Das PBeM-Team der CREST VPERRY RHODAN ONLINE CLUB (PROC) HomepageErschienen am:
01.11.2001
PROC STORIES - Fan-Stories aus dem Perry Rhodan Online Club

CREST V - Das Chaos V

Weggefährten, Schicksal und Strafen (06.09.3431)

Was bisher geschah

Am 1.9.3431 macht sich die CREST V, eines der größten Raumschiffe des Solaren Imperiums, auf den Weg in eine gefährliche Mission.

Bei dem ersten ernsten Einsatz der CREST V hätte es kaum schlimmer kommen können – der Erste Offizier wurde entführt und der Besatzung bleibt nichts anderes übrig, als sich unter die Bewohner der mittelalterlichen Welt zu mischen, um ihn wieder zu finden. Dabei mischen sie sich unweigerlich immer weiter in die Gesellschaftsstruktur ein...

 

CREST V ist ein PBeM-Rollenspiel, d.h. jeder, der Lust hat, kann Teil der Schiffsbesatzung werden und per Mail die Abenteuer miterleben und -gestalten!

Viele Informationen über das Spiel, die Personen und die CREST V erhaltet ihr auf der Homepage des Rollenspiels unter: http://www.proc.org/crest5/

Hauptpersonen

Major Beceefha Scrouzy und Oberstleutnant Taron Dawn – Umweltangepasste lassen sich nicht ärgern

Oberstleutnant Yohko Takashi – Sie kommt Emerson auf die Schliche

Major Emerson Victor Oostrog und Major Monthomery Spock – Die beiden »Exoten« versuchen, sich als Terraner auszugeben

Oberstleunant Allan Dean Gonozal – Er tritt für die Eingeborenen ein

Major Robert Alun – Er muss sich unter Eingeborenen durchschlagen

1. Das Attentat

Markt, Stadt »da V'ger«, etwa 30 Kilometer südwestlich von der Transmitterhöhle, Küstenregion (BZ: 2:30 Uhr, 06.09.3431 / 6. Missionstag)

Dawn und Beceefha verließen nun das Lager, um zum Marktplatz zu gehen. Dies war immerhin ihr Auftrag.

Da der Kommandant diesen nicht näher spezifiziert hatte, wollten die beiden nachsehen, ob sie für ihr Salz irgendwas bekommen konnten, was dem Rest der Crew weiterhelfen könnte.

Auf dem Weg war ihre Unterhaltung eigentlich relativ einseitig, denn die meiste Zeit schwärmte Dawn Beceefha etwas von Natalie vor.

Kurze Zeit später erreichten sie einen großen Platz, von dem sie annahmen, dass es der Marktplatz war, denn hier gab es außergewöhnlich viele Leute und einige Stände, an denen alles Mögliche angeboten wurde. Sie begannen also, zwischen den Ständen hindurch zu schlendern und hielten Ausschau nach nützlichen Dingen.

An einem der Stände fanden sie eine Karte von dieser Region des Kontinents. Sie beschlossen, diese mitzunehmen. Nach längerem Handeln überließ der Verkäufer ihnen die Karte für etwas Salz und Beceefha steckte sie ein.

Auf der Suche nach weiteren Informationen gerieten sie nun immer tiefer in das Gewühle zwischen den im Aufbau befindlichen Ständen. Um der Aufmerksamkeit zu entgehen, schlug Dawn vor, doch eine Seitengasse zu nehmen und den Kern des Marktes zu umgehen. Sie bogen also an der nächsten Ecke ab und betraten eine seltsamerweise verlassene Gasse, die einen angenehmen Kontrast zum hektischen Treiben auf dem Markt bot.

Dort schlenderten sie einige Minuten entlang, bis Beceefha Dawn auf einen Schatten hinter ihnen aufmerksam machte. Sie blieben stehen und sahen in der Richtung, aus der sie gekommen waren, tatsächlich eine Bewegung. Mit einem kurzen Blick verständigten sie sich auf »Angriff« und rannten los.

Dawn, der aufgrund der hohen Gravitationswerte auf seinem Heimatplaneten naturgemäß schneller war als der Überschwere, merkte so nicht, dass dieser zurückblieb. Erst nach der Hälfte der Strecke sah er sich um und bemerkte das Fehlen seines Freundes.

Scheiße! fluchte er in Gedanken und wollte sich gerade auf die Suche nach seinem Freund machen, als er plötzlich ein feuchtes Tuch in seinem Gesicht spürte.

»Der verdammte Schatten«, brachte er noch hervor, bevor die Umgebung in völliger Schwärze versank.

Moment«, antwortete Allan Connor und sagte zu Habel und Ostrog, dass er sich wegen des Priesters noch Etwas überlegen würde. Danach ging er zu einem der abgestellten »Warenkarren« und nahm zwei der als große Prunkkelche getarnten Scheinwerfer. Nach einem kurzen Funktionstest warf Allan eine Lampe zu Connor und wandte sich dem wuchtigen Gebäude zu.

Einige Minuten später erreichten sie den Felsenkeller, in dem der Oberst in völliger Dunkelheit wartete und lauthals vor sich hin meckerte.

Connor grinste Allan an und meinte nur: »Ups.«

Allan fragte etwas verblüfft, was denn mit Lasitus' Lampe passiert sei, worauf dieser nur wortlos auf den Haufen der Trümmer deutete und Conner sich halbwegs unauffällig die Stirn kratzte.

»Ist dies alles, was Sie mir zeigen wollten?« fragte Allan gereizt, da er sich mittlerweile etwas verarscht vorkam.

»Nein, natürlich nicht!« meinte Connor daraufhin erschrocken. »Sehen Sie doch einmal da hinten in der Ecke nach – dort scheint eine Art Falltür verborgen zu sein.«

Allan fragte sich zwar, was daran seine Anwesenheit notwendig machte, schaltete den Scheinwerfer jedoch etwas höher, wodurch der gesamte Keller in gleißendes, gelbliches Licht getaucht wurde. Sowohl Lasitus als auch Connor schienen das nicht erwartet zu haben, zumindest stöhnten sie beide ob der unerwarteten Grelle auf.

Allan schaute sich derweil die Stelle an, an der die Pfütze mittlerweile abgelaufen war. Der Geruch deutete darauf hin, dass das geborstene Fass eine Art Kräuterbranntwein enthalten hatte.

Allan schaute zu Connor und fragte nur: »Waren Sie das?«

Dann ließ er den Scheinwerferkegel über das Chaos gleiten.

Connor grinste bloß, worauf Allan sich nur knapp einen Spruch über »rohe Kräfte, die sinnlos walten«, verkneifen konnte. Laut sagte er: »Helft mal!«

Zu dritt konnten sie die fast ein Quadratmeter große Klappe freilegen. Als sie fertig waren, sahen sie, dass diese anscheinend auf der Mittelachse gelagert war, und Allan drückte probeweise. Die Steinplatte ließ sich erstaunlich leicht bewegen, und als sie fast hochkant stand, schoss eine Art Armbrustbolzen nur Zentimeter an Allans Kopf vorbei. Dieser konnte sich gerade noch seitlich aus der Schußbahn retten.

»Noch eine Falle?« fragte Connor unschuldig, was bei Allan nun langsam pure Mordlust auslöste.

Sehr leise fragte er: »Wie? NOCH eine?«

Connor wollte es ihm gerade erklären, als ein zweiter Bolzen aus dem Loch in Richtung des Arkoniden, der sich gerade wieder aufgerichtet hatte, geflogen kam, worauf sich dieser wieder in Deckung bringen musste.

Ein etwa 20 Sekunden dauernder Fluch erscholl aus dem Loch. Lasitus meinte dazu nur, dass sie anscheinend eine Bewohnerin des Hauses gefunden hatten.

Allan, der sowieso am Rand des Lochs lag, zog einen seiner Dolche und versuchte, mit dessen spiegelnder Seite ins Loch zu schauen. Da es etwas zu dunkel war, bedeutete er Connor, die andere Lampe, die dieser hielt, etwas höher zu halten, damit mehr Licht in die Grube fiel. Jetzt konnte Allan sehen, dass in der Grube eine Heranwachsende mit einem ganzen Arsenal von geladenen Armbrüsten saß.

Er kroch von dem Loch weg und informierte Connor und Lasitus. Nach einer kurzen Besprechung gab Allan den Paralysestrahler Connor, welcher dann zur Öffnung kroch und mit schwacher Ladung hinein feuerte.

Bevor das Mädchen bewusstlos wurde, schoss auch sie noch einmal. Ein Bolzen streifte die Hand des Sicherheitschefs, was selbst bei dem Oxtorner zu einer durchaus schmerzhaften Schnittwunde führte.

Nachdem das Mädchen endlich betäubt war, wollte Connor hinunter, um sie herauszuholen, stellte aber fest, dass der Abstieg etwas zu eng für ihn war, also legte Allan seine Kutte ab und stieg herab.

Die Höhlung war augenscheinlich ein Schmugglerversteck für einen, wie es aussah, regen Armbrusthandel. Allan hob die vielleicht 45 Kilo leichte Person aus dem Loch heraus, an dessen Rand Lasitus und Connor sie vorsichtig heraus zogen.

Die gesamte Gruppe begab sich erst einmal in den Schankraum und sie legten das Mädchen auf einen Tisch. Allan rollte seinen Umhang zusammen und legte ihn ihr unter den Kopf. Danach holten sie etwas Wasser und versuchten, das Mädchen aus der leichten Betäubung zu wecken. Sie sah ziemlich verwahrlost aus, was kein Wunder war, da sie, wie die Vernehmung später ergab, seit fast zwei Wochen alleine im Keller gehaust hatte.

Als sie aufwachte, ging sie gleich auf die bei ihr Stehenden los und sie beruhigte sich erst, als sie mit voller Wucht gegen die Brust Connors trat und sich dabei fast den Fuß brach. Sie stand unter einem schweren Schock, was nicht verwunderlich war.

Unter dem Einfluss des auf schwache Leistung gestellten Psychostrahlers entspannte sie sich und antwortete auf die Fragen. Das Verhör dauerte lange, da Connor und Allan ziemlich vorsichtig zu Wege gehen mussten, um keinen permanenten Schockzustand bei dem Mädchen zu riskieren.

Sie hieß Kiril, wie sie aus ihr herausbrachten, und berichtete, dass sie, als sie vom Markt gekommen war, nachdem sie dort Vorräte gekauft hatte, Schreie gehört hatte. Ihre Eltern waren, wie sie später feststellen musste, gerade zu Tode gefoltert worden. Ihr Vater hatte nebenbei einen schwunghaften Waffenhandel betrieben und anscheinend Ärger wegen schlechter Sehnen mit einer radikalen Gruppe, genannt »Gos Toran«, gehabt. Aber niemand hatte gedacht, dass diese so weit gehen würden. Ihre Mutter hatte ihr befohlen, sollte jemals so was passieren, solle sie sich verstecken, damit sie nicht gegen ihre Eltern als Geisel verwendet werden konnte.

Also hatte sie den Befehl befolgt und als sie am nächsten Morgen aus ihrem Versteck hervorgekommen war, hatte sie ihre Eltern verbrannt vorgefunden. Also hatte sie die Türen abgeschlossen, um ihnen die Ruhe zu geben, die sie nun brauchten. Das Siegel an der Tür war das Zeichen dieser Radikalen Gruppe und bedeutete, dass dieses Haus exemplarisch bestraft kennzeichnet.

»Nur wenn dieses Siegel entfernt wurde, darf jemand das Haus betreten«, erläuterte Kiril. »Da in dieser Gegend diese Gruppe schon für viele Tote verantwortlich ist, hält sich die gesamte Stadt daran.«

Allan wunderte sich nicht wenig, dass Kiril ganz froh war, auch für tot gehalten zu werden. Als sie ihm erklärte, dass sie, da sie noch nicht volljährig und außerdem unverheiratet und nun ohne Eltern war, kein Recht auf Eigentum besaß. Dadurch würde sie automatisch ein Mündel der Stadt, wenn ihr Überleben bekannt wäre. Das bedeutete, dass sie entweder im Tempel als Tempeldienerin oder schlimmer noch als Magd im Bürgerhaus leben müsste. An dieser Stelle begann sie trotz Psychostrahler regelrecht hysterisch zu werden.

Allan beruhigte Kiril wieder und sie schien langsam so etwas wie Vertrauen zu fassen. Als sie wieder eingeschlafen war, gingen die Offiziere vor die Tür und beratschlagten.

Es war schon 3:20 Uhr, als Yohko zum wiederholten Male ihre Ortungsdaten durchging, die sie vor Kurzem mit ihrem Spezial-Orter in der Nähe von Major Ostrog aufgenommen hatte. Eigentlich konnten sie nicht stimmen, aber es sah ganz so aus, als würde dieser von einem mit einem Deflektor getarnten Individuum begleitet. Wäre da nicht diese schwache, künstliche Gravitationsquelle gewesen, hätte sie an eine Fehlfunktion des Orters gedacht.

So aber hatte Yohko unauffällig weitere Messungen vorgenommen, die ihren Verdacht erhärteten: Ostrog musste ein Verräter sein!

Da Yohko mit dieser Erkenntnis nicht zu Gonozal oder Lasitus gehen konnte, schließlich war ihr Spezial-Orter ja aus USO-Beständen, beschloss sie, Major Ostrog erst einmal unter Überwachung zu stellen. Vorsichtig machte sie eine der winzigen Mikro-Spionage-Sonden, die sie auf Quinto-Center erhalten hatte, einsatzbereit und wartete mit einem selbstsicheren Lächeln auf die Rückkehr Ostrogs ins Lager.

Nur wenige Minuten später kam Emerson zurück und begab sich nach einer Unterredung mit Allan Gonozal unter das Sonnensegel, um sich schlafen zu legen.

Du wirst unsere Mission nicht weiter stören! triumphierte Yohko, als sie die Sonde aktivierte und diese mit ihrer Überwachung Ostrogs begann.

Unauffällig aktivierte Yohko auch ihren Spezial Orter, aber Emersons unsichtbarer Begleiter war nicht anwesend.

Ich muss vorsichtig sein. Es handelt sich bestimmt um einen Umweltangepassten, sonst würde er keinen Gravitator brauchen!

Jetzt, wo sie sich wieder sicher fühlte, begab sich Yohko zu Allan, um ihn zu einem Übungskampf aufzufordern. Sie hatte während der Vorbereitungen zu diesem Einsatz erfahren, dass der Oberstleutnant ein guter Schwertkämpfer war, und sie benötigte dringend etwas Training.

Nach der Besprechung trat Yohko um 4:20 Uhr an Allan heran und fragte, ob er ihr bei der Anpassung ihrer Kampftechnik an die hiesigen kulturellen Gegebenheiten behilflich sein könnte.

Allan überlegte einen Moment, lächelte und fragte dann: »Ms. Takashi, wollen Sie mich zu einem Duell fordern?«

Yohko lächelte ebenfalls. »Wenn Sie es so sehen möchten, Sir...«

Nach kurzer Absprache der Modalitäten ging Allan an sein Gepäck und holte zwei der Trainings-Katsugos, die er in Erwartung einer solchen Gelegenheit eingepackt hatte, hervor.

Um den größten Teil der Mannschaft nicht zu stören, begaben sie sich in den Schankraum, dessen Kühle bereits jetzt, am frühen Morgen des neuen Tages, angenehmer war als die beginnende Schwüle des kommenden Tages. Nachdem die Tische beiseite geschoben waren, hatten sie sich so etwas wie eine Arena geschaffen, die mit ungefähr sechs mal acht Metern ausreichend Platz bot.

Allan und Yohko legten beide ihre beim Kampf hinderliche Ausrüstung ab, dann gab der erste Offizier Yhoko einige Trainingsprotektoren und erklärte, wie diese eingestellt werden sollten. Diese sollten verhindern, dass die Übungsschwerter mit zu hoher kinetischer Energie aufschlugen und damit Schaden anrichteten. Sie würden jedoch nicht verhindern, dass ein Treffer durchaus schmerzhaft zu spüren war.

Danach zeigte Allan Yohko die Katsugo-Grundstellung und einen Teil der gebräuchlicheren Schlagkombinationen. Da Yohko diverse Kampfkünste beherrschte, darunter auch leidliche Kenntnisse im Dagor und Kendo, dauerte es nicht lange, bis sie in den ersten Trainingskampf treten konnten.

Nach einigen Minuten begann Yohko, ihre Kenntnisse anderer Kampfkünste anzuwenden, was Allan fast in Bedrängnis brachte. Er beschränkte sich hauptsächlich aufs Parieren und hatte ziemliche Mühe, ihren relativ unorthodoxen Kampfstil zu blocken.

Allerdings kassierten beide immer wieder schmerzhafte Erinnerungen daran, dass der Gegner kein Anfänger war.

Nach einer Weile ließ er absichtlich ein Loch in der Deckung, welches sie auch gleich erkannte und auszunutzen versuchte. Sie stürmte auf ihn zu und er drehte sich seitlich aus der Stoßrichtung ihres Katsugos. In der Pirouette ließ Allan sein Katsugo schräg von oben niedersausen und traf sie im Nackenbereich.

Allerdings hatte sie auch ihn ausgetrickst, denn genau in dem Moment, als sie den Schlag ins Genick bekam, rammte sie ihm ihr Katsugo nach hinten geführt in den Magen. Sie hatte das Schwert noch im Zustoßen gewendet und seitlich an ihrem Körper vorbei nach hinten geführt.

Nach einigen Sekunden, die beide brauchten, um erst einmal wieder zu Atem zu kommen, meinte Allan: »Im Ernstfall wären wir jetzt beide tot. Ich würde sagen, ich habe Sie etwas unterschätzt.«

Yohko wollte gerade was erwidern, als die dritte Person im Raum ein Geräusch machte. Als Kiril sich zu unversehens der Aufmerksamkeit der beiden ausgesetzt sah, wurde sie unruhig.

