Das PBeM-Team der CREST VPERRY RHODAN ONLINE CLUB (PROC) HomepageErschienen am:
02.05.2003

CREST V - Das Chaos geht weiter

1. Begegnungen (28.09.3431)

Was bisher geschah

Die Crew der CREST V hatte trotz der zahlreichen und durchaus chaotischen Vorkommnisse ihre erste Mission erledigt. Momentan liegt die CREST V in der Basis MZ-4, wo sich die Crewmitglieder erholen und Ausflüge zum Planeten unternehmen. Etliche Crewmitglieder und auch Offiziere haben sich versetzen lassen, so dass es nicht dieselben sein werden, die die neuen Abenteuer erleben werden. Bei der CREST V kann diese Periode nur die Ruhe vor dem Sturm bedeuten, denn DAS CHAOS GEHT WEITER!

Hauptpersonen

Sulae Shalannan – die neue Sicherheitsleiterin mit dem Lästersinn

Emerson Ostrog – der erste Navigator ist ein Veego

Vron Habel – ein Sicherheitsbeamter

Allan Dean Gonozal – erster Offizier mit seinem Schützling Kiril

Major Zento Rutan – der neue Chef der Raumlandetruppen

Prolog. Marschbefehl

Terra (BZ: 08:05 Uhr)

Zento lag auf einer molekülverstärkten Bank und ließ sich von einer Epsalerin den Nacken massieren. Er genoss seinen Urlaub in vollen Zügen, immerhin hatte er einige schwere Einsätze hinter sich.

Ein Funkanruf unterbrach seine Überlegungen und holte ihn in die Wirklichkeit zurück. »Major Zento Rutan, melden Sie sich umgehend bei Oberstleutnant Benson!«

Der Ertruser knurrte unwillig und stand von der Liege auf. Die Epsalerin verabschiedete sich von ihm und verließ den Raum. Zento ging zum Interkom und rief den Oberstleutnant.

»Hier Major Rutan«, meldete er sich, als das Konterfei des Terraners auf dem Bildschirm erschien.

»Ah, Major, ich hoffe sie nicht allzu sehr gestört zu haben.«

»Nein, Sir«, erwiderte Zento nur kurz.

»Na, dann ist es ja gut. Ich habe einen neuen Posten für Sie. Sie werden heute um 20:00 Uhr mit dem leichten Kreuzer DRAGNET zum Flottenstützpunkt MZ-4 gebracht. Dort werden Sie auf die CREST V wechseln und dort den Posten als Chef der Raumlandetruppen übernehmen. Der bisherige Kommandant, Major Roger Tiers, wurde auf eigenen Wunsch kurzfristig versetzt.«

»OK. 20:00 Uhr, DRAGNET«, wiederholte Rutan.

»Ähem, ich habe schon gehört, dass Sie nicht sehr gesprächig sind.«

»Gibt es denn sonst noch etwas zu besprechen?«

»Nein eigentlich nicht, ich wünsche Ihnen einen guten Flug. Die Daten über die CREST schicke ich Ihnen.«

»Danke, Sir«, erwiderte Zento und wartete bis der Oberstleutnant abschaltete.

1. Startvorbereitungen

Sicherheitszentrale (BZ: 30.9.3431 20:00 Uhr)

Connor, Sicherheitschef der CREST V, würde das Schiff verlassen. Das stand fest, daher veranstalteten die Sicherheitsleute eine Party, zumindest die, die gerade keinen Dienst hatten. Auf der Feier gab es verbotenerweise auch einigen Alkohol, aber das würde schon keiner verraten.

Während der Feierlichkeiten hielt sich der Marsianer Timotha a König etwas abseits.

Vron trat zu ihm. »Ist irgend etwas mit Ihnen los? Heute ist die Abschiedsfeier von Connor und anderen Sicherheitsbeamten, die von Bord gehen. Ist zwar sicher kein zu großer Grund zur Freude, aber es wäre vielleicht besser, wenn Sie dabei wären.«

Der junge Marsianer sah den Terraner an. »Ich überlege mir die ganze Zeit, ob ich auch von Bord hätte gehen sollen. Auf der Mission war ich nicht gerade eine große Leuchte. Zu Beginn der Reise hab ich mich nicht besonders professionell verhalten, als ich mich auf die Seite eines potentiellen Mörders gestellt habe, im entscheidenden Moment war ich krank und einer der wenigen, die sich für die Außenmission gar nicht gemeldet hatten.

Und dann noch die Sache vor zwei Wochen …«

Vron wusste nicht viel, außer dass a König an diesem Tag in die Krankenstation eingewiesen worden war und es einen unerklärlichen Sicherheitsalarm gegeben hatte, der vielleicht mit dem Techniker Montgomery Spock zusammenhing, der als Mechanoide entlarvt worden war.

Sollte es da einen Zusammenhang geben?

»Hm, wenn Sie ein Vergehen begangen hätten, dann wäre es schon längst bekannt. Es ist in der Zeit auch nichts wirklich Schlimmes passiert, also warum so griesgrämig? Das Ungeschickteste, was Sie getan haben können, ist einen Sicherheitsalarm auszulösen!«, wollte er den Marsianer beruhigen und merkte, dass er voll ins Schwarze getroffen hatte.

»Sie haben also einen ungerechtfertigten Sicherheitsalarm ausgelöst? Nicht gerade toll, aber wer soll Ihnen deswegen Probleme machen?«

»Nun ja, Connor war am Anfang recht wütend, aber er hat sich schnell beruhigt. Aber es wissen auch noch der erste Offizier und Major Goimez davon …«

»Wegen Mr. Gonozal brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Erstens haben Sie nicht so viel Kontakt mit ihm und zweitens ist er nicht sehr nachtragend. Wenn von ihm etwas gegen Sie hätte kommen sollen, wäre das schon längst passiert. Und bei Goimez! Sie sind doch gar nicht in ihrer Abteilung!«

»Es gibt aber Gerüchte, dass sie Sicherheitschefin werden soll!«, sagte der Marsianer der A-Klasse bedrückt.

»Keine Angst!«, beruhigte ihn Vron. »Bevor das passiert, stehen schon eher die Toten, wie der legendäre Roi Danton, wieder auf! 18 Leute haben um Versetzung gebeten und keiner hat sich umstimmen lasen. Die da oben werden doch wohl merken, was hier abgeht! Also kein Grund nicht zu feiern! Kommen Sie, wir schulden es unseren alten Kameraden!«

Timotha nickte und stürzte sich in die »Party«.

Trotzdem gehörte er nicht zu denjenigen, die danach ihren Landurlaub schlafend in ihrem Quartier verbringen mussten. Er gehörte später zu den Sicherheitsleuten, die die Sicherheitschefin erwarteten.

Basis MZ-4 (BZ: 1.10.3431 9:00 bis 9:30 Uhr)

Sulae Shalannan saß in einem kleinen, gemütlichen Café und beobachtete die vorüberziehenden Massen von Menschen, Arkoniden und anderen Wesen der Galaxis.

Ab und zu nippte sie an ihrem Tee und sah auf die Zeitanzeige, denn es wäre höchst ungünstig gewesen, zu ihrem Dienstantritt zu spät zu kommen. Aber sie hatte noch Zeit, denn ihr Gespräch mit dem ersten Offizier ihres neuen Postens, der CREST V, würde erst in über zwei Stunden sein.

Und sie hatte keinen Grund, früher auf einem Schiff, auf dem es sehr hektisch und chaotisch zuging, einzutreffen. Also blieb sie seelenruhig in dem Café sitzen und sah etwas schadenfroh zu, wie andere Leute sich abhetzten.

Sie hatte erfahren, dass die Crew der CREST Landurlaub hatte und dass viele Crewmitglieder um Versetzung ersucht hatten, sowohl von der CREST als auch zu ihr.

Sie selbst war froh, sich unter den Glücklichen wähnen zu dürfen, die einen Posten auf dem Schiff erhalten hatten. Sulae war auch ausgesprochen froh, wieder auf ein Raumschiff zu kommen. Ihr letzter Posten auf einer Planetenbasis war zwar nie langweilig gewesen, doch sie hatte sich in gewisser Weise eingesperrt gefühlt.

Vielleicht lag das daran, dass sie viel Zeit ihres Lebens auf Raumschiffen verbracht hatte und ihr dieser Dienst praktisch in die Wiege gelegt worden war.

Nun, wie auch immer, sie freute sich auf den Posten und war gewillt, dies auch den Kommandanten und den ersten Offizier wissen zu lassen.

Zwischen zwei Schlucken ihres Tees sah sie zufrieden lächelnd einer Gruppe Menschen zu, die sich lautstark über die Wartezeiten der Transmitter unterhielten.

Sulae schüttelte nur den Kopf. Ihre Eltern hatten ihr ein Leben lang Geduld gepredigt, und im Nachhinein war sie ihnen dankbar dafür.

Bei dieser Ungeduld zieht das Leben an einem vorbei, und man kann es nicht richtig genießen, dachte sie.

Doch nun beschloss sie, dass es Zeit wäre, sich auf den Weg zu machen. Sie trank ihren Tee aus und warf einen letzten, beinahe bedauernden Blick in das gemütliche, kleine Café, das die Hektik der Station so gut abgehalten hatte.

Dann nahm sie ihre Tasche und machte sich auf den Weg. Sie wollte noch bei einem kleinen Laden der Promenade vorbei schauen, der sie interessierte.

Ohne viel Mühe bahnte sie sich ihren Weg durch die Menge zu den Läden.

Kurz bevor sie den Laden erreichte, stieß sie jedoch mit zwei Personen zusammen und sah sich einem großen Mann in Begleitung eines jungen, hellhaarigen Mädchens gegenüber.

CREST V (BZ: ca. 9:00 Uhr)

Emerson hatte die vergangenen 15 Tage gut genutzt. Er hatte sich um Montys Hinterlassenschaften gekümmert und sie mit den ihm verbliebenen Schritten von Bord geschafft – bis auf das BRETT, das war einfach zu schwer für ihn gewesen.

Doch es war unwahrscheinlich, dass man es in seinem Versteck finden würde, solange es inaktiv war.

Dann war er fünf Tage lang auf Heimat gewesen und hatte sein Schrittorgan voll aufgeladen, so dass ihm wieder zwölf »Kurze Wege« zur Verfügung standen.

Doch er hatte sich vorgenommen, diese Form der Fortbewegung nur noch im äußersten Notfall zu benutzen, um sich nicht noch mehr Probleme einzuhandeln.

Leider war sein Artefakt immer noch nicht zurück gebracht worden, wie er es insgeheim gehofft hatte. Er wusste das deshalb so genau, weil er das Faksimilé mit dem fünfdimensional strahlenden Pulver markiert hatte und noch immer den Detektor besaß.

Aber er war sich ganz sicher, dass der Dieb sich irgendwann irgendwie verraten würde. Er konnte warten, denn seine Geduld war so groß wie der Kosmos – jedenfalls beinahe.

Den Rest der Zeit hatte er dazu genutzt, um Dr. Tsurans Buch zu lesen. Er fand es schlecht geschrieben und zumindest wissenschaftlich fragwürdig.

Dann hatte er weiter an dem Navigationsprogramm gearbeitet, welches ihm die Arbeit bei der Kursberechnung enorm erleichtern sollte.

Bisher hatte es noch keine Neuigkeiten von Monty gegeben. Auch war die PIKACHÛ bisher nicht zurückgekehrt, was vor allem Yohko Takashi ärgerte.

Aber da Emerson immer noch glaubte, dass sie mit dem Austausch des Artefaktes zu tun hatte, gönnte er es ihr.

Er war heute um 9:00 Uhr zu seiner Schicht in der Kommandozentrale angetreten, auch wenn er offiziell noch Landurlaub hatte. Aber er wollte sich auf den Abflug der CREST V vorbereiten, der heute stattfinden würde.

Noch war über die neue Mission nichts bekannt, aber er freute sich schon darauf, endlich wieder aktiv zu werden.

Er testete sein Kontrollterminal nochmals durch und stellte fest, dass es 100-prozentig funktionierte. Dann wandte er sich wieder dem Navigationsprogramm zu, um die Zeit tot zu schlagen.

Gegen 9:30 Uhr schaute der Zweite Navigator, Leutnant David Halman, mit dem sich Emerson inzwischen recht gut verstand, in der Zentrale vorbei.

Nach dem Urlaubsdienstplan hätte er eigentlich die Schicht von 9 Uhr bis 15 Uhr übernehmen müssen, aber die beiden Navigatoren hatten sich abgesprochen, dass Emerson ab heute wieder die Hauptschicht übernehmen würde.

Halman schaute sich kurz an, was sein Vorgesetzter bisher so getan hatte, und gab einige Kommentare zu dem im Entstehen begriffenen Programm ab. Als Halman ihm auf die Nerven zu fallen begann, schickte Emerson den Terraner weg, was dieser mit einem unzufriedenen Grunzen zur Kenntnis nahm.

Dann war der Veego wieder allein und bearbeite eifrig die Tastatur seines Terminals.

Basis MZ-4 (BZ: ca. 9:30 Uhr)

Allan war geschafft!

Seit nicht einmal zwei Wochen waren sie jetzt in diesem stinklangweiligen System und Kiril hielt ihn mächtig auf Trab. Heute war »Shopping« auf dem Tagesplan; zum vierten oder fünften Mal diese Woche!

Allan, der langsam Licht am Ende des Personalgesprächstunnels sah, war ja eigentlich ganz dankbar für diese Abwechslung, aber Kiril hatte einfach zu viel Energie!

Als sie gerade aus einer kleinen Boutique kamen – Kiril hatte alles angeschaut, wollte aber aus irgendeinem Grund nichts kaufen – wurden sie fast über den Haufen gerannt, denn eine weißblonde Frau in der typischen Zivilkombination der Flotte versuchte, an ihnen vorbei in die Boutique zu kommen.

Sie entschuldigte sich kurz und war fast schon wieder verschwunden.

»Jetzt zum Eissalon?«, schlug Allan vor.

Sie hatten ja noch fast eine halbe Stunde bis zur nächsten Sendephase des Personentransmitters der Station.

Sulae war von den zwei plötzlich auftauchenden Personen so überrascht worden, dass sie voll in die beiden hinein rasselte. Sie entschuldigte sich höflich, während sie die beiden Personen kurz musterte.

Das hellhaarige Mädchen schien vor Energie zu sprühen, denn ihre Augen glänzten aufgeregt.

Der Mann schien ein wenig gehetzt zu sein.

Sulae schmunzelte kurz, nickte den beiden noch einmal zu und ging dann weiter. Sie wollte unbedingt noch in den kleinen Laden, bevor sie mit dem nächsten Transmitterzyklus auf die CREST V kommen wollte. Sie kämpfte sich also weiter durch die Menge, die in beide Richtungen über die Promenade strömte.

Endlich war sie angekommen.

Sie betrat den Laden, dessen besondere Atmosphäre ihr gefiel.

In Ruhe sah sie sich die voll gestopften Regale an. Schließlich kaufte sie eine alt aussehende Kette. Sie war leicht verrostet und könnte etwas Lack gebrauchen, doch der Stein und der Rest waren gut erhalten. Die Kette gefiel ihr einfach.

Auch ein Buch, das ihre Aufmerksamkeit erregt hatte, kam in ihre Tasche. Es war ungewöhnlich, noch richtige Bücher zu finden, doch dies hier war eines, und noch dazu gut erhalten. Es würde ihr sicher viel Freude bereiten, es in einer ruhigen Stunde zu lesen.

Sulae beschloss, dass es wirklich Zeit wäre, sich auf der CREST zu melden. Sie dankte der Besitzerin des Ladens und stürzte sich wieder in die Menge. Schon nach zehn Minuten hatte sie die Transmitter erreicht, also wartete sie die übrige Zeit auf ihren Transfer.

Es waren nicht allzu viele Personen hier, da die meisten wohl ihren Landurlaub auf der Station genossen oder zur Station wollten, aber nicht von ihr weg.

An den Transmittern begegnete sie einem Sicherheitsmann der CREST, der sie routiniert und etwas gelangweilt nach ihrer Berechtigung fragte.

Mit einem Schmunzeln, schließlich würde dieser Mann bald ihr Untergebener sein, gab Sulae sie ihm.

Basis MZ-4 (BZ: 10:00 bis 10:45 Uhr)

Kiril ließ sich grinsend auf einen der Stühle fallen. Ihr Blick wanderte durch den Raum, hinaus auf die belebte Passage und blieb dann an Allan hängen.

In den letzten Stunden hatte er sich tapfer geschlagen, alle Fragen beantwortet, die sie gestellt hatte und kein einziges Mal die Geduld verloren. Ihm schien die Pause sehr gelegen zu kommen.

Sie warf einen Blick in die Eiskarte und entschied sich ohne zu zögern für »das Grüne«.

Sie seufzte. Ihre Mutter hatte immer Grün getragen. Wie wäre es, wenn sie jetzt hier wäre?

Würde sie mit ihr über die neuen Eindrücke reden? Würden sie jetzt hier sitzen und darüber lachen, was sie erlebt hatten? Sie wäre mit Herz und Seele dabei gewesen.

Wieder schaute sie Allan an, der gerade die Bestellung aufgab.

War er voll und ganz dabei?

Er wirkte nicht wie jemand, der so etwas öfter machte. Tat er es nur ihr zuliebe? Aus Pflichtgefühl? Sie schüttelte den Kopf. So durfte sie nicht denken. Er war so gut zu ihr und ihr Verhältnis war auch etwas inniger geworden.

Nur von ihrer Seite aus? Bildete sie es sich vielleicht nur ein?

Energisch schob sie die Gedanken beiseite. Allan gab sich sehr viel Mühe. Er war kein »Familientier«, aber er bemühte sich für sie eins zu sein.

Und, schlussfolgerte sie weiter, ohne ihn wäre ich nicht hier, ohne ihn …

Sie schauderte, als sie sich vorstellte, was man mit ihr gemacht hätte, wäre Allan nicht gewesen.

Dinge, schlimmer als der Tod.

Und … und, würde meine Mutter noch leben, wäre ich jetzt zu Hause, bei meiner Familie, bei meinen Freunden und nicht hier! Wir hätten nie gemeinsam hier sein können!

Ihr Eis wurde serviert.

Bis jetzt hatte sie geschwiegen, Allan hatte auch nicht gesprochen.

Hatte er die Tränen in ihren Augen bemerkt?

Wehmütig stocherte sie in ihrem Eis herum. Ihr war der Appetit vergangen. Sie schaute auf und begegnete Allans Blick, der sie besorgt musterte.

»Heimweh«, murmelte sie und lächelte müde.

Er schaute etwas hilflos, schwieg und begann nach kurzer Zeit doch ein Gespräch mit ihr.

Es drehte sich um banale Dinge, lenkte sie dennoch etwas ab.

Da sie wusste, dass man die Besatzung hier aufstocken würde, war sie sehr angespannt.

Sie hatte bis jetzt noch keine Person gefunden, in der sie eine »Verbündete« sah, der sie vielleicht ihr volles Vertrauen schenken würde.

Wird diesmal jemand für mich dabei sein?

Natürlich, Yohko war ihr Idol, aber Idole waren nicht dafür geschaffen, um eine so genannte »beste Freundin« zu ersetzen.

Und »Väter« auch nicht!

Sie lachte, worauf Allan sie fragend anschaute.

»Ich bin gespannt auf die neue Besatzung.«

Endlich begann sie ihr mittlerweile zerschmolzenes Eis zu löffeln, so weit man es noch als Eis bezeichnen konnte. Sie verzog das Gesicht. Grünes Eis schmeckte nicht so gut, wie es aussah.

