemals wieder zur Milchstraße zurückzukehren.

Ich trat einen entschlossenen Schritt vor, tauchte augenblicklich in das Nebelfeld ein und verlor kurz die Orientierung.

Das Passantum bemerkte meine aufsteigende Panik. »Es ist gleich vorbei, noch einen Schritt.«

Die Sicht wurde plötzlich wieder klar und ich sah einen Bohlensteg vor mir. Nein! Ich mußte mich sofort wieder korrigieren, denn es waren nur die Reste einer wohl ehemals weit gespannten Brücke.

Noch in meinem Sichtbereich brach sie ab und endete im Nichts. An den Rändern der Bruchkante, waren irisierende Lichtreflexe sichtbar. Ich schätzte, daß ich noch Hundert Meter laufen konnte, bis ich das Ende der Brücke erreichte. Doch mein Instinkt riet mir, der defekten Stelle nicht zu nahe zu kommen.

»Du hast recht«, ließ das Passantum vernehmen. »Der höherdimensionale Charakter der Brücke ist dort schwer gestört. Wir sollten einen Sicherheitsabstand einhalten.«

Ich sah mich um und erschrak. »Der Eingang! Er ist verschwunden!«

»Das ist ein normaler Effekt. Vergiß nicht, daß wir nicht auf einer gewöhnlichen Brücke stehen, sondern daß der Steg nur der vierdimensionale Abdruck eines höchst komplexen Beförderungssystems ist.«

Ich nahm es hin und sah mich um.

Um die Brücke schien das Universum ständig neu zu entstehen und wieder zu vergehen. Alles spielte sich wie in Zeitraffer ab. Ich sah Galaxien wachsen und verglühen.

Ich war erschüttert. Mit diesem Eindruck hatte ich nicht gerechnet.

»Konzentriere dich auf unsere Aufgabe und messe dem was du siehst, keine Bedeutung bei.«

Ich fühlte mich bevormundet und unsanft aus meinen Gedanken gerissen. »Von welcher Aufgabe sprichst du? Könntest du nicht etwas spezifischer werden?«

»Erforsche deine Gedanken!« kam die Antwort.

Ich erschrak. Ich wußte plötzlich Dinge über die Brücke, die ich nie und nimmer wissen konnte.

So war mir auf einmal klar, daß ich das Passantum dazu benutzen konnte, die Position des Steges zu verändern.

»Woher weiß ich …?« flüsterte ich leise.

Das Passantum schwieg.

Hatte das Betreten der Brücke irgendeinen Impuls in mir ausgelöst?

Das Pochen in meinem Kopf wurde stärker. Ich versuchte mich von den Kopfschmerzen abzulenken und ging einige Schritte auf die Brücke hinaus.

Ich fühlte mich bereits sicherer und hatte jede Angst verloren.

Irgendwie wußte ich, daß mir nichts geschehen konnte. »Passantum! Kannst du die Brücke neu justieren?«

»Die Steuerung ist defekt. Ich kann die Bezugspunkte ändern, jedoch nicht kontrollieren. Der Weg nach vorn bleibt versperrt. Wenn du aber nach der neuen Justierung zurück gehst, dann könnten wir vielleicht einen neuen Ausgang erreichen.«

»Gibt es Risiken?« fragte ich besorgt.

»Ich weiß nicht«, antwortete das Passantum. »Die Brücke könnte vielleicht aus der Verankerung gerissen werden, so daß wir abstürzen.«

Ich war entschlossen es trotzdem zu wagen. »Justiere den Steg!«

Ich wußte nicht genau, mit welchem Effekt ich zu rechnen hatte, aber außer einem kurzen Schwindelgefühl, spürte ich nichts. »Das war alles?«

Das Passantum flüsterte in meinen Gedanken: »Ich habe die Brücke gedreht. Sie bleibt stabil.«

Ich sah mißtrauisch zu der Bruchkante hinüber. Hatten sich die Leuchterscheinungen verstärkt?

Langsam wandte mich um und ging mit vorsichtigen Schritten den Steg entlang.

Ytriel jammerte, seit wir die Brücke betreten hatten. Er drängte, die Brücke wieder zu verlassen, doch ich ignorierte den Siga-Blue.

Nach einigen Schritten stand ich wieder vor dem Nebelfeld. »Passantum, kannst du mir den Raum jenseits des Nebelfeldes zeigen?«

Als sich die Nebelfelder lichteten, sah ich eine blühende Landschaft. Bäume, Wiesen und strahlender Sonnenschein!

»Ein Garten Eden«, flüsterte ich ergriffen, dann wurde ich aber unsicher. »Was ist das für ein Planet?«

»Ich weiß nicht«, antwortete das Passantum wahrheitsgetreu.

Ich gab mir einen Ruck. »Wir sehen uns die Sache einmal an.«

Ich trat einen Schritt in das Nebelfeld hinein und spürte einen immer stärker werdenden Sog, der mich auf die andere Seite ziehen wollte.

Als ich dem Gefühl bereitwillig nachgab und aus dem Pilzdom treten wollte, hörte ich die mentalen Alarmschreie des Passantums. »Nein! Gehe nicht weiter! Halt!«

Ich erschrak und sprang zurück. Sofort formierte sich wieder das vertraute Bild der Brücke um mich herum.

Ich lauschte angespannt. »Was ist los?«

Das Passantum antwortete nicht sofort. »Warte einen Augenblick!«

Ich sah die Projektion von jenseits des Nebelfeldes plötzlich verzerrt. Das Bild begann zu flackern und wurde instabil, dann mußte ich geblendet die Augen schließen. »Was um Himmels willen …«

Das Passantum antwortete ruhig. »Die Landschaft war ein Trugbild. Ich konnte die Projektion nicht sofort durchschauen. In Wirklichkeit liegt dieser Ausgang im Kern einer heißen Sonne. Beinahe wären wir alle verbrannt.«

»Was …?« Ich wurde bleich, meine Knie zitterten. »Eine Falle?«

»Die Projektion sollte offensichtlich dazu verleiten, die Brücke zu verlassen. Wer immer diese Falle aufgestellt hat, wollte uns töten!«

Ich lief einige Schritte zurück. Beklemmung machte sich breit. »Kannst du wieder Galorn als Ausgang einstellen? Vielleicht ist Moira doch noch da und wir können die Milchstraße auf anderem Weg erreichen …«

Das Passantum antwortete ruhig. »Ich sagte bereits, daß ich den Steuermechanismus nicht mehr kontrollieren kann. Es ist wie …«

»… Roulette spielen«, vervollständigte ich den Satz und dachte nach.

»Wir machen einen neuen Versuch«, entschied ich. »Wir haben keine andere Wahl.«

Wieder spürte ich das leichte Schwindelgefühl, dann bestätigte das Passantum, daß die Brücke neu justiert war.

Als ich mich wieder umwandte, bekam ich eine weitere Meldung, die mich aufs höchste alarmierte. »Ich habe eine verschlüsselte Impulsgruppe empfangen, nachdem ich die Brücke erneut gedreht hatte.«

Ich blieb stehen. »Du meinst, wir haben einen stillen Alarm ausgelöst?«

»Irgend jemand hat die Brücke mit einem Meldesystem ausgestattet. Nach der ersten Justierung habe ich das Signal möglicherweise übersehen. Diesmal war es deutlich vernehmbar.«

Ein unangenehmes Gefühl beschlich mich. »Wir haben möglicherweise nicht so viele Versuche, wie wir zuerst dachten.«

»Die Brücke ist zwar beschädigt aber noch begehbar. So wird es auch vorerst bleiben.«

»Das habe ich nicht gemeint«, dachte ich intensiv. »Man weiß jetzt, daß wir auf der Brücke sind. Wir sollten sie so schnell wie möglich verlassen.«

Nach einigen Sekunden meldete sich das Passantum erneut. »Ich habe die Brücke neu justiert, kann aber an unserem Ende keinen Ausgang ausmachen. Es scheint mir, als ob sie zwischen zwei Stationen stecken geblieben ist.«

Ich wurde nervös. »Dann versuche es erneut! Los!«

Die grellen Leuchterscheinungen an der Abrißkante der Brücke waren mir unheimlich. Als das Leuchten hektischer wurde und von unregelmäßigem Flackern unterbrochen wurde, bekam ich erstmals Todesangst. »Passantum, was geht da vor sich?«

Erneut machte sich das Passantum bemerkbar. »Jemand versucht, das lose Ende der Brücke festzumachen.«

Mein Mund wurde trocken. »Was?«

Das Passantum schien zu flüstern. »Die Brücke ist keine wirkliche Brücke. Jemand versucht das eine Ende zu verbiegen, um etwas auf die Brücke zu befördern.«

»Und die andere Seite? Ist da jetzt ein Ausgang?« rief ich laut.

Ich schrie die Frage panisch hinaus, doch das letzte Wort blieb mir im Hals stecken. Aus dem leuchtenden Energiewirbel schälte sich eine Kreatur. Zuerst als dunkler Schatten, dann immer deutlicher.

Es war, als ob man gegen einen starken Scheinwerfer blickte und ich konnte nur ahnen, was da auf mich zukam. »Das ist ein … Haluter?«

Ich zögerte einen Moment. Auch die Gestalt am anderen Ende schien einen Moment still zu stehen, dann fixierten mich drei rote, glühende Augen.

Die Stimme des Passantums klang alarmierend. »Das ist ein Brückenwächter der HESPIES! Schnell, du mußt fliehen!«

Noch während ich die panischen Impulse empfing, wendete ich mich dem vermeintlich sicheren Ausgang zu. Schon im Laufen nahm ich war, daß der Verfolger kein richtiger Haluter war, denn seine Haut schimmerte grün. »Eine Bestie!«

Ytriel schaltete sich erstmals wieder in meinen Funk ein. »Das Tier geht auf seine unteren Arme nieder.«

Ich lief so schnell ich konnte und sah mich nicht mehr um.

»Das ist kein Tier!« schrie ich.

Der Ausgang am anderen Ende war so nah und doch schien er mir endlos weit entfernt.

Ich hörte ein Brüllen hinter mir, das mir durch Mark und Bein fuhr. Der Uleb wollte mich töten!

Ich rannte um mein Leben. Meine einzige Hoffnung war das Nebelfeld.

Ytriel, der an meiner Seite hing, schrie in schrillsten Tönen. »Das Monster kommt näher.«

Das Nebelfeld schien nur noch einige Meter entfernt zu sein, dennoch benötigte ich weitere, wertvolle Sekunden, um es zu erreichen.

Ich glaubte den warmen Atem des Ungetüms im Nacken zu spüren, doch das mußte meine Angst sein.