»Du musst keine Angst vor uns haben; wir werden dich nicht verraten«, sagte Allan freundlich und wandte sich demonstrativ zum Stuhl, auf den er seinen Gerätegürtel gelegt hatte.

»Ihr seid sehr gut, ich habe einmal auf dem Dorfplatz eine Vorstellung einiger Dagoristas gesehen, aber die war nicht so schnell und beeindruckend«, antwortete das Mädchen.

Allan bedeutetete Yohko, sich auch zu setzen, damit das Mädchen, das immer noch bäuchlings auf dem Tisch lag, nicht erschreckt wurde.

Diese betrachtete Yohko nachdenklich und meinte dann: »Sie sehen lustig aus, aber Sie kämpfen mindestens so gut wie ein Mann.«

Allan lachte laut auf. »Sie kämpft besser als die meisten Männer.«

Das schien das Mädchen sehr zu beeindrucken. »Hoher Herr, seid Ihr Dagorista?«

Allan lächelte. »Und wenn?«

»Im Namen der Spentsch und aller She Hua!« rief Kiril fast panisch. »Treiben Sie keine Späße mit mir. Seid Ihr ein Dagorista?

»Ja. Ich, Allan Dean Ta Moas Gonozal, bin Dagorista und Laktrote verschiedener Disziplinen.«

Kiril schluckte und setzte sich auf.

»Zhadopanda Gonozal, würdet Ihr mir die große Ehre erweisen, mich als Eure Essoyafam aufzunehmen?« fragte sie dann zögernd.

Allan konnte mit diesem Begriff nicht direkt etwas anfangen, denn wörtlich übersetzt bedeutete es soviel wie »nichtadlige Frau«, allerdings schien auch dieser Begriff auf dieser Welt eine andere Bedeutung bekommen zu haben.

»Ich werde Ihnen auch nicht zur Last fallen. Ich kann kochen und ich bin jung und kräftig. Ich...«

Yohko trat an das Mädchen heran und versuchte, beruhigend auf sie einzureden.

Kiril begann zu schluchzen. »Es ist nur, man erzählt sich so schlimme Dinge über das Bürgerhaus.«

Der Rest ihrer Worte ging in einem Tränenschwall unter, als sie sich Yohko an den Hals warf.

Allan trat hinzu, streichelte ihr sanft über die Haare und meinte: »Wenn es dir so viel bedeutet, werden wir dich wohl mitnehmen müssen. Aber es wird beschwerlich und manchmal erschreckend sein. Wenn du Fragen hast, wende dich einfach an mich oder sie.« Er deutete auf Yohko. »Jetzt werde ich erst einmal gehen und diesen Dorfpriester zurechtstutzen. Würdest du mir bitte meinen Umhang wieder geben?«

Kirils Blick fiel auf das Bündel, das ihr als Kissen gedient hatte. Sie griff fast ehrfürchtig danach und gab es Allan.

Dieser entrollte seinen Umhang wieder, zog ihn über und verließ das Gebäude. Als er draußen war, schaute Kiril zu Yohkos und fragte:

»Ist der Zhdopanda auch ihr Herr?«

Emerson inzwischen schlief den Schlaf der Gerechten, während böse Kräfte ihn unbemerkt beobachteten und auf die kleinste Verfehlung seinerseits warteten, um sie gegen ihn zu richten!

Nachdem sein neugewonnener Veego-Freund mittels des ›Kurzen Weges‹ von Bord der CREST V verschwunden war, machte Montgomery Spock sich um 2:55 Uhr daran, alle verräterischen Spuren zu verwischen.

Zuerst musste er in Emersons Kabine tüchtig aufräumen. Als Montgomery den Veego damals in seinem Quartier überrascht hatte, war der gerade beim Packen gewesen. Die schwarze Kiste, die Emersons wichtigsten Besitztümer enthielt, war sperrangelweit offen. Der Veego hatte keine Zeit gehabt, sein Zeug wieder wegzupacken, da Montgomery ihn mit vorgehaltenem Strahler abgeführt hatte.

Sollte jemand die Kabine betreten, aus welchem Grund auch immer, dann würde er der Kiste und ihres Inhaltes ansichtig werden. Deshalb war es überaus wichtig, in Emersons Räumlichkeiten rasch Ordnung zu schaffen.

Als Erstes verschaffte er sich einen Überblick über die Gegenstände, von denen Emerson ihm berichtet hatte. Da war die Veego-Bekleidung, die aus einem bunt-flippigen Hawaihemd, knallgelben Shorts, beigefarbenen Sandalen, einem Paar kurzer karierter Socken und einer Sonnenbrille bestand.

Er nahm die Brille kurz in die Hand und las den Schriftzug am rechten Bügel: »Ray Ban«.

Dann legte er sie zurück und wandte sich dem Sextanten zu, der Emersons Veego-Gegenstand darstellte. Auf den ersten Blick sah es wie eine echte Antiquität aus dem 18. oder 19. Jahrhundert aus, auch wenn Montgomery sich damit nicht auskannte. Der einzige Makel an dem gut gearbeiteten Stück war die Sockelplatte, in der die Halterung für den Veego-Computer eingelassen war. Sie störte das Bild ein wenig, doch schließlich war ja die einzige Aufgabe des Sextanten, den lebenswichtigen Datenspeicher aufzubewahren, sonst hatte das Objekt keinerlei Bedeutung.

Schließlich kam das rätselhafte Artefakt an die Reihe, von dem Emerson ihm so vorgeschwärmt hatte. Es handelte sich dabei anscheinend um einen Versorgungstornister eines Raumanzuges, der den terranischen Modellen sehr ähnelte. Seine Oberfläche war von einer glatten Beschaffenheit und besaß einen türkisen Farbton. Auf der unteren Seite waren zahlreiche Anschlüsse angebracht, die den Tornister wohl mit dem dazugehörigen Anzug verbinden sollte. Außerdem gab es dort eine Aussparung von der Form eines Rechteckes, die ungefähr 5 Zentimeter tief war.

Eine erste vorsichtige Abtastung ergab, dass es sich bei dem Artefakt um das Werk einer extrem hoch entwickelten Technologie handelte. Doch den Zweck der Schaltungen konnte er nicht ergründen, dazu waren sie viel zu kompliziert. Womöglich wäre keine noch so gut ausgestattete Forschungsstätte der Galaxis dazu in der Lage. Das war in der Tat ein Rätsel, das einen vier Jahrzehnte lang beschäftigen konnte.

Montgomery hätte sich nur zu gern noch länger mit dem geheimnisvollen Artefakt beschäftigt, doch dazu war später noch genügend Zeit. Aber er verstaute alle Sachen sorgfältig in der schwarzen Kiste und verschloss sie. Dann stellte er sie in den Wandschrank und verbarg sie hinter einem Wäschehaufen, wie Emerson ihn auf dem Planeten gebeten hatte. Nach einem letzten Blick der Kontrolle verließ Montgomery das Quartier mit der Sicherheit, das die Kiste dort vollkommen sicher war.

Als er bei seiner eigenen Kabine eintraf, beschäftigten sich seine Gedanken bereits mit anderen wichtigen Dingen.

Robert hatte mit einigen Baumbrüdern gesprochen. Dabei war herausgekommen, dass diese Toran für einen Menschen hielten. Was ihn allerdings etwas verwunderte, war, dass sie ihn für einen Menschen hielten, der gute Absichten hatte.

Robert Alun hatte sich noch mal die ersten Seiten des Buches vorgenommen. Dort hatte er erfahren, dass eine Fehlfunktion des Iltroboters die Erklärung zu Göttern hervorgerufen hatte. Jedenfalls behauptete dieser Toran das. Des weiteren hatte er auch Hinweise auf etwas gefunden, weswegen der Terraner unbedingt nach Hause zurückkehren wollte. Scheinbar besaß er wichtige Informationen, die er unbedingt an seinen Chef Atlan übergeben wollte. Das Ganze war vor etwa 60 Jahren passiert.

Nachdem er das erst einmal verdaut hatte, war es zu spät, um mit Lor zu reden. Er machte sich auf den Weg zu Irana, die ihn ja als Bodyguard haben wollte.

2. Auf der Flucht

Irana und Robert betraten das Haus, in dem sich der Anführer der Karawane ein Zimmer gemietet hatte. Robert spielte den stummen Söldner. Dafür trug er jetzt auch weniger auffällige Kleidung und ein Schwert. Im Notfall würde er aber besser auf den Kombistrahler zurückgreifen.

Der Händler begrüßte Irana freundlich.

Robert, dessen Translator ihm immer noch die Möglichkeit gab, die Sprache auf den Planeten zu verstehen, belauschte das Gespräch:

»Irana von Zonta, es ist mir eine Ehre! Ich kannte Euch ja schon, als Ihr klein wart. Aber leider muss ich Eure Bitte, euch uns anzuschließen, ablehnen. Ihr werdet von den Troch gesucht.«

Das Gespräch ging noch etwas, aber Irana hatte keinen Erfolg.

Robert fragte sich, warum sie den gleichen Namen wie der Trochanführer trug.

Schließlich verabschiedeten sie sich.

Alun wollte Lor ansprechen und hoffte, dass der ihm zuhörte. Ihn interessierte einfach die Sicht der anderen Seite.

Der Händler hingegen rief einige seiner Männer zusammen. »Auf dieses Mädchen ist ein hoher Preis ausgesetzt. Denke, wir können ihn uns verdienen. Holt einige Leute und schnappt euch sie und so viele andere wie möglich. Ihren Leibwächter könnt ihr töten, der Mann scheint, nach dem, wie er mit dem Schwert umgeht, zu urteilen, eine Flasche zu sein.«

Er bedauerte, dass sein anderes Ziel, nämlich Lor von Zonta, sich so weit weg befand. Er hatte von zwei verschiedenen Auftraggeber eine Belohnung versprochen bekommen, falls er ihn tötete.

Eben dieser Lor war nun bereits seit einiger Zeit wach und beobachtete seine Bewacher. Den Baumbrüdern gegenüber hatte er nie so viel Hass und Misstrauen gehegt wie viele seiner Mitstreiter. Er war immer so fair wie irgendwie möglich gewesen. Das war nicht einmal allzu schwer gewesen, da sie ziemlich unpolitisch waren und sich kaum um die anderen Rassen kümmerten. Er hatte sogar einige unter seinen Offizieren und ein ansehnliches Kontingent unter den Fußtruppen.

Lor hatte, was ihm viele Feinde in den eigenen Reihen einbrachte, sogar des Öfteren verzichtet, auch ihre Dörfer abbrennen zu lassen, selbst wenn sie sich im Drei-Stadien-Bereich um ein Häretikernest befanden. Ihnen hatte er geglaubt, dass sie von nichts wussten, da sie ja so zurückgezogen lebten.

Und nun das!

So wurde sein Großmut vergolten – entführt, von seinen Leuten getrennt. Die Götter mochten wissen, was dieser Heißsporn von Stellvertreter für ein Blutbad anrichten würde.

Wenn er nicht sehr bald mit dem Großen Rat in Verbindung kam, würden sie denken, dass er den Tod gefunden hatte, und das würde eine Strafaktion ohnegleichen über den Landstrich, in dem er entführt worden war, bringen.

Was anderes wäre es gewesen, wenn das Konzil mit seinem Leben erpresst worden wäre. Das hätte wenigstens einen sofortigen Befreiungsversuch nach sich gezogen, und zwar unter Einsatz schwerster Waffen.

Er hatte sie gefragt, warum sie den Hochverrätern halfen und hatte als Antwort nur bekommen: »Weil sie Hilfe brauchen.«

Diese Antwort so rührend einfältig, dass er fast Mitleid mit ihnen entwickelt hätte. Er hatte darauf gefragt, ob ihnen klar sei, wer er sei und was ihnen bevorstünde, wenn öffentlich gemacht würde, dass sie an diesem unsagbaren Verbrechen mitgeholfen hatten. Sie schienen nicht ganz zu verstehen, wovon er sprach. Allerdings hatte Lor registriert, dass etwas Angst in ihren Augen zeigte.

So saß er nun gefesselt zwischen einigen Baumbrüdern und rezitierte innerlich die 24 Lobpreisungen.

Was Lor nicht wusste war, dass derweil die Ältesten des Baumbrüder-Dorfs darüber beratschlagten, ob sie ihn laufen lassen oder töten sollten. Die Baumbrüder wussten sehr wohl, was um sie herum vorging, und der Name Lor von Zonta stand zwar für teilweise grausam konsequente Härte, aber im Gegensatz zu vielen anderen Namen in der obersten Hierarchie auch für Gerechtigkeit und Fairness.

So wurde nach längeren Diskussionen ein Entschluss gefasst. Solange die Erins unterwegs waren, sollte Lor der Vorschlag gemacht werden, ihn gehen zu lassen. Sie würden ihn sogar zur nächsten Garnisonsstadt eskortieren, wenn er nur versprechen würde, ihre Rolle in dieser Angelegenheit zu vergessen und ihnen und den flüchtigen Dorfbewohnern des Erindorfs Dispens zu erteilen.

Die Baumbrüder wollten behaupten, dass die Hexe und der merkwürdig Gewandete mit dem harten Kern der Tornaisten verschwunden wären, um sich der Strafe zu entziehen. Als Beweis hatten sie den merkwürdigen Anzug des Fremden, den dieser abgelegt hatte, um nicht zu sehr aufzufallen.

Allan ging zu seinem Gepäck, um sich frisch zu machen, und hörte nur mit einem Ohr zu, wie Yohko versuchte, der Kleinen zu erklären, dass Allan ihr Vorgesetzter war. Dieses Unterfangen schien zum Scheitern verurteilt, da das ganze Konzept einer freien Frau, die dennoch den Befehlen eines Mannes gehorchte, Kiril einfach zu fremd war.

Das wird noch lustig! ging es Allan durch den Kopf, als er versuchte, Yohko aus der Verlegenheit zu helfen. Mit – wie er hoffte – strenger Stimme sagte er, sie hätten dafür keine Zeit und Yohko solle sich besser für ihr Treffen mit diesem Entos da Bostich vorbereiten.

Bei Erwähnung dieses Namens quiekte Kiril vor Schreck. Nach einigem Hin und Her erzählte sie den beiden, dass es insbesondere dieser Mann sei, vor dem sie sich so fürchtete. Er schien nach ihrer Aussage so etwas wie der mächtigste Mann der Stadt zu sein und behauptete immer von sich, direkte Order vom Hohen Rat der Troch zu bekommen, obwohl sich jeder wunderte, was ein angeblich so wichtiger Mann in einem so unbedeutenden Ort machte.

Allan glaubte, sicher sein zu können, dass der Mann bluffte. Allerdings waren er und wohl auch Yohko dann doch geschockt, als Kiril erzählte, für welche Grausamkeiten diese Mann die Rechnung trug. Er hatte zum Beispiel, gegen den Kodex, immer wesentlich höhere Strafen für Baumbrüder oder Grünhäuter als für Arkonas verhängt. Das hatte vor einiger Zeit eine Untersuchung ausgelöst, aber die hatte nichts ergeben.

Seitdem waren die Zustände nur noch schlimmer geworden. Bei allen Nichthumanoiden oder »Grobhumanoiden« schien die Strafe für schon kleinste Vergehen Tod unter der Folter zu sein. Aber bei Arkonas hatte die Bestrafung für kleinere Vergehen meist in der Übernahme in die Mündelschaft für die älteren Töchter der Täter bestanden Eins dieser Mädchen war eine Freundin Kirils gewesen und hatte sich bereits am ersten Tag aus dem Fenster geworfen und zu Tode gestürzt.

Nachdem die Kleine sich etwas beruhigt hatte, empfahlen sie ihr, sich etwas auszuruhen, am besten zu schlafen. Sie würden sich um dieses Tier kümmern

Als Allan seinen Umhang zuzog, in dem er entgegen seiner ersten Absicht einiges mehr an Ausrüstung untergebracht hatte, sah er wie Yohko einen Haufen archaischer Waffen in ihrer Kleidung unterbrachte. So ausgerüstet gingen sie scheinbar ruhig nebeneinander aus dem Hof in Richtung des Amtssitzes.

Nachdem sie einige Meter gegangen waren brach Yohko das Schweigen.

»Wissen Sie, was das bedeutet, was Ihr ›Mündel‹ da eben erzählt hat?« fragte sie mit mühsam zurückgehaltener Wut.

»Ich glaube schon«, antwortete Allan darauf. »Wir haben einen kleinen rassistischen Dorfdiktator, der seine Machtbefugnisse dazu benutzt, sich entweder Nachschub für einen schwunghaften Mädchenhandel zu verschaffen, oder der am Ende so etwas wie sein kleines Privatbordell betreibt.«

Nach einigen Sekunden und Metern meinte Yohko: »Sie werden mir doch nicht mit Jurisdiktion anderer autonomer Völker und dem Einmischverbot kommen?«

»So wie ich das sehe, scheint Kiril ziemlich sicher klargestellt zu haben, dass solcherart Vorgehen auch hier nicht normal ist. Im Zweifel geht das auf meine Kappe. Dieser Kerl wird sich diese kleine Küstennest ausgesucht haben, um in aller Ruhe arbeiten zu können. Wenn ich Kiril vorhin bei der Hypnobefragung richtig verstanden habe, sind Dagoristas die einzigen, die legal gegen einen in da Bostichs Amt vorgehen können, und da es hier keine Außenbedrohung zu geben scheint, ist es sehr selten, dass einer hier vorbeikommt. Und ich bin Dagorista, wenn auch nicht von dieser Welt.«

Nach einer Pause von einigen Sekunden fuhr Allan fort: »Aber wir werden erst reden, klar! Möglicherweise haben wir ihn ja schon in der Hand. Wenn herauskommt, dass eine Gruppe der ›Gos Toran‹ hier aktiv ist, dann wird eine Untersuchung durch das Konzil eingeleitet werden. Dabei wird automatisch die Schweinerei hier bekannt werden, und dann wird er, wie ich die Strafen hier einschätze, einen sehr langen Tod sterben...«

Yohko öffnete und schloss auf den folgenden Meter die Hände, sie schien sich nicht ganz schlüssig zu sein, ob ein relativ schneller Tod durch Ihre Hand nicht doch gerechter wäre.