Sie legte den Kopf schief und schaute Allan bettelnd an.

Zwei Minuten später saß sie glücklich vor seinem Becher, fünf Minuten später war er leer, während Allan noch mit ihrem topsidischen Minzeis beschäftigt war.

Kurz darauf bezahlten sie und verließen das Café.

Wieder im Gedränge wurde sie sofort munterer und Allan hatte noch Einiges auszuhalten, bis sie den Weg zur Transmitterstation einschlugen.

Transmitterstation an Bord der CREST V (BZ: 11:30 Uhr)

Seit zweieinhalb Stunden schob Pavel nun schon wieder Dienst an der Transmitterstation.

Ständig dieselben Arbeitsgänge.

Entweder kurze Kontrolle der Zugangsberechtigung, wenn es sich um ein bereits akkreditiertes Mitglied der Mannschaft handelte und stichprobenartige Kontrolle der mitgebrachten Waren oder ausgiebiges Filzen und kontrollieren sämtlicher Papiere, wenn es sich um »Neue« handelte.

Schließlich kam der erste Offizier Gonozal an Bord.

Der war in seiner Freizeit zur Zeit unverkennbar.

Kiril, sein neues Mündel, kreischte gleich nach dem Transmitterdurchgang mit fröhlicher Stimme: »Noch mal!«

Wenigstens einem an Bord gefällt es hier, schmunzelte Pavel. Er winkte den leicht genervt wirkenden ersten Offizier gleich zu sich durch, schob die IDs durch das Lesegerät und ließ ihn dann passieren.

Kiril ging gerade noch an der Hand ihres Oheim zum Ausgang der Transmitterstation, als sie, neben einem der dort auf die Zuteilung von Quartieren wartenden Männer, ein kleines, buntes Tier auf einer Stange sitzen sah.

Sie wollte das Tier streicheln.

Bei Pavel stand als nächstes in der Schlange eine Frau, die die unverkennbaren Merkmale einer Arkonidin hatte.

Sie reichte Pavel gerade schmunzelnd ihre Papiere, als plötzlich hinter ihm ein lautes Geschrei los ging. Eine der Hauptbeteiligten, der Stimmlage nach zu urteilen, war wohl Kiril.

Er drehte sich um und sah ein fürchterliches Chaos auf sich zu rollen.

Irgendwie war es zu einer Art Massenkarambolage gekommen, die sich die Schlange der Wartenden entlang zog. Schließlich erreichte diese Welle seinen Abfertigungsschalter, aber die junge Frau wich dem Ganzen elegant durch einen Hechtsprung aus. Durch die entstehende Lücke in der Schlange verpuffte der entstandene Dominoeffekt und die Karambolage kam erst mal zur Ruhe.

Pavel machte sich nun daran, den Gestürzten zu helfen und wieder Ordnung zu schaffen, damit der Betrieb nicht unnötig aufgehalten wurde.

Schließlich stellte sich heraus, dass Kiril ein kleines Tier streicheln wollte, und dieses sich dem durch eine Fluchtbewegung entziehen wollte. Dies hatte den nächsten in der Schlange erschreckt und als dieser zurückweichen wollte war er gestürzt und löste damit die Karambolage aus.

Schließlich konnte wieder für Ordnung gesorgt werden.

Die bisher unbekannte Fremde ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und unterstützte mit einer befehlsgewohnten Stimme die rasche Auflösung des Chaos. Nun endlich konnte Pavel mit der Abfertigung weitermachen.

Und dabei fiel ihm auf, warum die Frau so gewohnt kommandierte. Es handelte sich um einen Oberstleutnant mit dem Namen Sulae Shalannan.

Puh, da haben wir uns ja nett vorgestellt, dachte Pavel noch, bearbeitete die Akte jedoch in Rekordzeit.

Er salutierte kurz und wünschte der Offizierin noch eine angenehme Zeit an Bord. Dann winkte den nächsten Wartenden heran. »Der Nächste!«

BZ: 11:23 Uhr

Nach einem wunderschönen Landurlaub auf MZ IV hatten Dawn und Natalie vor einigen Minuten den Rückweg zur CREST V angetreten, nur um in einer langen Abfertigungsschlange zu landen.

Viele Leute von Dawns Kaliber hätten ihre überlegene Körperkraft genutzt um sich hier einen Vorteil zu verschaffen, aber Dawn war nicht auf Konfrontation aus und so stellten sie sich in aller Ruhe an. Leutnant Syntony checkte das Gepäck der Ankömmlinge auf illegale Ware und schien nicht besonders begeistert von diesem Job.

Auch in der Schlange war es alles andere als spannend und Dawn kam mit Natalie am Arm nur langsam voran. Einmal wurde die Langeweile durch einen kleinen Tumult vor ihnen unterbrochen, der von dem kleinen Mädchen ausgelöst wurde, dass sie beim letzten Einsatz aufgesammelt hatten.

»Dieses Mädchen ist aber auch stressig«, meinte Dawn, wurde aber gleich von Natalie korrigiert:

»Ach was, das ist doch total normal für jemanden, der sich erst an die Zivilisation gewöhnen muss. Sieh dir doch an, wie süß sie ist.«

Dawn hielt das Mädchen eher für viel zu zierlich gebaut, aber das sprach er lieber nicht laut aus.

Eine geschlagene Viertelstunde später kamen sie dann endlich an der Abfertigung an.

»Name?«, fragte der Leutnant gelangweilt, wurde aber gleich hellwach, als Dawn seinen Namen nannte.

»Willkommen an Bord, Sir. Haben Sie irgendwelches Gepäck?«

»Nur eine Kiste erstklassigen Vurguzz für meinen privaten Vorrat. So etwas haben Sie noch nicht getrunken«, behauptete der Oxtorner.

»Das mag sein, aber ich darf Sie das Getränk trotzdem nicht ohne Genehmigung mitnehmen lassen, Sir!«

»Das geht schon in Ordnung, im Notfall melden Sie es unserem Kommandanten, oder dem ersten Offizier. Ich werde mich wohl kaum einfach davon machen«, meinte Dawn grinsend. »Ach ja, registrieren Sie auch gleich meine Freundin Daniels hier.«

Syntony dachte kurz nach, schluckte und erklärte die Angelegenheit für erledigt.

»Einen guten Tag noch, Ma'am, Sir«, stammelte Syntony noch, aber Dawn war schon weg.

Vorm Verlassen der Transmitterstation drehte Natalie sich noch einmal um und lächelte ihn freundlich dankend an. Dann war auch sie weg.

Unterer Ringhangar (BZ: ca. 11:30 Uhr)

Seit fast zwei Wochen arbeitete Yohko mit einem kleinen Team von Technikern an ein paar »kleinen Änderungen«, wie sie es Allan gegenüber genannt hatte, an ihrer neuen Kommandokorvette.

Unter anderem war die Positronik erweitert, eine größere Transformkanone installiert, die Triebwerke verstärkt und die Absorber verdoppelt worden – sprich die KATANA (so hatte Yohko die Korvette getauft) war in eine kleine Festung verwandelt worden …

Allan fragte sich immer noch, wie sie es geschafft hatte, eine Genehmigung für diese Umrüstung zu erhalten, aber die Genehmigung war von ganz oben per Funk-Depesche gekommen.

Er konnte von Yohkos USO-Mission ja nichts ahnen.

»PIEPPPPPPP

Laut riss das Multifunktionsarmband Yohko aus ihrer konzentrierten Arbeit.

Mittagspause! Endlich!

Mit diesem Gedanken kroch sie unter der geöffneten Bodenverkleidung in der Zentrale ihrer neuen Kommandokorvette hervor, wo sie gerade noch einmal die Kopplung Positronik/Sertsteuerung kontrolliert hatte, und begab sich schmutzig, wie sie war, zur nächsten Kantine.

Als Yohko gerade den Hangar verließ, sah sie noch, wie einer der beiden Thunder–Jets in den unteren Hangar der KATANA befördert wurde.

Ein befriedigtes Lächeln schob sich auf ihr Gesicht.

Der Lordadmiral hatte für guten Ersatz der PIKACHÛ gesorgt.

Transmitterstation (BZ: 11:30 Uhr)

Die Geschehnisse überstürzten sich auf einmal. Sie hörte ein junges Mädchen schreien und Leute hinfallen. Da alle in einer Reihe standen, kippten natürlich die Nachfolgenden auch um.

Mit einem Satz sprang Sulae aus der Reihe heraus, gerade rechtzeitig, damit die Reihe zum Stehen kam.

Sie sah, wie der zuständige Sicherheitsoffizier sofort damit begann, den Leuten zu helfen, und bemühte sich selbst ebenfalls, die Ordnung wieder herzustellen. Der Grund für das Chaos war wohl das junge Mädchen gewesen, mit dem sie zuvor zusammen gestoßen war.

Ein Teil von ihr lachte darüber, aber Sulae hielt sich unter Kontrolle.

Mit befehlsgewohnter Stimme gab sie Anweisungen an die Crewmitglieder und Zivilisten weiter, die völlig durcheinander geraten waren. Zum Glück waren die Crewmitglieder genauso gewohnt Befehle zu befolgen, wie sie welche zu geben, somit war die Ordnung bald wieder hergestellt.

Seufzend machte sich Sulae wieder auf den Weg, nachdem der Sicherheitsoffizier noch einmal salutiert hatte.

Auf einmal sah sie zwei Personen vor sich, die ihr bekannt waren. Es waren wieder das Mädchen und ihr Begleiter.

So, also auch Mitglieder der CREST-Crew. Interessant …, dachte sie.

Na, eine tolle Crew, die gleich ein Chaos anzettelt, wo es nur geht, spöttelte ihre innere Stimme.

Sulae konnte darauf nichts erwidern, also ließ sie es bleiben.

Sie gesellte sich zu den beiden Personen, die ihre Neugier geweckt hatten.

»Sacha! So sieht man sich wieder …«, sagte sie, gespannt, wer diese Personen waren. »Da wir das beim letzten Mal nicht konnten, werde ich mich wohl vorstellen. Ich bin Oberstleutnant Sulae Shalannan, die neue Sicherheitschefin.«

BZ: 11:45

Sulae hatte kurz mit den beiden Personen, die sich überraschenderweise als ihr Vorgesetzter und erster Offizier Allan Dean Gonozal und sein Schützling Kiril herausstellten, die Sulae auf Anhieb mochte, gesprochen und sich dann auf den weiteren Weg gemacht.

Zu ihrer weiteren Überraschung hatten sich einige Sicherheitsoffiziere versammelt, wohl, um sie an Bord zu begrüßen. Einige von ihnen sahen sehr übermüdet aus und Sulae konnte sich vorstellen, was wohl geschehen war.

»Solltest dich auch mal wieder auf einer Party einfinden und diese verstaubten Bücher verstaubt sein lassen«, spöttelte es in ihr.

Aber Sulae lächelte nur. Trotzdem fand sie es bemerkenswert, dass sich überhaupt Personen eingefunden hatten. Lächelnd trat sie auf die Sicherheitsleute zu, die salutierten, dann trat einer von ihnen vor und begrüßte sie …

Sicherheitszentrale (BZ: 12:00 Uhr)

»Achtung, in der Transmitterstation ist gerade die neue Chefin aufgetaucht!«, rief ein Sicherheitsbeamter, der dies scheinbar mitbekommen hatte.

»Dann wollen wir sie mal gut empfangen, hinterlasst mir zu meinem Abschied einen guten Eindruck!«, war Connors Reaktion.

Vron war bei den Leuten dabei, die Sulae empfangen sollten. Neben ihm machte einer seiner Kollegen ein etwas unglückliches Gesicht. Er hatte darauf gewettet, dass Connor durch einen Extremweltler ersetzt werden würde.

Allerdings schien das nicht der Fall zu sein. Der Posten hatte was von einer Arkonidin gemurmelt.

Sie nahmen Haltung an, als Sulae den Raum betrat, und salutierten.

Connor trat vor.

Sulae spürte, wie sich etwas Aufregung in ihrem Magen breit machte, aber es hielt sich in Grenzen. Trotzdem fragte sie sich, wie wohl ihre Sicherheitscrew aussehen würde und wie sie sich schlagen würde.

Dann trat sie in die Zentrale und sah einen Großteil der Sicherheitsoffiziere in Reih und Glied stehen. Das war wohl der andere Teil der Offiziere, der sie nicht schon am Transmitter empfangen hatte.

Sie sah sich um und bemerkte gleichzeitig auch einen Offizier mit hohen Rangabzeichen, der sicherlich ihr Vorgänger sein musste.

Damit hatte sie vollkommen Recht.

»Willkommen an Bord der CREST V und in der Sicherheitsabteilung. Ich bin ihr Vorgänger, Oberstleutnant Jack Connor. Hiermit übergebe ich Ihnen offiziell die Sicherheitszentrale.«

Vron wusste nicht wie er die Reaktion der neuen Sicherheitschefin deuten sollte, entweder nahm sie das Ganze würdevoll, oder bemühte sich nicht laut aufzulachen.

Sie bildeten ja auch nicht gerade ein tollen Anblick, viele waren übermüdet; naja, wenigstens hatten die Alkoholleichen im Moment frei.

Während es scheinbar mal wieder Ärger in der Abteilung Goimez gab, redete Connor weiter. Er wünschte gerade Miss Shalannan eine bessere erste Arbeitswoche, als auf der ersten Mission.

Vron konnte das auch nur hoffen. Vielleicht würde das Schiff diesmal ohne Probleme bleiben.

Nach einer ellenlangen Rede Connors, verabschiedete sich der Oxtorner, um von Bord zu gehen.

»Alles Gute, Sir!«, rief Vron ihm nach und viele andere schlossen sich ihm an.

»Viel Glück, auch euch und vor allem Ihnen. Die CREST V ist kein leichtes Kommando.«

Nun nahm sich Sulae die Zeit, sich ihre Leute genauer anzusehen. Es waren gut ausgebildete Leute, von denen sie glaubte, dass sie einiges konnten, wenn auch alle etwas müde waren, wohl vom Landurlaub.

Sie maß die Crew mit, zugegeben, etwas gespielt strengen Blicken.

Schließlich nickte sie zufrieden und glaubte die Anspannung, die aus den Offizieren wich, förmlich zu sehen.

Während Connor ging, sah Vron noch wie ein Sicherheitsoffizier begann Shalannan durch die Sicherheitsabteilung zu führen.

Es war beeindruckend, viel größer als ihre letzte Stationierung.

Dann regte sich etwas in ihr, tief in ihrer Seele. Sulae seufzte innerlich. Warum konnte sich Shalannan nicht einmal zurückhalten und musste ihren Senf dazu geben?

Nun, was für ein schönes Kommando, sagte Shalannan telepathisch. Du wirst sicher meine Hilfe brauchen, um ein paar aus dieser Truppe wieder auf Vordermann zu bringen.

Wie du meinen Gedanken entnehmen kannst, antwortete sie, weißt du, dass hier Landurlaub war und sicher die eine oder andere Feier gestiegen ist, nicht zuletzt zur Verabschiedung einiger Crewmitglieder. Also kannst du dir diese Kommentare sparen, denn es ist nicht dein Kommando, sondern meines!

Ja ja, und was, wenn du dich entschließt, es meines werden zu lassen?, schoss Shalannan zurück.

Dann wirst du es früh genug erfahren!, polterte Sulae.

Daraufhin zog sich Shalannan zurück. Sulae atmete erleichtert auf und konzentrierte sich wieder auf die Führung. Sie war froh, dass der Sicherheitsmann, der sie führte, nichts von ihrer kleinen Auseinandersetzung mitbekommen hatte.

Sie ließ sich alles zeigen und glaubte am Ende sich einen Überblick gemacht zu haben. Gut gelaunt dankte sie dem Offizier und entließ ihn.

Offiziersmesse (BZ: ca. 11:45 Uhr)

Einige verdutzte Offiziere wichen von ihren Plätzen zurück, als eine große Katze in Begleitung einer Öl verschmierten Person in einem Overall die Kantine betrat.

Yohko achtete nicht darauf und nahm Platz.

Nachdem sie eine riesige Portion des Tagesmenüs verschlungen hatte, fühlte sie sich besser und begann Tora, ihren Tiger, hinter den Ohren zu kraulen, was dieser mit einem lauten Knurren beantwortete.

Kommandozentrale (BZ: 11:50 Uhr)

Emerson arbeitete noch immer eifrig an seinem Terminal, als ihm sein Kommunikator einen eingehenden Ruf signalisierte. Der Veego nahm ihn an und wirkte kurz darauf ziemlich verwirrt.

Tief in Gedanken meldete er sich für ein paar Minuten ab und begab sich zum Ursprung des Anrufs: Die Poststelle der CREST V.

Während des etwa zehnminütigen Wegs zur Poststelle fragte er sich immer wieder, wer ihm ein Päckchen geschickt haben könnte. Eigentlich kannte er doch außer Monty niemanden näher und von Monty konnte es definitiv nicht sein!

Da war er auch schon angekommen.

Eine freundliche Angestellte überreichte ihm nach Überprüfung seiner Identität ein größeres Paket.

Doch er war noch keinen Deut schlauer als vorher, denn das Paket hatte keinen Absender …

Als er das Paket wenige Minuten später in seiner Kabine öffnete, musste sich Emerson erst einmal setzen – Veego waren für solche Überraschungen nicht gebaut …

In dem Paket befand sich ein Gegenstand, den er nur zu gut kannte – er hatte sogar eine genaue Replik in einer Kiste im Schrank!

Emersons Kabine (BZ: 13:07 Uhr)

Nach einigen Augenblicken, in denen er sogar das Atmen vergaß, stürzte er zum großen Wandschrank, riss den großen Wäschehaufen beiseite und hievte die dahinter zum Vorschein kommende schwarze Kiste auf sein Bett, wo er sie mit geübten Griffen öffnete.

Die Replik des Artefaktes lag noch so da, wie er es in Erinnerung hatte.

Nach mehreren Minuten des Nachdenkens legte er resigniert das – wie er vermutete – originale Artefakt dazu und verstaute die Kiste wieder im Wandschrank.

Dann setzte er sich hin und grübelte nach.

Der Dieb war schlauer gewesen als er, denn er war nicht das Risiko eingegangen, wieder in seine Kabine einzubrechen, wo er zwangsläufig in die von Emerson gestellte Falle gelaufen wäre. Nun hatte er zwar sein kostbares Artefakt wieder zurück, aber den Dieb hatte er nicht entlarven können.

Schließlich ging er in die Kommandozentrale zurück und nahm seinen Platz ein.

Im Stillen verfluchte er Yohko Takashi, die er immer noch für die Diebin bzw. die Auftraggeberin hielt. Vor allem die Erteilung der Genehmigung für die Umrüstung der KATANA durch eine hohe Stelle des Flottenkommandos hatte ihn in seiner Überzeugung bestärkt, dass Takashi eine USO- oder noch aktive SolAb-Agentin war.

Das einzige wirkliche Indiz dafür war übrigens der Scanner, den sie damals auf dem Planeten verwendet hatte, um Montys Deflektorfeld anzumessen. Doch echte Beweise hatte er nicht, und Takashi würde sich sicher auch kaum eine Blöße geben.

Also musste er vorerst damit leben, dass zwei Fraktionen hinter ihm her waren – nämlich Yohko Takashi und die Bordsicherheit, die ihn nicht einmal in Ruhe sein Schrittorgan aufladen ließ!

Astronomische Beobachtungskuppel (BZ: 15:05 Uhr)

Nachdem sein Dienst zu Ende war, begab sich Emerson in die astronomische Beobachtungskuppel und betrachtete für lange Zeit die Sterne. Es gingen viele Gedanken in seinem Kopf herum, doch er beachtete sie nicht.