Als ich kurz zurückblickte, wollten meine Beine vor Schreck den Dienst versagen. Die Bestie war nur noch zehn Meter hinter mir, eine Entfernung, die für einen Uleb kein Problem darstellte.

»Wie kann es das geben!« schrie ich im Gedanken. »Es gibt keine Ulebs mehr!«

Als ich nur noch einen Schritt vom Nebelfeld entfernt war, erhielt ich einen fürchterlichen Stoß in den Rücken.

Der Schmerz belehrte mich eines besseren, die Kreatur war reell.

Ich wurde vorwärts durch das Nebelfeld geschleudert und schlug hart auf einem betonierten Bodenbelag auf.

Ich konnte mich kaum bewegen. Mir schmerzten alle Glieder. Die Bestie hatte mich mit dem Schlag bestenfalls gestreift, sonst wäre ich nicht mehr am Leben.

Langsam drehte ich mich auf den Rücken und versuchte den Kopf zu heben, erfolglos.

Ich betete, daß der Haluterähnliche die Brücke nicht verlassen konnte. Als ich kurz darauf dennoch sein Brüllen hörte, schloß ich endgültig mit mein Leben ab.

Langsam, wie in Zeitlupe, schob sich der Körper des Ungetüms durch das Nebelfeld des Pilzdomes. Zuerst sah ich vier kräftige Arme, die nach vorn gestreckt, durch das Nebelfeld drangen. Dann folgte der Kugelkopf mit dem Riesenrachen.

Es ist wirklich in Uleb, dachte ich ganz ruhig. Die HESPIES hat sich einen Uleb erschaffen!

Ich wollte lachen, schreien oder weinen. Meine Situation erschien mir plötzlich wie das Gedankengebäude eines Wahnsinnigen.

»Komm und hol mich!« schrie ich der Bestie entgegen.

Seltsamerweise hatte mich jegliche Angst verlassen. So ist es also, wenn man dem Tod ins Auge sieht, dachte ich. Man wird ganz ruhig.

Der Uleb baute sich vor mir auf und holte mit der Faust eines seiner Handlungsarme aus.

Er will mich zerschmettern, dachte ich nur und schrie in letzter Verzweiflung der Bestie entgegen. »Na, mach schon! Worauf wartest du noch? Meine Vorfahren haben dein Volk schon damals in den sechsten Kreis der Hölle geschickt! Was willst du also von mir?«

Erst jetzt wurde mir bewußt, daß mich der Uleb nicht hören konnte. Ich hatte noch immer meinen Helm auf.

Ich zwinkerte, als plötzlich ein Schatten über mich fiel. Eine Gestalt, die noch um ein vielfaches größer war als der Uleb, huschte an mir vorbei und stieß ein nicht weniger furchterregendes Brüllen aus, als der Uleb selbst.

Die weiße Kreatur erschien wie ein Nebelschleier und manifestierte sich direkt zwischen dem Uleb und mir.

Die Bestie riß ihren Rachen weit auf und stürmte auf den weißen Riesen zu, doch der hatte keine Mühe, den Uleb wie einen Ball zurück zu schleudern.

Ich hörte das wütende Brüllen des Brückenwächters, als er erneut gegen den Riesen anrannte. Diesmal traf den Uleb mit ein gewaltiger Schlag. Es knackte furchtbar, dann stürzte der grüne Hüne zu Boden und schloß die drei Augen.

Yltirel zwitscherte. »Das Monster ist tot!«

Die weiße Gestalt nahm den Uleb auf und schleuderte ihn zurück durch das Nebelfeld des Pilzdomes. Danach löste sich die Gestalt ins Nichts auf.

Ich streckte die Hand nach vorn. »Halt … warte! Geh nicht fort.«

Meine Sinne versagten plötzlich und Dunkelheit legte sich über meine Augen. Ich konnte nur noch flüstern. »Nicht jetzt …« dann wurde ich ohnmächtig.

Ich wußte nicht wie lange ich ohnmächtig gewesen bin. Als ich mich versuchte aufzurichten, erfaste mich ein Hustenanfall. Ich rollte meinen schmerzenden Körper auf die Seite.

Über mir war dunkler Himmel. Es war Nacht und doch war kein Stern zu sehen!

Ich mußte einige Stunden vor dem Pilzdom gelegen haben. Kein Licht war zu sehen. Um mich herum absolute Dunkelheit.

Nachdem ich mich vergewissert hatte, daß die Atmosphäre dieses Planeten atembar und warm war, faltete ich den Helm des SERUNs zurück.

Ich sog den Sauerstoff tief in meine Lungen ein und begann gleich darauf heftig zu atmen. Etwas weniger Sauerstoff, als du es gewöhnt bist, schoß es mir durch den Kopf. Aber es reicht.

Ich setze mich auf und tastete meinen Körper nach Knochenbrüchen ab.

Bis auf meine Kopfschmerzen schien jedoch alles in Ordnung zu sein. Ich brauchte nur etwas Ruhe.

»Da haben wir noch einmal Glück gehabt, was, Yltirel?« sagte ich laut ins Dunkel hinein.

Ich lauschte, doch es kam keine Antwort.

»Yltirel?« Ich hielt den Atem an.

Meine Finger tasteten behutsam über die Seite meiner Hüfte, an der Ytriel die ganze Zeit über fixiert war. Doch der Siga-Blue war verschwunden.

»Yltirel!« rief ich erneut. »Wo bist du?«

Ich erhielt keine Antwort.

Ich richtete mich auf und drehte mich langsam um meine Achse. Dann kniff ich die Augen zusammen. Am Horizont war die Silhouette einer Stadt zu erkennen.

Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen, dann wurden meine Schritte fester. In regelmäßigen Abständen rief ich nach dem Siga-Blue, erhielt aber keine Antwort. »Kleiner, wo bist du nur?«

Mir kam eine andere Idee. »Passantum!«

Ich lauschte in mich hinein. »Passantum?« Keine Antwort.

Erst jetzt realisierte ich, daß sich mein Arm seltsam leicht anfühlte. Ich hatte das Armband verloren!

In mir stieg Panik auf. Wo war ich und wie konnte ich ohne Passantum jemals wieder diesen Ort verlassen? Gar nicht, gab ich mir selbst die Antwort.

Ich hörte ein leises Rascheln aus der Richtung vor mir. Sollte ich weiter gehen?

Was hast du noch zu verlieren, dachte ich niedergeschlagen.

Ich ließ die Hände locker an meiner Hüfte baumeln und ging langsam in die Dunkelheit hinaus. Das Pochen meiner Schläfe wurde wieder stärker. Ich hielt mir die Hände an den Kopf und stöhnte leise. »Was ist das nur? Was ist nur in meinem Kopf?«

Meine Gedanken überschlugen sich, als ein plötzlicher, mentaler Informationsstrom einsetzte und alle meine Fragen beantwortete.

Ich wurde überwältigt von Gefühlen und Hoffnungen und vor allen Dingen, von neuem Wissen.

Ich wußte plötzlich was ich zu tun hatte und wo ich mich befand. Ich war auch nicht im mindesten überrascht, als vor mir Plasmafackeln entzündet wurden, deren Licht die Dunkelheit zerriß.

Das Licht der Fackeln warf den Schatten von einigen hundert, in dunkle Gewänder gehüllte Gestalten auf den Boden.

Ich lächelte, denn ich wußte, daß ich bei Freunden war.

Langsam ging ich auf die vorderste Gestalt zu und hob grüßend die Hand. »Hallo!« sagte ich leise. »Danke für die Rettung vor dem Ungetüm.«

13. Der Seher

Der Herreach musterte mich, ohne mich direkt anzusehen. Er war blind, doch seine großen, schwarzen Augen, schienen dennoch alles zu wissen und alles zu sehen.

Er war ein Medium und geachteter Mann. Seine Artgenossen verehrten ihn und hatten mich zu ihm gebracht.

Da saßen wir nun und sagten kein Wort. Zeit für mich kurz über meine Lage nachzudenken.

Ich war also auf Trokan gelandet. Bei all dem Pech und Unglück, das mir auf dieser Odyssee widerfahren war, hatte ich einen Augenblick Glück gehabt.

Ich war der Erde so nah wie niemals zuvor. Gleichzeitig spürte ich die tödliche Gefahr der HESPIES fast körperlich.

Der Seher, wie ihn die anderen Herreach nannten, war in tiefe Meditation versunken. Lotete er meine Gedanken aus?

Ich fühlte mich unsicher und wußte nicht, was ich tun sollte.

Langsam sank ich auf die Matte nieder, die mir heute als Nachtlager gegeben worden war. Ich hatte nach all dem nur einen Wunsch, ich wollte schlafen. Lange, tief und ohne Alpträume.

Ich war mitten in der Nacht aufgeschreckt und nach draußen gegangen. Ein unbestimmtes Gefühl zog mich ins Freie. Ich wollte die Sterne sehen!

Doch als ich zum wolkenlosen Himmel empor sah, war da nur tiefe Schwärze. Kein Stern war am Nachthimmel zu sehen und kein anderer Planet.

Vielleicht hatte mich die Hoffnung geweckt, die Erde zu sehen. Und wenn es nur als funkelnder Stern gewesen wäre, doch mein Wunsch wurde nicht erfüllt.

Etwas dunkles, bedrohliches, hatte das Sonnensystem eingehüllt. Das ferne Licht der Sterne konnte diesen Dunkelschirm nicht durchdringen.

Ich erinnerte mich daran, daß für Außenstehende das Sonnensystem als verschollen galt. Es war nicht mehr sichtbar, einfach aus dem Universum verschwunden.

Ich fühlte mich unbehaglich und fröstelte. Langsam ging ich in die Hütte zurück um mich wieder schlafen zu legen. Der Seher saß noch immer im Schneidersitz auf seiner Matte und wandte kurz den Kopf in meine Richtung. »Morgen werden wir die Antworten auf deine Fragen finden. Jetzt mußt du schlafen und Kraft schöpfen.«

Ich legte mich ohne Widerspruch nieder und schlief erneut ein.

Am nächsten Morgen waren wir nach einem kurzen Frühstück zum Pilzdom zurückgegangen. Der Seher, der sich mir mit Namen Gourn vorgestellt hatte, begleitete mich.

Noch immer hatte ich keine Spur von Ytriel gefunden. Der Siga-Blue blieb spurlos verschwunden.

Als wir langsam durch das steppenartige Gras schritten, überfiel mich erneut eine Welle stärkster Kopfschmerzen.

Gourn reagierte sofort und stützte mich. Er schien meine Schmerzen zu fühlen.