BZ: 03:30-05:00 Uhr / 6 Missionstag

Connor setzte sich auf den Hof und lehnte sich an die Wand. Versonnen betrachtete er seine Hand.

Wow, wenn die meinen Hals getroffen hätte, könnte ich jetzt nicht so schön hier sitzen und auf den Tag genießen.

Er atmete tief durch, zuckte die Schultern und griff dann erst einmal in seinen Rationsbeutel, um einen kleinen Imbiss auf den Schreck zu nehmen. Danach legte er sich hin und starrte den Himmel an.

Dabei hörte er plötzlich, wie jemand vorsichtig durch das Lager lief.

Er schaute vorsichtig auf und sah, wie Allan und Yohko das Gebäude betraten. Connor überlegte, ob er ihnen mal folgen sollte.

Seine Neugier war letztlich größer als sein Respekt vor Vorgesetzten und er stand auf und ging zur Tür. Aus dem Schankraum waren Geräusche zu hören. Connor näherte sich ihm vorsichtig und sah dann zur Tür rein.

Drinnen »kämpften« Yohko und Allan mit Waffen gegeneinander. Im ersten Moment sah es richtig gefährlich aus, doch schnell sah Connor, dass hier nur zwei erfahrene Sportler gegeneinander antraten.

Connor hatte selbst nur wenig Erfahrung mit Kampfsport, da dieser Zwischenfall in der USO gewesen war. Er war erstaunt über die Aktionen, die sich seinem Auge boten, zog sich aber langsam wieder zurück.

Auf dem Weg zu seinem Platz überlegte er sich, ob er nicht mal Unterricht bei Allan oder Yohko nehmen sollte. Zurück auf seinem Platz gähnte er herzhaft und schlief kurz darauf schon sanft ein. Doch sein Schlaf war nicht von Dauer.

Connor lag bewegungslos da und überlegte, was los war. Er hatte eben noch geschlafen, war jetzt aber übergangslos wach. Irgendwas störte ihn, irgendwas hatte ihn geweckt. Nur was es war, das wußte Connor nicht.

Er öffnete langsam die Augen und sah sich vorsichtig um. Irgendwer beobachtete ihn doch, aber wer?

Nur die Mitglieder der Karawane waren zu sehen, ansonsten zeigte sich nichts Auffälliges. Doch das Gefühl, beobachtet zu werden, verstärkte sich immer mehr in Connor.

Er stand langsam auf und schlich durchs Lager Richtung Hofeingang. Dort angekommen sah er sich nochmals um, aber es zeigte sich niemand.

Connor suchte den Hof nach Allan ab, aber der war nicht zu sehen.

Also machte er sich auf die Suche nach Allan oder Lasitus, um die beiden zu informieren.

Lasitus schaute sich im Hof um und bemerkte, wie Connor von seinem Schlafplatz aufstand und unschlüssig umher lief, schließlich blieb er stehen und blickte auf das Gebäude vor sich.

Lasitus klopfte sich die Hände sauber und lief auf Connor zu.

Connor stand mit dem Rücken zu ihm und bemerkte den Oberst. nicht.

Strader räusperte sich und klopfte auf Connors Schulter, in der Hoffnung das er nicht ausschlug.

Vron nahm den Auftrag an, nach der Karte zu suchen. Dazu begab er sich auf den Markt, den er um 3.40 Uhr BZ erreichte.

Er wollte Dawn und Beceefha, die gerade auf den Markt waren, den Auftrag übernehmen lassen. Aber er sah sie nirgendwo, was er merkwürdig fand.

Von einem Kartenzeichner erfuhr er, dass die beiden bei ihr gewesen waren. Aber finden konnte er sie nirgendwo.

Nach einiger Zeit des Suchens ging er zum Lager zurück.

Als er bei Lasitus ankam, wurde Connor mit einem freundlichem Schulterklopfer gefragt, was los sei. Als er noch überlegte, wie er sein Gefühl am besten ausdrücken sollte, näherte sich plötzlich jemand von hinten.

»Ich war auf den Markt. Von Beceefha und Dawn fehlt dort jede Spur!«

Connor fuhr herum, konnte aber den angesetzten Schlag noch unterdrücken, da er Habel rechtzeitig erkannt hatte.

Er atmete erst einmal tief durch und wandte sich wieder an den Kommandanten.

Dieser zog die Augenbraue hoch und runzelte die Stirn. »Keine Spur? Das gefällt mir nicht, haben sie wirklich alles genauestens geprüft?«

Habel nickte nur.

Connor räusperte sich leicht. »Sir, Beceefha und Dawn wird schon nichts passiert sein, keine Angst. Ein Oxtorner ist ja dabei. Die schaffen das schon. Bei uns sieht das schon anders aus.«

Connor kniff kurz die Augen zusammen, als er auf dem Dach gegenüber etwas zu sehen gehabt glaubte.

»Wir sollten unsere Leute in Bewegung setzen und uns ins Haus zurückziehen. Oder wir gehen alle in die Stadt. Hier haben wir nur einen Ausgang und könnten in Kürze eingekesselt sein. Wir werden ja schon beobachtet.«

Connor sah ein Zucken auf den Gesichtern seiner Gegenüber. »Lassen sie sich nichts anmerken, sonst könnte hier gleich die Hölle losgehen. Ich habe auf dem Dach eine Bewegung und einen kurzen Lichtreflex gesehen. Außerdem sagt mir mein Gefühl, dass der Hof von mindestens zwei Stellen eingesehen wird. Soll ich mich mal umsehen?«

Connor beobachtete nebenbei die anderen Dächer und wartete Lasitus Antwort ab.

Strader blickte Connor an. Für ihn wirkte Connor, obwohl ein Oxtorner, etwas übermüdet und gereizt.

»Warten sie einen Augenblick!«

Lasitus ging zu einem Wagen, zog die Plane zur Seite und kletterte hinein. Drinnen schloss er die Plane wieder.

In dem engen Wagen, mit verschieden Sachen und getarnten Geräten, legte Lasitus eine braune Kiste frei. Die Kiste war gesichert und ließ sich nur mit dem Daumenabdruck von dem 1. Offizier oder vom Kommandanten öffnen.

Lasitus drückte in eine kleine Kerbe, im nächsten Augenblick öffnete sich die Kiste. In der Innenseite des Deckels war ein kleiner Bildschirm eingearbeitet, und im eigentliche Fach der Kiste, gab es ein kleines Display zum Schalten.

Lasitus aktivierte den Schirm, betätigte einige Schaltungen, dann hatte er Kontakt mit der Überwachungssonde. Er ließ das bestimmte Gebiet heraussuchen, fand dann die Stadt und vergrößerte ihrem Lagerplatz. Strader zoomte an das Gebäude heran, das Connor meinte, und schaute dann verdutzt auf das Dach.

Er sah einen Hahn, der sich die Federn putzte, ab und zu zu fliegen versuchte und dabei ein Krächzen von sich gab. Im nächsten Augenblick verlor das Tier den Halt, rutschte vom Dach und verschwand vom Schirm.

Er fing prompt an laut zu lachen und mit einen Grinsen im Gesicht kehrte er zu Connor zurück. »Es ist alles In Ordnung, legen Sie sich ruhig schlafen, sie haben es wirklich nötig.«

Grinsend ging er zu seinem eigenen Platz und legte sich hin.

3. Gefangen

Scheiße! war Dawns erster Gedanke, als er aufwachte. Darauf folgten die Gedanken Scheiße! Scheiße! sowie Verdammte Scheiße!

Langsam versuchte er, die Augen zu öffnen, und stellte fest, das es nicht ging. Es blieb weiterhin dunkel.

Erst nach einigen weiteren Versuchen und einem schrittweisen Erwachen seiner Denkfähigkeit stellte Dawn fest, dass er seine Augen bereits geöffnet hatte und es einfach nur duster war in dem Raum.

Doch auch das stellte sich bald als Trugschluss heraus, denn nach weiteren Minuten des Erwachens begann er einen matten Lichtschein wahrzunehmen. Dieser verstärkte sich immer weiter, je wacher Dawn wurde.

Nach einer weiteren scheinbaren Ewigkeit raffte er sich auf und sah nach Beceefha. Dieser schlief noch den Schlaf der Gerechten und wurde erst wach, nachdem Dawn ihn mit einer gehörigen Portion kalten Wassers aus seinem an der Hüfte befestigtem Trinkschlauch behandelt hatte.

Dabei fiel dem Oxtorner auf, dass ihnen die Schwerter abgenommen worden waren, man ihnen der Rest der Ausrüstung jedoch gelassen hatte.

Sie scheinen uns ja nicht unbedingt feindlich gesinnt zu sein, dachte Dawn und wusste nicht, wie gründlich er sich damit geirrt hatte.

Das Fehlen seines Schwertes brachte Beceefha dann allerdings ziemlich in Rage, als er soweit erwacht war, doch Dawn konnte ihn noch einmal beruhigen.

Nun nahmen die beiden die Zelle genauer unter die Lupe. Nachdem sich ihre Augen nun auf das schummrige Dämmerlicht eingestellt hatten, das aus einer undefinierbaren Quelle an der Decke kam, erkannten sie, dass sie sich gar nicht in einem Raum, sondern in einer kleinen, mit einer Holztür verschlossenen Höhle befanden.

Von irgendwo hörte Dawn das Geräusch tropfenden Wassers, und ein kleines Rinnsal floss direkt vor seinen Füssen entlang.

Er folgte seinem Verlauf, musste aber zu seiner Enttäuschung feststellen, dass es unter der Tür heraus floss – es also keinen weiteren Ausgang verraten konnte.

Auch das Licht kam, wie Beceefha inzwischen herausgefunden hatte, durch einen sehr engen Schacht im Fels, der nicht mal einem Marsianer zur Flucht gereicht hätte.

Also besprachen sich die beiden und entschieden zunächst zu warten, ob nicht irgend jemand kommen würde, um ihnen Gesellschaft zu leisten.

Nach fast zwei Stunden des Wartens erschienen drei seltsam gekleidete Männer in dem Raum. Zwei davon waren die typischen Gorillas, die dabei hauptsächlich in Schwarz gekleidet und mit gefährlich aussehenden Schwertern bewaffnet waren.

Der dritte jedoch war ein relativ kleiner Mann in mittleren Jahren, der völlig unbewaffnet und in eine weiße Robe gekleidet war.

Die Gorillas nahmen an der Wand Aufstellung, der kleine Mann trat vor und begann zu sprechen:

»Willkommen in unserer bescheidenen Behausung.

Ich freue mich darüber, dass Se so schnell erwacht sind. Mein Name ist D'reg und ich bin der Hüter der Wahrheit, Beschützer aller Gläubigen, Vernichter aller, die nicht glauben, Herr des Lebens und des Todes, Meister aller hellen Kräfte, Sunsarim der...«

Er setzte diese Liste noch einige Minuten lang fort.

»Also gut, Zhdopan Dreck«, unterbrach ihn Dawn. »Das ist ja alles schön und gut, aber vielleicht könnten Sie uns endlich mal sagen, warum wir hier sind?«

»Aber natürlich, kommen wir zur Sache! Unser Freund hat sie hierhin gebracht, weil wir Sie kennenlernen möchten. Wie Sie vielleicht wissen, haben Sie sich mit Ihren seltsamen Fragen und Ihrer Unkenntnis über die Gewohnheiten und Bräuche verdächtig gemacht.«

»Und was geht sie das an?« warf Beceefha ein, der sich inzwischen einigermaßen von seinem Lachkrampf ob der vielen Titel des Mannes erholt hatte.

»Wir mögen nun einmal keine ungeladenen Gäste – erst recht nicht, wenn sie zu viele Fragen stellen!

Also sagen Sie uns, wer Sie sind, woher Sie kommen und weshalb Sie hier sind!

Wir könnten ansonsten ein wenig ungemütlich werden - und das wollen Sie doch auch nicht, oder?«

Dawn versuchte, ihm die vorbereitete Geschichte von der Karawane zu erzählen, doch der Mann ließ ihn nicht ausreden.

»Wenn Sie Händler sind, dann mögen die Götter mich vernichten!

Sie werfen mit Salz nur so um sich und scheinen so reich zu sein, dass Sie den Erlös aus Ihrer Karawane nicht mehr benötigen dürften!

Ein kleiner Tipp von mir: Informieren Sie sich vorher, wieviel etwas wert ist, bevor Sie damit um sich schmeißen.

Ich weiß nicht, wer oder was Sie sind, aber glauben Sie mir, ich werde es herausfinden!«

Nachdem er den letzten Teil nur noch gezischt und dabei sein freundliches Gehabe vollkommen abgelegt hatte, drehte er sich abrupt um und verließ den Raum zusammen mit den beiden Gorillas.

»Huiuiui, ganz schön gereizt, der Kleine«, meinte Beceefha.

»Und wie!« antwortete Dawn. »Dem müssen wir wohl Manieren beibringen... Sich Gästen gegenüber so zu benehmen, eine Unverschämtheit ist das!«

»Jawohl! und dann auch noch mein Schwert zu klauen – das geht zu weit!«

»Und was ist mit meinem Schwert, du überfetter Egoist?« begann Dawn einen ihrer berüchtigten Streite.

Beceefha antwortete mit einer scharfen Bemerkung und so schrien sie sich einige Minuten lang sinnlos an, um ihre Aggressionen abzureagieren.

Danach begann Dawn, befreit zu lachen, und Beceefha stimmte ein.

Plötzlich hörten sie wieder Stimmen von draußen, wohl aufgeschreckt von ihrem Gebrüll, und die beiden verständigten sich, den Spieß nun umzudrehen.

Das Letzte, was die beiden Gorillas sahen, waren zwei überdimensionierte Schemen, die in einem atemberaubendem Tempo auf sie zu flogen, dann wurde es dunkel.

Beceefha und Dawn jedoch hielten an und griffen sich die Schwerter der beiden.

»Das ist guter Stahl!« lobte der Überschwere. »Natürlich nichts gegen meine Klinge, aber als Notbehelf recht nützlich!«

In der Tat hatten die beiden Wächter schwere Langschwerter bei sich gehabt, die sie selbst wohl kaum länger als eine Minute hätten schwingen können, sich aber für die beiden Umweltangepassten wunderbar eigneten.

Beceefha durchsuchte auch die Taschen der beiden, fand jedoch nur einige Münzen und einen Schlüssel zu ihrem Gefängnis. Er steckte beides ein, und auf einen fragenden Blick Dawns hin sagte er:

»Man weiß ja nie, wann man so etwas noch mal gebrauchen kann.«

Dawn zuckte darauf als Antwort nur mit den Schultern und ging den Gang entlang, den sie gerade betreten hatten.

Die Wächter hatten eine kleine Nische als Wachraum gehabt, die mit zwei Hockern und einem Tisch ausgestattet war und direkt an die Gefängnishöhle grenzte. Von dort aus führte ein langer Gang, in dem in Abständen von ungefähr drei Metern Lichtschlitze angebrachte waren, wie sie die beiden Freunde schon in der Höhle gesehen hatten, scheinbar in den Fels hinein.

Das von den Schlitzen gespendete Licht wurde jedoch immer schwächer und nach ungefähr 70 Metern wurden sie durch Öllampen ersetzt. Nun verbreiterte sich der Gang auch allmählich, und der grobe, unbehauenen Stein der Wände wich langsam kunstvollen Ornamenten und Wandteppichen.

Jetzt trafen sie auch auf weitere Holztüren, die links und rechts von dem Gang abgingen. Wahllos wählten sie eine aus und klopften an.

4. Entos da Bostich

Die beiden näherten sich dem palastähnlichen Gebäude. Der wuchtige dreistöckige Bau aus meterhohen Sandsteinquadern ragte bedrohlich am Südende des Marktplatzes herauf.

Die Händler hatten bereits ihre Stände abzuschlagen begonnen, da die Sonne schon mehrere Handbreit über dem Horizont stand und die Händler noch zu erträglichen Temperaturen Zuhause ankommen wollten.

Als die beiden sich dem Portal des beeindruckenden Gebäudes näherten, wurden sie von zwei Helebarden bewehrten Wachen aufgehalten.

Yohko war ernsthaft am überlegen, ob sie diesen beiden Soldaten eine vorgezogene Siesta verpassen sollte, als Allan vortrat und sagte, dass sie einen Termin mit dem großen da Bostich hätten.

Die Rechte fragte, wer sie seien, und bekam als Antwort, dass da Bostich den geistigen Führer der Handelskarawane zu sehen gewünscht habe.

Da dies avisiert war, ließen sie die beiden passieren.

Yohko und Allan betraten einen circa 20 Meter langen Gang mit einer lichten Höhe von ungefähr vier Metern, was für die hier verwendeten Techniken schon sehr erstaunlich war, und wahrscheinlich eventuelle Besucher einschüchtern sollte. Dieser Eindruck wurde durch die diffuse Beleuchtung aus den aufgestellten Glutschalen noch unterstützt

Am Ende des Ganges befand sich ein mit aufwendigen Schnitzereien versehenes Portal, das von einem gewaltig gebauten Wächter, welcher sich auf ein fast zwei Meter großes Exemplar einer Streitaxt stützte, bewacht wurde.