Weder hatte er irgendwelche Möglichkeiten zu handeln, noch konnte er irgendwelche nutzbringenden Spekulationen anstellen. Es war alles so frustrierend.

Ein Piepton von seinem Multifunktionsgerät am Handgelenk erinnerte ihn daran, dass es 21 Uhr und seine Bereitschaft beendet war.

Da er nichts besseres zu tun hatte, ging er in die Offiziersmesse, um etwas Nahrung zu sich zu nehmen.

Transmitterraum (BZ: 19:00 Uhr)

Nach getaner Arbeit, verkürzt durch ein paar Freistunden, begab sich Vron zur Transmitterstation. Die war im Moment recht leer. Nur ein einzelner Sicherheitsmann saß an der Abfertigung.

Vron identifizierte ihn als Pavel Syntony, der unter dem Drachen in der Sicherheitsabteilung arbeitete.

»Na, wollen Sie sich das Nachtleben anschauen?«, wurde er gefragt.

Vron lachte. »Nein, einfach nur einen ruhigen Spaziergang über den Planeten machen. Bei dem ganzen Chaos hier an Bord, ist ein bisschen Ruhe und Frieden mal ganz angenehm.«

Der Sicherheitsbeamte tat ihm noch den Gefallen ihn zu einen Portal in der Nähe eines Stadtparks zu transportieren, dann ging Vron von Bord.

Der Sicherheitsmann tat ihm zwar etwas leid, aber der würde ja bald wohl seine Ablösung bekommen. Vron begann durch den Park zu wandern.

Offiziersmesse (BZ: 20:30 Uhr)

Kiril und Allan saßen in einer der kleineren Offiziersmessen. Allan hatte ihr mit »Ach und Krach« ausreden können, gleich noch einmal auf den Planeten zu wollen.

Aber sie hatte daraufhin etwas geschmollt und Allan hatte den Verdacht, dass dieses Chaos, das sie in der Transmitterstation angerichtet hatte, nicht ganz so unbeabsichtigt war, wie es aussah.

Nun ja, ein Gutes hat selbst das, dachte er bei sich, denn er war so auf äußerst ungezwungene Art und Weise der neuen Sicherheitschefin vorgestellt worden.

Mittlerweile dürfte sie sich eingerichtet haben und demnächst wollte sie hier auftauchen. Irgendwie erinnerte sie ihn an jemanden, nur hatte er vergessen, an wen.

Kiril machte sich gerade über eine altterranische Mehlzubereitung her, »Spaghetti Boongese« oder so ähnlich genannt, und dieser Anblick reizte Allan einfach zum Lachen

Während einer seiner Kollegen kurz die Abfertigung für ihn übernommen hatte, war Pavel jetzt in der Lage sich sein Abendessen in der Messe zu genehmigen. Für ihn als Spätaufsteher war das sowieso die wichtigste Mahlzeit des Tages.

Nachdem er sich eine Portion Spaghetti geholt hatte, sah er auf dem Weg zu einem Sitzplatz den ersten Offizier mit seinem Mündel sitzen.

Er trat an den Tisch des Offiziers heran und sagte: »Sir, ich hätte da eine Frage …«

Allan schaute auf und bemerkte einen Leutnant der Sicherheitsabteilung. Es war derselbe, der ihn am Vormittag am Transmitter abgefertigt hatte.

Er las das Namensschild und sagte: »Was gibt es, Leutnant Syntony?«

»Sir, heute Vormittag kam Oberstleutnant Dawn durch den Transmitter. Er hatte einen nicht unerheblichen Vorrat eines stark alkoholhaltigen Getränks dabei. Er hatte gemeint, das hätte so seine Ordnung und ich sollte mich doch gegebenenfalls an Sie wenden!«

Nach einem kurzen Zucken seiner Mundwinkel antwortete Allan: »Das hat auch so seine Ordnung. Trotzdem vielen Dank, das Sie mich informiert haben.«

Jedoch machte Allan sich noch eine geistige Notiz, mal ein gehöriges Wörtchen mit Dawn zu reden. Wenn der schon solche Kabinettsstückchen drehte und Allans Namen dazu verwendete, würde er zumindest teilen müssen.

Weil Kiril ziemlich hungrig auf Pavels Tablett stierte, meinte dieser: »Magst du den Pudding?«

Es war ziemlich deutlich, wohin ihr Blick ging.

»Jaaa«, kam die drängelnde Antwort.

»Mit Ihrer Erlaubnis?«, fragte Pavel den ersten Offizier.

Allan schaute etwas überrascht wegen der Dreistigkeit des jungen Offiziers, dem er allerdings solche Manieren nicht zugetraut hatte und meinte nur: »Von mir aus.«

Mit einem Freudenschrei stürzte das Mädchen sich auf den unerwarteten zweiten Nachtisch.

Auf dem Weg zur Offiziersmesse

Robert Alun hatte seinen Landgang genossen.

Sein Datenkristall war jetzt bedeutend voller als vorher, mit Werken seiner Lieblingsautoren gefüllt.

Nach dem guten Essen auf der Erde würde das in der Messe sicher schlecht schmecken. Nun ja, in einigen Tagen würde ihm das nichts mehr ausmachen.

Der Tag war wirklich erholsam gewesen. Es war auch alles gut gelaufen. Nur die Ergebnisse von Man hatte er nicht erfahren können, aber man konnte nicht alles haben.

Er bog zu der Offiziersmesse ab, in der sich auch Allan Dean Gonozal befand.

Offiziersmesse

Mit recht guter Laune, schließlich war es im Moment nicht sehr stressig, betrat Robert die Messe. Er stellte fest, dass es Spaghetti gab, immer noch eines der Lieblingsgerichte der Erdenkinder und auch einiger Erwachsenen.

Auch er gehörte zu den Leuten, denen Spaghetti recht gut schmeckten.

An einem Tisch sah er den ersten Offizier Allan Dean Gonozal mit seiner Pflegetochter Kiril. Das Mädchen aß recht viel.

Konnte es sein, dass sie früher nicht genug zu essen bekommen hatte und sie deswegen noch von einer inneren Uhr beherrscht wurde, die sagte, dass sie essen sollte, solange etwas da war, damit sie für später Reserven hatte, oder schmeckte es ihr nur einfach zu gut?

Neben ihr standen schon ein Teller Spaghetti und zwei Nachspeisen und heute waren die Portionen recht üppig.

Alun bemerkte kurz einen Sicherheitsoffizier, der mit Allan redete.

»Syntony« stand auf seinem Namensschild.

Als sich Robert in der Nähe hinsetze und den 1. Offizier begrüßte, war ihm fast so, als ob ihn der Sicherheitsoffizier etwas misstrauisch beäugte.

»Übrigens, Robert Alun, ich bin der Galakto-Psychologe!«, stellte er sich vor, denn sein Auftreten wirkte vielleicht wirklich etwas komisch.

»Ich kenne den 1. Offizier, von der 1. Mission her, ein bisschen.« Er hoffte, dass der Sicherheitsoffizier ihn jetzt nicht für ein höchst verdächtiges Subjekt hielt.

»Pavel Syntony, ich arbeite in der Sicherheitsabteilung«, antwortete ihm Syntony.

Da Robert kein ungefährlicher Weg einfiel, wie er heraus bekommen konnte, was Syntony nun genau machte, versuchte er das Gespräch auf einen sicheren Boden zu bringen: »Sir, wissen Sie schon, wann es wieder losgeht. Nicht dass wir wieder die halbe Crew da lassen …«

Allan schüttelte den Kopf. »Nein!«, meinte er lächelnd. »Aber diese Mission wird weniger chaotisch als die letzte sein, das verspreche ich Ihnen!«

Robert unterhielt sich noch ein bisschen mit Allan und auch mit Kiril.

Im Hinterkopf behielt er aber Syntony.

Er meinte fast, er hätte denn Namen schon gehört und er glaubte, dass Syntony im internen Bereich arbeite, also so eine Art »Chef-Schnüffler« war.

Dabei lief ihm ein Schauer über den Rücken.

Verdammt, denk nicht an Laska, Syntony ist sicher ganz harmlos, dachte er sich immerzu.

Pavel machte sich dann an einem anderen Tisch über sein Essen her und begab sich danach – allerdings wenig begeistert – wieder zur Abfertigung am Transmitter.

Inzwischen war Sulaes Aufregung einem anderen Gefühl gewichen, dass ihr verdächtig wie Hunger vorkam.

Zeit für einen Imbiss in der Offiziersmesse, entschied sie kurz entschlossen und machte sich auf den Weg. Unterwegs sah sie kurz in sich hinein. Shalannan war nicht wirklich eingeschnappt, doch sie war ab und zu mal launisch und hatte sich nun tief in die Abgründe von Sulaes Seele zurück gezogen.

Sulae zuckte mit den Schultern und ließ sie da. Nicht lange, und sie würde wieder hinaus kommen.

Inzwischen hatte sie die Messe erreicht und sah sich um.

Sie erwartete nicht, auch nur irgendwen zu kennen, doch es war ihre Angewohnheit, sich über alles einen Überblick verschaffen zu wollen.

Doch zu ihrer Überraschung entdeckte sie doch zwei bekannte Gesichter, an die sie gar nicht mehr gedacht hatte. Der erste Offizier Gonozal und sein Mündel Kiril, das sich gerade über eine Portion Spaghetti hermachte.

Sulae dachte kurz nach. Nun ja, da ich hier sowieso niemanden kenne, kann ich genauso gut zu meinem neuen Vorgesetzten gehen.

Kurz entschlossen machte sie sich auf den Weg und stand kurz darauf neben ihm und Kiril.

Diese sah mit ihren großen Augen zu ihr auf und lachte.

»Sei mir gegrüßt, Kiril! Seien auch Sie mir gegrüßt, Sir! Würde es Sie allzu sehr stören, wenn ich mich zu Ihnen gesellen würde?«, sagte sie zu dem erstaunt blickenden Offizier und der lächelnden Kiril.

Sie hatte ihn wohl mit ihrer Dreistigkeit überrascht, aber das störte sie nicht wirklich.

Sulae musste zugeben, dass da ein wenig Shalannan für die Formulierung verantwortlich war, wenngleich Sulae versuchte, einen spöttelnden Unterton aus ihrer Stimme zu halten.

Das gelang ihr zum Glück auch.

Doch die Worte waren für Sulae zumindest unverkennbar. Niemand sonst konnte in einer solchen Situation soviel Spott entwickeln. Innerlich konnte sie Shalannan lachen hören. Sie hatte sichtlichen Spaß an der Situation.

Nun gut, es hatte ihr, soweit sie das erkennen konnte, nicht geschadet. Somit wartete sie geduldig auf eine Antwort des immer noch völlig verblüfften ersten Offiziers.

So ganz wusste Allan nicht was er davon halten sollte.

Man könnte fast meinen, ich hätte hier Sprechstunde, ging es Allan durch den Kopf. Naja, die meisten haben etwas Scheu, sich mit kommandierenden Offizieren zu unterhalten. Macht den Job nicht einfacher.

Allerdings bot er dem neuen Chef der Sicherheitsabteilung an, doch Platz zu nehmen,.

»Haben Sie sich schon eingelebt?«, fragte er die für ihren Rang ziemlich junge Offizierin. »Entschuldigen Sie, ich weiß, es klingt wie eine billige Anmache, aber kennen wir uns von früher?«

Sulae nickte dem ersten Offizier zu und setzte sich mit ihrer Tasse Tee an den Tisch. Eine Zeit lang sah sie Kiril zu, die mit Appetit aß und sie zwischendurch mit einem Lächeln bedachte.

Auf die Frage des ersten Offiziers sah Sulae überrascht zu ihm.

»Nein, nicht das ich wüsste …«, antwortete sie.

Dann richtete sie eine lautlose Frage an Shalannan.

Na, jetzt denk aber mal scharf nach, Sulae!, kam sofort die Antwort. Woher könntest du diesen netten Herrn denn nur kennen?

Sulae sandte eine lautlose Beschimpfung an die Adresse Shalannans, der es anscheinend höllischen Spaß machte, sie zu ärgern.

Also gut, ich will mal nicht so sein. Die einzige Möglichkeit ist eigentlich deine Ausbildung damals, ARK SUMMIA, bevor du abgebrochen hast. Ansonsten hab ich schon alles überdacht, keine weiteren Möglichkeiten.

Danke, antwortete Sulae, überrascht von der Kooperation. Dann wandte sie sich wieder dem richtigen Gespräch zu.

Der einzige Nachteil an diesen inneren Gesprächen war, dass die Leute nichts davon mitbekamen und man immer einen Teil des Gesprächs verpasste.

Aber Gonozal hatte anscheinend mit Kiril gesprochen und Sulae hatte daher nichts verpasst.

Sie lächelte und sagte dann: »Doch, wo Sie es sagen, könnte sein, dass wir uns bei der ARK-SUMMIA-Ausbildung auf Iprasa einmal getroffen haben. Aber das ist lange her …«

Sie dachte einen Moment an diese Zeit zurück und versuchte fieberhaft, sich zu erinnern, ob sie den ersten Offizier damals gekannt hatte.

Sie wurde erst wieder aus den Gedanken gerissen, als dieser sagte: »Das ist möglich, sind Sie Absolventin?«

Sofort ließ Shalannan ein Lachen hören.

Was gibt es da zu lachen?, fragte Sulae wütend.

Absolventin … Du??? Das glaube ich kaum!, kam die spottende Antwort, aber etwas anderes hatte Sulae nicht erwartet.

Stimmt eigentlich, meinte sie. Wenn ich so über dich nachdenke, kann da was nicht ganz richtig gelaufen sein!

Bevor ihre zweite Seele auch noch irgend etwas erwidern konnte, wandte sie sich dem ersten Offizier zu. »Ich habe die Faehl besucht, das ist wahr. Aber ich habe kurz vor der 3. Prüfung abgebrochen. Sagen wir einfach, es ist bei der Ausbildung ein Fehler unterlaufen.«

Damit schwieg sie und trank ihren Tee. Sie spürte noch das Echo von Shalannans Spott in ihrem Geist, doch so langsam schien sich ihre zweite Seele wieder halbwegs zu beruhigen.

Sulae war neugierig und hätte gerne erfahren, ob die Prozedur bei ihrem Vorgesetzten geklappt hatte, denn anscheinend hatte sie das.

Im Grunde wusste sie ja, dass sie die einzige war, bei der die Prozedur so gründlich schief gelaufen war, aber irgendwie fragte sie sich immer, wenn sie einen Absolventen traf, ob ihm nicht das Gleiche passiert war.

»Tja«, antwortete Allan seufzend. »Ich war am Beginn des dritten Ausbildungsabschnitts aus, ähem, familiären Gründen gezwungen, die Ausbildung abzubrechen und verlor meinen Status als Mertaso. Es wäre auch merkwürdig gewesen, jemandem mit voll aktiviertem Extrasinn im Dienst der Solaren Flotte zu begegnen …«

Sulae wusste darauf nichts zu erwidern und schwieg erst einmal.

Kommandantenkabine, Kommunikationszentrale (BZ: 20:31 Uhr)

Oberst Strader saß in seiner Kabine und las einige Berichte.

Die Anzahl der Versetzungsgesuche hatte ihn ziemlich überrascht, insbesondere die von einigen hohen Offizieren. So schockierend waren die Eröffnungen nun auch wieder nicht gewesen.

Auf einmal ertönte ein leises Piepen, das er anfangs fast ignoriert hätte. Sein Armbandkommunikator meldete die Ankunft einer verschlüsselten Botschaft, die an ihn gerichtet war.

Also begab er sich in die Funkzentrale, wo zwei junge Leutnants der Nebenschicht ziemlich nervös auf ihn warteten.

Ist wohl ihr erster Überrangbefehl, dachte der Oberst schmunzelnd. Nach der Identifizierungs- und Authentifizierungsprozedur hatte er endlich die Freigabe und konnte sich die Übertragung in der »Privatkabine«, einem vor Abhör- und Überwachungsversuchen sicheren Bereich, anschauen.

Wenige Minuten später kam er fluchend aus der Kabine und stürmte zurück zu seiner eigenen.

»Dicke Luft«, sagte einer der beiden Wachoffizier zum anderen, was dieser mit einem Nicken quittierte.

Von seiner Kabine aus setzte Strader eine Besprechung im kleinen Kreis mit dem 1. und 2. Offizier für den folgenden Morgen an und strich alle weiteren Landurlaube.

Offiziersmesse (BZ: 21:05 Uhr)

Am Ausgabetresen holte Emerson sich eine Portion Spaghetti und setzte sich an einen freien Tisch. Er hatte kein Bedürfnis nach Kommunikation.

An einem der Nebentische sah er den Ersten Offizier Allan Dean da Gonozal mit seinem Mündel Kiril zusammen mit einer ihm unbekannten Arkonidin.

Doch es interessierte ihn nicht, also wandte er sich wieder seinem Essen zu.

Planet, Park (BZ: 21:00 Uhr)

Vron genoss richtig die frische Luft und die Natur. So eine Idylle konnte eigentlich nichts stören. Nun ja, fast nichts.

Als Vron mitten in seinen Gedanken war, erschien das Bild von Skip Rudolexos, einem jungen lepsonischen Sicherheitsoffizier der Nebenschicht, vor seinen Augen. Außerdem war er noch mit Vron befreundet.

»Hallo Alter, ich dachte, es könnte dich interessieren, dass der Kommandant alle Landurlaube gestrichen hat.«

»Oh, geht wohl wieder los. Wir knapp ist es?«

»Keine Ahnung. Beeile dich lieber.«

Schade, der Spaziergang hat richtig gut getan, dachte Vron. Aber vorbei ist vorbei! Ich muss zurück zur CREST!

Und er lief zum Transmitter zurück.

Planet, Transmitterstation (BZ: 21:30 Uhr)

Schon von Weitem sah er, dass beim Transmitter etwas nicht stimmte. Mehrere Techniker arbeiteten an einem ausgefallenen Transmitter.

»Nicht schon wieder!«, stöhnte jemand neben ihm.

Vron drehte sich um und sah Vario McNeil, der an Bord für die Robotkampftruppen zuständig war.

»Mir ist dasselbe schon bei der ersten Mission passiert. Und für zwei Leute wird Wilford wohl nicht mal einen Gütertransporter schicken. Tja, sieht so aus, als ob wir diese Mission wirklich verpassen!«

Vron nickte. Es sah übel aus.

»Keine Angst, meine Herren«, meldete sich da ein Techniker. »Wir brauchen fünf Minuten, dann geht das Ding wieder.«

Nun ja, es wurden eher zwanzig.

Aber Vron und Vario waren trotzdem froh, als sie die Crest wieder betreten konnten.

Emersons Quartier (BZ: 21:32 Uhr)

Emerson legte sich auf sein Bett und starrte stundenlang an die Decke. Um 8 Uhr gab sein positronischer Wecker einen Weckruf von sich.

Der Veego stand seufzend auf und ging in die Hygienezelle.

Nach einer ausgiebigen Dusche zog er eine frische Uniform an und setzte sich an sein Computerterminal, um die neuesten Bordnachrichten abzurufen.

Das einzige von Bedeutung war die Streichung aller Landurlaube.

Dann ging er zum Frühstücken in die Offiziersmesse.

Kommandozentrale (BZ: 02.10.3431 08:55 Uhr)

Nach einem kargen Frühstück betrat Emerson die Kommandozentrale und ging zur Navigationskonsole, wo er seinen Ersatzmann ablöste.

Er setzte sich in den Sessel vor seiner Konsole, kontrollierte die Schaltungen und starrte dann mit leerem Blick auf die Bildschirme vor ihm.