Dann sagte er mit tiefer Stimme: »Du bist der Retter, auf den wir schon so lange gewartet haben.«

Nach dem langen Schweigen, traf mich diese Aussage wie ein elektrischer Schlag. Gleichzeitig steigerten sich wieder meine Kopfschmerzen.

»Das ist unmöglich!« Ich faste mir an die Schläfen. »Das ist Irrsinn!«

Der Herreach sah mich mit seinen schwarzen Augen an. »Du weißt genau, daß es so ist«, beharrte er.

Ich schüttelte energisch den Kopf. »Ich bin nur zufällig in diese Zeit verschlagen worden! Ich dürfte gar nicht hier sein!« erwiderte ich trotzig.

Gourn legte mir die Hand auf die Schulter, eine menschliche Geste, die mich zutiefst berührte. »Es gibt keine Zufälle im Universum. Alles ist vorherbestimmt. Dinge geschehen, weil sie geschehen müssen.«

»Mein Name ist John McGiver …« setzte ich an, doch der Herreach schnitt mir das Wort ab. »Du weißt selbst nicht wer du bist!«

Ich sah auf. »Und wer bin ich?«

Es schien mir, als ob mich die toten Augen des Herreach sezierten. Nach einigen Sekunden ließ Gourn resigniert die Schultern sinken. »Ich kann dein Bewußtsein nicht erreichen. Ein Teil deines Gehirns bleibt mir verschlossen.«

Ich nickte. »Mir geht es ebenso. Ein Teil meiner Vergangenheit liegt auch für mich im Dunkeln. Ich habe ständig das Gefühl, daß ein entscheidendes Mosaiksteinchen zum Schlüssel meiner Erinnerung fehlt. Ich brauche Antworten!«

Gourn nickte leicht. »Du mußt zu dem Ort, den du suchst.«

»Terra«, antwortete ich schnell. »Ich muß unbedingt nach Terra!«

Gourn sah an mir vorbei. »Ich weiß nicht was Terra ist. Ist es ein Ort wie dieser?«

Ich lächelte. »In meiner Erinnerung ist Terra der schönste Planet des Universums.«

»Planet?« fragte Gourn verständnislos.

Ich begann zu begreifen, daß Gourn jedes Verständnis über den Aufbau des Universums fehlte. Ich konnte es ihm keinesfalls übel nehmen.

Wie viele Jahrhunderte vegetierten die Herreach schon unter diesem Dunkelschirm? Ich verwarf die Frage. Das brachte mich nicht weiter.

Statt dessen fragte ich. »Was kannst du mir über das Böse sagen?«

Der Herreach schien von einem Schüttelfrost erfaßt zu werden. »Es ist da draußen.«

Ich folgte seiner Hand, die gen Himmel deutete. »Es leidet und hat Angst.«

»Es hat Angst?« fragte ich ungläubig. »Nach allem was ich bisher erlebt hatte, waren es die anderen Wesen, die sich vor der Bestie fürchten mußten.«

Gourn hob eine Hand und strich sich damit über die blinden Augen. »Es ist wie immer wenn das Leben erwacht ist. Es hat Angst vor dem Tod.«

Ich kniff die Augen zusammen. »Du meinst die Bestie hat Existenzangst? Kann man sie töten?«

Gourn wankte angstvoll zwei Schritte zurück. »Dann müßtest du ihr ins Angesicht sehen!«

Ich setzte nach. »Hat sie denn eines?«

Als Gourn meine Frage ignorierte, versuchte ich es anders. »War sie schon auf Trokan?«

Gourn ging in die Knie und begann fürchterlich zu zittern. Es dauerte einen Moment, bis ich bemerkte, daß sein Zustand nichts mit meinen Fragen zu tun hatte. »Was ist mit dir?«

Gourn brachte nur ein Wimmern zustande. Ich begann, mir Sorgen zu machen.

Der Herreach brach vollends zusammen und begann, unkontrolliert zu zucken.

Das Ganze wirkte wie ein epileptischer Anfall auf mich.

Ich versuchte ihn festzuhalten, um zu verhindern, daß er sich auf dem steinigen Boden verletzte.

Dann plötzlich, ohne Übergang, hörte es wieder auf.

Gourn atmete schwer.

»Was war …« Ich brach ab, als ich in sein entsetztes Gesicht sah. Es war von Angst gezeichnet. »Es hat mich berührt!«

Ich sah mich hektisch um. »Unsinn, Gourn, das Böse ist nicht hier. Du hattest einen Anfall.«

Gourns Hand krallte sich in meinen Arm. »Sie hat mich mit ihrem Atem gestreift!«

Ich wußte nicht, was ich davon halten sollte. »Der Tag ist nahe, wo wieder viele Herreach spurlos verschwinden. Sie wird uns erst quälen und dann viele von uns zu sich holen!«

Ich war entsetzt. Hatte Gourn mit seinen mentalen Fähigkeiten einen irgendwie gearteten Impuls der HESPIES aufgefangen? »Du hast es gefühlt?«

Gourn hob die Arme. »Ich bin verflucht. Als einziger meines Volkes spüre ich das wahre Böse und niemand kann meinen Schmerz verstehen!«

Ich half dem Herreach auf. »Doch, ich kann!«

»Wirklich?« Gourn sah mich direkt an. War er wirklich blind?

»Du kannst mit deinem begabten Gehirn die Mentalimpulse der HESPIES espern und scheinst an ihrem Gefühlsleben teilzunehmen.«

»Es ist grausam!«

»Aber es hat Gefühle! Es lebt, also kann man es töten! Gourn, erzähl mir von dem, was du empfängst.«

Der Herreach setzte zum Sprechen an, stockte dann plötzlich und sah mich befremdet an. Langsam, fast wie in Zeitlupe, kippte er nach vorn, direkt in meine Arme.

Ich fing ihn auf und schüttelte ihn. Erst danach bemerkte ich die etwa fünf Millimeter große Einschußwunde an seinem Hinterkopf. Der Herreach war auf der Stelle tot gewesen.

14. Der Verräter

Im Reflex griff ich zur Waffe. Gourn fiel vor mir auf den Boden und rührte sich nicht mehr. Dafür nahm ich ein anderes Geräusch war, das leise Surren von Ytriels Antigrav!

Ich drehte mich um meine Achse und suchte die Umgebung ab.

Mein Individualschirm war längst aktiviert und konnte von der kleinen Handfeuerwaffe des Siga-Blues nicht durchdrungen werden. »Wo bist du?« rief ich laut. »Wo versteckst du dich?«

Die Antwort kam überlaut aus meinem Empfänger. »Warum hast du deinen Schutzschirm aktiviert, Terraner?«

Ich überging die Frage und antwortete mit einer Gegenfrage. »Warum hast du den Herreach getötet?«

»Na, was glaubst du? Er war ein Geschöpf der HESPIES, darum!«

Ich konnte Ytriel nicht ausmachen. Die Vegetation der Umgebung bot genug Deckung für den kleinen Gataser. »Wo bist du die ganze Zeit gewesen?« fragte ich lauernd.

»Ich habe mich verirrt«, folgte die knappe Antwort.

Ich kniete kurz neben Gourn hin und gab meinem Pikosyn den Befehl, den Herreach zu untersuchen. »Gehirntod durch Gewalteinwirkung«, lautete die Diagnose.

Die Wut trieb mir die Tränen in die Augen. »Wir hätten viel von ihm erfahren können!« schrie ich in das Akustikfeld meines Helmes. »Komm heraus und zeige dich!«

»Schalte erst deinen Schirm aus, Terraner!« schalte es zurück.

Ich überlegte einen Moment. Was war nur in den Widder-Führer gefahren? Hatte Yltirel über all die Dinge, die wir gemeinsam durchgemacht hatten, den Verstand verloren?

»Bist du mein Gegner oder mein Freund?« schrie ich.

Atemlos lauschte ich auf Antwort.

»Wenn es sein muß, dann töte ich dich, Terraner! Schalte sofort deinen Schirm aus!«

Ich überlegte fieberhaft. Wie glaubwürdig war die Geschichte des Siga-Blues?

Ich ließ die Umgebung keinen Moment aus den Augen. Trotz seiner geringen Größe konnte Ytriel gefährlich für mich werden. »Du sagst, du hast dich bei unserer Ankunft verlaufen? Wie ging das vor sich?«

Als ich die Antwort des Siga-Blues abwartete, gab ich meinem Pikosyn den Befehl. »Pikosyn, Energieortung mit Vektorangabe!«

Die Antwort kam prompt, ohne jede Verzögerung. »Drei Uhr, Entfernung fünf Meter.«

Ytriel antwortete gerade: »Ich wurde davon geschleudert und wurde ohnmächtig. Ich wachte erst viel später wieder auf. Dann habe ich nach dir gesucht, dich aber nicht gefunden.«

Ich entsicherte mit einem Daumendruck meinen Strahler. »Und du hast das Dorf der Herreach nicht entdeckt, keinen Kilometer von hier?«

»Welches Dorf meinst du, Terraner? Da wo ich war gab es nur Ruinen.«

Ich wirbelte herum und feuerte über die Sträucher hinweg. Das trockene Gras fing sofort Feuer. Mit einem Satz war ich an der vom Pikosyn georteten Stelle.

Ich entdeckte einen kleinen, unförmigen Sack im Gras. Ein höhnisches Lachen kam über meinen Empfänger herein. Ich erkannte die Stimme des Blues fast nicht wieder. »Das war nur mein Reserveaggregat, Terraner. Wie dumm ihr doch alle seid! Glaubst du wirklich, du kannst meiner Herrin schaden?«

Die volle Wahrheit traf mich wie ein Schlag. »Du arbeitest für die Bestie!« Mein Akustikfeld klirrte, so laut schrie ich es hinaus.

Ein leises Lachen ertönte. »Dein Wissen wird dir nicht helfen. In wenigen Minuten ist Hilfe hier, dann bringen wir dich zu ihr. Eigentlich bist du eine ziemlich jämmerliche Gestalt, Terraner. Es ist mir ein Rätsel, warum sie ausgerechnet vor dir solche Furcht hat. Glaubst du wirklich, im Machtbereich der HESPIES, hat eine so primitive Organisation wie die Widder auch nur entfernt eine Überlebenschance? Dieser Haufen erbärmlicher Exoten wurde nur geduldet um dich anzuziehen, Terraner. Die meisten werden wohl gerade exekutiert. Die Herrin weiß genau, wie ihr denkt! Und du bist prompt in die Falle gegangen.« Wieder erfolgte ein Lachen.

»Eigentlich bist du blind in zwei gestellte Fallen hinein gelaufen, oder glaubst du wirklich die HESPIES verschwendet ihre Energie, nur um dieses Wrack namens Reginald Bull am Leben zu halten?«

Ich unterdrückte meine Wut und gab dem Pikosyn einen weiteren Befehl, dann schritt ich weit aus und blieb nach zwei Metern stehen.