Nachdem sich Allan auch hier als der angekündigte Begleiter der Karawane identifizierte, gab auch dieser den Weg frei und das Portal öffnete sich wie von Geisterhand.

Durch die sich öffnende Tür fiel ein im Zwielicht des Ganges fast grelles Licht. Unwillkürlich fasste Yohko nach dem Griff ihres Schwertes, wurde allerdings sofort von Allan zurück gehalten.

Nachdem sich die Tür vollständig geöffnet hatte, betraten die beiden das Amtszimmer des von ihnen bereits im Vorfeld verabscheuten Mannes.

Hinter einem riesigen Monster von Schreibtisch stand ein prächtig gekleideter, hoch gewachsener Mann mit den typisch arkonidischen, rötlichen Albinoaugen und hellen Haaren.

Im Gegensatz zu den guten Sitten, was ihm durchaus bewußt war, fuhr Allan ihn an: »Sie müssen der berüchtigte Entos da Bostich sein.«

Ziemlich irritiert antwortete der Macht gewohnte Kleriker: »Ähm, Ja. Und wer sind Sie?«

»Ich bin Allan, vom Khasurn der Gonozal, Laktrote in Dagor, Katsugo und Tharks im Range eines Dagorista.

Gekommen auf Euren Wunsch, jedoch nicht zu Eurer Erbauung. Ihr mögt mich als Zhdopanda ansprechen.«

Alan bluffte, doch der Priester wurde bleich. »Ich soll Euch zu mir gebeten haben? In welcher Angelegenheit? Und wieso eigentlich nicht zu meiner Erbauung? Und außerdem, was sollte die Unverschämtheit mit dem ›berüchtigt‹ am Anfang Eurer Rede?«

Yohko hatte die Vorstellung Allans nicht ganz verstanden, da Allans forsches Auftreten sie doch etwas überrascht hatte. Das hatte sie sich nun wirklich nicht unter seinem »Wir reden erst« vorgestellt.

Allan lächelte, was ihm sichtlich schwer fiel. »Bevor ich Euch mitteile, in welcher Angelegenheit ich zu Euch gekommen bin, erlaubt die Frage: Welchen Titel bekleidet Ihr?«

Hierauf wurde Entos erst recht nervös. »Ich bin der Kur dieses Distrikts, das dürfte wohl hinreichend bekannt sein.«

Das brachte Allan zu einem kurzen Lacher, weil der Begriff »Kur« eigentlich einen Stadthalter von mehr als einem Sonnensystem bezeichnete, und nicht wie scheinbar hier eine Art Regionalgouverneur.

»Also doch nicht ›höchster Priester der She Hua‹?« fragte Allan mit unüberhörbarer Ironie.

Der mächtigste Mann dieser Gegend zuckte zusammen. Er erinnerte sich scheinbar, diesen anmaßenden Begriff und einiges mehr verwendet zu haben.

»So hab ich das doch nicht gemeint«, versuchte Entos zu beschwichtigen. »Ich meinte natürlich, nur in dieser Gegend, und da ich der Vertreter des Troch-Konzils in dieser abgelegenen Region bin, ist es wohl nicht übertrieben...«

»Und wie meinten Sie, dass in der Herberge alles in Ordnung sei? Ein Glück, dass ich gesandt wurde, um hier nach dem Rechten zu sehen... Was glauben Sie, wird das Konzil sagen, wenn ich berichte, dass Sie in Ihrem Kurat nicht nur Taten der Gos-Toran geduldet haben, sondern auch noch versuchen, diese zu schützen?«

Langsam begann Allan das Spiel zu gefallen.

Der Mann hinter dem Schreibtisch, den man eigentlich nur mit den Begriffen fettleibig und aufgedunsen bezeichnen konnte, wurde immer nervöser, was ja auch kein Wunder war, da er glauben musste, es mit einer Art verdeckt arbeitendem Inquisitor zu tun zu haben.

Gerade als er mit dem Versuch begonnen hatte, diese Vorwürfe zu entkräften, sagte Allan, den Kopf leicht schüttelnd: »Und dann noch Eure Rechtsprechung...«.

Augenblicklich wurde Entos ruhiger. »Was ist falsch mit meiner Rechtsprechung?«

Jetzt war es an Allan verblüfft zu sein, anscheinend waren hier die Rechtssprechungsbefugnisse der Regionalverwalter weitreichender als er angenommen hatte.

»Natürlich nichts, Ihr dürft so unausgeglichen und unfair urteilen, wie es Euch beliebt, nur was glaubt Ihr, wird die Öffentlichkeit der Stadt tun, wenn sie erfahren, was den Mädchen, die Ihr Euch zur bestmöglichen Pflege und Erziehung überantwortet habt, wirklich passiert ist?«

Auf diese Anfuhr wurde Bostich doch wieder unsicher. »Woher wollt ihr wissen...«

Yohko unterbrach ihn mit bebender Stimme. »Mädchen springen nicht nur zum Spaß aus dem Fenster in den Tod!«

Bostich fuhr hoch und sprach zu Allan gerichtet: »Wie kann sie es wagen, unaufgefordert zu sprechen... ?«

Allan berührte Yohko mit der linken Hand am Ärmel. »Sie kann – auf Grund ihres hohen Standes und Amtes, um genau zu sein. Ich bin eigentlich nur ihr Leibwächter und Sprachrohr.«

»Sie kann doch unmöglich...« begehrte Entos auf, wurde aber wieder von Allan unterbrochen.

»Wir sind nicht gekommen, um die internen Angelegenheiten des Trochkonzils zu besprechen!«

Innerlich dankte er Allen 24 Sternengöttern, dass Kiril sie schon im Hypnoverhöhr über den prinzipiellen Aufbau des Trochkonzils informiert hatte. Dieser Kerl vor ihm musste Yohko jetzt für eine der zwölf weiblichen Repräsentantinnen halten.

Allan war klar, dass er etwas extrem hoch gegriffen hatte, aber das war der einzige Weg, um sicher zu gehen, dass Yohkos Entgleisung keine weiteren Probleme aufwerfen würde.

Aber es schien als Nebeneffekt Entos zu brechen, denn er setzte sich wieder. »Was wüschen die Hohen Herrschaften, was ich nun unternehme?«

»Als erstes«, sagte Allan daraufhin. »Gibt es in der Gruppe Eurer Stellvertreter einen, der nicht in Eure Machenschaften verwickelt ist?«

Nach einigen Sekunden des Überlegens sagte Entos, dass einer, der erst vor kurzem in diesen Rang gehoben worden war, von nichts wisse.

Allan befahl, diesen in das Büro zu beordern und ein vollständiges Geständnis vor diesem abzulegen – inklusive der Nennung aller Beteiligten.

Allan und Yohko blieben wie Statuen stehen, als Bostich den Soldaten vor der Türe zurief, den Stellvertreter zu holen.

Wenige Minuten später kam dieser. Der Junge Mann schien sich nicht wenig über die beiden Fremden zu wundern. Seine Verwunderung wurde jedoch sehr schnell zu schierem Entsetzen, als er hörte, was sein höchster Vorgesetzter ihm in allen Einzelheiten schilderte.

Nach einiger Zeit beendete der bisherige Kur seine Ansprache, und der junge Mann sagte zu Allan und Yohko: »Ich nehme an, Sie haben mit diesem Geständnis zu tun?«

Allan machte die traditionelle Geste der Bejahung, sagte aber laut: »Wir sind überhaupt nicht hier.«

»Was soll ich jetzt machen?« fragte der junge Mann.

»Seien Sie vorsichtig und schicken Sie einen Bericht über die von ›Ihnen‹ aufgedeckten Zustände an das Konzil! Da Sie anscheinend der Ranghöchste sind, der nicht in diesen Skandal verwickelt ist, wird dieser Herr hier Sie kommissarisch als Nachfolger einsetzen. Sammeln Sie die Soldaten, denen Sie vertrauen können und holen sie die Komplizen dieses Tieres einzeln ab.«

»Aber wie soll ich das... die werden sich wehren... da sind mächtige Männer dabei...« stotterte der total überforderte junge Mann.

Während der gebrochene Kur gerade die Dokumente der Amtsübergabe unterzeichnete, sagte Allan: »Sollte wirklich einer der Beteiligten ernsthaften Widerstand leisten, sprechen Sie zum Volk, machen Sie die Namen der Beteiligten publik und übergeben Sie die Bestrafung den Familien der Opfer.

Sie werden sehen, es wird keiner wagen so etwas wieder zu tun. Versuchen Sie, bei allen gerecht zu urteilen. Verdienen Sie das Vertrauen, das wir in Sie setzen.

Und wegen ihm hier...« Allan deutete auf Entos. »Was halten Sie für die grausamste Strafe, die Bostich je verhängt hat?«

Er erfuhr daraufhin, dass vor ungefähr zwei Monaten ein Dieb, der sich an Entos Besitz vergriffen hatte, gehäutet, mit Salz eingerieben und zu Tode gepeitscht worden war.

Allan musste schlucken, als er das hörte, sagte aber dann: »Das scheint mir nach all dem Leid doch auch angemessen für ihn hier.«

Das schien wieder Leben in den apathischen Entos da Bostich zu fahren. Er sprang auf und schrie, das wiederum brachte den Leibwächter von außerhalb des Raumes auf den Plan. Der kam in den Raum mit erhobenen Kriegsbeil gestürmt und wollte sich als erstes auf den seinem Herrn am nächsten stehenden, den jungen Mann stürzten.

Bevor er jedoch die drei dazu nötigen Schritte getan hatte, hatten sowohl Allan als auch Yohko schon reagiert. Allan hatte sein Schwert, das er mit dem Griff nach unten über den Rücken geschnallt trug, mit einer Aufwärtsbewegung herausgerissen und den Axtstiel knapp unterhalb des Axtkopfes durchschlagen.

Yohko hingegen hatte etwas extremer reagiert Sie hatte ihr Schwert, das sie ebenfalls über den Rücken, jedoch mit dem Griff nach oben trug, ebenfalls herausgerissen. Allerdings hatte ihre Abwärtsbewegung das Genick des nur unwesentlich kleineren Mannes durchschlagen und dessen Kopf vom Rumpf getrennt.

Noch während der Leichnam zusammenbrach und sich eine schnell vergrößernde Blutlache bildete, brach der ehemalige Kur dieses Distrikts endgültig zusammen. Er rollte sich auf dem Fußboden zusammen und wurde von Heulkrämpfen geschüttelt.

Während die beiden ihre Schwerter wieder einsteckten, sagte Allan: »Ich nehme an Sie wissen, was Sie nun tun müssen.«

Sprachlos nickte der neue Kur.

»Sie kennen doch die Taverne die das Gos-toran Zeichen trägt?« fiel auf einmal Allan ein. »Die Tochter der Besitzer lebt noch und wird mich begleiten. Sie werden das Unternehmen treuhänderisch verwalten, bis sie irgendwann als freie Frau zurückkehrt, um ihr Eigentum zurückzufordern.

Und nicht vergessen, Sie haben den ganzen Skandal alleine aufgedeckt und wir waren niemals hier. Regieren Sie zu allen fair und gerecht, damit wir auch niemals wiederkommen müssen!«

Wiederum nickte der neue Kur.

Als Allan und Yohko das Gebäude verlassen hatten und wieder langsam in Richtung des Gasthofs gingen, fragte Yohko leise: » Reden Sie immer so, Herr Großinquisitor?«

Worauf Allan leise lachte und meinte: »Nein, zum Glück muss ich das nur selten, O hohe Repräsentantin des Trochkonzils. Nur wie erkläre ich dem Oberst, dass wir gerade mal so eine Regionalregierung ersetzt haben?«

Hierauf musste Yohko auch lachen. »Es musste sein, scheißegal wie viele Flottengesetze Sie gerade gebrochen haben!«

»Ich habe sieben gezählt, aber das muss ich ja nicht so in meinen Bericht schreiben, oder?« erkundigte sich Allan nach einigen Sekunden.

»Ich werde nichts verpetzen, immerhin bin ich Ihre Komplizin und außerdem hätte ich das ganze wesentlich weniger elegant gelöst. Glauben Sie, dass ich bei dem Soldaten am Schluss überreagiert habe?«

Allan beruhigte sie, denn es war von ihrer Position der sicherste Schlag gewesen, und dass er in derselben Position den selben Schlag geführt hätte.

»Wissen sie was?« stellte Allan eine rhetorische Frage, als sie in den Hof einbogen. »Bevor wir uns hinlegen, gehen wir noch mal in den Weinkeller und lassen uns von Kiril einen guten Tropfen raus deuten, das haben wir uns verdient.«

5. Ermittlungen

Herberge, Stadt »da V'ger«, ca. 30 Kilometer südwestlich von der Transmitterhöhle, Küstenregion, Nordkontinent, ca. 5:40 bis 7:00 Uhr BZ

Allan machte sich Gedanken über Yohko. So ganz glaubte Allan Yohkos Reaktion nicht, erst reagiert sie extrem schnell, folgerichtig und mit brutaler Konsequenz und dann fragte sie, ob er ihre Reaktion für übertrieben hielt? Das kam ihm doch etwas nach Rückversicherung beim Vorgesetzten vor.

Auf der anderen Seite wusste Allan ja nicht genau, warum sie den Dienst in der SolAb quittiert hatte und in welcher Abteilung sie gearbeitet hatte, möglicherweise hatte ja ihre Ausbildung »übernommen« und sie hatte wirklich ohne Abschätzung der Konsequenzen zugeschlagen?

Möglich, aber dazu schienen Allan ihre Fähigkeiten doch zu hoch. Er hatte zwar erst einen kurzen Übungskampf mit ihr und selbst seit längerem keinen ernst zu nehmenden Sparringspartner mehr gehabt, aber sie hatte Fähigkeiten und Körperbeherrschung gezeigt, die Allan schon sehr verblüfft hatte.

Wie dem auch sei, sie hatte seinen Kurzbericht beim Oberst vollständig bestätigt, was insoweit wichtig war, als das sie nicht in der Lage gewesen waren, abzusprechen, was sie dem Oberst nicht erzählen wollten. Nachdem sie kurz bei Lasitus berichtet hatten, dass sie bei dem hiesigen Hohenpriester gewesen waren und dass die Lage hier ziemlich verworren war, da sich anscheinend gerade so etwas wie eine Palastrevolution abspielte, waren sie gemeinsam in Richtung der Herberge gegangen.

Connor hatte Allan gebeten, ob er ihm nicht auch eine Kurzeinweisung im Dagor geben könnte, was Allan natürlich vor gewisse Probleme stellte. Er hatte es vorerst auf den nächsten Tag verschoben und sich dann eine Viertelstunde Yohkos Gefeixe anhören müssen, wie er einen Trainingskampf mit einem Oxtorner überhaupt überleben wolle. Allerdings überlegte Allan ernsthaft, wie stark die Leistung der Trainingsprotektoren erhöht werden könnte.

Im Schankraum hatten sie Kiril aufgetrieben und ihr gesagt, sie sollte etwas Leckeres zum Trinken holen, denn sie hätten etwas zu feiern. Das Kind schien zwar etwas verwirrt zu sein, beeilte sich aber, eine dem Staub nach zu urteilen ziemlich alte Flasche eines köstlichen Fruchtweins zu holen.

Allan eröffnete ihr, als sie zurückkehrte, dass wohl keine Gefahr mehr von da Bostich ausging und sie hier bleiben könnte, wenn sie wollte.

Das quittierte das Mädchen mit einem Weinkrampf und der Frage, was sie falsch gemacht habe.

Yohko versuchte ihr zu erklären, warum ihr keine Gefahr mehr drohte, was sie zu beruhigen schien.

Allan allerdings war ziemlich verwundert, in welcher Geschwindigkeit sich die erste Flasche leerte. Ihm kam langsam zu Bewusstsein, dass er bei der Party Yohko zwar nur Sake trinken gesehen hatte, sie aber trotzdem ziemlich betrunken gewesen war. Die Frau hatte einen Zug, der Allan und scheinbar auch Kiril überraschte.

Allan, der langsam merkte, dass der Fruchtwein nicht allzu wenig Promille hatte, ging zu seiner Schlafstelle, packte sein Gepäck zurecht und schlug sich in seinen Mantel ein.

Auch Yohko zog sich mit den Worten »Ich lege mich jetzt besser hin und schlafe etwas. Ôyasuminasai, Allan-san.« in Richtung ihrer Schlafstätte zurück. Auf dem Weg dorthin scannte sie noch einmal vorsichtig Emerson Ostrog, um zu sehen, ob sein unsichtbarer Begleiter wieder da war.

Der Scan ergab jedoch, dass Emerson immer noch allein war und auch die Spionagesonde hatte nichts Auffälliges gemeldet.

Ich lasse Ostrog besser mal von Slaine überprüfen, die haben ja an Bord der Pikachû sowieso im Moment nichts zu tun.

Yohko sah sich noch mal vorsichtig um und begann danach mit der Vorbereitung ihrer Botschaft an die Pikachû. Bedächtig tippte sie den Wortlaut in den kleinen Rechner, der den Text verschlüsseln, raffen und zum Senden vorbereiten würde:

Hallo, Slaine!