Es gab nichts für ihn zu tun, denn auch wenn die CREST V in Kürze aufbrechen sollte – solange man ihm kein Flugziel nannte, konnte er auch keinen Kurs berechnen.

Aluns Kabine (BZ: 9:00 Uhr)

Robert erwachte und stand auf. Als er auf die Bordnachrichten schaute, sah er es sofort. Alle Landeurlaube waren gestrichen worden.

Das konnte zweierlei heißen.

Entweder war Strader mächtig sauer auf die Crew, was eigentlich einen Grund haben müsste, oder es ging wieder los, was sehr viel wahrscheinlicher war.

Auf jeden Fall konnte einem derjenige leid tun, der an der Empfangsstation Dienst hatte.

Er war gespannt, wohin es wohl gehen würde. Obwohl sie wahrscheinlich in der Milchstraße bleiben würden, wäre eine Mission in eine andere Galaxie schon recht interessant. Nun ja, dass sie genau nach Andromeda fliegen würden, wo sich ein Teil seiner Vergangenheit befand, war extrem unwahrscheinlich.

Aber eine andere Galaxie war wohl eines der Ziele, welche die meisten Sternfahrer faszinierten. Es war der Reiz des Unbekannten.

Robert sah sich die Bordnachrichten weiter an.

Der erste Offizier wollte einen Dagor-Kurs geben. Alun wusste nicht so sehr viel über Dagor. Es war eine antike, arkonidische Kampfkunst. Er wusste nicht, ob sie heute noch so viel Sinn machte.

Allerdings war die Frage, wer sich zu dem Dagorkurs anmeldete.

Wenn es die normalen Kämpfer der Crest waren, würde es für Allan schwierig werden, denn ein Oxtorner und ein Überschwerer waren nicht unbedingt gute Sparringpartner.

Als Alun daran dachte, musste er lächeln. Er fragte sich, wie es den beiden und anderen, die er schon länger nicht mehr gesehen hatte, ging.

2. Die zweite Mission

Kleiner Konferenzraum (BZ: 09:05 Uhr)

Die »kleine Missionsbesprechung«, wie der Oberst sie genannt hatte, zog sich jetzt schon fast fünf Minuten hin, ohne dass die Mission auch nur mit einem Wort erwähnt worden war. Der Kommandant saß mit dem 1. und 2. Offizier an einem Tisch und hatte sich von der Robot-Ordonnanz erst einmal etwas Kaffee und einige Brötchen bringen lassen. Das machte die beiden Oberstleutnants sehr nervös, denn normalerweise kam der »Alte« schnell »zur Sache«.

Irgendwie schien ihm die ganze Mission nicht zu gefallen.

Nach einer Weile fragte der Kapitän, wie denn der gestrige Abend gewesen sei, was Allan wieder in die melancholische Stimmung versetzte, welche ihn den gestrigen Abend über nicht mehr los gelassen hatte.

Allan antwortete nichts sagend und ausweichend.

So schwer die Zeit der Ausbildung und Prüfung auch gewesen war, er hatte sie in angenehmer Erinnerung.

Wenn man die geringe Zahl der Arkoniden, die zu dieser Ausbildung überhaupt zugelassen wurden, sowie die momentanen politischen Probleme zwischen dem Solaren Imperium und dem Arkonidischen Reich bedachte, war es ein ausgewachsenes Wunder, dass er in der neuen Sicherheitschefin eine Art »Mitschülerin« getroffen hatte.

So saßen sie wieder schweigend da und aßen.

»Ich habe gehört, Ihr kleines Andenken hat gestern für einigen Trubel bei der Sicherheitsabfertigung gesorgt«, sagte Allans Vorgesetzter nach einiger Zeit.

Nach einem tiefen Atemzug antwortete Allan, dass Kiril wohl etwas ungeschickt gewesen war, er aber nicht von Trubel sprechen mochte.

Dabei betonte er den Namen seines Mündels. Er sah sie als selbständiges junges Wesen – zu selbständig manchmal – das mit mehr Problemen in ihren jungen Jahren hatte kämpfen müssen als die meisten in ihrem ganzen Leben. Sie war alles, nur bestimmt nicht ein »Andenken«.

Wie leicht konnten aus einem dummen Spruch Gerüchte entstehen? Strader schien seine Entgleisung nicht einmal bemerkt zu haben.

Aber irgendwann fing er dann doch von der Mission an.

Mit ziemlichem Pathos sagte er: »Meine Herren, Sie werden sich wundern, warum ich dieses Treffen anberaumt habe. Wie Sie sicher vermutet haben, geht es um die neue Mission. Das Imperium scheint ziemlich nachlässig geworden zu sein; es ist schon wieder ein Schiff mit absolut wichtiger Technik an Bord verschwunden.

Und nun raten Sie mal, wer es suchen darf?

Wir natürlich, die CREST V, die Missfits der Flotte. Mein Kommando, das Gespött der Galaxis.« Man konnte das ätzende Selbstmitleid fast schon tropfen sehen.

»Besonders schmackhaft wird das Ganze durch den Ort der Suche, denn der letzte bekannte Standort ist einer der dichtest gefüllten Sektoren in der direkten Nähe des gasartigen Zentrums …«

Der Tonfall ließ die besonderen Freuden des Galaktischen Zentrums wie tödliche Strahlenstürme, Zentrumspest und Navigationsschwierigkeiten erahnen.

»Dazu gibt's noch ein besonderes Schmankerl, das Schiff machte Belastungsexperimente mit einer neuartigen Art von höherdimensionalen Energieschirmen. Und das FZK hat keinerlei Ahnung, welche Effekte dieser Schirm in dem Gebiet hervorrufen kann!«

Er seufzte.

»Das Ganze ist fast nicht zu verantworten, ich möchte, dass die Energieschirmprojektoren dreifach überprüft werden, bevor wir auch nur in die Nähe eines Problems kommen. Ich werde nach dieser Besprechung hier die Kursvorgaben freigeben.

Wenn nichts dazwischen kommt, sollten wir um 12:00 Uhr aus dem Orbit heraus sein und Kurs Richtung Galaktisches Zentrum gesetzt haben.

Mr. Gonozal, Sie sollten sich noch einmal gründlich überlegen ob sie die kl …« Da bemerkte er wohl Allans Blick. »… Ihr Mündel nicht hier in Pflege geben wollen. Das ist keine Spazierfahrt und wer weiß, was passiert.«

Diese Diskussion hatten sie wohl schon sechs Mal gehabt, weshalb der Oberst auch darauf verzichtete, sie weiter auszubauen

Nachdem der Kommandant erzählt hatte worum es ging, wunderte Artor das Verhalten überhaupt nicht mehr. Dann meldete er sich zu Wort: »Kommandant, wann werden Sie die Crew informieren?«

Strader blickte den sonst so schweigsamen zweiten Offizier verwundert an, nickte kurz und sagte: »Wissen Sie was, Mr Seek? Das Informieren übernehmen Sie.

Aber sagen Sie nur, dass es sich um eine Such- und Bergemission handelt, die in unkartographierte Gebiete führen wird.

Wir wollen ja nicht wieder für Unruhe sorgen.«

Er gab noch einige allgemeine Anweisungen und sie tranken den Kaffee aus.

Kommandozentrale (BZ: 9:33 Uhr)

Ohne Vorwarnung tauchte auf einem der Bildschirme von Emersons Navigationsterminal eine Mitteilung auf, aus der hervorging, dass die CREST V um 12:00 Uhr ins Zentrumsgebiet der Milchstraße aufbrechen würde.

Als er das gelesen hatte, richtete sich der demoralisierte Veego aus seiner zusammengesunkenen Sitzhaltung auf und spürte, wie sein Elan und seine Energie wieder zurückkehrten. Sogleich machte er sich daran, mehrere Kursalternativen zu berechnen, die er dann Kommandant Strader in Kürze vorlegen würde.

Gegen 10:30 Uhr war er damit fertig und übermittelte die Kursvorschläge an Straders Terminal.

Der Kommandant der CREST V wählte einen Kurs aus, der sie relativ schnell und gleichzeitig überaus vorsichtig an ihr Ziel bringen würde. Dann kümmerte er sich um andere wichtige Dinge, die vor dem Start noch erledigt werden mussten.

Um 12:00 Uhr lenkte Jean Stiletto das riesige Schiff aus dem Orbit um MZ-4 auf einen Kurs, der sie aus dem Sonnensystem hinausführen würde.

Gegen 16:15 Uhr ließen sie die Bahn des äußersten Planeten hinter sich und sprangen in den Linearraum, wo sie mit einem Überlichtfaktor von etwa 30 Millionen dem galaktischen Zentrum entgegen strebten.

Sicherheitszentrale (BZ: 10:00 – 10:45 Uhr)

Kiril schlenderte durch die Gänge, schenkte den vorbei Eilenden kaum Beachtung, verhielt sich unauffällig.

In Gedanken ging sie noch einmal das Abendessen durch und sie musste sich eingestehen, dass sie immer noch nicht verstanden hatte, von was für einem Institut Sulae und Allan geredet hatten.

Aber noch mehr hatte sie Allans Antwort verdutzt, auch das er es später geschickt vermieden hatte, ihr zu sagen, was für familiäre Gründe ihn dort weg gezogen hatten.

Nach wie vor war er ihr noch vorsichtig gegenüber, teilweise unbeholfen. Aber gut, wenn er ihr nicht erklären wollte, würde sie Sulae fragen.

Zielstrebig lief sie Richtung Sicherheitsabteilung und versuchte dort so zufällig wie möglich aufzutauchen.

Sulae hatte den Kopf in irgendwelche Berichte gesteckt und bemerkte sie anfangs nicht. Kiril musterte sie und ihre Umgebung sorgfältig. Obwohl sie noch nicht lange auf der CREST war, schien ihr Arbeitsplatz aufgeräumt. Ihre Materialien lagen ordentlich nebeneinander und unter all den schlichten Dingen, fiel ihr eine kunstvolle Brosche auf, sehr aufwendig gearbeitet und sicher wertvoll.

»Ein Erbstück?«

Sulae, die die neusten Sicherheitsbericht durchging, entging es trotz aller Konzentration nicht, dass Kiril die Sicherheitszentrale betreten hatte.

Es war ein großer Vorteil, sich auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentrieren zu können, vor allem als Sicherheitsoffizier.

Außerdem hatte Shalannan sie frühzeitig mit einer ihrer typischen Bemerkungen gewarnt.

Sulae lächelte wegen diesem offensichtlichen »Zufall«, der Kiril hierher geführt hatte. So wunderte es sie nicht, als Kiril sie auf einmal ansprach.

Sei vorsichtig, meine Teure, mahnte Shalannan sofort. Sonst hast du demnächst eine kleine Klette am Hals, und das würde unsere Bewegungen doch außerordentlich behindern.

Nun, aber vielleicht möchte ich diese Klette ja am Hals haben, weil ich sie mag. Und nun sei ruhig!, befahl Sulae. Dann wandte sie sich Kiril zu, die Sulae aufmerksam ansah.

»Ja, ein Erbstück«, sagte sie, nicht ganz ohne Trauer.

Ein Erbstück deines Versagens, spöttelte Shalannan. Sulae achtete nicht auf sie.

»Aber setz' dich doch.«

Sie bot Kiril einen Stuhl an und die offene, junge Frau begann ohne zu Zögern das Gespräch.

Sulae lachte. »Warte, warte, lass mich doch erst einmal eine Frage nach der anderen beantworten. Also, ich stamme aus dem arkonidischen Adel, wie du vielleicht vermutet hast. Meine Familie gehört schon seit Abertausenden von Jahren zu den Ma-len. Aber ich gebe schon lange nichts mehr auf meine Herkunft.«

Viele, alte Erinnerungen drangen auf sie ein. Erinnerungen, die ihr nicht unbedingt leicht fielen.

»Aber ich bin auch nur die jüngste von drei Geschwistern, die Erbin unseres Hauses ist meine große Schwester Linurril, mein großer Bruder Carrem ist Offizier in der arkonidischen Garde.«

Es fiel ihr schwer, über ihre Familie zu sprechen, von der sie nur bruchstückhafte Erinnerungen zurückbehalten hatte.

Doch es war ihre Entscheidung gewesen, zumindest zum größten Teil.

Kiril nickte und fragte sie nach ihren Hobbys. Sulae überlegte eine Weile und Shalannan schaltete sich in das Gespräch ein.

Zähle mich bitte auch mit auf!, bat sie spöttisch.

Du bist kein Hobby, du bist ein Vollzeitjob!, antwortete Sulae im selben Tonfall.

»Nun ja, ich trainiere mich regelmäßig in einigen Kampfsportarten, was in meinem Beruf sehr wichtig sein kann. Dann lese ich sehr viel. Seltsamerweise interessierte ich mich auch für Medizin, wo das herführen mag, kann ich nur vermuten. Ansonsten widme ich mich Computerproblemen.«

So langsam fühlte sich Sulae wie in einem Interview und sie fragte sich, ob Kiril das nicht in den Bordnachrichten veröffentlichen würde.

»Nun, du kannst mich ja gerne mal besuchen kommen, wenn du möchtest! Ich koche uns etwas und wir können uns in Ruhe unterhalten.«

Kiril antwortete, dass sie das sehr gerne täte, fragte jedoch: »Wo ist eigentlich Ihr Quartier?«

Sulae gab ihr Antwort und meinte außerdem, solange sie nicht dienstlich miteinander sprächen, könnte Kiril auch das vertraulichere »Du« benutzen.

Eine Weile schwieg Kiril und Sulae konnte erraten, dass sie noch etwas anderes auf dem Herzen hatte. Ermunternd sah sie ihre neue Freundin an.

»Gestern Abend, in der Messe … Du und Allan, ihr spracht über ein … Institut. Er, nun ja …«

»Er hat dir nicht gesagt, worum es ging, nicht wahr? Und du würdest es gerne wissen?« Kiril guckte verlegen zu Boden und nickte.

Sulae lachte. »Also, ich weiß nicht, ob er einverstanden ist, dass ich dir etwas davon erzähle, er hat sicherlich seine Gründe dafür, obwohl ich eigentlich keine Bedenken sehe.«

Sie dachte einen Moment nach und fragte Shalannan um Rat.

Diese antwortete: Warum solltest du es ihr nicht erzählen? Es ist nichts, was geheim wäre, abgesehen davon ist sie Arkonidin. Und ob sie es jetzt durch den Computer erfährt oder durch dich, ist doch eigentlich egal.

Danke, Shalannan, sagte Sulae und wandte sich dann wieder Kiril zu.

»Ich werde versuchen, es dir zu erklären. Manche Arkoniden haben besondere Fähigkeiten, die sich im Jugendalter zeigen. Die ARK SUMMIA ist eine Ausbildung dieser Fähigkeiten. Sie ist ziemlich hart, aber die Abgänger der Schule sind sehr gut ausgebildet und überall gerne gesehen. Nun, der erste Offizier und ich haben beide diese Ausbildung genossen, oder zumindest fast.

Warum er abgebrochen hat, weiß ich nicht.

Ich habe die Ausbildung verlassen, da ich laut Berichten wohl doch nicht so ganz den Kriterien entsprach und meine Auswahl ein bedauerlicher Fehler gewesen ist. So lauten zumindest die offiziellen Berichte.«

Na toll!, beschwerte sich Shalannan, mal wieder. Hast du etwa Angst, die Wahrheit zu sagen? Dass du versagt hast und ich dabei heraus gekommen bin? Hast du Angst, das könnte auf dem Schiff bekannt werden und dein Ansehen schmälern? Du enttäuschst mich, Sulae.

Sulae war auf den Angriff gefasst gewesen, so etwas kam öfter von Shalannan. Es hatte keinen Zweck, darüber mit ihrer zweiten Seele zu diskutieren. Früher hätte sie es getan, doch das war schon lange vorbei.

Sie blickte Kiril wieder ins Gesicht und wartete auf ihre Antwort. Tief in ihrem Geist konnte sie noch immer ein höhnisches Lachen vernehmen.

Kiril schaute sie etwas verwirrt an. Auf Sulaes Gesicht zeigten sich die leichten Züge eines inneren Kampfes. Aber da sie nicht noch aufdringlicher sein wollte, als sie es schon war, zog sie es vor zu schweigen.

Von dem Fluss der neuen Informationen mitgerissen und glücklich über ihre neue Zukunft verheißende Bekanntschaft verabschiedete sie sich und verließ schnell die Sicherheitszentrale, um Allan zu suchen …

Sicherheitsstation (BZ: 10:00 Uhr)

Nun ja, er war wieder an Bord und das Schiff war noch nicht weg. Also etwas Gutes hatte die Sache gestern gehabt. Vron hoffte auf einen ruhigen Arbeitstag und sah sich die Berichte an, als eine Nachricht für ihn ankam.

»Ja, Sicherheit: Vron Habel«, meldete er sich.

»Hören Sie, ich bin bestohlen worden. Kümmern Sie sich schnell darum.«

Vron war etwas perplex. Normalerweise gab es an Bord nicht so einen harschen Umgangston. »Wer sind Sie überhaupt?«, fragte er perplex.

»Ich bin Daniel Wilford, Kommunikationsoffizier!«, kam eine gewohnt barsche Antwort.

Ach nein, nicht der, dachte Vron. Laut allerdings sagte er: »Ich bin sofort bei Ihnen. Sind Sie in der Zentrale?«

»Ja, kommen Sie sofort.«

Vron meldete sich ab und stiefelte los.

Zentrale (BZ: 10:15 Uhr)

Vron betrat die Zentrale.

»Sorry, einer der Offiziere wollte mich sprechen!«, entschuldigte er sich bei der Crew.

»Ach, bei der ersten Mission sind Sie hier ohnehin teilweise aus und ein gegangen. Ist ja also nichts Ungewöhnliches!«

Vron lachte und ging zu Wilford. »Kann ich mal kurz einen privaten Besprechungsraum haben?«

Besprechungsraum (BZ: 10:20 Uhr)

»Also, was genau, ist passiert, Mr. Wilford?«, fragte Vron den Kom-Offizier.

»Ich habe heute morgen meinen goldenen Füller gesucht. Er war nicht da.«

»Ein Füller, wer klaut Füller?«

»Dieser Füller stammt noch aus dem 20. Jahrhundert. Er ist ein Familienerbstück. Deswegen ist er nicht nur für mich sehr viel wert, sondern auch auf dem Sammlermarkt. Und nun stellen Sie keine dämlichen Fragen mehr, sondern schnappen Sie den Dieb endlich!«

»Mr. Wilford, wir brauchen Informationen, um den Dieb zu fassen, falls er sich nicht sehr dämlich anstellt. Deswegen müssen wir Einiges wiesen, damit wir den Schuldigen fassen können. Zu erst würde ich Sie darum bitten, Ihre Kabine durchsuchen lassen zu können.«

»Diese Erlaubnis haben Sie, allerdings habe ich, bevor ich den Diebstahl bemerkt habe, den Raum reinigen lassen.«

Vron nickte. Natürlich, wäre ja auch zu einfach gewesen, wenn nicht.

»Haben Sie denn irgendeinen Verdacht?«

»Die Sicherheit sollte sich eigentlich von Berufs wegen her besser mit solchen Vorfällen auskennen als ich. Und nun vergeuden Sie nicht weiter meine Zeit, ich habe Dienst.«

»Ich werde deswegen wahrscheinlich noch mal mit Ihnen sprechen.«

»Schaffen Sie meinen Füller wieder her und belästigen Sie mich nicht weiter.«

Es war normalerweise nicht klug, aber mit dem Mann konnte man kein ordentliches Gespräch mehr führen.