»Kalt«, kam die höhnische Antwort. »So wirst du niemals herausfinden wo ich bin.«

Als ich die angeforderten Informationen erhielt, schoß ich ohne zu zögern. Ein kurzer, schmerzvoller Aufschrei war zu hören, dann Stille.

Ich ging langsam zu der Stelle, die ich unter Beschuß genommen hatte und sah den verkohlten Körper des Siga-Blues am Boden liegen. »Das ist für den Mord an Gourn, du Mistkerl!«

Ich hatte mit einfacher Zweipunktpeilung den Standort von Ytriels Helmfunkgerät errechnen lassen. Unkonventionell, aber wirksam!

Ich setzte mich einen Moment neben den Leichnam des Herreach ins Gras und schlug die Hände vors Gesicht.

Ich konnte es noch immer nicht fassen. Ytriel war ein Agent der HESPIES gewesen! Ich hatte ihm die ganze Zeit über vertraut!

Was für Überraschungen standen mir noch bevor? Wie sollte all das nur enden?

Du mußt zur Erde, hämmerte es in meinen Kopf. Du mußt nach Terrania und dem ganzen Wahnsinn ein Ende bereiten!

15. Das Schiff

Ich machte mir keine großen Illusionen über meine Chancen. Ich war allein auf mich gestellt. Einzig eine bohrende Unruhe im Kopf und die Fragmente eines rätselhaften Wissens, trieben mich noch vorwärts.

Ich lag hinter einem leichten Erdwall, tief geduckt im Gras und konnte das soeben gelandete Raumschiff nur teilweise sehen.

Der Kugelraumer war nur fünfzehn Minuten nach dem Zusammenstoß mit Ytriel gelandet.

ich vermutete, daß es sich dabei um die vom Siga-Blue herbeigerufene Unterstützung handelte und war sofort in Deckung gegangen.

Ich hatte alle Funktionen meines SERUNs heruntergefahren, um nicht von der Energieortung angepeilt zu werden.

Wenn sie jetzt Roboter ausschleusten oder ein mental begabtes Kunstwesen der HESPIES aussenden, ist es um dich geschehen, dachte ich entsetzt.

Ich verzog trotzig die Lippen. Wenn ich die vergangenen Tage rekapituliere, dann war es ein Wunder, daß ich überhaupt noch am Leben war.

Den Kugelraumer schätzte ich auf 200 Meter Durchmesser, keine Konstruktion die ich kannte, aber wen wunderte das?

Von den Herreach der kleinen Siedlung hatte ich nichts mehr gesehen. Ob sie vor dem Schiff geflohen waren? Vielleicht taten sie gut daran sich nicht blicken zu lassen. Eine Hilfe wären sie im Moment ohnehin nicht gewesen.

Ich lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf das Schiff.

Die Hülle war tiefschwarz und erinnerte mich irgendwie an die alten Kugelraumer der Haluter. Hier hatte ich jedoch ein terranisches Schiff vor mir. Alle Konstruktionsmerkmale sprachen dafür.

Ich spürte plötzlich einen Stich im linken Arm und schleuderte fluchend ein blutsaugendes Insekt davon. Dadurch entging mir, wie sich die untere Polschleuse des Schiffes geöffnet hatte.

Ich duckte mich tiefer ins Gras und kniff die Augen zusammen. In der Schleuse war eine Bewegung zu erkennen.

War das ein Mensch? Ich sah eine Gestalt in einer leichten Kombination zu Boden schweben und unschlüssig verharren. Die Gestalt war zweifelsfrei humanoid, ich war jedoch zu weit entfernt, um Einzelheiten erkennen zu können.

Nach einigen Sekunden schwebte der Unbekannte in Richtung Pilzdom davon.

Du wirst jetzt grübeln, warum der Kontakt zu deinem Zwerg-Agenten ausgefallen ist, dachte ich grimmig.

Ein Siga-Blue, lachte ich bitter. Waren meine Sinne nur so taub gewesen?

Nur die absolut perverse Phantasie der HESPIES konnte sich so etwas ausdenken. Aber warum hatte der Siga-Blue seine Tarnung vorzeitig aufgegeben?

Hätte der paranormal begabte Herreach mir vielleicht wichtige Informationen über die HESPIES geben können?

Ich verscheuchte diese spekulativen Gedanken. Das half mir jetzt nicht weiter. Statt dessen konzentrierte ich mich auf das Schiff.

In dem Kugelraumer sah ich die einzige Möglichkeit, nach Terra zu gelangen. Ich ballte die Fäuste. In wenigen Sekunden formte sich ein Plan in meinem Kopf. Ich mußte mich in diesem Schiff verstecken und beten, daß es die Erde ansteuerte. Anderenfalls würde ich früher oder später von den Häschern der HESPIES gefunden werden.

Erneut brandeten die Kopfschmerzen auf! Ich massierte meine Schläfen. Dann waren plötzlich diese Gedanken in meinem Kopf.

Einen kurzen Moment sah ich mich selbst in einer Vision auf einer Liege festgeschnallt, über mir die Fratze eines entsetzlichen Wesens. Neben mir stand eine gleichartige Liege, auf der ein anderer Terraner lag. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen, denn er hatte den Kopf auf die andere Seite gedreht. Schlauche und Kontakte verbanden uns miteinander.

Mit einem halberstickten Schrei verscheuchte ich die Schreckensbilder.

Ohne zu denken sprang ich auf und rannte im Eiltempo auf das fremde Schiff zu.

Entweder haben sie dich in der Ortung, oder du rennst in einen Energieschirm und verglühst, dachte ich gleichgültig.

Als ich unter dem Polrund des Raumers stand und nach oben sah, konnte ich es kaum glauben. Das Schiff war nicht gesichert!

Ich hatte nur eine Frage im Kopf. WARUM? War es wieder eine Falle oder hatte ich es der Überheblichkeit eines Wesens zu verdanken, das sich grenzenlos überlegen fühlte?

Ich aktivierte meinen Antigrav und schwebte zügig nach oben. Wen immer ihr erwartet habt, dachte ich zornig, diesmal habt ihr es mit einem Terraner der alten Garde zu tun.

Als ich den ersten Schritt in den Schleusenhalle machte, begann ich mich über meine Kaltschnäuzigkeit zu wundern.

Doch was hatte ich noch zu verlieren? Dein Leben, antwortete ich mir selbst.

Ich duckte mich sofort in den Schutz einiger Container, die am Rand der Schleuse verankert waren. Dann späte ich in die Schleusenraum hinein. Er war leer!

Mein Blick fiel auf einen perforierten Behälter, der groß genug war, um mich darin zu verstecken. Ohne zu überlegen sprang ich hinein und schloß den Magnetdeckel hinter mir.

Da saß ich nun schwer atmend und begann plötzlich zu zittern. Erst jetzt kam meine innere Anspannung und Todesangst zu Tage.

Ich wußte nicht wie lange ich zusammengekauert in dem Container gesessen hatte, als ich durch die kleinen Löcher der Wand eine Bewegung erkannte. Der Humanoide war zurückgekehrt!

Er stand einen Moment nachdenklich in der Schleusenhalle und bewegte sich nicht, dann schloß sich das schwere Schott hinter ihm.

Der schlanke Terraner trug eine enganliegende, silbrig glänzende Kombination, die von einem engen Geflecht glitzernder Fäden überzogen war.

Um die Hüfte waren zahlreiche dick ausgebeulte Taschen angeordnet, vermutlich enthielten sie Ausrüstungsgegenstände des Anzugs.

Meine Blicke saugten sich an dem seltsamen Helm des Fremden fest.

Es schien, als ob der metallische Helm direkt mit dem Kopf verwachsen sei. Zahlreiche Antennen stellten sich steil in die Höhe und bewegten sich leicht hin und her.

Fast wie Seetang in der Meeresströmung, schoß es durch den Kopf. Konnte der Terraner mit den feinen Auswüchsen etwa orten?

Ich begann zu schwitzen. Erschrocken schirmte ich meine Gedanken ab. Wenn ich einen Telepaten vor mir hatte, dann konnte ich bereits jetzt mit meinem Leben abschließen.

Doch meine schlimmsten Befürchtungen erfüllten sich nicht. Mit sicheren Schritten ging der Terraner auf den Antigrav zu und ließ sich nach oben treiben, vermutlich zur Zentrale des Schiffes.

Leises Vibrieren machte mich auf den Start des Schiffes aufmerksam. Ich entschloß mich vorerst den Container nicht zu verlassen und klammerte meine ganze Hoffnung daran, daß der fremde Terraner die Erde anfliegen würde.

Ich bäumte mich vor Schmerzen auf. Die elektrischen Impulse schienen mein Gehirn zu zermartern.

Die ganze Zeit über fühlte ich mich von der gräßlichen Fratze beobachtet. Große blaue, kugelrunde Augen, glotzten mich an.

Ich konnte ihm nicht entfliehen. Ich glaubte sogar einmal vernommen zu haben, wie das scheußliche Gesicht sagte. »Es tut mir leid, aber wir müssen improvisieren.«

Auch der Terraner neben mir stöhnte unterdrückt auf, dann versanken meine Gedanken im Chaos.

»Was macht ihr mit mir?« schrie ich so laut ich konnte. Doch meine Stimme brachte nur ein leises Wispern zustande.

Als ich aufschreckte, war mir klar, daß ich wieder einen Tagtraum hatte.

Die Erinnerungsfetzen wurden um so intensiver, je näher ich der Erde kam.

Wann würde ich nur alles erfahren? Was war nur mit mir geschehen, nachdem ich in das schwarze Loch gestürzt war?

Zu wem gehörte die häßliche Fratze und wer war der andere Terraner?

Das Dröhnen der Antriebsaggregate steigerte sich unmerklich. Das Schiff befand sich im Landeanflug.

»Laß es auf Terra landen!« flüsterte ich leise.

Die Erde war zwar mein Ziel! Das wußte ich jetzt genau.

Aber vermutlich war es auch jener Ort, an dem sich die HESPIES aufhielt.

Der Antigravlift spuckte plötzlich einen Körper aus. Es handelte sich um den Terraner mit der seltsamen Kombination.

Ich versteifte mich in meinem Versteck. War er ganz allein an Bord?

Seine Bewegungen wirkten irgendwie abgehackt, fast mechanisch, auf jeden Fall wesentlich unkoordinierter als zuvor.

Er wirkte wie eine Marionette, dessen Führung dem Puppenspieler keinen Spaß mehr machte.