Ich habe hier unten eine interessante Beobachtung gemacht. Unser Navigator Emerson Ostrog hat scheinbar einen unsichtbaren Begleiter, dessen Deflektor-Schirm zufällig von mir geortet wurde. Da selbst mein USO-Scanner Probleme hatte, ihn sauber zu orten, vermute ich einen Spion. Und da ich Mr. Ostrog mehrfach bei »Selbstgesprächen« beobachten konnte, denke ich, er steckt mit in der Sache. Aus diesem Grund habe ich eine Spionsonde auf ihn angesetzt. Überprüft mal seine Unterlagen und im Falle eines erweiterten Verdachtes auch seine Kabine nach Hinweisen. Solltet ihr etwas Verdächtiges oder sogar Bedrohliches für die Schiffssicherheit finden, schickt es mit dem Transmitter nach Quinto.

gez. Spezialistin Yohko Takashi

Nach der Aufbereitung wurde die Nachricht, versteckt im Datenverkehr der Funk-Relais-Sonden der CREST V, übermittelt. Jetzt fühlte sich Yohko endlich etwas wohler in ihrer Haut und legte sich schlafen, nachdem sie eine Spionsonde als Nachtwächter aktiviert hatte.

PIKACHÛ, (BZ: 07:30 Uhr / 6. Flugtag)

Tita saß gelangweilt in der Zentrale der PIKACHÛ und brütete über den Sinn und Unsinn solch geheimer Einsätze im Bereich der Solaren Flotte nach. Die Pilotin des kleinen Spezial-Schiffes sah bisher keinen Sinn in der Entsendung von zwanzig Spezialisten in die CREST V.

OK, es hatte kurz nach dem Start einige Probleme mit einem Saboteur gegeben, aber das hatte die Schiffsleitung auch ohne ein Eingreifen ihrerseits geschafft.

Plötzlich wurde Tita unsanft aus ihren Überlegungen gerissen. Die Bordpositronik signalisierte mit einem lauten »Enton!« die Ankunft einer verschlüsselten Botschaft von Yohko, ihrer Einsatzleiterin, die sich gerade mit einem Großteil der Mannschaft auf dem Planeten befand.

Während sie noch über diese blöde Pokemon-Macke ihrer Einsatzleiterin fluchte, gab sie ein Signal an Slaine, den Kapitän der PIKACHÛ, und begann danach mit der Dekodierung der Nachricht.

Es muss irgend etwas Wichtiges geschehen sein, dass Takashi-san das Risiko einer Übertragung eingeht! schoss es Tita durch den Kopf.

Kurz nachdem die Positronik die Nachricht dekodiert hatte, kam auch schon Slaine in die Zentrale gestürmt. Er hatte offensichtlich gerade ein Bad genommen, als er das Notfall-Signal erhielt, denn er war nur mit einem Bademantel aus Frottee bekleidet und seine nassen grauen Haare klebten ihm im Gesicht.

»Was ist passiert?« begrüßte er die etwas pikiert schauende Tita und nahm ihr die Folie mit der Nachricht aus der Hand.

Nachdem er die Nachricht gelesen hatte, ließ er sich in den Kommandosessel fallen und rief per Bordkom Jessy und James in die Zentrale.

Das Zweierteam kam kurz darauf durch das Schott gehastet. James hing ein Toastbrot aus dem Mund und Jessy kaute noch. Ein dunkler, feuchter Fleck auf Jessy Kombi zeigte, dass sie sich scheinbar mit Kaffee übergossen hatte. Die beiden Techniker und Einbruchspezialisten der PIKACHÛ waren gerade am Frühstücken gewesen und sahen gar nicht glücklich über die plötzliche Hektik an Bord des Schiffes aus.

Das änderte sich jedoch schlagartig, als Slaine ihnen die Folie reichte. Jessys Augen begannen zu glänzen und auch James sah recht zufrieden aus.

Jessy brachte mit einem kurzen Kommentar ihren Gemütsumschwung auf den Punkt: »Endlich! Ich dachte schon, unsere Fähigkeiten würden hier an Bord einrosten.«

Slaine fühlte sich gezwungen jetzt doch die Einsatzfreude der beiden zu bremsen. »Vorerst werdet ihr nur in den Akten, die wir vor dem Start von Quinto erhalten haben, nach Hinweisen über Mr. Ostrog suchen. Und vergesst nicht, auch die Ereignisse seit dem Start der CREST V zu berücksichtigen.«

Die Stimmung des Team sackte merklich ab, als es dies hörte. Aber sie begaben sich trotzdem in das kleine Geheimarchiv des Schiffes, um die gewünschten Informationen zu suchen.

Exakt zwei Stunden nach dem Beginn ihrer Suche kamen Jessy und James wieder in die Zentrale. Beide strahlten wie die Sonne an einem schönen Sommertag, als sie auf Slaine zugingen, der sich mittlerweile angezogen und Titas Wache übernommen hatte.

»Ihr habt also etwas gefunden?« begrüßte er das Team, das von ihrem kleinen Einsatzrobot Mauzi begleitet wurde.

Der kleine katzenähnliche Robot war eine Spezialanfertigung und bis in den letzten Winkel mit High-Tech angefüllt, die Jessy und James schon häufig bei ihren Einsätzen gute Dienste geleistet hatte.

Mit einem breiten Grinsen begleitete James die Zusammenfassung, die seine Kollegin Jessy dem Kapitän gab.

»Takashi-sans Verdacht hat sich bestätigt. Wir haben eine Menge Ungereimtheiten im Lebenslauf und dem Einsatzverhalten von Emerson Ostrog gefunden.

Er scheint des Öfteren für wenige Tage zwischen Einsätzen unauffindbar zu sein und hat dafür eine recht magere Erklärung abgegeben. Es wäre durchaus denkbar, dass er diese Tage zur Kontaktaufnahme mit seinen Auftraggebern genutzt hat.

Es gibt auch Aktenvermerke über ›auffälliges‹ Verhalten während Einsätzen. So scheint es, als könne sich Mr. Ostrog manchmal sehr schnell fortbewegen. Dies wurde auch schon an Bord der CREST V beobachtet. Vielleicht handelt es sich bei ihm um einen schwachen Teleporter oder etwas Ähnliches.

Außerdem haben sich bei seiner medizinischen Untersuchung nach dem Gasvorfall merkwürdige Werte gezeigt, die er mit seiner Herkunft vom Planeten Smørebrød erklärte. Uns liegen jedoch keine Daten über solche unbekannten Genanpassungen vor.

Was sollen wir nun tun? Seine Kabine filzen?«

Slaine, der sofort gemerkt hatte, dass die beiden ihre gesamte Spezialausrüstung schon am Leib hatten, gab nach kurzem Überlegen seine Zustimmung zum Einsatz.

Endlich befanden sie sich wieder im Einsatz. Wenn es auch nach einem Routine-Einbruch aussah, war das doch besser als die täglichen Wartungsarbeiten an Bord der PIKACHÛ.

Wenige Minuten später erreichten sie Emerson Ostrogs Kabine. Während Jessy aufpasste, dass niemand in der Nähe war, machte sich James mit Mauzis Hilfe an dem Kabinenschott zu schaffen.

James brauchte diesmal länger als normal. Es handelte sich bei dem Schloss definitiv um eine Spezialanfertigung und nicht um die Standardschlösser an Bord von Flottenraumschiffen des Solaren Imperiums.

Schließlich machte es leise »klick«, als der elektronische Riegel den Verschluss freigab und das Schott mit einem leisen Zischen auffuhr.

Schnell huschte das Team in die Kabine und verschloss das Schott sorgfältig. Die Kabine war recht karg eingerichtet und die Durchsuchung ging schnell voran. Nach einer Viertelstunde war eine merkwürdige kleine Kiste an der Reihe. Jessy gab Mauzi den Auftrag, die verschlossene Kiste zu scannen.

Der kleine Robot brauchte fünf Minuten für den Scan und gab dann mit seiner quakenden Stimme bekannt, dass er eine Energiequelle angemessen habe. Er sprach viel für einen Desintegrator.

James kannte solche Vorrichtungen zur Genüge. Schließlich musste man als USO-Spezialist seine Ausrüstung eher zerstören, als sie in den Besitz anderer geraten zu lassen. Und deshalb hatte auch er schon solche Vorrichtungen verwendet.

Die Kiste schien auf jeden Fall das zu sein, was sie gesucht hatten!

Jessy und James beschlossen, dass es zu riskant war die Kiste zu knacken. James packte sie deshalb in seine große Servicetasche, die eigentlich zum Transport von Schiffsersatzteilen gedacht war. In dieser Verpackung sollte der Transport zur PIKACHÛ kein größeres Problem darstellen.

Nachdem Mauzi den Korridor vor der Kabine auf Lebenszeichen gescannt hatte, begaben sich die beiden auf den Rückweg zur Pikachû.

Slaine nahm die merkwürdige Kiste um 11:00 Uhr BZ entgegen und beschloss, den Anweisungen seiner Einsatzleiterin zu folgen. Es war einfach zu riskant, dass bei einem Öffnungsversuch der Inhalt der Kiste zerstört werden könnte. Also brachte er die Kiste persönlich zum abgeschirmten Kleintransmitter des Schiffes und schickte sein Paket mit einer Beschreibung der Lage auf den Weg über das Transmitternetz der USO.

Wieder in der Zentrale angekommen verfasste er eine kurze Nachricht an Yohko und schickte sie ebenfalls codiert über die Funk-Relais-Sonden der CREST V:

Hallo Yohko!

Wir haben Ostrog überprüft und sind auf Unregelmäßigkeiten gestoßen. Er scheint ein Mutant zu sein, wahrscheinlich Teleporter.

Bei der Durchsuchung seiner Kabine hat Team Rocket eine Kiste gefunden, die mit einem Desintegrator ausgestattet ist. Da uns die Gefahr einer Zerstörung des Inhalts beim Öffnen zu groß war, habe ich die Kiste auf den Weg nach Quinto geschickt.

gez. Spezialist Slaine

6. Die Bombe

Maschinenraum der CREST V (BZ: 9:30 bis 10:45 Uhr am 6.9.3431 / 6. Flugtag)

Montgomery Spock stand auf einer kleinen Ein-Personen-Antigravplattform und schwebte neben dem gigantischen Block des Dimetranstriebwerkes. Er führte eine oberflächliche Überprüfung der beinahe vollständig reparierten Maschine durch, um eventuell von der Reparaturmannschaft übersehene Beschädigungen aufzuspüren.

Bisher hatte er nichts finden können, trotz übermenschlich genauer Inspektion. Außer den durch den sabotierten Energieschaltkasten zerstörten Bereichen war alles in bestem Zustand. Nicht einmal einen Kratzer hatte er finden können.

Die Reparatur würde in wenigen Tagen endgültig abgeschlossen sein. Man hatte zuerst befürchtet, eine Werft anfliegen zu müssen, doch der Schaden hatte sich als weit weniger schlimm herausgestellt, als er tatsächlich war. Er beschränkte sich auf die nähere Umgebung des explodierten Schaltkastens.

Da es hier offensichtlich nichts zu finden gab, wandte Montgomery sich dem Rest des Maschinenraumes zu. Es war zwar unwahrscheinlich, dass sonst noch etwas in Mitleidenschaft gezogen wurde, aber sicher war sicher.

Da unten alles längst doppelt und dreifach überprüft worden war, steuerte er die Antigravplattform nach oben zur Decke der riesigen Antriebshalle.

Während er die Oberseite des monumentalen Antriebsblocks nach irgendwelchen Defekten oder Unregelmäßigkeiten überprüfte, reflektierte Montgomery nochmals die Ereignisse des heutigen Tages.

Nachdem Montgomery um 3:20 Uhr Emersons Kabine verlassen hatte, war er sogleich wieder in sein eigenes Quartier zurückgekehrt, wo er sich in das Computersystem der CREST V eingeklinkt und die Sicherheitsberichte über den Ausbruchsversuch Ron Laskas studiert hatte. Offenbar hatten sein Veego-Freund und er sehr großes Glück gehabt, denn Laska war zum Zeitpunkt seiner Festnahme bereits in einem derartig schlechten gesundheitlichen Zustand, dass er zu keiner sinnvollen Aussage mehr imstande war. Zurzeit befand er sich in der Krankenstation im künstlichem Koma, und es war sehr zweifelhaft, ob er sich jemals wieder vollständig von der unbeabsichtigten Kryostasisunterbrechung erholen würde.

Um 7:00 Uhr hatte Montgomery sich dann bei Chefingenieur Rogal Orbson als wieder dienstfähig gemeldet, was dieser nur zu gern hörte, und hatte dann um 8:00 Uhr seinen Dienst angetreten. Um nicht den Verdacht zu erwecken, gestern einfach nur »blau« gemacht zu haben, streute er ab und an einen kleinen Nieser und ein kurzes Husten ein. So hoffte er, bei seinen Kollegen den Eindruck zu erwecken, an den Nachwirkungen einer mittelschweren Infektion zu leiden, wegen der er sich auch krank gemeldet hatte.

Nachdem er seine Inspektion der oberen Bereiche des Antriebsblockes beendet hatte, wandte Montgomery seine Aufmerksamkeit der Decke der Maschinenhalle zu. Das einzige von Bedeutung dort oben war ein Ersatzenergieverteilungsaggregat, das unter anderem für die Versorgung der Antriebssysteme von Bedeutung war. Da der Hauptenergieverteiler, der auch das Dimetranstriebwerk speiste, für die Dauer der Reparaturarbeiten abgeschaltet worden war, musste der Hochenergiestrom durch diesen Ersatzverteiler an der Decke umdirigiert werden, um die Versorgung der anderen Sektionen des Schiffes nach wie vor zu gewährleisten.

Montgomery steuerte die Antigravplattform zu der komplexen Apparatur an der Hallendecke, durch die wahrhaft gigantische Hochenergieströme flossen. Da kein Material diese Energiemengen abschirmen konnte, wurden mittels sehr starker Projektoren röhrenförmige Energiefelder generiert, welche die zum Verteiler hin und von ihm wegfließenden Ströme umschlossen und von der Außenwelt abhielten.

Als Montgomery nur noch wenige Meter unterhalb des Verteilers schwebte, nahm er das stetige Summen der Feldprojektoren war, das sich mit dem rhythmischen Pulsieren der Energieströme vermischte.

Einem erfahrenen Ingenieur fiel sofort auf, dass der Energieverteiler schlecht zu erreichen war. Bei der Modernisierung des beinahe tausend Jahre alten Schiffes war es nötig gewesen, das Verteilerkonglumerat zu kompaktifizieren, um den Zuleitungen für andere wichtige Aggregate Platz zu schaffen, die unterhalb der Hallendecke angebracht worden waren. Dadurch waren die einzelnen Teile des Verteilers für die Techniker und Ingenieure des Schiffes, wie Montgomery einer war, kaum noch zugänglich. Das stellte einen erheblichen Sicherheitsmangel dar, der bei einem Hauptverteilerknoten niemals geduldet worden wäre. Doch bei diesem Nebengerät hatten die strengen Raumflottensicherheitsbestimmungen eine Ausnahme erlaubt.

Um sich vorschriftsmäßig gegen die starken Energien im Verteiler abzuschirmen, aktivierte Montgomery einen speziell dafür konstruierten Individualschirm. Er traute sich bis auf einen halben Meter an die grell leuchtenden Röhrenfelder heran, deren Hochenergieströme ihn bei einem Versagen der Schutzmechanismen augenblicklich vaporisiert hätten. So nahe würde sich wohl keiner der anderen Techniker herantrauen, auch wenn ein Unfall – statistisch gesehen – praktisch unmöglich war.

Deshalb war es auch allein ihm möglich, das fremde Objekt zu entdecken, das hinter einer der meterdicken Röhren angebracht war. Montgomery konnte seine Funktion nicht sofort erkennen, doch aufgrund seiner Position musste es sich um eine Bombe handeln. Wahrscheinlich handelte es sich um einen starken chemischen Sprengsatz, der wegen der am Verteiler herrschenden energetischen Störfelder nicht zu orten war. Eine genügend starke Explosion konnte ohne weiteres die röhrenförmigen Eindämmungsfelder zusammenbrechen lassen und eine Katastrophe auslösen, die das gesamte Schiff zerstören würde.

Montgomery erkannte diese Zusammenhänge in wenigen Sekundenbruchteilen, und er folgerte sogleich weitere bedeutende Erkenntnisse. Diese Bombe war ein wahrer Geniestreich, das musste er zugestehen. An keiner anderen Stelle des Schiffes hätte eine dermaßen kleine und nicht ortbare Bombe einen derartigen Schaden anrichten können, nicht einmal am Energieschaltkasten.

Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Verteiler auch wirklich voll ausgelastet war. Um das zu erreichen, hatte der Bombenleger nur dafür sorgen müssen, dass eine der am Hauptverteiler angeschlossenen Energieleitungen und damit der gesamte Verteiler ausfiel. Das hatte er dadurch erreicht, dass er den Energieschaltkasten sabotiert und damit sowohl den Dimetransantrieb als auch die damit verbundene Hauptenergieleitung ausgeschaltet hatte.

Also war diese ganze Sabotage nur zu dem Zweck geschehen, den Saboteuren die totale Zerstörung der CREST V zu ermöglichen und gleichzeitig von der dort oben versteckten Sprengladung abzulenken!

Der Zweck einer solchen totalen Vernichtung des Schiffs wurde Montgomery nach kurzem Nachdenken klar. Alle Aktionen der Saboteure hatten seiner Einschätzung nach nur dem Zweck gedient, die Kontrolle über die CREST V zu erlangen.

Wozu sie das planten, konnte er nur vermuten. Vielleicht wollten sie ihrem nach wie vor unbekanntem Auftraggeber das Schiff zusammen mit den streng geheimen Informationen übergeben, die in den Speicherbänken der Schiffsbiopositronik lagerten. Darunter waren zum Beispiel die Position der Zeitschleuse, die Stärke und Position der Verteidigungsflotten, sowie wichtige Zugriffscodes der Solaren Flotte. Würden diese Daten jemals in Feindeshand fallen, dann wäre das Schicksal des übriggebliebenen Solaren Imperiums besiegelt.