Vron ging zurück in die Sicherheitszentrale, wo er ein Team von Sicherheitsleuten zum Durchsuchen von Wilfords Kabine los schickte und sich selber eine Auflistung von Leuten geben ließ, die in letzter Zeit Probleme mit Wilford gehabt hatten.

Sicherheitszentrale (BZ: 11:00 Uhr)

Vron stöhnte auf.

Obwohl ihm Timotha half, würde das Sichten dieser Akten sehr lange dauern. Irgendwie hatte er das Gefühl, Wilford hatte sich die ganze Crew zum Feind gemacht.

Das Sicherheitsteam meldete das die Durchsuchung der Kabine erfolglos gewesen war. Auch der Füller war dort nirgends gefunden worden. Auch die Untersuchung des Reinigungsrobots war erfolglos geblieben.

Es sah nicht gut aus.

»Timotha, ich gehe zur Sicherheitschefin. Dafür brauchen wir mehr Leute. Schau dir weiter die Akten an.«

Einer plötzlichen Eingaben zufolge, beschloss er, auch Pavel Syntony anzufordern. Der würde sicher froh sein, wenn er vom Transmitter weg kam.

Pagans Kabine, Deck 52 (BZ: 11:00 Uhr)

Pagan erwachte in seiner Kabine. »Wie viel Uhr?«

»Es ist genau 11:00 Uhr«, meldete sich freundlich die Stimme der Bordpositronik.

Mist, schon wieder verschlafen! Und das am zweiten Tag! Dass Pagan gestern bis spät in die Nacht gearbeitet hatte, würde seinen Chef nicht interessieren.

Nach einer ausgiebigen kalten Dusche widmete er sich den Bordnachrichten und begab sich in die Messe, um zu frühstücken.

Messe Deck 52 (BZ: 11:30 Uhr)

Immer noch verschlafen erreichte Pagan die Messe. Er wollte sich gerade über sein Frühstück hermachen, als sein Kom-Armband sich meldete.

»Pagan Torst, sofort in den Bordwerkstätten, Abteilung Impulsgeschütze melden!«

Mist! Mein Chef und er hat miese Laune!

So hatte Pagan sich den Dienst in der Flotte nicht vorgestellt. Als er sich als Waffen und Konverterspezialist für den Dienst in der Flotte gemeldet hatte, wollte er weg von LUNA WEAPONS CORP. – und vor allem von seinem Chef. Jetzt hatte er hier genau das Gleiche.

Der Terraner stöhnte innerlich auf und machte sich auf den Weg.

Maschinenraum (BZ: 11:45 Uhr)

Sein Vorgesetzter, Chefingenieur Rogal Orbson, erwartete ihn bereits an dem Energieverteiler, an dem Pagan bis tief in die Nacht gearbeitet hatte.

»Das soll saubere Arbeit sein!«, brüllte Rogal ihn an.

»Jawohl, Sir! Habe meine Arbeit sauber erledigt! Sir!« Pagan fragte sich, was sein Chef wollte.

»Und was soll das hier?«, fragte Orbson ihn, als er ein winziges Stückchen Draht aufhob und ihm unter die Nase hielt. »Im Ernstfall kann uns das das Leben kosten!«

»Sir! Jawohl! Sir! Wird nicht mehr vorkommen!«

»Das hoffe ich doch! Wegtreten!«

Pagan salutierte, als sein Chef ging. Er wusste, dass er sich genauso schnell wieder beruhigen würde.

Pünktlich wie immer, dachte Pagan, als die CREST V um genau zwölf Uhr abhob.

An eine Mittagspause war heute mal wieder nicht zu denken. Er hatte von seinem Chef den Auftrag bekommen noch einmal Belastungssimulationen an allen Impulsgeschützen durchzuführen.

Und wehe er wurde damit nicht fertig, bevor es zum ersten Kontakt mit feindlichen Schiffen oder etwas Ähnlichem kam!

Auf diese Standpauke konnte er gut verzichten.

CREST V (BZ: 11:30 Uhr)

»Sir, mein Name ist Captain John Mayers, ich bin Ihr Stellvertreter und freue mich, Sie an Bord begrüßen zu dürfen. Major Tiers hat uns schon heute morgen verlassen, darum hole ich Sie ab.«

»Gut, ich möchte um 14:00 Uhr in meiner Kabine mit den Offizieren sprechen, geben Sie den Termin weiter.«

»Ja, Sir«, antwortete Mayers und verließ den Transmitterraum.

Zento brachte sein Gepäck in seine Kabine und machte sich anschließend auf den Weg in die Zentrale.

»Major Zento Rutan meldet sich zum Dienst, Sir«, meldete er sich bei Oberst Strader.

»Willkommen an Bord«, begrüßte ihn der Kommandant. »Haben Sie sich schon mit Ihren Leuten bekannt gemacht?«

»Wir haben um 14:00 Uhr eine Besprechung.«

»Aha, na dann wünsche ich Ihnen noch viel Spaß auf der CREST. Übrigens, wir haben heute um 20 Uhr eine Beförderung zu feiern. Sie sind natürlich auch herzlich eingeladen, laut Dienstplan haben Sie erst morgen Dienstbeginn.«

»Ich werde kommen, Sir.«

Zento salutierte, machte sich auf den Weg in die Kantine und bestellte ein Mittagessen, immerhin hatte er seit dem Frühstück nichts gegessen.

Kurz vor 14:00 Uhr betrat er seine Kabine und bereitete sich kurz auf die Besprechung vor.

Die Offiziere, neun Männer und drei Frauen, des Landekommandos kamen nahezu gleichzeitig und füllten die Kabine innerhalb kürzester Zeit.

»Meine Name ist Zento Rutan, ich bin Ihr neuer Kommandant. Major Tiers wurde auf eigenen Wunsch versetzt und ist daher als Kommandeur ausgefallen. Wir werden den Betrieb wie bisher weiterführen, Veränderung wird es in nächster Zeit keine geben. Wenn sie Fragen, Wünsche oder Beschwerden haben, können Sie jederzeit zu mir kommen.«

Die Besprechung dauerte noch etwa zwei Stunden, bis Zento alle Fragen beantwortet und sich einen Überblick verschafft hatte. Da er noch vier Stunden Zeit hatte, bis die Feier begann, legte er sich noch eine Runde aufs Ohr.

Kabine (BZ: 12:00 Uhr)

Das Raumschiff startete wieder, es ging also los.

Auch wenn einige Hoffnungen, wie die, dass Dr. Tsuran das Raumschiff verpassen würde, leider enttäuscht wurden, hatte das alte Fieber Robert wieder gepackt.

Die Sehnsucht nach den Sternen war für ihn einer der Hauptgründe gewesen, auf einem Raumschiff zu arbeiten.

Allerdings hatte er jetzt etwas zu tun und es war Zeit, die Gedanken ruhen zu lassen.

Seeks Quartier (BZ: 12:05 Uhr)

Artor betrat sein Quartier und schoss die Stiefel in eine Ecke. Seine Schicht war nicht anstrengender gewesen als sonst, aber die ständigen Anfragen der Crew, wohin die Reise genau ginge und wie der Auftrag genau lautete, machten ihn wahnsinnig.

Was glauben diese Leute bloß, warum wir Führungskräfte geworden sind? Weil wir nicht imstande sind, richtige Entscheidungen im Sinne der Crew zu treffen, ohne gleich die große Demokratie einzuläuten?

Unmerklich schüttelte Seek in Gedanken den Kopf.

Dann streifte er die Uniform ab und ging in die Hygienezelle. Er blieb vordem Spiegel stehen und betrachtete seinen Torso eingehend.

Er nahm sein langes, weißes Haar und hielt es mit einer Hand schräg nach oben. Wie immer war es nach der Arbeit etwas spröde. Dann überlegte er, wie ihm wohl die Haare kurz geschnitten stehen würden?

Er kannte bis jetzt keinen Arkoniden mit kurzen Haaren, aber er war ja nicht nur Arkonide. Die hellbraune Haut seines Oberkörpers, die er wohl von seinem akonischen Vater geerbt hatte, glitzerte überall, dekoriert mit feinen Schweißperlen.

Es war ungewöhnlich warm in Seeks Quartier. Der Mischling nahm sich vor, das später zu kontrollieren.

Wieder fiel sein Blick auf sein Haar, das jetzt kraftlos über seine Schultern hing.

Ich mach's!, entschied er und stapfte in die Nasszelle. Die verließ er erst nach einer halben Stunde intensivster Reinigung und Entspannung.

Wieder stellte er sich vor den Spiegel, wischte den Dampf weg und starrte auf seine nun bis zur Unkenntlichkeit verwüsteten Haare.

Wenn mich jemand so sieht, werde ich von der Sicherheit als unbekannter Eindringling festgenommen, schmunzelte Artor.

Die Haare mussten ab!

Es wäre einfach praktischer, kurze Haare zu tragen, dachte er, während er versuchte, den verfilzten Haarwust auf seinem Kopf in eine halbwegs passable Form zu bringen.

Er ging zum Schrank und nahm sich etwas zum Anziehen heraus.

Nachdem er sich fertig gemacht hatte verließ Artor sein Quartier und begab sich zum Bordfigaro, um ihm sein Anliegen vorzutragen. Dieser schien von der Idee, die langen Haare so radikal abzuschneiden, nicht sonderlich begeistert zu sein.

»Was, Sie können doch diese schönen Haare nicht meiner Schere opfern!«, sprach er mit seiner nasalen Stimme.

Doch der Halb-Arkonide blieb eisern und der Friseur machte sich ans Werk.

Ungläubig schauten beide in den Spiegel, während eine Strähne nach der anderen von Artors Haupt fiel. Bei jedem Schnitt zuckte der schmächtige Friseur mit den gegelten schwarzen Strähnen zusammen und wartete auf eine sichtbare Reaktion des zweiten Offiziers.

»Nur weiter, keine Angst«, ermutigte der Mischling den Mann.

Zum Abschluss rasierte der Friseur den Hinterkopf und die Koteletten ein wenig an und gelte das etwa noch Streichholz lange Haar auf der Oberseite des Kopfes.

Nach einer halben Stunde betrachtete Seek das Ergebnis im Spiegel und war erstaunt, wie gut ihm die kurzen Haare standen.

Auch der Figaro atmete sichtlich erleichtert auf, als er Seeks positive Reaktion sah. Seek bedankte sich und verließ den Friseursalon.

Auf dem Gang erntete der zweite Offizier viele erstaunte, neugierige aber auch ungläubige Blicke von den Crewmitgliedern, die ihm begegneten.

Artor war den meisten Crewmitgliedern bekannt, trotzdem mussten einige Leute mehrmals hinsehen, um zu erkennen, wer da den Gang entlang lief.

Seek genoss die Blicke auf dem Weg in die Schiffskantine. Diese erreichte er um etwa 14 Uhr und bestellte sich ein üppiges Essen.

Das Frühstück im Konferenzraum heute morgen war relativ knapp ausgefallen und genießen hatte er es auch nicht können.

Seek hatte sich in eine Ecke der Kantine gesetzt und beobachtete die Crewmitglieder.

Die meisten aßen hektisch, andere ließen sich Zeit und wieder andere kamen vor lauter erzählen gar nicht zum essen. Es war eine beruhigende Beschäftigung Leute zu beobachten und dabei selbst kaum bemerkt zu werden.

Nach einiger Zeit schaute Artor zum Chronometer und stand auf, als er erkannte, dass es schon 15:30 Uhr war. Den Rest seiner freien Zeit wollte er mit etwas sportlicher Aktivität und ein wenig Schlaf verbringen.

Er begab sich also in eine der Turnhallen und machte ein paar einfache Übungen, um seinen immer noch durch die Naniten geschwächten Körper wieder langsam an höhere Belastungen zu gewöhnen.

Nach etwa einer Stunde war er jedoch an der Grenze seiner physischen Kräfte angelangt und entschied sich zu duschen und dann zu schlafen.

So begab er sich in die Hygienezelle seines Quartiers und duschte ausgiebig.

Das Erste, was ihm auffiel, als er wieder aus der Dusche kam, war, dass sein Haar nicht mehr widerspenstig in alle Raumrichtungen abstand, sondern gar keiner Pflege mehr bedurfte.

Er legte sich schlafen, um am Abend die Beförderungszeremonie in der Messe miterleben zu dürfen.

Sicherheitszentrale (BZ: 13:00 Uhr)

Nachdem sie ihr Gespräch beendet hatte, machte Sulae einen Rundgang durch die Sicherheitszentrale, wo ihre Leute eifrig arbeiteten. Sie schaute ein paar von ihnen über die Schulter, wobei sie öfters spöttische Kommentare von Shalannan erntete.

Öfter, als ihr lieb war.

Schließlich kam sie zu einer Gruppe von Sicherheitsoffizieren, die sich durch Akten arbeiteten. Auf ihre Frage, woran die Offiziere arbeiteten, erhielt sie die Antwort, es sei ein Diebstahl verübt worden und die Offiziere versuchten nun den Täterkreis einzuschränken.

Sie nickte zufrieden und erwiderte, sie wolle am Ende der Ermittlung einen vollständigen Bericht haben.

Als sie in ihr Büro zurückkehrte, lag eine Bitte um Zuteilung von mehr Offizieren zu dem eben von ihr gesehenen Fall auf ihrem Tisch. Nach kurzen Erwägungen gewährte sie die Bitte.

Dann vertiefte sie sich wieder in die Berichte und Akten der Mitglieder ihrer Truppe.

Sicherheitszentrale (BZ: 13:15 Uhr)

»Okay, wir haben die Erlaubnis«, sagte Vron zu den anderen Mitarbeitern.

»Goimez hält die Suche nach einem Füller für zu unwichtig, als dass sich ihr gutes Team damit beschäftigen müsste.«

»Warum dann wir?«, rief einer der Leute.

»Haben wir so viel Anderes zu tun?«, fragte Vron.

»Außerdem werdet ihr mich doch nicht im Stich lassen. Wilford macht mir die Hölle heiß!«

Obwohl die Sicherheitscrew nicht so ganz überzeugt zu sein schien, erklärten sich die meisten Zähne knirschend bereit.

»Also, an die Arbeit. Nachdem wir sowohl seine Kabine als auch ihn selber gescannt haben, steht fest, dass der Füller wahrscheinlich nicht dort verloren wurde. Wenn sich auf die Anfrage ob jemand das Ding gefunden hat, jemand meldet, ist das Ganze erledigt, aber ich befürchte, dass das nicht der Fall sein wird. So häufig sind diese altmodischen Schreibgeräte nicht, so dass ein Fundstück dieser Art auffiele.

Das Wahrscheinlichste ist, dass ihm jemand eins auswischen wollte.«

»Oder ihn jemand bestohlen hat, der den Füller verkaufen will. Alte Geräte haben oft hohen Sammlerwert«, warf Pavel Syntony ein.

Syntony war einer der Leute, die ihnen Goimez überstellt hatte, »weil sie total unfähig und nicht zu gebrauchen sind«.

Vron war sich sicher, dass er nur in den Personalakten schauen musste um das Gegenteil herauszufinden.

»Also, verloren hat er das Ding wahrscheinlich nicht, gerade wurde ein neuer Diebstahl gemeldet!«, rief der Marsianer. »Und diesmal hat der Geschädigte einen Verdacht, Robert Alun.«

Kabine (BZ: 14:00 Uhr)

Robert brachte gerade die Computerdaten seiner Patientendatei in Ordnung.

»Ja, hier Robert Alun«, meldete er sich.

Sein Gesprächspartner war nicht Michael Tsuran, oder irgend ein anderes Problem, sondern der Marsianer Timotha a König, ein alter Freund.

»Hallo Tim, wie geht's?«

»Es tut mir Leid, Mr. Alun. Ich muss Sie bitten, in die Sicherheitszentrale zu kommen. Wir hätten da ein paar Fragen.«

»Häh? Sag' mir nicht, dass schon wieder einer meiner Vorgesetzten ermordet wurde!«

Trotz des ernsten Anlasses musste Timotha lachen. »Ganz so schlimm ist es nicht. Der Geschädigte ist schon noch da. Kommen Sie trotzdem so schnell wie möglich in die Sicherheitszentrale. Vielleicht können Sie uns ja mit den Ermittlungen helfen.«

Robert nickte, verabschiedete sich und ging los.

In der Sicherheitszentrale seufzte a König. Ein offizieller Anlass erforderte offizielle Maßnahmen. Und jetzt gab es zwei Diebstähle.

Sicherheitsstation (BZ: 14:15 Uhr)

Robert betrat die Sicherheitszentrale.

Verdammt, er hatte sich nach der ersten Mission eigentlich vorgenommen, diesen Raum nicht aufzusuchen, wenn es sich vermeiden ließ.

Am Eingang erwartete ihn Vron mit einem unbekannten Sicherheitsmann.

»Was ist los? Warum haben Sie mich hierher bestellt?«

»Wir hätten ein paar Fragen«, antwortete Vron. »Es hat an Bord zwei Diebstähle gegeben, und Sie haben sich mit beiden Geschädigten angelegt. Einer hat Sie als Hauptverdächtigen angegeben.«

»Wie bitte? Sie meinen, ich hätte Leute bestohlen, um mich an ihnen zu rächen? Wen soll ich denn bestohlen haben?«

»Mr. Daniel Wilford. Mit ihm haben Sie sich angelegt, als er einen seiner Untergebenen zur Sau gemacht hat.«

»Ist das alles? Mr Wilford hat eine Art, die einen verrückt macht, außerdem war das, was er gemacht hat, wirklich Mist. Ich habe ihn zurechtgewiesen. Wird man jetzt dadurch zum Verbrecher gestempelt, weil man sich für andere einsetzt? Außerdem war das ein Kurzkontakt. Wilford war es sicher nicht, der mich als Hauptverdächtigen bezeichnet hat. Also, wer dann?«

Vron schluckte und meinte: »Ein gemeinsamer Bekannter. Dr. Michael Tsuran.« Er sah sofort, dass er ins Schwarze getroffen hatte.

Tsuran machte Alun nervös, allerdings, dachte er einen Moment später, war das bei den Vorkommnissen der ersten Mission kein Wunder.

Robert gab sich größte Mühe, ruhig zu bleiben. »Zugegeben, meine Vergangenheit mit Tsuran war etwas turbulent, aber auch hier: Der Doktor ist nicht sehr umgänglich, um nicht zu sagen, wahnsinnig. Haben Sie etwas mehr außer jemandem, der mich hasst und mir etwas anhängen will?«

»Wenn Sie die Gegenstände haben und jetzt gestehen, wird die Sache recht glimpflich ausgehen.«

»Also nichts? Ich muss Sie enttäuschen, ich hatte mit den beiden absolut keinen Kontakt mehr, von einem Interkomgespräch mit Tsuran vor einigen Tagen abgesehen. Was ist eigentlich gestohlen worden?«

»Ein Füller und ein Buch.«

»Ein Buch? Tsurans ›Zwischen Botrong und Peruwall‹?«

Vron schüttelte den Kopf. »Nein, das hat er verliehen. Die Prophezeiungen des Nostragadams oder so ähnlich; irgend so ein Spinner.«

Bei der Erwähnung des Verleihens legte sich Roberts Stirn in Sorgenfalten. Hatte der Wahnsinnige etwa einen Anhänger?

Nach einer Reihe von Fragen kam noch ein Sicherheitsmann dazu. »Sagen Sie, Herr Galaktopsychologe: Sie haben doch Kontakt zu den ganzen Sonderlingen des Schiffes. Liefern Sie uns den Täter aus und wir vergessen alle Vorwürfe.«

Vron erstarrte. Dieser Vorschlag konnte nicht ernst gemeint sein.