Der Terraner blieb einen Moment im offenen Schott stehen und ließ sich die Sonne auf das Gesicht scheinen.

Als ich die Gesichtszüge im hellen Licht erstmals deutlich sah, erschrak ich fast zu Tode. Ich wagte nicht zu atmen und bewegte mich keinen Millimeter, um ja kein unbedachtes Geräusch zu verursachen. Meine Gedanken weigerten sich die Tatsache zu akzeptieren. Ich war wie gelähmt, denn ich kannte das Gesicht!

»Nein!« hauchte ich. »Alles, nur das nicht!«

16. In der Höhle des Löwen

Der Terraner ließ sich einfach in die Tiefe fallen und wurde dabei zweifellos von seinem Antigrav aufgefangen.

Einen Moment fürchtete ich schon, das Schott würde sich wieder schließen und mich einsperren, doch nichts dergleichen geschah.

Mein Herz raste bis zum Hals. Konnte ich mich getäuscht haben?

Ich wußte, daß dem nicht so war. Die Gesichtszüge des Terraner waren bestens bekannt.

In derselben Sekunde, als mich die Erkenntnis traf, hörte ich einen deutlich formulierten Befehl in meinen Gedanken. Gehe in das Haus am Goushun See!

Ich verharrte reglos und lauschte. Obwohl sich der mentale Befehl nicht wiederholte, wußte ich genau, welches Haus gemeint war.

Ich befreite mich aus dem Container und näherte mich vorsichtig der Schleuse. Als ich hinunter sah, war mehr niemand zu sehen. Das Landefeld war wie ausgestorben.

Wo war er hin?

Innerlich fühlte ich mich erleichtert, denn auf diese Begegnung war ich nicht gefaßt gewesen. Ich heftig atmete aus und sah zum Raumhafengebäude hinüber.

Zuerst dachte ich daran zu warten, bis es dunkel wurde. Doch dann begriff ich, daß mir die Dunkelheit nur einen fragwürdigen Schutz bot.

Viel mehr als vor optischer Ortung mußte ich mich vor einer Energie- oder Tasterortung fürchten.

Der Raumhafen vor mir war zweifellos einer der großen Häfen nahe Terrania. Ich kannte das Panorama. Ich war nach meiner langen Odyssee endlich auf der Erde angekommen!

Was war nur mit den Terranern geschehen und was mit jenem Menschen, den ich vor wenigen Minuten flüchtig gesehen hatte?

Nochmals versuchte ich mich selbst zu überzeugen, daß ich einer Täuschung aufgesessen bin, doch vergebens.

Es war Michael Rhodan gewesen! Daran hatte ich keinen Zweifel mehr.

Als mich das kurze Schwindelgefühl packte, schloß ich im Reflex die Augen. Nachdem ich sie wieder öffnete, stand ich im Schatten des Raumhafengebäudes und sah zu dem schwarzen Kugelraumer hinüber.

»Was ist …?« Mir blieb das Wort im Hals stecken.

Dann kam die Erkenntnis! Der SCHAD! Er funktioniert wieder.

Ich hatte einen Augenblick daran gedacht, zum Raumhafengebäude zu schleichen und schon war ich da!

Zuerst lächelte ich erleichtert, doch mein Lachen gefror kurz darauf wieder, als mein Blick zur Ebene hinter dem Raumhafen schweifte.

Wo einst ein großer Stadtteil Terrania Citys lag, wölbte sich kugelförmig das Wrack eines NOVA-Raumers in den Himmel.

Die Zelle war an vielen Stellen geborsten und die angelaufene Hülle deutete darauf hin, daß in seinem Innern sehr hohe Temperaturen getobt hatten.

»Er ist auf die Stadt gestürzt!« flüsterte ich schockiert.

Auch Terra war also nicht verschont geblieben. Aber was hatte ich erwartet?

Als ich über dem Landefeld eine flüchtige Bewegung wahrnahm, trat ich blitzschnell in den Schatten des Gebäudes zurück. Ein Vogel!

Ich entspannte mich wieder.

Erneut wurde der Druck deutlich, der auf mir lastete.

Terra war die Residenz der HESPIES, ihr Nest!

Ich stutzte kurz, dann lächelte ich vor mich hin. Wieder ein Begriff, der aus meinem Unterbewußtsein an die Oberfläche gelangte.

Längst war mir klar geworden, daß ein starker, mentaler Block offenbar dafür sorgte, daß ich wertvolles Wissen Stück für Stück serviert bekam.

Warum das so war und welche Absicht dahinter steckte, wußte ich allerdings nicht. Noch nicht!

Meine eigene Vermutung ging dahin, daß ich mit all meinem Wissen vermutlich zu früh von den Kreaturen der HESPIES erkannt und aufgegriffen worden wäre.

Meine Mission wäre gleich zu Beginn zum Scheitern verurteilt gewesen.

Wieder lächelte ich. »Mission …«

Seit meinem kurzen Aufenthalt auf Trokan wußte ich, daß ich auf der Erde etwas zu erledigen hatte.

Verlaß dich auf deinen Instinkt, dachte ich konzentriert.

Ich dachte noch eine Weile über meine Situation nach, die Deckung des Gebäudes ständig nutzend.

Mit Grauen dachte ich an Michael Rhodan, dessen Kopf einer Meduse glich.

Er ist es nicht, dachte ich. Es war ein Kunstwesen, genau wie der falsche Mausbiber!

Mein mentales Selbstgespräch hatte keinen großen Überzeugungseffekt. Ich war zutiefst erschrocken.

Reginald Bull, Michael Rhodan … Was kam als nächstes?

Ich ballte die Fäuste, bis die Knöchel weiß hervortraten. Gehe in das Haus am Goushun See!

Ich zuckte zusammen. Da waren wieder die Gedanken in meinem Kopf!

War das ein suggestiver Befehl, der mir von außen eingegeben wurde oder drangen die Gedanken wirklich aus meinem eigenen Unterbewußtsein an die Oberfläche?

Bestürzt erkannte ich, daß ich den Unterschied erst feststellen würde, wenn es zu spät sein würde. Zog mich die HESPIES mit ihren Parakräften in eine Falle?

Ich raffte mich auf und beschloß die Strecke zu Fuß zurückzulegen.

Vom Goushun-Salzsee trennten mich wenige Kilometer.

Ich wagte nicht mehr den SCHAD zu benutzen, denn ich rechnete damit, daß die gesteuerte Teleportation angemessen oder gezielt umgelenkt werden konnte.

Der Gedanke, in einem Energieschirm zu verglühen oder gar im Zentrum eines Konverters zu landen, ließ mich frösteln.

»Höre auf deinen Instinkt!« machte ich mir erneut Mut.

Langsam schlich ich los, immer darauf gefaßt erkannt zu werden.

Das Nest war kein Nest im Sinne des Wortes.

Früher war es für die HESPIES nur der Anker gewesen, heute war es ihre Überlebensgarantie.

Das Nest befand sich keinesfalls auf der Erde, wie viele vermuteten, aber in unmittelbarer Nähe.

Die HESPIES war all gegenwärtig. Ihre Affinität zum Nest war so stark ausgeprägt, daß sie ohne diesen Anker nicht mehr existieren könnte. Und das hatte seinen Grund.

Ihr ganze Sinnen und Trachten war nur noch auf ein Ziel ausgelegt, Stabilität!

Das Nest verhalf ihr dazu und allein das zählte für sie.

Die HESPIES hatte keine Sinne für die Bedürfnisse niederer Kreaturen. Sie war einzig und allein auf sich und ihre Existenz fixiert.

So ignorierte sie seit mehreren Jahrhunderten das Flehen und Jammern des Zentralplasmas, welches ihr Nest auskleidete und längst über die ursprünglichen Abmessungen gewuchert war. Und das war ganz im Sinne der HESPIES, denn die Wucherung förderte ihre Stabilität.

Die HESPIES nutzte das Plasma als Katalysator, als Rettungsanker. Für das intelligente Plasma jedoch war es die Hölle.

Auf die Terraner und alle anderen Wesen ihrer Galaxien, blickte sie mit Verachtung herab. Nie wäre es ihr in den Sinn gekommen, sich auf eine Ebene mit den niederen Kreaturen herabzulassen. Diese Denkweise war zweifelsohne ein Erbe ihrer Vergangenheit.

Auf der anderen Seite beobachtete sie das Treiben der niederen Kreaturen mit einem gewissen Neid, denn sie befanden sich auf einer stabilen Ebene ihrer Existenz. Sie würde sie alle nach und nach von der Oberfläche ihrer Planeten tilgen und am Ende ihr ewiges Reich errichten.

Ich schlich mich langsam aus der Hafenanlage und hatte das Hauptportal erreicht. Die Straßen waren menschenleer. Ich ging bei meinem Vormarsch äußerst behutsam vor.

Zunächst faßte ich die nächste Deckung ins Auge, dann schlich ich mich vorsichtig weiter.

Es war bereits dunkel geworden, was mir sehr gelegen kam. Zwar wußte ich genau, daß es für die Augen potentieller Überwachungsroboter niemals Nacht wurde, aber wenigstens konnten mich Menschen schwerer sehen und verraten.

Menschen, ich hing dem Gedanken nach. Wo waren sie nur?

Ich umging eine Korvette, die sich kopfüber in die Oberfläche gebohrt hatte.

Sie war zur Hälfte im Oberflächenbelag versunken. Sie hatte bei ihrem Absturz mehrere unterirdische Etagen zum Einsturz gebracht.

Ich schloß kurz die Augen und hoffte, daß sich alle Menschen vor dieser Katastrophe in Sicherheit gebracht hatten.Wunschdenken! hämmerte es mir durch den Kopf.

Die Terraner hatten sich hinter ihrem ATG-Feld absolut sicher gefühlt. Der Angriff der HESPIES auf Terra, kam für sie völlig unvorbereitet!

Ich setzte meinen Marsch fort. Es ging relativ zügig voran.

Schon bald war ich aus der Nähe des Raumhafens in die vornehmere Wohngegend von Terrania City gelangt. Noch immer war mir kein Mensch begegnet.

Hinter manchen Fenstern der noblen Villen brannte zwar Licht, ich gab mich aber keiner Hoffnung hin, daß ich dort Menschen finden würde.

Ich wußte nur zu gut, daß die Haus Syntrons eine Anwesenheit der Besitzer vortäuschten, um Einbrecher abzuschrecken.

Mir kam ein Gedanke. Langsam schlich ich in den Garten eines der nahestehenden Häuser.

Ich hatte es willkürlich ausgewählt und wollte sehen, ob ich im Inneren irgendwelche Aufzeichnungen fand, die mir weiterhalfen.

