Inhalt | CREST V (6) | Die Suche... (3) | Kumari | ||||||
![]() | ![]() | ![]() | ||||
![]() | ![]() | ![]() | ![]() | ![]() | ||
![]() | ![]() | |||||
![]() |
Copyright © 2000 | |||||
Wir saßen am Nachmittag des 25. Februars 2420 zusammen in der Mannschaftsmesse der EOS. Ich hatte mir noch mal die Geschichte von den sogenannten Gleichheitskämpfern der Doran angehört und gemeint: »Wenn eure Gesellschaft so perfekt ist, warum müssen dann Leute eine Geheimorganisation gründen, um sie aufzulösen? Irgendwas muß doch dran sein, daß Leute meinen, für Gleichheit eintreten zu müssen.« »Die doranische Gesellschaft ist hierarchisch gegliedert und in vier Volksgruppen unterteilt«, berichtete Kyla. »Die Gründer der doranischen Kolonie gerieten damals in die Zwangslage, ein festes System zu schaffen, weil es nur wenige Überlebende des ersten Kolonisationsversuches gab. Zunächst wurden die Überlebenden eingeteilt und später vererbten die ihre Aufgaben an ihre Nachkommen weiter. Daraus entwickelte sich die Einteilung der Volksgruppen. Dies führte auch dazu, daß die Zugehörigkeit zu einer Gruppe schon bei der Geburt feststand, wenn die Eltern beide einer Volksgruppe zugehörten. Zwar konnten teilweise Bindungen zwischen zwei Angehörigen unterschiedlicher Volksgruppen geschlossen werden, dies aber nur, um eine Inzucht zu verhindern. Andererseits wollte man aber auch keine Auszucht hervorragender Eigenschaften und schränkte die freie Partnerwahl dahingehend ein, daß jemand in erster Linie ein Mitglied der eigenen Gruppe wählen durfte. Dieses System wurde zur Staatsform erhoben und bei der Isolation von Terra und dem bald danach losbrechenden Territorialkrieg gegen die Soorn noch verfestigt. Nun, da auf Dor seit ungefähr 20 Jahren Frieden herrscht, ist es natürlich nicht mehr möglich, das System in seiner ganzen Unveränderlichkeit zu rechtfertigen, ohne mit gesetzlichen Druckmitteln zu hantieren. Relxana und ihre Leute glauben, durch eine militante Gegenbewegung eine freie Gesellschaft gleichberechtigter Doran zu schaffen. Allerdings würde dies dazu führen, daß auf Dor ein Zwang gegen einen anderen ausgetauscht wird. Es sind äußerst selten Revolutionen durchgeführt worden, die nicht eine Tyrannei gegen eine andere ausgetauscht haben. Und die doranische Gesellschaft mag streng und unmißverständlich durchorganisiert, ja überorganisiert und kalt sein, aber eine echte Tyrannei im Sinne einer Willkürherrschaft durch eine Person oder Personengruppe besteht dort nicht. Doch Relxana will mit den Mitteln der Gewalt ihre Ziele durchsetzen, und das ist der Punkt, wo eine angeblich gute Absicht zur Gefahr für ein ganzes Volk werden wird.« »Der Weg zur Hölle ist ja gepflastert mit guten Absichten«, warf der übergroße Eldar Maktrom ein. Ich sah ihn an und fragte: »Was ist denn die Hölle?« »Ach, das ist ein Ort im Totenreich verschiedener Glaubensbilder, wo alle die hinkommen, die in ihrem Leben gegen bestehende Gesetze verstoßen und böse Taten verübt haben«, erklärte Roy Anderson kurz und knapp. »Das Unheilland«, mutmaßte ich, weil ich mir denken konnte, was mit diesen toten Wesen, wohl eher dem Nachlebensdasein dieser Wesen geschah, wenn sie in der Hölle ankamen. Auf unserem Planeten gab es auch genug Mythen von Orten, an die die durch den Tod von der Welt verstoßenen Mitjitari gelangten, je nach ihren Taten. »So kann man das nennen«, meinte Roy bestätigend. Kyla wollte dann noch wissen, ob ich noch eine Frage hätte, was diese Gesellschaft für Gleichheit auf Dor anginge. Ich sagte, daß ich zunächst genug wüßte. Dann wurde ich von Laura gefragt: »Wie war das denn bei euch, Dyvoni? Du hast mal erzählt, daß du wegen einer angeblichen Untat verbannt worden wärest.