Robert reagierte auch sauer. »Ich werde die Schweigepflicht nicht brechen. Keine Chance, wenn Sie schon mit solchen Erpressungsversuchen kommen, müssen Sie ja ziemlich verzweifelt sein.«

Der Sicherheitsmann wurde rot. »Was erlauben sie sich!«

Da griff Vron ein: »Genau dasselbe wollte ich sie fragen. Wir können nicht, um das Recht zu schützen, es selbst brechen. Danke Mr. Alun, wenn wir noch Fragen haben, melden wir uns. Ich habe hier noch mit jemandem zu reden.«

Kommandozentrale (BZ: 14:58 Uhr)

David Halman trat wie immer überpünktlich seine Schicht an. Er hatte sich das zur Gewohnheit gemacht, um für seine Karriere ein paar Punkte zu sammeln.

Denn trotz seiner unbestreitbaren fachlichen Qualifikation und seiner untadeligen Arbeit war er bei seinen Vorgesetzten und auch den meisten seiner Kollegen nicht sonderlich beliebt.

Das lag unzweifelhaft daran, dass er sich mit seinen gut gemeinten Ratschlägen andauernd in anderer Leute Angelegenheiten einmischte. Nicht nur, dass man ihm dafür keinerlei Dankbarkeit zollte – er wurde deswegen sogar mit Beschimpfungen und Unmutsäußerungen bedacht!

Zwar hatte er es mit 36 Jahren immerhin zum Major geschafft, allerdings war er auch auf die CREST V versetzt worden. Und seit Kommandant Straders Ansprache von vor über zwei Wochen wusste er, was das zu bedeuten hatte: Das Flottenkommando zählte sie zu den »Schwarzen Schafen« der Solaren Raumflotte!

Doch diese Erkenntnis hatte ihn nicht wirklich überrascht, denn es war ihm schon immer klar gewesen, dass man seine überragende überfachliche Bildung mit Neid und Missgunst betrachtete – sogar im Flottenbestallungsamt.

Aber er tröstete sich mit dem Gedanken darüber hinweg, dass er sich dank dieser Beurteilung an Bord eines Schiffes mit Dimetransantrieb befand, den neben dem Flaggschiff des Solaren Imperiums nur sehr wenige Schiffe besaßen.

Dementsprechend erwartete er in Zukunft einige navigatorische Herausforderungen in den Zentrumsregionen fremder und unbekannter Galaxien. Denn schließlich konnte man mit dem Dimetranstriebwerk nur vom Zentrum einer Galaxis zu dem einer anderen reisen, was zu lebensgefährlichen Situationen führen konnte.

Zur Zeit jedoch hatte er genug damit zu tun, seinen Vorgesetzten vom Navigationsterminal loszueisen. Noch gestern war dieser Ostrog ihm vorgekommen wie ein altterranischer Zombie, und heute war der Kerl ganz Feuer und Flamme für seine Arbeit. Gewiss, sie waren nach zwei langen Wochen der Untätigkeit endlich wieder unterwegs, aber dennoch kam ihm diese Stimmungsschwankung komisch vor.

Schließlich gelang es ihm doch noch, Ostrog aus der Kommandozentrale zu vertreiben, und er nahm im Navigatorensessel Platz. Der Flug verlief in den nächsten Stunden genau nach Programm, und es gab nicht die Spur eines Problems.

Das würde sich jedoch ändern, sobald sie die Außenbereiche des galaktischen Zentrums erreichten. Dort würde das Navigieren wesentlich schwieriger werden, von der inneren Zentrumszone ganz zu schweigen.

Aber bis dahin dauerte es noch eine Weile.

Um 21 Uhr ging dann sein Dienst zu Ende, und er verbrachte seine Bereitschaft im Freizeitbereich des Schiffes.

Feuerleitzentrale (BZ: 19:00 Uhr)

Der leitende Feuerleitoffizier war rasend vor Wut, als er aus seiner Feuerleitzentrale stapfte. Die Belastungsproben der Impulsgeschütze gingen viel zu langsam vor sich und wenn er etwas hasste, dann war es die eingeschränkte Funktionstüchtigkeit eines seiner Spielzeuge.

Er wollte sich gerade auf den Weg machen, um sich irgend einen Techniker zu suchen, und ihn richtig zur Schnecke zu machen, als er über das Interkom zum Kapitän bestellt wurde.

Typisch, dachte der riesige Überschwere. Die werden nicht fertig und ich bekomme wieder Ärger, weil meine Geschütze noch nicht überprüft sind!

Mit dieser Einstellung stapfte er in Richtung Zentrale, um sich beim Kapitän zu melden.

Kommandozentrale (BZ: 19:25 Uhr)

Kaum hatte der Überschwere die Kommandozentrale betreten, hatte er auch den Kapitän schon gesehen. Er hatte gerade angefangen, ihm die ganze Sache zu erklären, als der Kapitän auch schon abwinkte.

»Ich will Ihnen keinen Vorwurf machen«, sagte er freundlich. »Ich wollte Sie nur davon informieren, dass Sie sich bitte am heutigen Abend in der Offiziersmesse einfinden sollen. Ich habe endlich die offizielle Rückmeldung vom Flottenkommando erhalten. Ziehen Sie also Ihre beste Uniform an und machen Sie sich auf eine Beförderung gefasst. Sie können ja nicht ewig als Major das Kommando in der Feuerleitzentrale führen.

Also, wir erwarten Sie heute Abend Punkt 21:30 Uhr in der Offiziersmesse. Ach, und noch etwas, sehen Sie zu, dass die Geschütze bis dahin einsatzbereit sind. Sie können dann gehen!«

Mit einer Mischung aus Freude über die bevorstehende Beförderung und Wut darüber, dass der Kapitän ihn doch noch an die Geschütze erinnert hatte, verließ der Überschwere die Kommandozentrale.

Sicherheitszentrale (BZ: 19:00 Uhr)

Haaaaallo!, rief es auf einmal in ihrem Geiste, und Sulae schreckte automatisch von den Akten hoch, denn sie glaubte, es wäre jemand im Zimmer.

Doch es war nur Shalannan, die sich einen Scherz erlaubt hatte und deren Kichern sie nun in ihrem Hinterkopf vernehmen konnte. Erleichtert ließ sich Sulae wieder zurück auf ihren Stuhl sinken, von dem sie halb aufgestanden war.

Was ist denn, Shalannan, dass du mich derart erschreckst?, fragte sie argwöhnisch.

Nun, es ist meine Pflicht, dir mitzuteilen, dass deine Schicht vor über einer halben Stunde endete, sagte Shalannan in einem derart wichtigen Tonfall, dass es schon beinahe witzig war. Du solltest nicht ganz so viel lesen und dich entspannen.

Ja, du hast recht, danke.

Sie sah noch kurz durch die Bordnachrichten und lief dann zu ihrem Quartier. Gerade, als sie sich einen Tee machen wollte, meldete sich Shalannan wieder.

Was ist denn?, fragte sie etwas genervt.

Nun jaaaaa …, meinte Shalannan zögerlich. Noch einmal zum Thema entspannen … Ich möchte dich nur unauffällig darauf hinweisen, dass der Feuerleitoffizier heute befördert wird und es sowohl entspannend als auch repräsentativ wäre, sich dies anzusehen.

Sulae runzelte zweifelnd die Stirn. Partys waren absolut nicht ihr Fall.

Doch Shalannan hatte recht. Hier auf dem Schiff würde sie zweifellos kaum einer außer dem ersten Offizier und den Sicherheitsoffizieren kennen, also war es ganz gut, sich einmal vorzustellen.

Außerdem, was sollte auf einer Feier dieser Art schon Großartiges passieren, schließlich konnte Shalannan ja ohne ihre Zustimmung die Kontrolle nicht übernehmen.

Sie beschloss jedoch, dass sie noch Zeit hatte und kochte seelenruhig ihren Tee zu Ende.

Dann setzte sie sich mit ihrem Lieblingsbuch in einen Sessel und begann zu lesen. Als es Zeit war zu gehen, trompetete es Shalannan natürlich pünktlich wie ein Uhrwerk in ihr Hirn. Sulae zog sich um und machte sich auf den Weg.

Sie war dank Shalannans Überpünktlichkeit früh dran.

Das war Shalannans übliche Vorgehensweise: Entweder, sie »vergaß« es einfach oder war überpünktlich.

Pagans Kabine (BZ: 19:45 Uhr)

Aus den Bordnachrichten war nur zu erfahren, dass es sich um eine Such- und Bergemission handelte, die in unkartographierte Gebiete führte. Das klang nicht gerade vielversprechend.

Was sollte es da für einen Waffentechniker wie mich schon zu tun geben?, dachte Pagan, als er sich auf den Weg in die Messe machte. Dort hoffte er Genaueres über ihre Mission zu erfahren.

Vorher meldete er sich aber noch bei der Bordpositronik für eventuell anstehende Außenmissionen.

Da komme ich wenigstens von Rogal weg!

Pagan hinterließ außer seiner Meldung für eventuelle Außeneinsätze noch folgende Meldung in den Bordnachrichten: »Wer außer mir interessiert sich für altterranische Waffen aus der Zeit vor der Mondlandung? Bitte melden bei: Pagan Torst (Kennung siehe Crewverzeichnis).«

Messe Deck 25

Pagan war enttäuscht, als er die Messe betrat. Er hatte gehofft, hier einen seiner Bekannten aus der Ortungszentrale zu treffen, der ihm noch einen Gefallen schuldete.

Mist, so erfahre ich wohl so schnell nicht, was los ist. Es muss schon etwas Wichtiges vermisst werden, wenn ein Ultraschlachtschiff wie die CREST danach sucht!

Während er sein Abendessen verspeiste, flirtete er mit einer jungen Frau. Ihren Rangabzeichen nach musste sie in der galaktonautischen Abteilung ihren Dienst tun. Doch auch von ihr war nichts über die Mission zu erfahren.

Muss wirklich wichtig sein, wenn niemand etwas dazu sagt!

Schlecht gelaunt machte sich Pagan auf den Rückweg zu seiner Kabine.

Es war wirklich Pech für ihn, dass er ausgerechnet in diesem Augenblick durch den selben Gang lief wie der zwei Meter breite Überschwere.

Kaum hatte Beceefha Pagan erblickt, hatte er in ihm auch schon einen der Techniker erkannt, welche die Belastungsproben für die Geschütze durchführen sollten.

»Hallo«, grüßte er freundlich. »Wie geht es mit den Geschützen voran?«

»Hallo, gut, dass ich Sie treffe. Ich wollte gerade Meldung machen, dass der Belastungstest fertig ist. Ich konnte aus den Geschützen noch 12,5% mehr Leistung heraus kitzeln. Da scheint mein Vorgänger schlampig gearbeitet zu haben.«

Was soll das heißen, der hat das schon fertig?, dachte der riesige Überschwere total verdutzt. Das kann doch nicht wahr sein!

Er hatte sich schon so darauf gefreut, den Techniker zur Schnecke zu machen. Aber na ja, da half nun mal nichts.

»Das wurde ja auch langsam Zeit«, sagte er laut. »Ich nehme an, Sie wollten mir das gerade melden, oder?«, fragte er scharf. »Nun ja, wie auch immer: Gute Arbeit. Ich muss jetzt leider weiter.«

Kaum hatte er das gesagt, drängte er sich an Pagan vorbei und eilte in Richtung seiner Kabine. Er wollte sich noch schnell fertig machen, bevor er vor allen leitenden Offizieren auftauchen würde.

3. Die Beförderungsfeier

Messe

Er erreichte die Messe kurz vor der verabredeten Zeit. Strader und die anderen warteten schon auf ihn.

Die Beförderung selbst ging sehr zügig vonstatten.

Nachdem Strader eine ewig lange Rede gehalten hatte, die in etwa so aussah: »… außergewöhnlicher Einsatz … bla, bla … Pflichterfüllung … bla … gibt immer 150% … bla, bla … überreiche ich Ihnen hiermit Ihre neuen Rangabzeichen!«

Der Überschwere nahm sie entgegen und lud die Anwesenden ein, doch noch mit ihm seine Beförderung zu feiern, denn sobald sie in der Zentrumsregion ankamen, würden sie wahrscheinlich eine Weile nicht zum Feiern kommen.

Der Beförderung an sich hörte sie wie üblich aufmerksam zu, immer Shalannan im Hinterkopf, die Sulae so ausgelassen nervte, wie sie nur konnte. Doch Sulae hatte nach so langer Zeit einiges an Erfahrung, wie man nervende Extrasinne ausschaltete und ließ sich nicht stören.

Als die Party an sich begann, holte sich Sulae an der Bar etwas zu trinken und schlenderte dann durch den Raum, nicht unbedingt in der Hoffnung, jemanden zu treffen, aber auch nicht dagegen abgeneigt.

Allans Kabine (BZ: 19:40 bis 20:00 Uhr)

Allan zupfte seine Ausgehuniform zurecht und betrachtete sich im Feldspiegel. Es dauerte noch eine Weile, bis er mit sich zufrieden war.

Seine Unruhe hatte ihren Ursprung in seinen Verspannungen, welche er sich durch die Langeweile des heutigen Arbeitstages (das einzige »Highlight« war das verdutzte Gesicht des Überschweren gewesen) und das mangelnde Training zugezogen hatte.

Aber für sein normales Feierabendworkout und das darauf folgende Duschen war heute einfach keine Zeit.

Kiril trieb sich irgendwo im Schiff herum und Allan hatte sie informiert, wo er sich heute Abend aufhalten würde. Er staunte ohnehin, wie gut sie sich im riesigen Kriegsschiff zurechtfand; zumindest hatte es noch keinen Ärger gegeben

Nach noch einem prüfenden Blick deaktivierte er das Spiegelfeld und ging los.

Er wollte das Gesicht des Überschweren sehen, wenn er das Beförderungsschreiben bekam, denn so wie es aussah, war die Unterschrift kein Faksimilé wie üblich, sondern wirklich eigenhändig vom Großadministrator geleistet worden, denn normalerweise wurden diese Dinge nämlich nicht per Boten übermittelt.

Schiff (BZ: 19:59 Uhr)

Nachdem er wieder einmal einige Stunden in der astronomischen Beobachtungskuppel verbracht hatte, begab sich Emerson kurz vor 20 Uhr in die Messe, in der Beceefhas Beförderung und wahrscheinlich eine daran anschließende Feier stattfinden würden.

Die wollte der Veego nicht verpassen, denn er erinnerte sich noch gut daran, dass er seinem Freund Monty bei einer solchen Gelegenheit zum ersten Mal begegnet war.

Aber auch Beceefha selbst war ihm kein Unbekannter.

Bei ihrer ersten Begegnung hatte der 2-mal-2-Meter-Überschwere gemeinsam mit seinem Freund Taron Dawn versucht, ihn, Emerson, vor dem Saboteur Ron Laska zu retten, was ihnen einen Besuch in der Krankenstation einbrachte.

Damals war Emerson nur knapp mit dem Leben davongekommen, und ohne den grünen Riesen würde er sicherlich nicht mehr unter den Lebenden weilen.

Messe

Die Beförderungszeremonie war lang und öde, doch auch sie ging schließlich zu Ende, und die Feier begann.

Emerson beglückwünschte Beceefha zu seinem neuen Rang und anschließend unterhielt er sich mit einigen der Anwesenden, die er noch von der Landungsmission kannte.

Robert kam etwas zu spät. Er reihte sich in die Schlange ein, um dem Überschweren zu gratulieren.

Dieser trug zu seiner Galauniform zur Abwechslung nicht das geheimnisvolle Schwert, das er besaß. Robert hoffte, dass die Sicherheitsabteilung daran dachte. Das Schwert war recht merkwürdig und sicher nichts ganz Alltägliches, und der Feuerleitoffizier kam mit seiner Art nicht überall an. Es hatten sich wohl schon einige über ihn aufgeregt.

Kurz nach 21 Uhr kam dann auch David Halman, der Zweite Navigator der CREST V, dessen Dienst gerade zu Ende gegangen war.

Mit ihm unterhielt sich Emerson über die Verhältnisse in der Zentrumsregion, die sie in Kürze erreichen würden, und die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten bei der Navigation.

Sie kamen darin überein, dass die Mission sicherlich eine galaktonautische Herausforderung werden würde.

Die Feier war in vollem Gange. Robert sah sich um, nur für den Fall, dass er Bekannte erblickte. Um Beceefha hatten sich noch etliche Gratulanten versammelt. Für einen Moment glaubte Robert den Oxtorner Dawn unter ihnen zu sehen, was auch sehr viel Sinn gab. Beceefha und Dawn waren alte Freunde.

Der Überschwere hatte den Oxtorner sogar mal aus der Gefangenschaft seiner eigenen Sippe befreit, worauf er ausgeschlossen worden war.

Robert sah sich weiter um.

Die zweite Beibootkomandantin Yohko Takashi trank heute scheinbar wieder ihr beliebtes Sake. Nicht weit entfernt stand der Navigator Emerson Ostrog.

Robert wusste nicht wieso, aber irgendwie hatte er das Gefühl, das es zwischen den beiden Spannungen gab.

Tora war glücklicherweise nicht da.

Irgend jemand hatte ein Schild an die Kantine angebracht, das diesen Riesenkater und Dawns Okrill mit der Aufschrift: »Wir müssen leider draußen bleiben!« zeigte.

Alun wusste nicht, dass der Scherzkeks, der das verbrochen hatte, der erste Offizier gewesen war.

Emerson unterhielt sich gerade mit einem Bekannten. Robert wollte einfach einmal hingehen und sich erkundigen, wie es ihm ging, als er den zweiten Offizier Artor Seek erblickte.

»Ah, Mr Seek, ist Ihre Nanitenerkrankung inzwischen verheilt?«

Artor hatte sich gerade einen Drink genommen und wollte nun sehen, wie sein neues Äußeres auf das weiblich Geschlecht wirkte. Er gesellte sich zu einer jungen Frau und die beiden kamen schnell ins Gespräch, als Robert Alun ihn von hinten ansprach.

»Ich denke, ich bin auf dem Weg der Besserung«, antwortete er. »Ich lasse es lieber langsam angehen.«

Hatte Mr. Alun etwa Bedenken wegen seines Gesundheitszustandes, weil er der einzige Arkonide mit kurzen Haaren an Bord war? Artor streifte mit einer Hand durch die gegelten Stoppeln. Es fühlte sich angenehm an.

»Und, Mr. Alun, noch ohne Begleitung?«

Als Alun gerade Seek antworten wollte, sah er, wie Allan die Messe betrat. Der erste Offizier war wohl vom Kapitän mit Arbeit zugeschüttet worden und deswegen zu spät.

Oder er hatte erst noch seine Kleidung reinigen müssen. Die Arkoniden waren um das Protokoll ja oft sehr besorgt.

Lächelnd überreichte Allan dem Überschweren die Beförderungsurkunde, die Strader vergessen hatte.

Beceefha war am Anfang nur einen flüchtigen Blick darauf, sah dann aber genauer hin.

Nachdem dieser offizielle Teil beendet war, mischte sich auch der Arkonide unter die schon halbwegs ausgelassene Crew. Er wirkte etwas gestresst. Alun fragte sich, ob das mit seiner Adoptivtochter zusammenhing, die recht energisch war.

Dabei fiel ihn auf, dass er sie gar nicht sah.

Was ist denn mit dem los?, fragte sich Alun. Irgendwie scheint ihn meine Frage bitter aufzustoßen. Allerdings wird diese Nanitenerkrankung die Ärzte im Solaren Imperium noch eine Weile beschäftigen. Carpenter hat sie immerhin umgebracht. Hatte Seek da nur Glück, oder steckt da mehr dahinter?