Als ich vor dem Eingang stand, schwang die auf antik gearbeitete Holztür langsam zur Seite.

Ich erschrak fast zu Tode, als ich die leise Stimme des HausSyntrons vernahm. »Mentalkennung akzeptiert. Der Hausherr ist vorübergehend außer Haus. Möchten Sie warten?«

Zögernd betrat ich den Empfangsraum.

»Außer Haus?« fragte ich unsicher. »Wie lange schon?«

Der Syntron antwortete prompt: »248 Jahre, er muß aber bald zurück sein.«

Ich stutzte. War die Maschine defekt?

»Wie ist der Name des Hausherrn?« fragte ich weiter.

Der Syntron war unfähig Gefühle auszudrücken, dennoch glaubte ich so etwas wie Verwunderung aus der synthetischen Stimme zu hören. »Du besuchst den Hausherrn und kennst seinen Namen nicht?«

In mir stieg ein ungutes Gefühl auf. Hatte die Maschine eine Fehlfunktion? Wie konnte sie überhaupt meine Mentalkennung akzeptieren?

Ich wandte mich langsam um und schritt langsam auf die Tür zu. Mein Leichtsinn hatte mich in eine kritische Situation gebracht. »Ich denke …« sagte ich langsam. »… ich werde später nochmals vorbeikommen.«

»Du bleibst!« Mit einem lauten Schlag fiel die Tür ins Schloß.

Ich fuhr auf dem Absatz herum und suchte nach meinem unsichtbaren Gegner.

Schnell gab ich auf, der HausSyntron konnte überall in diesem riesigen Haus installiert sein. Nur der Besitzer wußte genau, wo sich die zentrale Schalteinheit befand.

Ich versuchte ruhig zu klingen, als ich sagte. »Öffne die Tür, Syntron.«

Als keine Reaktion erfolgte, fügte ich hinzu. »Ich muß noch ein paar Einkäufe machen und komme später wieder.«

»Du lügst!« schallte es aus den Akustikfeldern.

Mir war jetzt klar, daß der Rechner defekt war. Vielleicht hatte die organische Komponente Schaden genommen. Ich fühlte mich plötzlich wie die Maus in der Falle.

17. Am Ende des Weges

Die Tür hinter mir hatte Beschläge aus Arkonstahl. Wer immer hier gewohnt hatte, mußte ein besonderes Sicherheitsbedürfnis gehabt haben. Ich machte eine Flucht nach vorn und betrat den großzügig angelegten Vorraum.

Zahlreiche Sammlerstücke aus allen Teilen der Galaxis säumten die Wände. Erinnerungsstücke?

Der Hausherr muß weit herumgekommen sein. Langsam schritt ich die Wand ab.

»Ich habe lange keine Besucher mehr für meinen Herrn empfangen!«

Ich lauschte in Richtung des Akustikfelds und bemühte mich gleichgültig auszusehen. »So?« dehnte ich meine Antwort.

Ich mußte nicht laut sprechen, denn die Haus-Syntronik hatte hochempfindliche Schallsensoren überall im Haus verteilt.

»Es ist schön nach so langer Zeit wieder zu kommunizieren.«

Diese Aussage entlockte mir ein kurzes Lachen.

Am Ende des Ganges sichtete ich eine Reihe holographischer Bilder, wahrscheinlich Aufnahmen des Hausherren.

Noch immer nach Fallen Ausschau haltend, streifte ich die dreidimensionalen Fotographien nur mit einem kurzen Blick.

Auf dem Bild, sah ich gleich drei bekannte Terraner!

Ich zitterte am ganzen Körper, als mir bewußt wurde, in welchem Haus ich mich befand!

Auf dem Bild erkannte ich Julian Tifflor, Perry Rhodan und Reginald Bull!

Da Tifflor auf der Holographie die Mitte einnahm, vermutete ich, daß dies sein Haus war.

Einen Augenblick dachte ich darüber nach, ob ich dieses Haus wirklich aus freiem Willen und rein zufällig angesteuert hatte, fand jedoch keine Antwort.

Das Haus eines Unsterblichen war auf jeden Fall der unsicherste Ort in ganz Terrania City für mich! Ich mußte hier schnellstens wieder raus!

Ich hatte den Gedanken noch nicht ganz zuende gebracht, als sich erneut der Syntron meldete. »Ich habe deine Anwesenheit an den Meister gemeldet. Er war sehr überrascht.«

Ich fuhr herum und suchte nach einer Aufnahmeoptik. »Wer ist dein Meister?«

Der Syntron antwortete mit einer kalten, unpersönlichen Stimme. Oder bildete ich mir das nur ein? »Du kennst die Antwort auf deine Frage bereits, oder?«

Und ob ich sie kannte! Ich hörte plötzlich das feine Zischen einströmenden Gases. Dabei konnte es sich nur um die Einbruchs-Sicherungsanlage handeln.

Der Syntron versuchte mich Schachmatt zu setzen.

Nach links und dann die Treppe runter!

Ich wunderte mich bereits nicht mehr über die unheimliche Stimme in meinem Kopf.

Meine Beine bewegten sich mechanisch und ich erreichte tatsächlich eine Treppe, die über einen schmalen Gang in die Tiefe des Kellers führte.

Ich schwang das leichte Schott hinter mir zu und wartete, daß sich automatisch das Licht aktivierte. Vergebens.

Ich fluchte laut und wäre fast die Treppe hinunter gestürzt.

In letzter Minute konnte ich mich fangen und an der Wand abstützen.

Langsam, immer vorwärts tastend, stieg ich den dunklen Gang hinunter.

Meine Augen gewöhnten sich nur langsam an das Dämmerlicht.

Vor mir lag ein endlos, langer Gang. Eine Art unterirdischer Stollen.

Wo war nun die Stimme, die mich bis hierher geführt hatten? Jetzt hätte ich ein wenig Hilfe nötig gehabt!

Ich zuckte mit den Achseln. Keine Nachricht konnte genauso gut heißen: Alles klar, du bist auf dem richtigen Weg. Aber genauso gut das Gegenteil.

In meinem Innersten fühlte ich eine unerklärliche Spannung.

Dieses Gefühl zu beschreiben fiel mir schwer, aber man konnte es am besten mit einem Film vergleichen, der seinem Höhepunkt zustrebte. Dem Showdown.

Ich mußte über meine eigenen Gedanken lächeln, dann riß ich mich wieder zusammen.

Du bist nicht so abgebrüht wie du glaubst, dachte ich. Und ein Rhodan bist du schon gar nicht.

Als ich einen weiteren Schritt vorwärts ging, stieß mein Fuß gegen ein metallisches Objekt, das daraufhin ein Stück über den Boden schlitterte.

Verwundert nahm ich es auf und drehte es im diffusen Licht, dicht vor meinen Augen.

Ein Speicherwürfel? Das Objekt hatte abgerundete Kanten und eingeprägte Hologramme auf den ebenen Flächen. Tatsächlich, ein Memowürfel!

Ein seltsames Gefühl überkam mich plötzlich, daß mich zur Eile antrieb.

Hastig steckte ich den Würfel in die Seitentasche meines Anzugs und sah kurz zurück. Die plötzlich aufbrandende Panik, konnte ich mir selbst nicht erklären.

Der Haus-Syntron, dachte ich. Er mußte bereits Alarm geschlagen haben.

Eile war angesagt! Ich schritt aus und sah mich immer wieder um. Plötzlich hörte ich ein Geräusch, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Das Schaben von Metall auf Metall.

Jemand hatte das Schott am Anfang der Treppe geöffnet!

Ich bemühte mich keinen Laut zu verursachen und wagte nicht einmal zu atmen.

Im Gegenlicht sah ich die Gestalt eines schlanken Terraners am oberen Ende der Treppe stehen.

An seinem Kopf baumelten zahllose Tentakel, die sich wie die Schlangen wanden. Plötzlich hörte ich ihn rufen. »Ich weiß daß du da unten bist, Vater! Es war ein großer Fehler hierher zu kommen. Ich werde dich töten!«

Der Schock saß so tief, daß ich wie gelähmt verharrte. Mein Geist war nicht fähig meinen Körper unter Kontrolle zu bringen. Merkwürdigerweise bewegte ich mich trotzdem!

Meine Muskeln spannten sich und meine Beine begannen wie von selbst zu laufen. Die Kreatur warf sich im selben Moment unter ohrenbetäubendem Heulen die Treppe hinab.

Er hat einen Antigrav, du hast keine Chance, dachte ich resignierend.

Nur zwanzig Meter! Lauf! Die mentale Stimme in meinem Kopf peitschte mich auf.

Ich rannte los und wagte nicht, mich umzusehen. Dabei wußte ich nicht mehr ob ich in dieser Sekunde noch die Gewalt über meinen Körper hatte, oder ob die mentale Stimme die Initiative übernommen hatte.

Plötzlich schlug ich mit dem Kopf hart gegen ein offenes Metallschott.

Ich kämpfte eine Sekunde lang mit der Bewußtlosigkeit, dann gewann mein Selbsterhaltungstrieb die Oberhand.

Ich machte einen Satz in den Raum dahinter und schlug daß schwere Schott zu.

Du mußt es verriegeln, schrie die Stimme in mir.

Mit einem kräftigen Schwung ließ ich die manuelle Sperrvorrichtung einrasten! Geschafft!

Etwas krachte kurz darauf mit unglaublicher Wucht von Außen gegen das Schott!

Er war es! Ich hörte das unmenschliche Schreien und Heulen der Kreatur und war entsetzt. Das konnte kein Mensch sein!

Trotz der nahen Bedrohung, atmete ich auf.

Das Schott war hydraulisch aufgehängt und von enormer Stärke. Die Kreatur würde es weder einschlagen noch einfach wegschmelzen können.

Urplötzlich ging das Licht an und erhellte den Raum vor mir. Ich mußte einen Moment geblendet die Augen schließen.

Als ich sie wieder öffnete, sah ich direkt in die flammende Geschützöffnung eines Robots. Vor mir waren fünf TARA-V-UH aus speziellen Halterungen in der Wand geglitten und versperrten mir den Weg.

So endete also mein Alptraum, dachte ich nur. Verdampft von einem Thermostrahler, irgendwo in einem unterirdischen Labyrinth auf Terra.

Ich sackte in die Knie und erwartete den tödlichen Schuß. Gleichzeitig hörte ich eine Stimme Zahlenkolonnen und Codes herunterleiern.

War das ich, der da sprach und die TARAs anwies?

Ich wollte laut lachen, doch mein Sprechorgan gehorchte mir nicht.

Ich registrierte nur noch, wie die TARAs plötzlich Spalier standen und eine kleinere Gestalt auf mich zuschwebte.