Für den Fall eines Fehlschlages ihrer Bemühungen musste es natürlich auch einen Notfallplan geben, der offenbar in der Zerstörung der CREST V bestanden hatte. Und genau diesen Plan hatte Montgomery gerade eben aufgedeckt und damit eine tödliche Gefahr von der gesamten Besatzung abgewendet.

Während Montgomery die Antigravplattform so schnell wie nur irgend möglich nach unten lenkte, um von seiner Entdeckung zu berichten, ging er im Geiste die noch offenen Fragen durch, die ihm die Saboteure immer noch aufgaben.

Warum hatten die Saboteure diese bedeutenden Informationen nicht einfach ihren Auftraggebern direkt per Funk oder über sonst einen dunklen Kanal übermittelt, sondern wählten diesen umständlichen und letztlich erfolglosen Weg?

Wollten sie womöglich eine größere Belohnung für ihre Dienste herausschlagen, als man ihnen zugestanden hatte?

Waren sie ein Opfer ihrer Geldgier geworden?

Hatte die Sonde letztlich nur der Ablenkung gedient, oder hatten die Saboteure bereits erkannt, dass ihr Plan zum Scheitern verurteilt war?

All diese Fragen konnte nur noch Ron Laska beantworten, sofern er das Koma überlebte.

Als Montgomery nach 40 Sekunden den Boden der Halle erreicht hatte, sprang er von der Antigravplattform herunter und raste zum nächsten Interkom, um eine Meldung an die Schiffsführung zu machen und ein Bombenentschärfungskommando anzufordern. Sofort danach eilte er zu seinem Vorgesetzten, dem Chefingenieur Rogal Orbson, und informierte ihn ebenfalls.

Kurz darauf ließ dieser den gesamten Maschinenraum räumen und den Ersatzenergieverteiler vom Netz nehmen. Schon eine halbe Stunde später war die Bombe entfernt worden, und Montgomery sah sich der allgemeinen Aufmerksamkeit der Maschinencrew ausgesetzt, was ihm überhaupt nicht gefiel.

7. In der Höhle

BZ: 4:59 Uhr

Nachdem sie vorsichtig geklopft hatten, wurde die Tür von innen geöffnet. Bevor Dawn reagieren konnte, war Beceefha schon hinein gestürmt und hatte den Öffnenden überwältigt. Er war immer noch sauer wegen des Schwertes.

Nachdem sich der andere von seinem Schrecken erholt hatte, begannen Dawn und Beceefha ihn auszufragen. Dies stellte sich als schwierig heraus, denn der Mann war ein einfacher Söldner und wusste nicht einmal, wer ihn eigentlich angeheuert hatte.

Als sie den Söldner ordnungsgemäß mit einigen herumliegenden Seilen gefesselt und geknebelt hatten, verließen sie den Raum wieder und drangen weiter ins Berginnere vor.

Nach relativ kurzer Zeit hörten sie Stimmen vor sich auf dem Gang. Dawn wollte sich sofort in einer der Nischen verstecken, um den Kommenden aufzulauern, warf dann jedoch einen Blick auf Beceefha und ihm fiel ein, dass es schwierig wäre, ihn in einer solchen Nische zu verstecken. Ein zweiter Blick genügte und die beiden rannten los. Wenn sie sich schon nicht verstecken konnten, wollten sie doch trotzdem das Überraschungsmoment ausnutzen.

Dann erkannten sie, dass die Stimmen gar nicht aus dem Gang kamen, sondern aus einem ähnlichen Raum wie dem Vorigen, nur dass dieser eine Art Fenster zum Gang hatte, aus welchem die Geräusche zu hören waren. Sie beschlossen, erst einmal vorsichtig zu schauen, was sie dort drin erwartete. Dawn und Beceefha sahen durch das Fenster zwei Männer, die je ein Schwert in den Händen hielten und es auf Hochglanz polierten. Einer der beiden hatte einige Probleme das Schwert, das er putzte, zu handhaben, denn es war viel zu groß und schwer für ihn. Beceefha erkannte jedoch sofort sein geliebtes Schwert und wollte gerade zur Tür, um den Raum zu stürmen, als sich ein Schuss löste und plötzlich einer der Männer zu Boden sank.

Der Paralysator! schoss es Beceefha durch den Kopf. Es war ihm klar, dass er keine Sekunde mehr verlieren durfte, denn wenn der Mann erst das Prinzip des Auslösers verstanden hatte, konnte sich dies zu einem ernsthaften Problem entwickeln.

Die Holztür war, wie schon die vorherige, nicht besonders kräftig und so bereitete es dem gewaltigen Überschweren keinerlei Probleme sie einfach einzurennen. Der Mann in dem Raum reagierte deutlich schneller als der Letzte. Er hatte bereits das Schwert gehoben, welches zweifelsohne Dawns war, als Beceefha zuschlug.

Der Mann verlor sofort die Besinnung oder war tot, obwohl Beceefha dies hatte vermeiden wollen. Eine sofortige Untersuchung ergab jedoch, dass der Überschwere doch zu stark zugeschlagen hatte. Eine Vernehmung war also unmöglich, da auch der andere wahrscheinlich noch eine Weile brauchen würde, um sich von den Folgen der Paralyse zu erholen.

Nun betrat auch Dawn den Raum, der vorher klugerweise draußen geblieben war, um Beceefha den Rücken zu decken. Das Erste, was er sah, war ein auf ihn zufliegendes Schwert, denn Beceefha hatte die Schwerter aufgehoben und Dawn das Seinige zugeworfen. Nachdem Beceefha seines wieder auf dem Rücken verstaut hatte, fesselten sie noch den Paralysierten mit einigen Seilen aus dem letzten Raum und verließen dann das Zimmer.

Als sie wieder auf dem Gang waren, hatte Beceefha sich endgültig beruhigt, denn er hatte ja sein Schwert wieder. Nun standen sie vor der Wahl, noch weiter in den Berg vorzudringen oder zur Gruppe zurückzukehren. Sie entschlossen sich für das Erste. Also schlichen sie nun an den Türen, die rechts und links im Gang lagen, vorbei, da sie nicht darauf aus waren den Stützpunkt auszurotten, sondern nur den Grund für ihre Entführung wissen wollten.

Nachdem sie so gute zwei Meilen zurückgelegt hatten, ohne entdeckt zu werden, kamen sie an ein großes Portal an dem der Gang endete. Sie beschlossen auf »gut Glück« einzutreten. Beceefha bemerkte, wie Dawn einen seiner Ringe für alle Fälle löste und erst dann sein Schwert zur Hand nahm. Beceefha war der Meinung, dass der Paralysator im Schwert reichen musste und eine Sprengung des Raums wahrscheinlich nicht nötig sein würde.

Nun öffneten sie mit einem Ruck die Tür. Was sie nun erblickten, beeindruckte beide tief. Sie befanden sie sich in einem gewaltigen Felsendom, in dessen Mitte eine Art Thron stand. Auf ihm saß ein gelangweilt dreinblickender Mann, der den Späßen eines Hofnarren zusah. Dieser wurde sofort von Dawn niedergeschlagen.

Der Mann auf dem Thron war davon allerdings nicht beeindruckt, sondern begann ganz ruhig zu sprechen:

»Ich habe Sie bereits erwartet, allerdings mit einer Eskorte von Wachen und ohne Waffen. Es wäre sehr nett, wenn Sie diese weglegen würden, denn ich würde mich gerne etwas mit Ihnen unterhalten. Es tut mir übrigens leid, dass wir Sie so unsanft herbringen mussten, aber es erschien uns am einfachsten, da sie uns wohl kaum freiwillig gefolgt wären, oder?«

Beceefha wusste, dass er ab jetzt lieber Dawn sprechen lassen würde. Er war zwar keinesfalls dümmer und hatte auch eine mindestens gleich gute psychologische Ausbildung erhalten, aber dennoch wusste er, dass seine Impulsivität meistens nicht sehr positiv für eine Verhandlung war.

BZ: 5:43 Uhr

Da saß er also scheinbar, der geheimnisumwitterte Chef dieser Organisation.

Der sitzt da wie ein Affe, dachte Dawn. Und ich dachte, der andere Typ wäre der Chef gewesen – wie man sich irren kann. Zumindest hat er uns mit denselben Worten begrüßt.

»Wir grüßen Sie!« sagte er laut. »Doch Ihrer Bitte nach dem Ablegen unserer Waffen kann ich leider nicht entsprechen.«

»So, können Sie das nicht? Auch gut«, antwortete der Mann herablassend. »Mit den primitiven Dingern können Sie mir sowieso nichts anhaben. Ich bin unbesiegbar!«

»Das wollen wir doch mal sehen«, raunte Beceefha Dawn zu, doch der winkte ab.

»Warum haben Sie uns also hierher bringen lassen?« Dawn verschwieg absichtlich, dass sie bereits darüber aufgeklärt worden waren.

»Ihr belustigt mich!« antwortete der Mann auf dem Thron. »Ich habe noch nie so starke Menschen wie euch gesehen – woher seid ihr?«

»Wir sind Händler von der Karawane, die ihr beobachtet habt«, erzählte Dawn die abgesprochene Geschichte. »Man kann sich ja heutzutage auf keinen Leibwächter mehr verlassen, also müssen wir unsere Karawane selbst schützen.«

»Ihr habt aber scheinbar einige fähige Leute bei euch – zwei von ihnen haben soeben den höchsten Trochpriester in dieser Region abgesetzt und waren dabei nicht gerade zimperlich!«

Da war bestimmt Yohko dabei! dachte Dawn. Das klingt ganz nach ihrem Stil.

»Nunja«, gab er sich lässig. »Das ist nun auch nicht besonders viel.«

Gott sei dank hielt Beceefha sich zurück und sagte nichts. Er würde ihm wahrscheinlich nachher Vorhaltungen machen, aber was zählte war, dass er sich jetzt ruhig verhielt.

Zum ersten Mal sah er so etwas wie Überraschung auf dem Gesicht des Mannes, der sich ihnen immer noch nicht genauer vorgestellt hatte. Doch dann wurde es zu einen breiten Grinsen und der Mann fing an, lauthals zu lachen.

»Der würde einem Haluter alle Ehre machen«, flüsterte Beceefha Dawn zu.

»Wahrscheinlich«, antwortete dieser.

»Sie beide gefallen mir!« meinte der Mann ohne Namen. »Sie sind viel besser als mein nichtsnutziger Hofnarr.« Er lachte wieder. »Ich glaube, ich werde Sie beide hier behalten.«

»Nichts wirst du!« schrie Beceefha und sprang auf den Herrscher zu.

Dieser fuhr erschreckt zusammen, hatte aber keine Zeit zur Reaktion. Schon war Beceefha über ihm und hielt ihm das Schwert an die Kehle.

Genau in diesem Moment trat eine weitere Gestalt in den Raum, gekleidet in einen grauen Kaputzenmantel, der ihr Gesicht nicht erkennen ließ.

»Das reicht jetzt!« rief sie mit einer Stimme, die Dawn bekannt vorkam.

»Und wieso?« brüllte dieser zurück, bekam als Antwort aber nur eine Handbewegung.

Die Gestalt zeigte einmal durch den ganzen Raum, und bevor Dawn sich umdrehen konnte, stieß Beceefha schon einen Warnruf aus. Überall in dem Dom hatten sich die Vorhänge beiseite geschoben und die beiden Umweltangepassten waren von mindestens zwanzig Armbrustschützen umstellt. Fünf weitere betraten hinter der Gestalt im Kaputzenmantel den Raum.

Diese Leute hätten für Dawn und Beceefha kein Problem dargestellt, da sie ja Individualschirme trugen, sie hätten sich damit aber offenbart. So machte Dawn nur ein Stillhaltezeichen für Beceefha, der drauf und dran war, auf die Soldaten loszugehen. Dieser kümmerte sich daraufhin wieder um den Herrscher auf seinem Thron.

»Ein klassischer Patt, würde ich sagen«, rief Dawn der Gestalt zu. »Dann bleibt uns wohl nichts anderes als zu verhandeln, wer immer Sie auch sind.«

Da standen sie also, mit einer Geisel in der Hand, bedroht von über 25 Armbrustschützen.

Während Beceefha den Herrscher in Schach hielt, ging Dawn langsam und gemächlich durch die große Halle auf die Gestalt mit der Kapuze zu. Diese bewegte sich ebenfalls in seine Richtung, so dass sie sich ungefähr in der Mitte des Saales treffen würden.

Mal sehen, inwieweit der reizbar ist, überlegte der Oxtorner und verlangsamte seinen Schritt.

Der andere ließ sich davon aber überhaupt nicht beeindrucken und wurde ebenfalls langsamer. Als Dawn nun plötzlich in einen leichten Trab verfiel, löste sich die Armbrust eines der Schützen, aber niemand wurde verletzt.

Der geheimnisvolle Fremde blieb auch jetzt ruhig und erwartete den auf ihn zu laufenden Oxtorner. Dieser bremste natürlich rechtzeitig ab und kam kurz vor der Gestalt zum Stehen. Nun konnte er auch erkennen, wer sein geheimnisvoller Gegenüber war. Es war der Mann, der sie schon in ihrer Zelle begrüßt und später wütend den Raum verlassen hatte.

»So treffen wir uns also wieder«, begann dieser ein Gespräch. »Ihre Kräfte sind in der Tat erstaunlich, werden ihnen aber herzlich wenig helfen.«

»Ich könnte sie mit einem Schlag umbringen«, erwiderte Dawn. »Und zwar ohne mich dabei auch nur im Geringsten anstrengen zu müssen.«

»Ich weiß«, antwortete der Mann, der sich selbst als D'reg vorgestellt hatte. »Aber dann wären Sie in Sekundenschnelle mit Bolzen gespickt! Und glauben Sie mir, das ist keine angenehme Erfahrung!«

»Und Ihr Chef wäre auch tot«, meinte Dawn.

Plötzlich wurde D'reg leiser. »Ach der... der ist ersetzbar. Sie müssen noch einiges über die hiesigen Gepflogenheiten lernen! Kommen Sie mit.«

Er gab Dawn einen Wink und dieser wiederum teilte dem Überschweren mit, die Stellung zu halten.

»Oh, Mensch!« rief dieser zurück. »Dieser Typ ist so verdammt schwer, ich krieg' schon einen Krampf im Arm.«

In der Tat war der Mann ziemlich dick und brachte bestimmt 120 Kilo auf die Waage.

Doch Dawn antwortete nur mit einem Achselzucken und folgte dem seltsamen Mann mit der Kapuze. Als ihnen einige Armbrustschützen folgen wollten, gab dieser ihnen den Befehl sich um den Herrscher und Beceefha zu kümmern und betrat mit dem Oxtorner einen kleinen, gemütlich eingerichteten Raum. Hinter ihnen verschloss er eine dicke Metalltür mit einem noch dickeren Riegel, angeblich damit die beiden ungestört wären. Dann bedeutete er Dawn sich zu setzen.

Dawn folgte der Aufforderung des alten Mannes und setzte sich auf den massiven Fellshocker, der ihm angeboten worden war. Wie die ganze Einrichtung des Zimmers war dieser sehr stabil gebaut und trug auch den Oxtorner – solange er sich nicht allzu stark bewegte.

Er nutzte die Zeit, die sein Gegenüber brauchte, um den massiven Schreibtisch aus Ebenholz zu umrunden, und sah sich in dem Raum um. Wie überall in dieser unterirdischen Anlage bestanden die Wände aus Stein und festem Lehm. Doch hier waren sie mit einigen Wandteppichen und Gobelins geschmackvoll eingerichtet. Nicht besonders protzig sondern gemütlich. Im krassen Gegensatz dazu standen die anderen Einrichtungsgegenstände des Zimmers, die entweder aus Ebenholz bestanden wie der Schreibtisch oder aus kaltem Granit.

»Sie scheinen ja ziemlich reich zu sein«, meinte Dawn, nachdem der andere sich gesetzt hatte.

Dieser lachte zuerst nur, antwortete aber schließlich doch. »Und wie ich das bin! Und mächtig dazu. Dieser gesamte Apparat hier hört auf mich, und noch einiges mehr...«

»Ich dachte der Kerl da draußen wäre hier der Chef«, wunderte sich Dawn.

»Aber nein! Der denkt das nur. Hier herrsche ganz allein ich.«

Und wieder lachte der Mann unter seiner Kapuze – diesmal klang es jedoch sehr zuversichtlich und überlegen. »Und deswegen werden Sie auch tun, was ich Ihnen sage!«

»Und wenn nicht?« wollte der Oxtorner wissen, der sich seiner körperlichen Überlegenheit voll bewusst war.

»Dann werden Sie sterben!« Plötzlich war der Mann vollkommen ernst geworden und Taron merkte, dass er seine Behauptung wirklich in die Tat umsetzen würde.

Oder zumindest würde er versuchen, das zu tun, korrigierte er sich. Er beschloss, zunächst einmal auf die Forderung des Mannes einzugehen, um zu erfahren, worum es hier überhaupt ging.

»Was also wollen Sie von uns?« fragte er und bekam prompt Antwort.

»Sie sollen jemanden ausschalten, der Lor von Zonta heißt. Dieser Mann war D'reg und seinen Leuten wohl ein Dorn im Auge, auch wenn dieser die Gründe für den Mord nicht näher erläuterte. Er ist ein hohes Tier bei den Troch und er stört mich!«

Er konnte jedoch nicht genau sagen, wo sich dieser Mann in diesem Moment aufhielt. »Er ist zu einer Strafexpedition gegen die Erin aufgebrochen, irgendwo hier in der Gegend.«

Mehr wusste er nicht.