Als er auch noch nach einer Begleitung gefragt wurde, war er nahe dran, etwas wütend zu reagieren. Verdammt, es war halt nicht jeder so ein Frauenheld wie der erste Offizier.

Als Alun Seek gerade etwas dezenter antworten wollte, kam auch noch Pagan, ein Waffeningenieur und Frauenheld.

Die beiden lass' ich lieber allein!, dachte sich Alun und türmte. Er sah sich noch auf der Party um und sprach mit einigen Leuten.

Hallo, Artor! Wo ich arbeite? Ich bin Waffeningenieur. Und du?« Aber noch bevor Artor antworten konnte, kamen die beiden Frauen zurück.

Pagan lächelte Artors Begleiterin verführerisch an. Er hoffte, dass dieser das nicht bemerken würde.

»Komm wir gehen weiter«, flüsterte Linda, Pagans Begleitung, ihm ins Ohr.

Sie hatte den Blick wohl bemerkt.

»Mach's gut Artor.«

Die Frauen schienen sich ganz gut zu verstehen. Artor konnte das von sich und Pagan nicht behaupten.

Spätestens, als er den Blick sah, den Pagan Miriam zuwarf, stieg eine leichte Wut in ihm auf, obwohl Miriam nicht auf die Anmache reagiert hatte.

Zum Glück entschied sich Pagans Begleitung, die den Blick auch bemerkt hatte, jeglichen Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen und zerrte den armen Terraner weiter.

Als beide verschwunden waren drehte sich Artor zu Miriam um. »Und was machen wir jetzt mit dem angebrochenen Abend?«

Sie lächelte nur. Artor ging das Ganze jetzt doch etwas schnell, weshalb er den ersten ansprach, der an den beiden vorbei lief.

»Mr. Ostrog«, sprach er den völlig verdutzten Mann an. »Darf ich vorstellen, Leutnant Miriam Shepard.«

So etwas Blödes, dachte sich Artor.

Miriam streckte dem Offizier die Hand zum Gruß entgegen.

Es war eine komische Situation und Artor hoffte, dass Emerson mehr heraus brachte als nur ein »Hallo«.

Spontan ergriff Emerson die Hand der schönen Frau und gab ihr einen zärtlichen Handkuss.

»Es ist mir eine Ehre, Miss Shepard.«

Dann verließ er die Gruppe, die ihm verblüfft hinterher starrte, und begrüßte seinen Untergebenen, der sich gerade ein Getränk genommen hatte.

Dort unterhielt sich David fürs Erste mit seinem Vorgesetzten Ostrog, dessen gute Laune weiterhin anzuhalten und sich sogar noch zu bessern schien. So gefiel er David viel besser als der antriebslose Trauerkloß, als der Ostrog noch bis heute Mittag aufgetreten war.

Emerson grüßte die Begleitung Seeks nur flüchtig und verschwand dann zu seinem Untergebenen. Wieder stand Artor allein mit diesem göttlichen Wesen in der Messe. Er schien sichtlich sprachlos und war ihr völlig verfallen.

»Setzen wir uns«, sprach Miriam den leicht verwirrten Mann an.

Artor nickte nur und beide nahmen allein an einem Tisch Platz.

Sie erzählten über ihre Vergangenheit und über einige Episoden in ihrem Leben, aber irgendwie wich eine gewisse Unruhe nicht von Seeks Seite.

Unterdessen lief Sulae immer noch, ihren Drink in der Hand, über die Feier und sah sich um. Es gab sehr viele Offiziere, die sie noch nicht kannte.

Auch den Grund der Feierlichkeiten, den Feuerleitoffizier Beceefha, kannte sie erst, seit sie ihm zur Beförderung gratuliert hatte.

Sie stellte sich einigen Personen vor und wurde vorgestellt. Auf einem derart großen Schiff, wie die CREST es war, war es unmöglich, alle Crewmitglieder zu kennen.

Doch genau diese Anonymität mochte Sulae eigentlich. Obwohl sie einige Personen mochte, wie zum Beispiel Kiril, blieb sie lieber alleine.

Stimmt nicht, mich wirst du nicht los, bemerkte Shalannan mit einem schadenfrohen Unterton.

Auch wieder wahr, aber der Vorteil ist, ich hab immer Gesellschaft, wenn ich es will! Sulae war heute zu gut gelaunt, um zu streiten.

Sie schlenderte weiter durch den Raum und genoss die Stimmung. Schließlich sah sie durch einen Zufall den ersten Offizier beim Feuerleitoffizier stehen.

Wenn er hier war, würde auch Kiril nicht weit sein.

Also trat sie zuerst zu Allan und begrüßte ihn. Sulae fragte ihn, wo Kiril sei, und erhielt nur als Antwort, dass sie sich wohl irgendwo im Schiff herumtreiben würde. Sie nickte und blieb bei Allan stehen, der sicher was sagen würde, wenn er etwas dagegen hatte.

Allan fragte sie, ob sie sich bereits eingelebt habe, und wie sie mit ihrer Abteilung klar kam, während sich die Kommandantin der zweiten Beibootflottile, Oberstleutnant Yohko Takashi, zu ihnen gesellte und sich förmlich vorstellte.

Sulae musterte den Oberstleutnant und erwiderte dann den Gruß, während sie sich ebenso vorstellte.

Diese Frau machte sie neugierig, war sie doch von Kiril in bewundernden Worten beschrieben worden. Also nippte sie an ihrem Drink und hörte den beiden Offizieren zu, die sich nach ihrer gemeinsamen Zeit auf der CREST gut kannten.

Wie alle Beförderungsfeiern war auch diese an sich langweilig! Allan hatte sich nach einer kleinen Unterhaltung mit der neuen Sicherheitschefin und der Kommandantin der zweiten Beibootflottile etwas abgesetzt, stand mit einem Stück Kuchen an die Wand gelehnt und sinnierte über die merkwürdigen Grüppchen nach, die sich aus irgendwelchen Gründen bildeten.

Dawn und der frisch gebackene Oberstleutnant kannten sich wohl schon von früher, und Major Daniels war wohl eine sehr enge Freundin von Taron Dawn. Diese bekannte Tatsache schien Oberst Strader mehr anzustacheln als abzuhalten.

Oh, Mann, der baggert, dass einem schon schlecht wird, so peinlich ist das, ging es Allan durch den Kopf.

Er hatte mittlerweile sehr wohl mitbekommen, dass sich Lasitus Strader für einen unwiderstehlichen Frauentyp hielt; eine Einschätzung, mit der er sehr alleine auf weiter Flur stand.

Allan stellte den leeren Teller neben sich auf einen lehren Buffettisch, stieß sich von der Wand ab und begab sich auf die Suche nach Oberstleutnant Yohko Takashi.

Mit etwas Glück hatte sie noch etwas von dem im Einsatz so streng verbotenen Alkohol, und würde ihm noch ein Tässchen Sake abgeben.

Er fand sie, wo er sie verlassen hatte, tief verstrickt in eine Unterhaltung über die Vorzüge diverser Kampfsportarten mit Sulae Shalannan.

Sicherheitszentrale (BZ: 21:15 Uhr)

Endlich zu Ende!, dachte sich Vron, als er die Nebenschicht eingewiesen hatte. Besonders Skip ging ihm etwas auf die Nerven. Der Lepsoner schien alles genau wissen zu wollen.

Etwas zu genau.

War das berufliche Neugier oder mehr?

Lepso war ja immer noch einer der zwielichtigsten Planeten der Galaxis. Nur wenige Planeten kamen ihm auch nur um Lichtjahre nahe.

Allerdings hatte es mit Skip bisher auf keinem anderen Raumschiff Probleme gegeben und es war schon paranoid, einen guten Freund zu verdächtigen.

Allerdings war Paranoia keine schlechte Eigenschaft für einen Sicherheitsbeamten.

Vron ermahnte sich selbst, nicht mehr an den Fall zu denken – er hatte Feierabend, verdammt! – und beschloss, schnell dem beförderten Beceefha zu gratulieren.

Messe (BZ: 21:30 Uhr)

Vron kam während der Feier, es waren schon einige Unterhaltungen im Gang.

»Ich hoffe, Sie haben alle Ihre Türen gesichert!«, rief er laut.

Die Sicherheitsabteilung hatte nicht genug Leute, um alles zu bewachen und eine generelle Überwachung würde aus zwei Gründen nicht funktionieren:

Erstens brauchten sie dafür eine Erlaubnis. Es war eine elementare Einschränkung der Grundrechte, was sicher Ärger gäbe.

Zweitens wäre eine solche Überwachung sehr kosten- und materialintensiv. Der Hauptzahlmeister der CREST würde sicher durchdrehen, falls sie überhaupt an das nötige Material kämen.

»Es könnte nötig sein!«, fuhr er fort.

Einige lachten, als hätte er einen guten Witz gemacht, andere schauten betreten in die Runde, aber kaum einer schien ihn wirklich Ernst zu nehmen.

Vron gratulierte Beceefha, war aber etwas geknickt.

Unterdessen verfolgte Zento die Zeremonie mit Aufmerksamkeit und versuchte, sich einen Überblick über die anwesenden Offiziere zu machen. Alles in allem war es ein ziemlich bunter Haufen, der sich ihm hier präsentierte.

In der anschließenden Feier stand er meistens abseits, da er kein besonders guter Gesellschafter war. Er wechselte einige Worte mit einem gewissen Emerson, dem ersten Navigator, der ihm ganz sympathisch vorkam.

Ebenso unterhielt er sich mit dem zweiten Offizier, der einen eher angeschlagenen Eindruck machte.

Unterdessen unterhielt sich Sulae eine Weile mit Yohko Takashi, einer, wie sich herausstellte, überaus interessanten Persönlichkeit.

Sie erzählte von ihrem Tiger (zu dem Shalannan natürlich wieder die passenden Bemerkungen zu erwidern hatte …). Schließlich kamen sie zu dem Thema Waffen, zu dem beide einiges zu sagen hatten und bald in ein intensives Gespräch verstrickt waren.

Daher bekam Sulae den Zwischenfall mit Kiril fast nicht mit.

Diese lief während dieser Gespräche durch die langen Gänge der Kabinendecks. Sie ließ sich Zeit, zählte die Türen, die sie passierte. Manchmal blieb sie stehen und überlegte, wer wohl hinter dieser Tür wohnte.

Allan hatte sie gefragt, ob sie auch auf die Party käme, sie hatte nicht verneint, doch wurde sie das mulmige Gefühl nicht los, das sich mit jedem Schritt vergrößerte.

Kiril waren die vielen fremden Leute auf der Feier nicht geheuer. Dennoch würde sie hingehen. Allan würde da sein, genauso wie Yohko und Sulae.

Bevor sie sich in die Messe begab, blieb sie noch einmal am Antigravlift hängen und mischte sich etwas unsicher unter die Menge.

Den Gefeierten sah sie nicht, genauso wenig ein anderes näher bekanntes Gesicht. Sie lief zu einem der Buffets. Hunger verspürte sie nicht, auch die ein oder andere Bowle hätte sie besser stehen lassen sollen.

Der Alkohol auf nüchternen Magen und auch noch viel zu schnell getrunken rief Übelkeit hervor. Sie aß ein paar Kleinigkeiten, in der Hoffnung es würde ihr danach vielleicht besser gehen. Ein absoluter Fehlschlag.

Sie tastete sich an der Wand entlang und ließ sich in eine Ecke sinken. Als das Schwindelgefühl wieder etwas nachließ, wagte sie den Versuch wieder aufzustehen.

Allan wird mich umbringen, wenn er mich so sieht, schoss es ihr durch den Kopf. Zu ihrem Übel sah sie ihn plötzlich aus der Menge auftauchen und genau auf sie zu laufen.

»Da bist du ja endlich. Wir haben dich schon gesucht.« Dann musterte er sie eingehender. »Ist dir nicht gut?«

Kiril schüttelte den Kopf. »Es geht schon wieder«, krächzte sie, krampfhaft gegen die Wand gelehnt.

Allan fasste sie am Kinn und zog sie an sich heran. »Du siehst aber sehr blass aus. Wirklich alles okay?«

Wollte er sie ärgern, oder hatte er wirklich noch nichts bemerkt? Plötzlich war das alles zu viel. Kiril glaubte, ihr Magen würde gleich explodieren, ihr Hals brannte und noch bevor sie etwas dagegen tun konnte, erbrach sie sich vor Allans Augen auf seine Uniform.

Na toll, schoss es dem ersten Offizier der CREST V durch den Kopf, als er versuchte, vor der erbrechenden Jugendlichen zurück zu weichen.

Im Raum, in dem sich immerhin noch ungefähr 150 Offiziere befanden, wurde es auf einmal wesentlich stiller.

Während Allan nach einigen Servietten griff, um wenigstens die gröbsten Verschmutzungen von der Uniformjacke zu entfernen, schoss bereits ein Reinigungsrobot heran.

Da Kiril immer noch würgte, versuchte Allan etwas ungeschickt, ihre Schultern zu umfassen um sie leicht an sich zu drücken. Ihr schmächtiger Leib wurde immer noch krampfartig erschüttert und jemand hatte wohl schon einen Medorobot herbei zitiert.

Kiril schaute Allan aus glasigen Augen an und versuchte etwas zu sagen, aber die Worte wurden durch den nächsten Krampf unverständlich.

Der zwischenzeitlich herbei geeilte Medorobot legte kurz die Kontakte an und diagnostizierte binnen Sekunden eine leichte Vergiftung. Eine Diagnose, zu der wohl keiner der Anwesenden, die das Ganze bemerkt hatten, viel medizinischen Sachverstand gebraucht hätte.

Irgendwer machte in der Menge Witze über »wenn die kleinen Mädchen mit den Großen saufen wollen«, fing sich dafür aber einen hoffentlich schmerzhaften Ellenbogenstoß von seiner Begleiterin ein.

Leise sagte Allan zu Kiril etwas darüber, dass es ihr gleich besser gehen würde, als der Medorobot ein Injektionspflaster setzte, worauf sie sich wenigstens ein wenig beruhigte. Während Allan Kiril beim Aufstehen half und versuchte, sie in Richtung des Ausgangs zu manövrieren, plapperte der Medorobot noch was von »Bettruhe«.

Diese Maschine hat ein Talent das Offensichtliche zu statuieren, war der Gedanke, den Allan dazu noch erübrigte.

Währenddessen ging das Gespräch zwischen Sulae und Yohko weiter.

Doch Shalannan hatte immer ein Auge auf die Umgebung (natürlich nur bildlich gesprochen …) und trompetete fröhlich in ihrem Kopf: Na, sieh mal unsere kleine Freundin da drüben! Wenn mich das nicht an eine Sache erinnert, die ich mal in einer deiner Erinnerungen gesehen hatte … Es ging damals um eine Bar auf einen ziemlich miesen Planeten, wenn ich mich recht …

Sei ruhig, Shalannan! Dich kann ich in diesem Gespräch absolut nicht gebrauchen!

Hmpf, bekam sie noch zu hören, dann war Ruhe.

An einem anderen Tisch bekam Alun Kirils Auftritt mit. So ernst nahm er die Angelegenheit aber nicht. Früher wäre es sehr besorgniserregend gewesen, aber der Medorobot konnte die schlimmsten Folgen wohl beheben. Einige Kopfschmerzen würden aber wohl bleiben.

Währenddessen konnte Emerson ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Er erinnerte sich noch daran, wie Gonozal ihn während der ersten Mission niedergemacht hatte.

Aber seine Schadenfreude verging rasch, als ein Medorobot herbei kam und sich um das Mädchen kümmerte.

Der erste Offizier und sein Mündel verließen bald darauf die Messe.

Langsam, Kiril stützend, ging Allan neben den Transportbändern zu ihrer Kabine. Dort angekommen, sie beide hatten unterwegs kein Wort gesagt, packte er sie ins Bett.

Nachdem er noch etwas Wasser zum Abspülen der Verunreinigung auf der Uniform verwendet hatte, legte er die Jacke zum Trocknen über einen Stuhl, holte sich einen anderen und setzte sich neben Kirils Bett.

Nach der Sache mit Kiril beschloss David, dass er für heute genug Alkohol zu sich genommen hatte. Deshalb stellte er sein angetrunkenes Bier wieder zurück und verabschiedete sich von seinem Vorgesetzten Ostrog.

Dann ging er in seine Kabine und las noch ein bisschen, bevor er ins Bett ging. Nachdem der Terraner gegangen war, stand Emerson eine Weile ganz allein herum.

Kurze Zeit darauf kam anderswo auf Robert Dr. Tsuran zu gestürmt. Der Arzt wirkte ziemlich betrunken und sehr wütend auf Alun.

Wahrscheinlich machte er ihn immer noch für den Verlust seines komischen Buches verantwortlich.

Alun beschloss, den Rest der Party sein zu lassen, rief einigen Leute ein »Auf Wiedersehen« zu und stürmte in seine Kabine.

Als inzwischen Emerson das Herumstehen zu dumm wurde, hielt er nach einem neuen Gesprächspartner Ausschau.

Zuerst wollte er sich an Robert Alun wenden, doch der verließ die Messe, nachdem er von Dr. Tsuran angepöbelt worden war.

Daraufhin knöpfte Emerson sich diesen unverbesserlichen Unruhestifter vor.

Was haben Sie jetzt schon wieder für ein Problem mit Alun?«, herrschte er den angetrunkenen Mediziner an. »Haben Sie unser Gespräch vor ein paar Wochen schon wieder vergessen?«

»Mir wurde vor kurzem ein unersetzliches Buch des Propheten Nostradamus entwendet, und ich bin mir sicher, dass Alun daran Schuld hat«, erwiderte Tsuran lallend.

»Sie wollen allen Ernstes behaupten, dass Alun Sie bestohlen hat?«, stieß Emerson fassungslos hervor.

»Nun … er mag zwar vielleicht nicht persönlich dafür verantwortlich sein«, antwortete Tsuran etwas kleinlaut, »aber ich bin davon überzeugt, dass Alun mit seiner Anwesenheit hier an Bord die Diebstähle verursacht. Sie haben doch mein Buch gelesen, da steht alles aus ausführlich drin …«

»Sagten Sie eben Diebstähle?«, unterbrach Emerson den Redefluss des Angetrunkenen. »Wurde etwa noch jemand außer Ihnen bestohlen?«

»Ich habe mich etwas umgehört, und es hat sich herausgestellt, dass dem Kommunikationsoffizier Daniel Wilford ein antiker goldener Füller gestohlen wurde«, sagte Tsuran mit Verschwörerstimme. »Das kann einfach kein Zufall sein.«

»Und was soll Alun mit diesem Wilford zu tun haben?«, zweifelte Emerson. »Der Typ hat sich mit so ziemlich jedem hier an Bord angelegt, da könnte jeder der Täter sein.«

Urplötzlich trat der Sicherheitsmann Vron Habel zu ihnen und sagte mit eindringlicher Stimme: »Meine Herren, Sie sollten dieses Thema wirklich nicht in aller Öffentlichkeit besprechen, vor allem nicht in dieser Lautstärke.«

»Schon verstanden, Mr. Habel«, versuchte Emerson die Lage zu entschärfen. »Ich werde Dr. Tsuran zu seinem Quartier begleiten.«

Damit nahm er den leicht schwankenden Mediziner am Arm und zog ihn aus der Messe. Doch der Veego steuerte zuerst sein eigenes Quartier an, um dem Fanatiker sein Buch zurück zu geben, erst dann lud er ihn vor seiner Wohnungstür ab.