»Herr, ihr habt lange auf Euch warten lassen. Wir befürchteten schon, Ihr seid der HESPIES zum Opfer gefallen.«

Ich schüttelte den Kopf. »Ihr verwechselt mich.«

Der Dienstroboter mit der lächelnden Gesichtsmaske half mir auf und stützte mich.

»Ihr habt sehr viel durchgemacht. Aber jetzt ist es Zeit, von hier zu verschwinden! Mit Sicherheit haben die Kreaturen der HESPIES diesen Raum geortet.«

Wie als Bestätigung hörte ich ein dumpfes Grollen, worauf die Beleuchtung zu flackern begann.

»Gehen wir zum Transmitter, schnell!«

Der Gang endete in einem halbrunden Raum. Vor mir stand ein Kleintransmitter mit flammendem Energiefeld.

»Aber wenn …« setzte ich an, doch der Robot unterbrach mich sofort.

»Dieses System ist autonom und kann nicht gestört werden. Ein Spezialtransmitter der ehemaligen Neuen USO

Ich packte den Robot am Kunstarm. »Der Neuen USO? Endlich ein Begriff, mit dem ich etwas anfangen konnte. Und ich dachte schon, ich wäre dem Wahnsinn verfallen.«

Hinter uns krachte es ohrenbetäubend.

»Die Kreatur hat das Schott durchbrochen. Die TARAs werden sie nur kurz aufhalten können. Schnell jetzt!«

Der Robot stieß mich auf das Abstrahlfeld zu. »Einen Moment!« rief ich, kurz bevor ich in das Transmitterfeld fiel. »Wie ist dein Name?«

Der Robot lächelte noch immer, als er von hinten von einem Energiestrahl getroffen wurde.

»Rico!« konnte ich noch hören, dann wurde ich vom Transmitterfeld verschluckt.

Sie hatten mich verarztet und auf eine Trage gebettet. Endlich konnte ich mich ausruhen! Um mich herum wimmelte es von Robotern. Alle autonom und vor allen Dingen, alle freundlich gesinnt.

Mir wurde erklärt, daß die HESPIES den Standort dieser Schaltanlage keinesfalls kannte und ich mich noch immer auf der Erde befand.

Das hast du gut gemacht! hörte ich eine Stimme in mir.

Ich lächelte. Mein guter Geist! Wer bist du … was bist du?

Ich lauschte in mich hinein und glaubte plötzlich Nuancen und verschiedene Stimmen zu erkennen. Ich bin drei!

Ich schluckte. Drei?

Mein Name ist Perry Rhodan.

Ein weiterer Gedanke kam mir ins Bewußtsein. Ich bin Homer G. Adams!

Und schließlich: Ich bin Roi Danton!

Ich zuckte zusammen. Du warst in meinem Haus und die Kreatur der HESPIES war nicht identisch mit mir, sondern ein Klon!

Ich entspannte mich.

»Wie ist das möglich?« Ich sprach meine Frage laut aus, ganz so, als ob ich einen Gesprächspartner vor mir hätte.

Später, du wirst noch alles erfahren. Doch zuerst mußt du das Universum von ihrer größten Plage befreien!

Ich konnte nicht anders und schüttelte mich in einem irren Lachkrampf. »Das Universum befreien? Ich bin alles andere als ein Held. Wie sollte ich das Universum von einem Monster befreien, gegen das ich keine Chance habe. Niemand hat eine Chance gegen die HESPIES

Ich spürte beruhigende Impulse, die sich in meinem Gehirn ausbreiteten, dann sprach die Stimme, die sich als Perry Rhodan vorgestellt hatte. Helden werden nicht geboren. Helden sind normale Terraner, die in ausweglosen Situationen das richtige tun. Wir haben unsere Bewußtseinskomponenten deinem Körper anvertraut und du hast in jeder Situation bisher das richtige getan!

»Warum?« kam es über meine trockenen Lippen.

Es war Adams der jetzt zu mir sprach. Drei Unsterbliche sind nötig, um die Bestie zu töten, keiner mehr und keiner weniger. Niemals wären wir alle drei zur Erde durchgekommen und wir sind die letzten freien Unsterblichen! Nur Dank unseres Trägers hat die HESPIES die Gefahr unterschätzt. Dank dir wird das Universum bald wieder frei sein!

Ich verstand noch immer nicht. »Was ist die HESPIES

Rhodan sprach zu mir: Die HESPIES ist eine mächtige Entität, die aus einem künstlich eingeleiteten Evolutionssprung der Chaotarchen hervorgegangen ist. Wir wissen nicht wie und ob sich in ihr alle Chaoskräfte vereinigt haben. Aber wir wissen, daß die HESPIES die nächste Stufe im Zwiebelschalenmodel markieren sollte. Eine Entität, die mächtiger ist als Kosmokraten und Chaotarchen. Der Kampf zwischen Ordnung und Chaos sollte ein für alle mal entschieden werden und so begannen die Chaotarchen, an sich selbst zu manipulieren. Sie mutierten und gingen in der HESPIES auf.

Michael Rhodan fuhr fort: Wir wissen nicht wie sie das gemacht haben, aber es gab bereits mehrere Tausend, vielleicht Millionen Jahre einen Wettlauf zwischen den Hohen Mächten des Universums. Jede Partei wollte als erste die nächste Stufe der Entwicklung erklimmen. Wir wissen nur, daß der Ultimative Stoff eine wichtige Rolle bei der Metamorphose spielt. Sie haben ihn gesammelt, Kosmokraten wie auch Chaotarchen, um ihn hinter die Materiequellen und Materiesenken zu bringen. Schließlich gelang den Chaotarchen zuerst der entscheidende Schritt. Die HESPIES, eine Inkarnation aus mehreren Chaotarchen entstand und bemächtigte sich sofort des Universums. Die Kosmokraten wurden devolutioniert. Wahrscheinlich wurden sie so in letzter Sekunde daran gehindert, gleich zu ziehen.

Rhodan fuhr fort: Zuerst glaubten wir, daß die HESPIES noch immer eine Affinität zum Standarduniversum besaß, denn sie materialisierte als Inkarnation in unserer Galaxiengruppe und begann die Völker zu quälen. Erst später wurde uns der wahre Grund klar. Ihr Zustand, ihre Evolutionsstufe, war nicht stabil! Der künstlich eingeleitete Evolutionssprung drohte von selbst wieder rückwärts zu schreiten. Aber mehr noch, die HESPIES, einmal im Standarduniversum manifestiert, mußte in noch primitivere Formen zerfallen und alle Macht verlieren.

Nun war es wieder Adams, der sprach. Die HESPIES versuchte, ihren Status zu stabilisieren. Als hochstehende Entität war sie plötzlich auf einen kontinuierlichen Zustrom von Bewußtseinsinhalten angewiesen, die sie alle in ihren Pool aufnahm. Jedoch war diese Aufladung nur von kurzer Dauer und verflüchtigte sich schnell wieder. Sie haßte die primitiven Geschöpfe des Standarduniversums, war aber auf sie angewiesen. So erschuf sie die Kommissare, die immer nur einen Teil der Planetenbevölkerung für die Aufnahme vorbereiteten, da sie die Völker nicht gänzlich ausrotten durfte.

»Oh mein Gott!« Ich konnte all das nicht verarbeiten. Mein Magen verkrampfte sich und ich wollte mich übergeben.

Rhodan sprach langsam und ruhig auf mich ein. Du wirst sie töten!

Meine Lippen bebten. »Aber wie könnte ich solch eine Bestie töten?«

Ich hörte ein leises Lachen in meinem Kopf: Indem wir ein Opfer bringen!

»Ein Opfer!« flüsterte ich leise. »Was für ein Opfer?«

18. Das Opfer

Ich saß vor dem positronischen Schaltpult, das auf mich reichlich primitiv wirkte.

Eine Positronik?

Adams antwortete. Ja, um sicher zu gehen, daß die Schaltungen auch noch tausend Jahre später zuverlässig arbeiten. Wir haben lange auf dich gewartet!

Rhodans Stimme wurde eindringlicher: Die HESPIES rast vor Wut. Sie hat sicherlich alles in die Wege geleitet, um dich zu finden. Sie ahnt vielleicht etwas. Wir müssen handeln.

Meine Hände wurden feucht. »Was muß ich tun?«

Rhodan sprach ruhig und gefaßt: Sie weiß momentan nicht, wo wir sind. Aber wir wissen, wo sie ist!

Ich schluckte. »Diese Station …«

Rhodans Gedanken kamen stark und deutlich. Sie wirkten entschlossen: Diese Station befindet sich in einem speziell abgeschirmten Raum nahe dem Erdmittelpunkt. Die HESPIES befindet sich auf dem Mond!

Meine Lippen bewegten sich mechanisch und formten Worte, die mir Rhodan in den Mund legte. »Ihr Nest befindet sich im Plasmazusatz von NATHAN und sie kann diese Verbindung nicht mehr so einfach auflösen. Sie sitzt in der Falle!«

Adams fiel mit seinen Gedanken ein. Genug jetzt! Es ist Zeit!

Zustimmendes Gemurmel ertönte in meinem Kopf. »Diese Schaltung, was bewirkt sie?«

Ich lächelte, denn zum ersten Mal seit einigen Stunden hatte ich wieder einen klaren Gedanken zu einer klaren Frage formen können.

Es war Rhodan der mir die Antwort gab: Diese Schaltung sprengt NATHAN! Wir sprengen das Kissen, auf dem sich die HESPIES niedergelassen hat!

Ich zitterte. »Aber wieso existiert solch eine …«

Ich ließ die Frage in der Luft hängen. Im unterirdischen Fundament des Mondgehirns sind zehn überschwere Gravitationsbomben eingelassen. Ursprünglich für den Fall vorgesehen, falls sich das Mondgehirn einmal gegen die Menschheit wendet.

Roi Danton sendete einen belustigten Gedanken: Eine Art Notschalter, wenn du willst. Aber er kann nur durch die Anwesenheit von mindestens drei Unsterblichen ausgelöst werden.

In diesem Moment ertönte ein alles durchdringender Alarmton.

Sie hat die Station lokalisiert! Sie weiß wo wir sind! Das war Adams gewesen.

Mit einem Seitenblick erhaschte ich die Meldung auf einem Holodisplay.

Vom Mond ausgehend, begann sich ein 500 Meter durchmessender Desintegratorstrahl nahe Terrania in die Erdkruste zu bohren und kam pro Sekunde etwa Hundert Meter voran. Es wurde ernst!

Meine Hand schlug auf den Auslöser des Selbstzerstörungsprotokolls und meine Finger flogen über die positronischen Eingaben, um die Kode-Protokolle zu aktivieren.