»Nun gut«, erklärte sich Dawn vorerst einverstanden. »Wir kümmern uns um den Typen, wenn wir ihn treffen. Vorausgesetzt wir kommen hier wieder raus!«

»Aber natürlich kommen Sie hier raus, das ist gar kein Problem. Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Weg. Und rufen Sie Ihren Freund heran!«

Dawn ging also zur Tür, entfernte ohne Probleme den schweren Riegel und öffnete die Tür. Er warf einen Blick in die Halle und sah Beceefha. Der Oxtorner warf ihm nur einen skeptischen Blick zu und ging wieder in den Raum zurück, Beceefha folgte ihm.

Dort hatte der Alte inzwischen einen weiteren Mann heran gerufen. Taron schätzte ihn auf ungefähr 30 Jahre, also nicht sehr jung, doch er war kräftig und bewegte sich schnell und elegant.

Wie ein Dagorista, dachte Dawn, und traf damit beinahe die Wahrheit, obwohl er es noch nicht wusste.

»Ordeith hier wird euch begleiten«, meinte der Mann mit der Kapuze. »Er dient natürlich nur eurer Unterstützung.«

Der zweite Satz war natürlich nur eine Phrase – beide wussten, dass Ordeith in erster Linie als Überwacher mitkam. Doch Dawn ging auch darauf ein und bat den Chef der Organisation, sie doch aus der Höhle heraus zu führen.

»Unsere Leute werden nämlich langsam ungeduldig, müssen Sie wissen.«

Schweigend folgten die beiden Umweltangepassten den Kolonialarkoniden. Sie verließen das Gewölbe durch einen Gang, der viel kürzer war, als der, durch den Dawn und Beceefha gekommen waren, und kamen so bald in einem Hain aus großen, eichenähnlichen Bäumen ans Tageslicht.

Dort verabschiedeten sie sich von dem alten Mann, der ihnen noch »Und vergesst nicht, dass man einen Vertrag mit der SENTENZA nicht bricht« hinterher rief, und liefen in Richtung Stadt.

Nach einem kleinen Spaziergang von 15 Minuten hatten Dawn und Beceefha das Lager wieder erreicht. Dort erregten sie einiges Aufsehen, scheinbar hatten einige Leute sie schon vermisst. Dawn und Beceefha gingen aber, ohne Fragen zu beantworten, in Richtung des Zeltes des Kapitäns. Auf dem Weg schloss sich ihnen Sauron an, der sie scheinbar schon vermisst hatte.

Sie mussten den Kapitän nicht einmal wecken, denn er war schon wach. Nachdem er sich versichert hatte, dass niemand sie belauschte, erzählte Dawn Strader alles über ihr Abenteuer. Allerdings verschwieg er, dass er Yohko hinter dem Angriff auf da Bostich vermutete und erzählte auch nichts über den Auftrag, den sie von D'reg bekommen hatten. Ordeith stellte er als jemanden vor, den sie aus der Gefangenschaft der Sentenza befreit hatten, und der nun ihres Schutzes bedurfte. Er betonte aber auch, dass dieser ein guter Kämpfer und gleichzeitig ein Kundiger der örtlichen Sitten war.

Nachdem er den Rapport abgegeben hatte, ging er zu seinem Zelt, um sich ein wenig auszuruhen, bevor es weiterging. Natürlich auch, um Natalie zu treffen...

8. Ostrogs Probleme

Computerraum der Bordsicherheit, CREST V (BZ: 7.20 Uhr / 6. Missionstag)

Pavel Syntony Verfluchte wieder einmal seine direkte Vorgesetzte. Major Africa Goimez hatte ihn dazu verdonnert die gesamten Routineprotokolle nach »Ungewöhnlichem« zu durchsuchen, ohne natürlich einzuschränken, was sie damit meinte, und so saß der junge Leutnant nun schon seit fast vier Stunden und starrte auf die Feldprojektion seines Monitors. Das Ganze wurde noch schlimmer, da die alte Hexe zwei Terminals neben ihm saß und »auf ihn Acht gab«...

Seit Oberleutnant Viktria Beypur als Spionin enttarnt worden war, reagierte Major Giomez extrem vorsichtig. In einer schon fast an Paranoia grenzenden Art versuchte sie den ihr Unterstellten so gut wie irgend möglich »auf die Finger zu schauen«, was diese natürlich fast zum Wahnsinn trieb.

»Major«, rief Pavel. »Ich glaube, ich habe hier etwas!«

Die Korrelationsbefragung hatte gerade zu Tage gefördert, dass das Kabinenschott eines Offiziers der galaktonautischen Abteilung, eines Emerson Victor Ostrog, innerhalb der letzten Stunden mehrfach geöffnet und geschlossen worden war. An sich nichts Ungewöhnliches, wenn man bedenkt, dass solches viele Tausend Male jeden Tag geschah. Allerdings war dieser Ostrog unter der Liste »auf Mission« aufgeführt. Das hieß, dass er momentan auf dem Planeten war und seine Tür also nicht benutzen konnte.

Giomez schaute sich an, was der »junge Spund«, wie sie das jüngste Mitglied ihres Kommandos bei sich nannte, gefunden hatte.

»Hmm, Und was gedenken Sie nun zu tun?« fragte sie Syntony.

Dieser wusste natürlich, was sie meinte.

»Ich werde nachfragen, ob dieser Offizier nicht irgend jemandem seinen Türcode gegeben hat, damit er die Blumen gießt oder so.«

Hof vor der Herberge in da V'ger (BZ: 16:30 Uhr)

Der Trubel hatte sich gerade wieder etwas gelegt, und E. T. Apellemaison versuchte wieder einmal einzuschlafen, als das Piepsen des als Ohrring getarnten Empfangsteil der Hauptkommunikatiosapparatur ihn auffahren ließ.

Was denn nun schon wieder? ging es dem Leutnant durch den Kopf.

Als er das Gerät auf Empfang stellte, bekam er gesagt, dass er Ostrog an die Leitung holen solle. Also setzte er sich auf, ließ seinen Blick schweifen und erblickte Emerson, der unruhig auf seinem Lager saß und scheinbar nicht einschlafen konnte.

Er ging hinüber und gab Victor den Ohrring mit den Worten: »Ferngespräch für Sie!«

Dieser nahm das Schmuckstück ziemlich verwundert und legte es an.

Emerson saß unter den Sonnensegeln und langweilte sich zu Tode. Er hatte eigentlich an der Satellitenkarte arbeiten wollen, die von den Spezialisten auf der CREST V erstellt worden war, und sie mit den beiden Karten vergleichen wollen, die Taron Dawn und Beceefha aus der Räuberhöhle mitgebracht hatten. Doch man hatte ihm strengstens untersagt, hier in der Öffentlichkeit High-Tech zu benutzen, selbst wenn er es versteckt unter seiner Decke machte. Das Risiko einer Entdeckung durch die Einheimischen, vor allem dem Mädchen Kiril und ihrem neuen »Führer« Ordeith war angeblich zu groß.

Also saß Emerson stundenlang untätig herum, bis der anwachsende Tätigkeitsdrang ihn fast um den Verstand brachte. Dann, völlig unerwartet, ergab sich eine Art von Abwechslung für ihn, die er liebend gerne ausgelassen hätte.

Um 16:40 Uhr trat seine ständige Informationsquelle, der Kommunikationsoffizier Leutnant Ernest Theodore Apellemaison, auf ihn zu und überreichte ihm einen metallenen Ohrring mit den Worten: »Ferngespräch für Sie.«

Verwirrt klemmte Emerson den kleinen Ring an sein rechtes Ohr und hörte sogleich die Stimme eines Fremden, der sich als Leutnant Pavel Syntony von der Bordsicherheit zu erkennen gab. Er berichtete ihm, dass in den letzten beiden Tagen insgesamt acht Mal das Schloss seiner Kabinentür geöffnet worden war!

Als Emerson das hörte, fühlte er sich auf einmal, als wäre er der Kälte des Weltraums ausgesetzt worden (und diese Erfahrung hatte er in der Tat einmal unfreiwillig gemacht). Sofort dachte er an seine schwarze Kiste und hegte die schlimmsten Befürchtungen. Seine einzige Hoffnung war, dass es sein neuer Freund Montgomery Spock gewesen war, der sein Quartier betreten hatte (schließlich hatte Emerson ihn darum gebeten, seine Kiste wieder einzuräumen); doch weshalb sollte er das insgesamt vier Mal gemacht haben?

Rasend schnell ging er alle ihm offen stehenden Möglichkeiten durch und beschloss schließlich, die Initiative Monty zu überlassen – wenn er ihn doch nur kontaktieren könnte!

Deshalb sagte er zu Leutnant Pavel Syntony: »Ja ja, das ist schon in Ordnung, ein Kumpel wollte sich einige Lesespulen ausleihen.«

Nachdem er dem Sicherheitsmann Namen und Tätigkeit seines mechanoiden Kumpels angegeben hatte (womit er ihn hoffentlich nicht auch noch in seine Schwierigkeiten hineinzog), wechselte er einige weitere Worte mit Pavel Syntony, dessen Vorname ihm ebenfalls dieser uralten Fernsehserie entliehen zu sein schien.

Dann warf er dem wartenden Apellemaison das kleine Schmuckobjekt zu, das mit dem leistungsstarken Funkgerät des Landeunternehmens verbunden war, und scherzte mit einer glanzvollen und überragenden schauspielerischen Leistung: »Probleme haben die...«

Schweigend wartete Emerson den Rückruf von Leutnant Syntony ab, der ihm hoffentlich demnächst mitteilte, ob die Angelegenheit sich als falscher Alarm herausgestellt hatte oder ob tatsächlich jemand in seine Kabine eingedrungen war. Der Gedanke an letzteres machte ihn ganz krank, und er malte sich die schlimmsten Dinge aus. Er rechnete sogar damit, dass er in nächster Zeit für immer aus der Solaren Raumflotte würde verschwinden müssen.

Maschinenraum der CREST V (BZ: 13:07 bis 13:31 Uhr)

Nachdem sich der Trubel wegen der Bombe etwas gelegt hatte, rief Rogal Orbson Montgomery zu sich und gab ihm den Rest des Tages frei, damit er »sich etwas von der Aufregung erholen« konnte, wie sein Vorgesetzter sich ausdrückte.

Da der Mechanoide seine Rolle als emotionales lebendes Wesen spielen musste, fügte er sich in diese in seinen »Augen« unsinnige Anweisung. Doch zuvor ging er noch in das Werkzeuglager und ließ sich dort einige optische Instrumente für sein privates Bastelprojekt geben, und aus dem Materiallager holte er sich ein paar kleine Spiegel, Glasrädchen und mechanische Elemente ab, die er gestern dort bestellt hatte.

Dann ging er in seine Kabine.

PIKACHÛ (BZ: 15:00 Uhr / 6. Flugtag)

Slaine wartete jetzt schon seit Stunden auf eine Antwort vom HQ. Er saß gelangweilt in der Zentrale und schaute sich ein paar Folgen Arkon Wars, einer historischen, japanischen Zeichentrickserie vom Anfang des 21. Jahrhunderts, an. In der Serie wurde mit imposanten Bildern und Sequenzen die Geschichte der Methankriege erzählt.

Da ertönte das so heiß erwartete Signal: Im geschirmten Transmitter war eine Antwort eingetroffen!

Nachdem er die Wache an Tita übergeben hatte, machte sich Slaine auf den Weg in den kleinen Transmitterraum um sich die Antwort vom Quinto anzusehen.

Es handelte sich wieder um die Kiste!

Slaine entnahm der beiliegenden Nachricht, das man selbst im HQ Probleme hatte, den Inhalt der Kiste zu untersuchen. So wurde an einem Gegenstand noch immer geforscht, da sie einer »sehr« hochstehenden Technologie zu entstammen schienen. Es war jedoch keinerlei Spionage-Ausrüstung entdeckt worden. Um eine Entdeckung der Aktion zu erschweren, hatte man auf Quinto-Center eine Kopie des besagten Gegenstandes angefertigt, die zwar so aussah wie das Original, aber keinerlei Funktionen hatte, diesen wieder sorgsam in der Kiste verstaut und den Desintegrator wieder aktiviert.

Jetzt sollten sie die Kiste wieder in Emersons Kabine deponieren, was dem Team Rocket nun auch ohne Probleme gelang, da James ja mittlerweile das Schlos kannte.

Montgomerys Kabine (BZ: 13:36 bis 17:11 Uhr)

In seiner Kabine angekommen, legte Montgomery seine Mitbringsel auf eine große Werkbank, auf der sich eine halbfertige Maschine befand. Es handelte sich um einen sogenannten Analogcomputer, der auf nichtlinearer Signalübertragung mittels kleiner verstellbarer Glasrädchen basierte und zur Ausgabe einen vielfach reflektierten und umgelenkten Lichtstrahl verwendete. Dieses uralte Prinzip stammte noch aus der terranischen Vor-Kontakt-Zeit, war jedoch seines Wissens nach niemals praktisch realisiert worden.

Für Montgomery jedoch war diese Bastelei eine hochinteressante Abwechslung vom alltäglichen Einerlei, denn in seiner eigenen Kultur waren analoge Rechenmaschinen völlig unbekannt. Nachdem er bereits eine Babagge-Maschine erfolgreich nachgebaut und mit einigen Modifikationen sogar zum Laufen gebracht hatte (Babagge selbst war das im terranischen 19. Jahrhundert bedauerlicherweise niemals gelungen, wahrscheinlich wegen der Verwendung von Holzzahnrädern), stellte dieses Projekt eine lohnenswerte Herausforderung für ihn dar. Er hatte schon viele Stunden darin investiert, und der Zeitpunkt der Fertigstellung ließ sich bereits absehen.

Sogleich machte Montgomery sich an die Arbeit und hörte erst damit auf, als er um 16:58 Uhr von einem Interkomanruf unterbrochen wurde. Als er den Bildschirm aktivierte, sah er sich einem ihm unbekanntem Mann gegenüber, der sich als Leutnant Pavel Syntony von der Bordsicherheit vorstellte.

»Kennen Sie einen gewissen Major Emerson Victor Ostrog, der sich zur Zeit auf Außenmission befindet?« kam der Sicherheitsbeamte gleich zur Sache.

Da Syntony nur von Emerson selbst über ihre Freundschaft informiert worden sein konnte, musste es um etwas sehr Wichtiges gehen. Also bejahte Montgomery diese Frage sofort.

»Haben sie seit gestern Mr. Ostrogs Kabine betreten?« hakte Pavel Syntony gleich nach.

»Ja, das habe ich«, bestätigte Montgomery äußerlich unbewegt. »Warum fragen Sie?«

»Unseren Datenbanken zufolge wurde das Schloss von Mr. Ostrogs Quartier in den letzten beiden Tagen insgesamt achtmal geöffnet«, erläuterte der Beamte von der Bordsicherheit. »Da heißt, Sie müssen das Quartier von Mr. Ostrog insgesamt viermal besucht haben. Und zwar gestern von 18:45 Uhr bis 18:50 Uhr, heute von 3:05 Uhr bis 3:20 Uhr, von 9:55 Uhr bis 10:55 Uhr und schließlich von 15:25 Uhr bis 15.30 Uhr. Können Sie das bestätigen?«

Montgomerys Denkvorgänge setzten ob dieser Mitteilung für einen Takt aus, dann begannen seine Denkprozesse zu rasen. Die einzig logische Konsequenz war, dass jemand zweimal in Emersons Kabine eingebrochen war, während er sich in verantwortungsloser Weise mit anderen Dingen beschäftigt hatte.

Für Emerson konnte sein Verhalten eine Katastrophe bedeuten. Nun war Schadensbegrenzung angesagt, deshalb musste er den Sicherheitsbeamten mit einer für ihn befriedigenden Antwort abspeisen. Denn wenn dieser Pavel Syntony wegen Einbruchs ermittelte, würde Emersons schwarze Veego-Kiste unweigerlich entdeckt werden, und das wäre das Ende seines Freundes.

»Ja, das war jedesmal ich«, log der Mechaniode mit unbewegter Miene. »Ich habe mir mehrmals einige Lesespulen ausgeliehen.«

»Dann ist das ja geklärt«, gab sich sein Gegenüber zufrieden. »Ich werde Mr. Ostrog sogleich berichten, dass es sich nur um falschen Alarm gehandelt hat. Soll ich ihm noch etwas ausrichten?«

»Ja, das wäre sehr freundlich«, schleimte Montgomery sich ein. »Sagen Sie Ihm bitte, das die Stadt Nummer Zwei in dem einen Buch ›Etustar‹ hieß, nicht ›Estratu‹. Er versteht das schon.«

»Ich werde es ihm ausrichten«, sagte Syntony. »Einen schönen Tag noch.«

Damit beendete Leutnant Syntony die Verbindung und ließ einen sorgenvollen Techniker zurück.

Hof vor der Herberge in Da V'ger (BZ: 17:17 Uhr)

Nach einer Ewigkeit, wie es schien, kam endlich die Antwort vom Schiff. Pavel Syntony berichtete ihm, dass sein Freund Montgomery der Verursacher der ganzen Aufregung gewesen war. Emerson fiel ein Stein vom Herzen, bis er die persönliche Nachricht seines Freundes vernahm.

»Er lässt Ihnen ausrichten, dass die zweite Stadt in dem einen Buch ›Etustar‹ und nicht ›Estartu‹ hieß«, sagte der Sicherheitsbeamte wahrheitsgemäß. »Sagt Ihnen das was?«

»Äh... äh, ja... ja, das sagt mir was«, stotterte Emerson. »Vielen Dank, Mr. Syntony.«

Dann unterbrach er die Verbindung, gab den Ohrring geistesabwesend an Leutnant Apellemaison zurück und setzte sich auf seinen Ruheplatz, wo er mit seelenlosem Gesichtsausdruck vor sich hin starrte. Die Nachricht seines Freundes konnte nur bedeuten, dass Montgomery dem Sicherheitsbeamten gegenüber gelogen hatte. Er hatte seinem neuen Gefährten von seinem Aufenthalt in Estartu erzählt, dem Herrschaftsbereich der Ewigen Krieger, die angeblich im Auftrag der Superintelligenz ESTARTU handelten. Doch auf dem Planeten Etustar, wo das Überwesen seinen Sitz haben sollte, hatte er die psionische Botschaft der Eidos und Morphe vernommen, die lautete: »ESTARTU lebt hier nicht mehr!«

Montgomery hatte ihm mitteilen wollen, dass er nicht allein verantwortlich war für die achtmalige Öffnung seiner Kabinentür. Da er von der »zweiten Stadt« gesprochen hatte, bedeutete das wohl, dass er sein Quartier nur zwei von den insgesamt vier Malen besucht hatte.