Wieder zurück untersuchte er als allererstes seine Besitztümer, ob womöglich etwas fehlte. Doch er hatte Glück, es war noch alles an seinem Platz, sogar der Inhalt seiner Veegokiste.

Dann begab er sich wieder zur Feier in der Messe.

Dort wandte sich Sulae wieder dem Gespräch zu, doch wenige Minuten, nachdem sie ihre Unterhaltung über arkonidische Kampftechniken wieder aufgenommen hatten, entschuldigte sich Yohko und verschwand in der Menge.

Sulae, die nicht glaubte, dass Yohko zurückkehren würde, wandte sich um, holte sich einen neuen Drink und steuerte auf einen Tisch zu, an dem eine Frau und ein etwas gequält dreinblickender Mann saßen (so drückte es zumindest Shalannan aus).

»Verzeihen Sie«, sprach sie die beiden zögernd an. »Ist bei Ihnen noch ein Platz frei? Sonst sind alle Tische besetzt …«

Ihre vorige Gesprächspartnerin hatte nach dem Vorfall mit Kiril keine große Lust mehr auf die Feier. Sie verabschiedete sich von Sulae und ging in ihre Kabine.

Dort sah sie sofort nach Tora. Doch das Tier war müde und wollte lieber schlafen, als mit Frauchen, die auch noch so komisch roch, zu spielen.

Da sie Sulae versprochen hatte, ihr ein Frühwerk der Filmgeschichte Terras zu geben, das sich mit dem Kampf verschiedener Überschwerer gegeneinander beschäftigte, (Sulae ahnte natürlich nicht, dass es sich um ein japanischen Anime handelte) aber selber zu müde war, danach zu suchen, beauftragte sie einen Robot.

Nach etwa einer Viertelstunde, meldete sich dieser wieder: »Der fragliche Datenkristall befindet sich nicht in deiner Kabine.«

»Waaaaaaasssssssssss? Alles auch genau abgesucht, Robot?«

»Jeder Zweifel ist ausgeschlossen. Deine Kabine wurde vollständig durchsucht!« Yohko war verwundert. Die Datenkristalle lagen immer in dem dafür vorgesehenen Behälter oder dem Abspielgerät.

»Außerdem fehlen noch einige weitere Datenkristalle.« Der Robot zählte einige auf, die auch ein Einzelner unbemerkt hätte fortschaffen können. Aber da hätte ja jemand einbrechen, oder die Kombination kennen müssen.

Yohko beschloss, das morgen bei etwas wacherem Verstand durchzudenken.

Sie schickte nur noch schnell an Sulae eine Nachricht, in der sie ihr erklärte, dass sie ihr das Meisterwerk nicht schicken könne, da es mit einigen anderen Datenkristallen verschwunden wäre …

Sulae kam auf den Tisch zu, an dem Artor und Miriam sich anschwiegen.

Artor wies mit eine Geste auf den Stuhl, der noch frei war. »Natürlich nehmen sie Platz Miss …« Mit einem kurzen Blick auf die Uniform hatte er den Namen der Frau und ihre Position in der Gesellschaft des Schiffes erkannt. »… Shalannan. Wie ich sehe, gehören sie der Bordsicherheit an.«

Er selbst hatte die junge Frau noch nicht getroffen, wusste demnach auch nicht, dass er die Sicherheitschefin vor sich hatte.

»Ja, Sie haben Recht, ich gehöre zur Sicherheitsabteilung«, meinte Sulae mit einem kleinen Schmunzeln.

Sie hielt es nicht für nötig, ihrem Gegenüber zu sagen, wer genau sie in der Sicherheitsabteilung war, also beließ sie es dabei.

Shalannan unterdessen lachte sich in ihrem Kopf kaputt, weil dieser »ahnungslose Trottel«, wie Shalannan es ausdrückte, wirklich nicht wusste, wen er da vor sich hatte.

Na und?, fragte Sulae ihren Extrasinn. Woher sollte er denn?

Sie erhielt jedoch keine Antwort.

Miriam schaute ziemlich gelangweilt drein, stand auf, gab Artor einen Kuss auf die Wange und verabschiedete sich: »Ich bin müde, wir sehen uns … irgendwann.«

Dann verschwand sie durch die Tür. Fragend schauten die beiden am Tisch der Frau hinterher.

Artor führte auf das Thema zurück, über das sie gesprochen hatten, bevor die junge Frau verschwunden war – die Bordsicherheitsabteilung.

Nach einer Weile verabschiedete sich die vorherige Gesprächspartnerin Artor Seeks, wie sich der Mann vorgestellt hatte.

»Ich hoffe, dass Ihre Freundin nun geht, ist nicht meine Schuld«, meinte Sulae schuldbewusst.

Doch ihre Aussage wurde aufs Heftigste verneint und das Gespräch wandte sich einem anderen Thema zu – der Sicherheitsabteilung.

»Nun, Sie müssen wissen, dass ich neu auf dem Schiff bin, ich bin erst auf der Basis dazu gekommen. Ich arbeite mich also noch ein. Aber es gibt ein, zwei Fälle, die wir bearbeiten müssen.«

Sie lächelte einen Augenblick.

»Auf jeden Fall wird es nur selten langweilig. Sagen Sie, zu welcher Abteilung gehören Sie?«

»Zum Führungsstab, ich bin der zweite Offizier hier an Bord«, antwortete Seeks. Noch immer hatte Artor die Rangabzeichen an der Uniform der jungen Frau nicht beachtet.

»Welchen Posten auf der Sicherheitsabteilung bekleiden sie genau?«, fragte Artor die Frau und ohrfeigte sich in Gedanken selbst, als er an den Rangabzeichen erkannte, dass er einen Oberstleutnant vor sich hatte. »Entschuldigen Sie, ich hatte ihre Rangabzeichen nicht beachtet. Sie sind sicherlich die neue Sicherheitschefin. Tut mir Leid, ich konnte bisher Ihre Akte noch nicht bearbeiten, deshalb meine Unkenntnis.«

Wenn er fähig gewesen wäre rot anzulaufen, hätte er dies jetzt getan.

Unterdessen stand Vron nachdenklich da.

Oh Mann!, dachte er sich, als Emerson den schwankenden Dr. Tsuran aus dem Raum entfernt hatte. Wenn jetzt jeder anfängt, den anderen zu verdächtigen, haben wir bald wirklich eine Panik an Bord. Und dafür ist die Sache nicht groß genug.

In Gedanken bekam er schon Alpträume von Paranoia und gegenseitigem Misstrauen. Zumindest Tsuran könnte in der Hinsicht gefährlich reagieren.

Ostrog schien einen positiven Einfluss auf den Arzt zu haben. Gut, dass er das Buch gehabt hatte, das hieß, dass Tsuran keinen neuen Anhänger an Bord hatte.

Nun ja, nun aber nicht mehr über den Fall nachdenken, sondern einfach entspannen, die Arbeit vergessen und mitfeiern.

Unglücklicherweise ging das nicht so leicht. Vron sah sich etwas um.

Seine neue Chefin saß an einem Tisch mit dem zweiten Offizier Artor Seek. Die meisten Offiziere waren allerdings wohl nicht mehr auf der Party.

Kurze Zeit später kehrte Emerson zurück.

Erneut sah sich Emerson nach einem Gesprächspartner um, und da fiel ihm der wortkarge und etwas mürrisch wirkende Ertruser auf, mit dem er vorhin ein paar Worte gewechselt hatte – und es waren wirklich nur ein paar gewesen!

Er ging auf ihn zu und sprach ihn von unten herauf an: »Hallo, Mr. Rutan. Wie ist denn die Luft da oben?«

Mit diesem uralten Witz versuchte er, das Eis zu brechen. Bei ihrer ersten Unterhaltung war ihm das nicht gelungen, deshalb fuhr er jetzt stärkere Geschütze auf.

Zento sah herunter und erkannte Emerson Ostrog, der ihn mit listigen Augen anblickte.

»Dünn und verpestet«, war die trockene Antwort.

Emerson grinste über das ganze Gesicht und bohrte weiter: »Wie gefällt Ihnen die Party?«

»Ich mache mir im Allgemeinen nichts aus Partys.«

»Warum sind Sie dann hier?«

»Ich wollte mir ein Bild über die Besatzung machen.«

»Und, wie sieht's aus?«

»Bis jetzt habe ich noch kein endgültiges Urteil gefällt.«

»Sie dürfen die Leute hier nicht vorschnell beurteilen.«

»Das tue ich nie«, fiel ihm Zento ins Wort.

»Es sind teilweise sehr komplizierte Menschen«, fuhr Emerson ungerührt fort. »Und sie feiern gerne.«

»Hmm, das sehe ich«, war der lapidare Kommentar von Rutan.

»Ich wünsche Ihnen noch viel Spaß«, verabschiedete sich Ostrog ironisch.

»Den wünsche ich Ihnen auch«, erwiderte Zento höflich.

Vron sah, wie sich Emerson mit einem Ertruser unterhielt. Der Ertruser wirkte auf der Party irgendwie etwas deplatziert. Er war wohl auch nicht so gesprächsbereit wie andere, neue Crewmitglieder. Manche Intelligenzwesen waren halt nicht zu zugänglich wie andere.

Als das Gespräch zwischen Emerson und Rutan beendet war, trat Vron auf Emerson zu. »Mr. Ostrog, kann ich Sie mal kurz allein sprechen?«

Der Navigator nickte.

Als die beiden allein waren, begann Vron das Gespräch in leichtem Flüsterton: »Sie wissen ja jetzt von den zwei Diebstählen. Es wäre besser, wenn Sie nicht zu öffentlich über Verdächtigungen sprechen. Wir werden die Sache zwar nicht zu sehr unter Verschluss halten, aber es ist besser, die Angelegenheit behutsam an die Crewmitglieder zu bringen. Bei Verdächtigungen kann zu leicht etwas hängen bleiben. Und falls Sie irgendeinen Einfluss auf Tsuran haben, versuchen Sie, diesen zu nutzen.«

Vron hoffte, dass Emerson seine Probleme verstand.

»Selbstverständlich, Mr. Habel«, erwiderte Emerson. »Ich war nur so überrascht, von diesen Diebstählen zu hören, dass ich nicht daran gedacht habe, dass man so etwas besser nicht laut heraus posaunt. Soll nicht wieder vorkommen. Was Dr. Tsuran betrifft, so werde ich mir etwas überlegen, um ihn auf andere Gedanken zu bringen.«

Damit gab sich Habel zufrieden und Emerson blieb allein zurück.

Zento verließ die Party schließlich um fünf vor elf und machte einen kurzen Rundgang durch das Schiff, den er erst um Mitternacht beendete.

Müde von der lange Reise legte er sich in sein Bett und schlief sofort ein.

Ein wenig später

Anthea schlenderte vor sich hin lächelnd durch die Gänge. Für alle, die an ihr vorbei kamen, musste sie wohl wie eine Verrückte aussehen, wie sie da in sich hinein grinste.

Nach kurzer Zeit kam sie an ihrem Ziel, der Schiffsmesse, an. Sie blieb stehen, atmete noch einmal tief durch und trat dann ein.

Sofort wurde sie von dem dichten Gedränge dort fast erschlagen.

Sie brauchte mehrere Minuten, um ihr »Opfer«, Beceefha, ausfindig zu machen. Als sie ihn jedoch gefunden hatte, schritt sie selbstsicher auf ihn zu.

Er bemerkte sie erst spät, und da war es auch schon geschehen.

Sie drückte ihm einen Kuss auf, wobei sie sich ein bisschen Theatralik nicht nehmen ließ, flüsterte ihm »Alles Gute zur Beförderung« zu, und war auch schon wieder verschwunden.

Zurück ließ sie einen sehr verwunderten Beceefha.

Anthea musste sich beeilen, wieder aus der Messe zu kommen.

Als sie aus dem Gedränge hinaus war, rannte sie ein Stück den Gang entlang. Hinter einer Biegung blieb sie schließlich stehen und schüttete sich erst mal aus vor Lachen.

Anthea hatte ihre Ziel erreicht und ihr Vorhaben war auf voller Linie erfolgreich gewesen!

Epilog. Shalannans Auftritt

Auf der Party an einem anderen Tisch

Artor Seek hatte also endlich erkannt, wer sie war.

Nun, sie hatte es ihm auch nicht gerade leicht gemacht, die Uniform-Jacke direkt über ihre Rangabzeichen gelegt, so dass sie praktisch nicht zu sehen waren.

Da sie die Crewakten studiert hatte, wusste sie, wer ihr da gegenüber saß, hatte jedoch trotzdem die rhetorische Frage gestellt.

»Nicht so schlimm«, sagte sie nun, als sie merkte, dass ihr Gegenüber verlegen war. »Es war mehr oder weniger beabsichtigt«, setzte sie mit einem leichten Grinsen hinzu.

So gefällst du mir, Sulae, meinte Shalannan aus ihrem Gedächtnis heraus.

Natürlich, möglichst fies und gemein und alle ins Fettnäpfchen treten lassen, antwortete Sulae. Das magst du am liebsten, nicht wahr? Genau der Grund, warum du nie die Kontrolle erlangen darfst!

Stille …

Shalannan antwortete nicht, und das alleine hätte Sulae schon misstrauisch machen müssen, doch sie war einfach zu gut gelaunt, um sonderlich darauf zu achten.

Sie unterhielt sich noch eine Weile mit Seek, dann entschuldigte sie sich.

Die Sicherheitschefin holte sich noch etwas zu trinken, sprach mit diesem und jenem und stellte sich vor. Zusehens wurde der Abend später. Trotz des Alkoholverbots floss sehr viel Alkohol und das zog auch an Sulae nicht spurlos vorbei.

Sie hielt sich immer soweit aufrecht, dass sie weder in peinliche – und eine betrunkene Sicherheitschefin war peinlich, besonders bei Alkoholverbot! – Situationen verwickelt wurde, noch sich in irgendeiner Weise die Blöße gab.

Doch schließlich geschah etwas, das sie nicht erwartet hatte: Von einer Sekunde auf die andere vernebelte sich ihr Geist und sie hatte keine Kontrolle mehr über sich. Sulae versuchte, nicht panisch zu werden, denn wenn etwas geschehen sollte, könnte sie das ihren Posten kosten.

Ganz ruhig, wenn auch nicht zu großen Denkaufgaben fähig, versuchte sie, die Kontrolle wiederzuerlangen.

Als sie schließlich erkannte, dass sie noch nicht umgefallen war, merkte sie endgültig, was geschehen war: Shalannan hatte die Kontrolle über ihren Körper!

Sie schauderte, geistig natürlich.

Shalannan, was zum Teufel soll das?, schrie sie in ihrem Kopf.

Shalannan ließ ein Lachen vernehmen. Auf diese Gelegenheit habe ich immer gewartet, aber nein, du musstest ja asketisch leben und mir nie eine Chance geben. Tja, Sulae, nun habe ICH die Kontrolle! Und sogar mit Recht, denn du bist betrunken und daher unzurechnungsfähig! Du kannst also gar nichts ausrichten. Aber keine Sorge, ich versuche gerade, dich zu retten …

Sie machte eine Pause und lachte dann noch einmal.

… natürlich erst, wenn ich meinen Spaß gehabt habe!

Sulae schrie eine Weile, nur um Shalannan etwas Kopfschmerzen zu bereiten, bis sie merkte, dass ihr das nicht viel einbrachte.

Sie konnte nur tatenlos zusehen, wie Shalannan sich auf der Feier amüsierte. Sie hegte die schlimmsten Befürchtungen, was ihre zweite Seele so alles anstellen würde und es gefiel ihr absolut nicht.

Aber es ging sogar noch milde aus.

Shalannan verhielt sich relativ vernünftig, weil sie genau wusste, dass eine Show abzuziehen auch ihr schaden würde. So blieb es bei einigen frechen Bemerkungen gegenüber dem ersten Navigator Ostrog und dem Feuerleitoffizier Beceefha.

Emerson war nicht lange allein geblieben, denn eine nicht unattraktive Arkonidin trat an ihn heran und fragte mit spöttischem Unterton: »Na, haben Sie Probleme mit der Bordsicherheit?«

»Nicht mehr als gewöhnlich«, erwiderte der Veego scherzhaft. »Darf ich fragen, wer Sie sind? Ich sehe Sie zum ersten Mal hier an Bord.«

Sulae Shalannan stellte sich vor, wobei sie ihren Nachnamen merkwürdig betonte.

Es stellte sich heraus, dass sie die neue Sicherheitschefin der CREST V und damit die Nachfolgerin von Jack Connor war.

Irgendwie kam ihr Verhalten Emerson merkwürdig vor, aber er hätte nicht zu sagen vermocht, weshalb.

Sie wechselten ein paar belanglose Worte, bis Emerson auf einige Sicherheitsfragen zu sprechen kam.

»Sie sollten besser ständig ein Auge auf diesen Dr. Tsuran haben«, riet der Veego. »Er hat hier an Bord schon für einigen Ärger gesorgt, und sein Fanatismus bezüglich Robert Alun scheint sich nicht sonderlich gebessert zu haben.«

»Hm, ich persönlich würde mich viel lieber um Sie kümmern«, meinte Shalannan anzüglich, was Emerson jedoch als Androhung einer Sicherheitsüberprüfung gründlich missverstand.

Konsterniert verabschiedete er sich von der Arkonidin und eilte in sein Quartier, wo er die ganze Nacht kein Auge zutat.

Schließlich machte sich Shalannan die Freude und küsste den Barkeeper, bis ihr langweilig wurde und sie beschloss, dass es nun genug war.

In einem plötzlichen Anfall spöttischem Pflichtbewusstseins erwähnte sie gegenüber Sulae, dass sie ja morgen wieder arbeiten müsste und besser schlafen ging.

So verließen sie die Party in Richtung Offiziersquartiere. Dort kamen sie auch ohne einen Zwischenfall an.

Bitte, liebste Freundin!, lachte Shalannan und übergab die Kontrolle wieder an Sulae.

Das kam so plötzlich, dass Sulae, oder zumindest ihr Körper, beinahe hingefallen wäre. Sie konnte sich gerade noch so fangen und erntete abermals ein spöttisches Lachen. Shalannan hatte ihren Spaß gehabt.

Sulae wollte gar nicht daran denken, was ihr Extrasinn hätte anstellen können, wenn sie nur gewollt hätte. Sulae war noch sehr, sehr glimpflich davon gekommen.

Doch in einem hatte Shalannan absolut recht: Es war sehr spät und sie musste morgen früh arbeiten.

So ging Sulae in großer Erleichterung darüber, dass nichts Schlimmes passiert war, schlafen und schwor sich, dem Alkohol in Zukunft fern zu bleiben.

ENDE

Obwohl die Voraussetzungen im Vergleich zum ersten Flug besser aussehen, dürfen wir gespannt sein was das Universum diesmal für die Crew in petto hat. Auf jeden Fall hat die Sicherheitsabteilung etwas zu tun, und das Verschwinden des Schiffes im galaktischen Zentrum aufzuklären wird wohl auch nicht so einfach sein. Wir dürfen auf die weiteren Abenteuer gespannt sein.

PROC STORIES - Fan-Stories vom PROC - ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUBs. Kurzgeschichte »CREST V - Das Chaos geht weiter« von Das PBeM-Team der CREST V. Erschienen am: 02.05.2003. Titelbild: Jan-Christoph Kurth. Lektorat, Nachbearbeitung: Christian Lenz. Umsetzung in Endformate: Alexander Nofftz. Generiert mit Xtory (SAXON, LaTeX). Homepage: http://stories.proc.org/. eMail: stories@proc.org. Copyright © 2000-2003. Alle Rechte beim Autor!