Rhodan übernahm meinen Körper und aktivierte zuerst seine Autorisierung. Dann nannte er seine Codesequenzen. Die Eingaben wurden durch die Abtastung seiner Mentalimpulse bestätigt. Dann folgten Adams und Roi Danton.

Ich schwitzte vor Aufregung und mein Blick ging unwillkürlich zur Decke, wo ich jede Sekunde das Zerstäuben des Bohrdesintegrators zu sehen glaubte.

Rhodans Gedanken kamen plötzlich glasklar: Auslösen!

Ich atmete tief ein und glaubte mein Herz einen Schlag aussetzen zu hören.

Mit dem Druck meines Daumens, würde ich das mehrere Tausend Jahre alte Mondgehirn in den Hyperraum schleudern!

Tu es  jetzt!

Ich schloß die Augen und hörte nur ein leises klick, als meine Hand auf den Schalter fiel. Dann glaubte ich mein Kopf würde zerspringen!

Ein paramentaler Aufschrei ungeheurer Stärke marterte mein Gehirn. Ich schrie kurz auf und fiel sofort in Ohnmacht. Dann fühlte ich nichts mehr. Um mich herum wurde es übergangslos dunkel.

Wie in einer Traumsequenz sah ich wieder diese Fratze vor mir, die mich mit großen Augen ansah. Als ich plötzlich die Augen öffnete und noch immer in dieses Gesicht sah, war es kein Traum mehr! Dieses Gesicht war Realität!

»Mein Name ist Carfesh«, sagte der Fremde ruhig.

»Ich habe die Rückführung der Bewußtseinsinhalte in ihre Stammkörper abgeschlossen. Wie fühlen Sie sich?«

Ich blinzelte irritiert. Einen Augenblick lauschte ich in mich hinein, doch da war nichts mehr. Die Stimmen waren verschwunden

Ich lächelte dünn. »Ich fühle mich allein!«

Ich konnte die Mimik des Fremden nicht deuten und so wußte ich nicht, ob meine Antwort ihn belustigte.

Er wandte sich ab und ging zu den drei Betten hinüber, auf denen je ein, menschliche Körper lag. Perry Rhodan, Michael Rhodan und Homer G. Adams!

Ich kannte Carfesh nur aus den Lehrfilmen, die mir während meiner Ausbildung auf der Akademie gezeigt worden waren.

Er war ein Verbindungsmann der Kosmokraten gewesen und hatte Rhodan früher oft Informationen Übermittelt.

Die drei Unsterblichen waren noch immer bewußtlos und wurden von einem Rudel kleiner Roboter umschwärmt.

Ich stand auf und setzte meine Beine auf den Boden. Sofort kam Carfesh auf mich zu. Meinen fragenden Blick beantwortete er mit einem menschlich anmutenden Nicken. »Es wird ihnen gut gehen. Ihre Körper brauchen jetzt noch etwas Ruhe.«

Ich nickte. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, wie eine Bewußtseinsverpflanzung ablief, aber daß sie nicht gleich die Augen aufschlugen und von der Liege sprangen, nahm ich dem Boten der Kosmokraten ohne Widerspruch ab.

»Haben wir es geschafft?« Ich sah fragend in die übergroßen Augen des seltsamen Wesens.

»Die HESPIES existiert nicht mehr. Große Teile des Mondes wurden in den Hyperraum gerissen«, antwortete er.

Ich wischte mir mit der Hand über die Augen. »Das Opfer! Mein Gott, ich hab den halben Mond gesprengt!«

Carfesh verzog das Gesicht. »Ein vergleichsweise kleines Opfer für die Rettung dieses Universums.«

Ich lachte trocken.

Plötzlich kam mir der Gedanke, daß mit der Vernichtung der HESPIES wahrscheinlich auch all ihre Einrichtungen versagen mußten.

»Bully!« rief ich laut.

Carfesh sah mich mit seinen unergründlichen Augen an. »Wir werden versuchen ihn zu retten. Eine kleine Hoffnung ist besser als keine Hoffnung!«

Ich atmete tief ein. »Und was passiert nun mit mir?«

Carfesh machte eine blitzschnelle Bewegung, die ich nur noch im Ansatz wahrnahm. Ich glaubte einen Druckkontakt am Hals zu spüren und seine Stimme zu vernehmen. »Wir schicken dich nach Haus zurück …«

Dann war nichts mehr außer Dunkelheit.

Epilog. Erwachen

Ich wurde an den Schultern gepackt und durchgeschüttelt, dann vernahm ich das Zischen einer Injektions-Druckspritze, die mich schlagartig munter machte.

Ich blinzelte in grelles Licht. »Carfesh, warum hast du das getan?«

Die Stimmen, die ich vorher gehört hatte, verstummten verblüfft, um kurz darauf laut aufzulachen. »Habt ihr das gehört? Er hält sich für Carfesh!«

Eine andere Stimme fiel lachend ein. »Nein Johnson, er hält dich für Carfesh! Nun, eine gewisse Ähnlichkeit ist nicht zu verleugnen!«

Wieder lautes Gelächter, dann wurde ich wieder geschüttelt. »Komm schon McGiver! Mach die Äuglein auf! Der Medo-Robot sagt eindeutig, daß es dir gut geht!«

Ich öffnete die Augen und sah in das großporige Gesicht von Johnson, Angehöriger der Raumlandetruppen der TORSO.

»Johnson?«

Meine Kehle hatte Mühe, klare Worte zu formulieren.

Mein Gegenüber lachte mich breit an. »Na da haben wir dich ja noch mal in letzter Sekunde aus den Fängen des Todes gerettet! Eine Minute später und du wärst in den Ereignishorizont gestürzt!«

Die Erinnerung kam mit einem Schlag zurück. »Aber ich war …«

Ich sah mich verdutzt um. Um mich herum standen meine Kameraden der TORSO und feixten wie wild.

»Aber ich war im Schwarzen Loch! Und ich habe tatsächlich Carfesh getroffen!« rief ich irritiert.

Johnson blinzelte meinen anderen Kameraden zu. »Ich glaube, das Black Hole hat ihm eine leichte Gehirnquetschung beigebracht! Medorobot? Kannst du was in der Richtung feststellen?«

Die Maschine schnarrte: »Kein Befund!« worauf hin die Meute wieder in schallendes Gelächter ausbrach.

»Keine Angst, McGiver! Du bist wieder zu Hause. Die Arkoniden haben Fersengeld gegeben, nachdem in letzter Sekunde zwei Schiffe der ENTDECKER-Klasse eingetroffen sind!«

Ich schüttelte den Kopf. Es fiel mir immer noch schwer, mich zu orientieren. Ich sank auf mein Lager zurück. »Ich hatte wohl einen schrecklichen Alptraum«, sagte ich leise.

Johnson nickte leicht. »Das können wir sehr gut verstehen. Wir lassen dich jetzt allein. Du brauchst dringend etwas Ruhe. Aber später gibst du einen in der Mannschaftsmesse aus! Sonst lassen wir dich das nächste Mal wirklich in das Schwarze Loch fallen. Verstanden?«

Ich konnte schon wieder lächeln. »In Ordnung!«

Die Gruppe verließ johlend meine Kabine.

Ich schloß die Augen und dachte nach. Alles nur ein Traum?

Keine Stimme in meinem Kopf sprach zu mir und ich befand mich zweifelsfrei an Bord der TORSO. Hatte ich vielleicht wirklich nur alles geträumt?

Ich spürte noch immer sämtliche Knochen schmerzen, doch das konnte ein Effekt der starken Schwerkraftbildung in der Nähe des Schwarzen Loches gewesen sein.

Vielleicht war ich in tiefe Ohnmacht gefallen und hatte wirre Träume gehabt, kurz bevor mich meine Kameraden gerettet hatten?

Was ist wahrscheinlicher, dachte ich. Das ich alles nur geträumt hatte, oder das ich in der Zukunft gewesen war und das Universum rettete?

Ich mußte plötzlich laut loslachen und konnte mich kaum wieder beruhigen.

Ich bin über die Brücke in die Unendlichkeit gegangen, habe gegen einen Uleb gekämpft und den halben Mond in den Hyperraum gesprengt!

Ein erneuter Lachanfall schüttelte mich durch. Mir rannen Tränen über die Wangen.

McGiver, der Retter des Universums!

Ich drehte mich auf die Seite und spürte einen harten Gegenstand in meiner Tasche, der unangenehm gegen mein Bein drückte.

Als ich ihn aus der Tasche zog, erstarrte mein Lachen augenblicklich und mein Herzschlag setzte für einen Moment lang aus.

Dann fuhr ich von der Liege hoch.

Ein Speicherwürfel!

Nicht irgendein Speicherwürfel, sondern der Speicherwürfel, den ich im unterirdischen Gang gefunden hatte.

Eisige Kälte rann mir über den Rücken als mir klar wurde, was das bedeutete.

Ich legte mich langsam auf die Liege zurück und sah mit aufgerissenen Augen den Gegenstand in meiner Hand an.

Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag und ich fühlte mich als habe jemand einen Eimer kaltes Wasser über mir ausgeleert. Dann schloß ich die Augen und nahm den Memowürfel in meine Faust.

Natürlich! Ich mußte wieder zurückgeschickt werden! Rhodan hatte keine andere Wahl!

Wie hätte er sonst wissen können, daß ich in das Schwarze Loch stürzen und in seine Zeit versetzt werde würde, wenn ich es ihm nicht in der Vergangenheit erzählt hätte?

Eine Zeitschleife, dachte ich in plötzlicher Erkenntnis. Natürlich, so mußte es sein!

Die Geschichte die ich erlebt hatte, war kein Traum gewesen!

Ich sah den Würfel in meiner Hand lange an.

Wenn mich mein Gefühl nicht täuschte, dann hatte Rhodan veranlaßt, daß Carfesh wichtige Informationen über die Zukunft auf den Speicher überspielt hatte.

Was genau, das konnte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen.

Aber mir war plötzlich klar, das Rhodan diese Informationen unbedingt erhalten mußte. In meiner Zeit.

Ich sah starr aus dem Panzerglasfenster meiner Kabine.

Ich würde dafür sorgen, daß er sie bekommen würde.

ENDE

PROC STORIES - Fan-Stories vom PROC - ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUBs. Kurzgeschichte »Der Letzte Ritter« von Thomas Rabenstein. Erschienen am: 01.06.2003. Titelbild: Thomas Rabenstein. Umsetzung in Endformate: Alexander Nofftz. Generiert mit Xtory (SAXON, LaTeX). Homepage: http://stories.proc.org/. eMail: stories@proc.org. Copyright © 2000-2003. Alle Rechte beim Autor!