Also hatte jemand bei ihm eingebrochen!

In seiner Vorstellung sah er, wie ein vermummter Mann seine Kabine betrat, alles durchwühlte und schließlich auf die Kiste stieß. Er nahm sie mit sich, öffnete sie und untersuchte alle seine Besitztümer. Dann fertigte er genaue Duplikate an, legte sie anstatt der Originale in seine Kiste und brachte diese wieder in seine Räumlichkeiten zurück.

Das bedeutete, dass das fremde Artefakt vielleicht für immer verloren war!

Diese Vorstellung, auch wenn sie nicht der Wahrheit entsprechen sollte, hielt ihn von nun an gefangen, und er verfluchte innerlich die laschen Sicherheitsvorkehrungen der Solaren Flotte.

9. Aufbruch

vor dem Versteck (BZ: 5.30 Uhr / 6. Flugtag)

Robert und Irana gingen zur Herberge zurück. Das Gespräch mit dem Händler, den Irana als alten Freund ihrer Familie bezeichnet hatte, war ja nicht so toll gelaufen. Irgendwie hatte Robert bei dem Mann ein schlechtes Gefühl und sagte dies auch Irana.

»Blödsinn, ich kenne Talkar von Jeheran schon seit Jahren.«

Alun machte ihr ein Zeichen zu schweigen. Er glaubte, etwas gehört und gesehen zu haben, das sich vor ihnen versteckte.

»Teleportiere uns bitte zum Versteck!« bat er das Mädchen.

»Es geht irgendwie nicht, entweder ist heute absolut nicht mein Tag, oder irgendwas in der Nähe blockiert meinen Teil der Gabe.«

Alun produzierte ein paar Flüche. »Dann sollten wir so schnell wie möglich rennen! Wir müssen das Lager erreichen! Bei so vielen Leuten dürfte es schwierig werden, uns anzugreifen, falls diese Menschen nicht nur zufällig hinter uns her schleichen.«

Die beiden rannten los. Jetzt hatte der Schlägertrupp, den vermutlich der Händler ausgeschickt hatte, keinen Grund mehr, sich zu verstecken und sie stürmten vor. Es waren 15 oder 20 Personen, mit Messern und anderen Nettigkeiten bewaffnet, die nicht sehr freundlich aussahen.

Verdammt, jetzt bräuchten wir fast ein Wunder! dachte Alun.

Er konnte nur rennen und hoffen nicht getroffen zu werden. Umdrehen und kämpfen wäre selbst mit den Paralysator Selbstmord gewesen.

Das Wunder geschah, allerdings nicht ganz auf die Art, wie es sich Alun erhofft hätte. Irana sah den Trupp der Baumbrüder zuerst und wurde bleich, als sie Lor in seinem Umhang erkannte.

Auch Lor erkannte die Teleporterin und wurde rot vor Wut. »Wenn ihr mir beweisen wollt, dass ihr den Troch treu seid, ergreift diese Frevlerin.«

Bevor die etwa zehn Naats, die Lor von Zonta als Schutzgarde mitgegeben worden waren, allerdings auf diesen Befehl reagieren konnten, kam die Schlägertruppe ins Blickfeld.

»Zonta, der gibt noch eine größere Belohnung.

Schnappt ihn euch!« rief der Anführer seinen Leuten zu.

Einige von ihnen waren zwar intelligent genug, um lieber schleunigst zu verduften, aber bei dem Großteil des Schlägertrupps schien die Intelligenz nicht bedeutsam zu sein. Nur einer von ihnen besaß immerhin die Intelligenz sich nicht in einen Nahkampf einzulassen, sondern einen Bogen zu nehmen und damit zu schießen. Robert konnte ihn paralysieren, aber er reagierte nicht schnell genug!

Einen Pfeil hatte der Mann abgeschossen. Das Ziel war allerdings nicht Alun, Irana oder einer der Naats gewesen, sondern Lor. Irana reagierte einen Tick schneller als der mächtige Troch und riss ihn aus der Bahn. Dabei wurde sie selbst vom Pfeil getroffen, allerdings behielt sie nur eine kleine Fleischwunde.

Inzwischen war der Kampf zwischen der Schlägertruppe und den Baumbrüdern fast entschieden. Es war beileibe kein Zufall, dass die Imperatoren des alten Arkons eine Naattruppe als Leibwächter gehabt hatten. Da machte auch eine zahlenmäßige Überlegenheit der Schläger nichts aus. Der Kampf war sehr schnell zu Ende.

Alun sah inzwischen nach dem Paralysierten und schloss ihm die Augen.

»Wir werden ihn noch brauchen!« meinte er. »Herr Präzentor Martialum, welche Feinde haben Sie sich denn gemacht?«

»Wen nicht...« antwortete Irana. »Er ist der Lord-Procecutor des Trochkonzils, das heißt er ist dafür verantwortlich, dass das Recht durchgesetzt wird. Und so, wie es aussieht, hat mein Bruder immer noch nicht mitbekommen, dass es Jahrtausende alte Praxis ist sich auf diesem Posten bestechen zu lassen, er ist das gefährlichste und zugleich am meisten gefährdete Wesen, das seit langem diesen Posten inne hatte...«

An dieser Stelle unterbrach Lor sie. »Iimmerhin versuche ich, im System etwas zu verändern, zu verbessern und verrate nicht alles, an das wir seit dem Himmelsfall und vielleicht noch länger glauben...

Diese Häretikerbande, der du deine Macht zur Verfügung stellst, macht es nicht gerade einfacher gegen Bestechlichkeit und Machmißbrauch vorzugehen, so bin ich gezwungen, gegen die Erin ins Feld zu ziehen und durch die Entführung wird wohl auch alles schlimmer. Was, glaubst du, haben meine Adjutanten in dem Landstrich angerichtet aus dem ich verschwunden bin?«

Er trat an die beiden heran, damit die Naats ihn nicht hören konnten. »Wenn ihr damals einfach aufgegeben hättet, wäre fast nichts passiert. Ich hätte vielleicht sogar wieder deine Flucht verbergen lönnen, aber so habt ihr einen ganzen Landstrich ins Elend gestürzt.

Aber erst...« Er trat dem Bewußtlosen gegen die Seite. »Erst müssen wir heraus bekommen, welcher meiner vielen ›Freunde‹ endlich reagiert, und Sie...« Er wandte sich an Alun. »Sie werden mir hoffentlich erklären, wie Sie an etwas Ähnliches wie die ›Insignien der Macht‹ gekommen sind. Ich habe mittlerweile erkannt, dass diese Geräte nur ähnlich und sogar noch vielfältiger wirken wie die Insignien, aber nicht identisch sind. Aber ich halte Sie deshalb weder für ein göttliches Wesen noch einen Götterboten, dafür weiß ich zu viel.«

Nach fast zwei Stunden erwachte der Schläger aus der Paralyse. Alun wollte ihn befragen, aber Irana hielt ihn zurück und sagte, er solle das Lor überlassen, der könne so etwas recht gut. Lor ging neben dem Mann in die Hocke und zog einen ungefähr zehn Zentimeter langen, stabförmigen Gegenstand aus einer versteckten Tasche am Bein.

Ein Psychostrahler! schoss es Alun durch den Kopf.

»Du weist, dass du mir nur die Wahrheit antworten kannst«, leitetet Lor das Verhör ein, und nach einigen Fragen war klar, dass der man voll im Bann des Hypnostrahlers stand.

Das wunderte Alun doch etwas, denn er hatte immer gedacht, Arkoniden könnten sich abschirmen. Aber in 10 000 Jahren konnte viel passieren und die geistigen Disziplinen wurden wohl doch ziemlich schnell vernachlässigt, wenn man ums Überleben kämpfen musste.

Kurze Zeit später stand fest, das Talkar von Jeheran ihn und seine Kumpane los geschickt hatte, um Irana festzunehmen. Aber auch auf ihn war ein hohes Lösegeld ausgesetzt gewesen. Wer dieses ausgesetzt hatte, konnte der Gefangene auch nicht sagen, aber das Kopfgeld auf Lor sei enorm und wer auch immer es ausgesetzt hatte, wusste von der engen Beziehung zwischen dem Kasurn Jeheran und dem Kasurn Zontar und war speziell auf ihn zugegangen, in der Hoffnung, dass Irana bei ihm auftauchte.

Irana brach unter der Erkenntnis nahezu zusammen, dass der sie verkauft hatte, den sie für einen treuen Freund gehalten hatten.

Alun versuchte sie zu beruhigen, aber Lor sagte nur hart: »Du weißt nicht, was das für sie bedeutet, aber dafür gibt es nur eine ewige Erklärung: GIER FRISST HIRN! So traurig das ist.

Ich weiß nicht, was ihr vorhabt, aber ich werde versuchen, ungesehen ins Haus des Verräters zu kommen und ihn zu verhören. Ich will wissen, wer solch Kopfgeld aussetzt, das selbst einer, den ich für einen treuen Freund hielt, schwach wird. Außerdem muss ich aus dieser Amtsrobe raus, die ist zu gefährlich. Wenn ihr wollt, können wir ja versuchen gemeinsam einige Zeit unterzutauchen , damit nicht noch mehr Schaden entsteht.«

Und so geschah es dann auch, nur wenige Stunden später waren sie im Haus des ehemaligen Freundes und erfuhren, dass Lor anscheinend wirklich einigen Sentenza-Bossen zu nahe gerückt war. Mittels des Psychostrahlers sicherte sich Lor die Verschwiegenheit des Händlers und sie zogen für einige Zeit im Keller ein, um abzuwarten, bis die Aufregung um ihre Sichtung sich etwas gelegt hatte oder Iranas Fähigkeit wieder hergestellt war.

Am nächsten Tag wimmelte es im Waldgebiet nur so von »harmlosen Reisenden«, die nach den Geschwistern Zonta und einem Begleiter suchten.

Felsendom (BZ: 6:10 Uhr)

Der Mann, der sich den beiden Raumfahrern als D'reg vorgestellt hatte, schaute diesen so fett aussehenden und doch erstaunlich kräftigen Männern nach. Es hatte ihn etwas nachdenklich gestimmt, dass sie überhaupt keine Gemütsregung gezeigt hatten, als er den Namen der Organisation, der angehörte, hatte fallen lassen. Er fühlte sich fast beleidigt und wusste eigentlich nicht genau, warum. Befriedigt dachte er daran, dass er bald ihre Köpfe und den ganzen Reichtum ihrer Karawane geliefert bekommen würde.

Um in aller Ruhe nachdenken zu können, ging er wieder in die Kammer, in der er mit dem einen Händler unterhalten hatte. Beim Hinsetzen fiel sein Blick auf den Stuhl, in dem sein Gesprächspartner gesessen hatte, und er wunderte sich über die Bruchstellen, die seitlich neben der Sitzfläche zu sehen waren.

Und ich dachte immer, Eisenbeine altern nicht, dachte er, aber auf den Gedanken, dass es nicht eine Alterungserscheinung des Stuhles, sondern das enorme Gewicht seines letzten Gastes gewesen war, kam er nicht.

In der Haupthalle ließ das nervende Gezeter des angeblichen Chefs langsam nach. Der Mann dachte wieder einmal darüber nach, ob es ein Fehler gewesen war, dass die Sentenza diesen Irren benutzt hatte, um sich als Gos Toran zu tarnen. Immerhin glaubte der ja nur, zu den Gos Toran zu gehören. Um genau zu sein: Er war der Meinung der Chef aller Gos Toran zu sein. Er war einfach größenwahnsinnig!

Aber immerhin war er ein guter Redner und Verstand es einige so zu fanatisieren, dass sie alles tun würden. Und er war unter seiner Kontrolle. Aber wenn die echten Gos Toran das herausbekommen sollten...

Nachdem er einige Zeit gegrübelt hatte, sprang die Tür auf und ein Mann in der Uniform der Stadtwachen kam schnaufend herein.

»Chef, wir haben Probleme!«

Ihm war natürlich sofort klar, dass es etwas sehr Ernstes sein musste, wenn sein Spion in der Stadtwache so offen riskierte, dass seine Tarnung aufgedeckt wurde, indem er zweimal innerhalb kürzester Zeit hier auftauchte.

»Dieser, dieser NACHFOLGER!« schnaufte er. »Der räumt wirklich auf! Da Bostich muss fast alles ausgeplaudert haben. Und der hat zu den Massen gesprochen... Als ich mich abgesetzt habe, hatten sie bereits fünf unserer besten Kunden den Familien der Mädchen, die wir haben verschwinden lassen, übergeben.«

Oha ich glaube, ich weiß, was jetzt kommt, ging durch seinen Kopf

»Was ist mit Obera?« fragte er die »Stadtwache« laut. »Deshalb bin ich ja gekommen, er war als Nächstes dran und hat versucht sich seinen Hals zu freizukaufen. Ich schätze, dass wir in weniger als einer Tonta Besuch bekommen. Dann wollen wir mal verschwinden. Ich werde unserem Gottvertreter einflüstern, dass die Dämonen ihn holen wollen und kommen werden!«

Er hatte keinerlei Skrupel, die fanatisierten Anhänger dieses Pseudo-Gos-Toran-Propheten für einige Minuten Vorsprung zu opfern.

»Du trommelst unsere Leute zusammen und wir verschwinden; in weniger als einer Zehntel Tonta ist Abmarsch«, befahl er dem Angehörigen der Stadtwache.

»Was ist mit der aktuellen Ware?« fragte dieser.

»Die wäre eine zu große Belastung; lass sie in den Zellen. Die Wiedersehensfreude wird den Mob noch länger aufhalten als die Torans. Das einzige Problem ist, dass wir es wahrscheinlich nicht schaffen werden, zu Ordeith zu stoßen, wenn er sie durch die Schlucht führt...«

Gegen Anbruch der Nacht setzte sich die Karawane, diesmal geführt von Ordeith, wieder in Bewegung. Der Himmel war unbewölkt und die Sicht war aufgrund der relativen Nähe des Sternenhaufens, »unter« dem sich der Laran-Sektor und somit auch die Welt, auf der sie sich bewegten, befand, ausreichend, so dass sie die Fackeln nicht benutzen mussten, deren »unendliche« Brenndauer sicher Fragen seitens der Eingeborenen ausgelöst hätte.

Ungefähr zwei Stunden nach der Abreise der Karawane tauchte ein Viehhirte in der Kreiskommandantur auf und zeigte den Diebstahl mehrerer Dutzend Tiere mindestens 30 Kilometer entfernt von V'ger an. Da die gesamte Miliz der Stadt gerade mit Vorbereitungen der Hinrichtungen in Folge Bostichs Geständnissen und Feiern aufgrund der Befreiung der sechs Mädchen aus den Zellen in der alten Mine beschäftigt war, kümmerte das erst einmal niemanden.

Ordeith führte die Karawane durch einen Gebirgspaß, der bei diversen Mitgliedern Nervosität auslöste. Connor, Allan und Yohko versuchten unabhängig voneinander, den Oberst davon abzubringen, Ordeith zu freie Hand zu lassen, aber dieser schien dem Führer zu vertrauen.

Allerdings passierte nichts und die drei mussten sich einige Sprüche anhören, dass sie nicht immer so schwarz sehen sollen. Dass Ordeith jedoch auf einmal noch sehr viel schweigsamer wurde als zuvor, merkte keiner.

Die nächsten drei Tage verliefen ohne größeren Zwischenfall. Kiril lief immer am Tross entlang, sammelte wilde Küchenkräuter und versuchte sich im Lager als Köchin nützlich zumachen, allerdings mit gemischtem Erfolg.

Yohko murmelte, nachdem sie das erste Mal eine von Kirils Suppen probiert hatte, etwas von »wie Akane«, womit aber außer ihr keiner etwas anfangen konnte.

Ordeith sagte fast nichts mehr und Allan gab zusammen mit Yohko Einführungen in diversen Kampftechniken. Allerdings schloss Allan bei Trainingseinheiten mit Connor einen zusätzlichen Energiespeicher an die Protektoren an.

Am Morgen des zehnten Missionstages schlugen sie das Lager einige hundert Meter vor einem kleinen Dorf namens Avenaas auf...

ENDE

Die Besatzung der CREST V hat sich unter den örtlichen Obrigkeiten ziemlich unbeliebt gemacht, was sicherlich nicht ohne Folgen bleiben wird. Außerdem sind da noch Emerson und Spock, denen man langsam auf die Schliche kommt...

Wie es weiter geht, erfahrt ihr im letzten Teil der 1. Mission, die in zwei Monaten unter folgenden Titel im TERRACOM erscheint:

Wahrheiten?

PROC STORIES - Fan-Stories vom PROC - ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUBs. Kurzgeschichte »CREST V - Das Chaos V« von Das PBeM-Team der CREST V. Erschienen am: 01.11.2001. Titelbild: Alexander Nofftz. Lektorat, Nachbearbeitung und Umsetzung in Endformate: Alexander Nofftz. Satz: Xtory (SAXON, LaTeX). Internet: http://www.proc.org/stories/. eMail: stories@proc.org. Copyright © 2001. Alle Rechte beim Autor!