« »Ja, das habe ich erzählt«, gestand ich. Ich war mir immer noch nicht so sicher, was ich meinen neuen Gefährten von mir erzählen durfte, ohne mich bei ihnen unbeliebt oder gar unerwünscht zu machen. »War es nun ein Verbrechen oder irgendeine Form von Ablehnung bestehender Dinge?« wollte Roy wissen. Mein Xenokom verriet mir, daß seine Tonlage offenbar auf eine gewisse Ernsthaftigkeit hindeutete. Er wollte wohl ein für allemal klären, woran er und seine Leute bei mir waren. Ich antwortete: »Durch das Aufbegehren wurde ich im Sinne der Machthaber unserer Galaxis eine Untäterin, Roy. Ich habe versucht, meiner Mutter zu helfen, die wiederum wollte, daß unser Volk frei von äußeren Zwängen leben konnte. Doch sie mußte fliehen und ich wurde verbannt.« »Auf welche Weise wollte deine Mutter für ihr Volk die Freiheit erringen? Gegen wessen äußeren Zwang?« fragte nun Kyla mit ruhiger Stimme und sah mich dabei interessiert an. Laura warf sofort ein: »Ja, erzähle uns am besten die ganze Geschichte, damit wir hier nicht noch in irgendwelche Mißverständnisse verstrickt werden!« Ich überlegte kurz. »In Ordnung. Ich sehe ein, daß ihr mir nie völlig vertrauen werdet, wenn ihr nichts von mir wißt. Doch ich denke auch, daß ihr mir auch dann nicht vertrauen könnt, wenn ich euch etwas erzähle. Denn es ist ja dann nur meine Version, die ihr wohl nicht nachprüfen könnt.« »Das Risiko müssen wir eingehen«, meinte Simon Simpson, der wohl erkannt hatte, daß es mir darum ging, mich vorab gegen spätere Verdächtigungen zu verwahren. »In Ordnung«, sagte ich noch mal. Ich lehnte mich zurück und begann zu erzählen. Ich berichtete davon, wie meine Mutter mich eines Tages, es muß so im 150. Jitrom der Herrschaft des Lukars gewesen sein, zu sich gerufen hatte und mir im Schutz eines abhörsicheren Raumes berichtet hatte, daß sie mit einigen anderen nach den Schätzen verlorenen Wissens suche. Sie habe erkannt, daß das Lukar, ein Verbund aus zehn durch Konservationsmethoden unsterblich gehaltener Gehirne und einer Quintronenparallelrechnereinheit darauf ausginge, die gesamten Völker der Galaxis Kumari zu einer Denkeinheit zu vereinen, wo jedes Individuum ausgelöscht würde. Ich glaubte ihr nicht sofort, da ich in meiner Schulzeit nur Gutes von diesem Wesen gehört hatte. Doch Kisis, meine Mutter, konnte mir anhand geretteter Berichte und aufgefangener Funksprüche zwischen den Lukar-Außenposten und Jitas zeigen, daß wir alle in einer Welt lebten, in der niemand etwas tun konnte, ohne Angst vor einer Strafe zu haben. Ich erfuhr damals, daß das Lukar nach einem sehr großen Krieg zusammengefügt worden war und alle Völker durch große Robotflotten zusammengetrieben hatte. Dann, und das deckte sich mit meinem Schulwissen, war der Harmoniekodex in Kraft gesetzt worden. Niemand durfte mehr sein, als nötig war, um das Gleichgewicht des Friedens zu bewahren. Außerdem war es verboten, Einzelwesen zu folgen, die meinten, besser zu sein, als das Lukar. Jede Form der Religion, so berichtete ich weiter, sei verboten worden und die Mythen als lächerlicher Versuch gedeutet worden, das Unwissen über Entstehung und Zukunft zu verleugnen, indem Geschichten von Gottheiten in die Welt gesetzt wurden. Gefährlich, so die Propaganda weiter, sei es ohnehin, sich Leuten anzuvertrauen, die vorgaben, im Namen einer Gottheit zu handeln. Diese könnten unmöglich Abgesandte höherer Mächte sein, da es ja bereits erwiesen sei, daß jede Glaubensart auf verleugnetes Unwissen über Entstehung und Vergehen zurückginge. Verfechter der alten Glaubensarten wurden ausgelöscht. Ich hatte bis zu diesem Tag noch nicht einmal gewußt, daß man an etwas glauben konnte, was nicht mathematisch erklärt und im Rahmen von Biologie, Physik und Hyperphysik nachgewiesen werden könnte. Ich gab dem Lukar recht, daß derartige Vorstellungen tatsächlich nur die Produkte eines nicht eingestehbaren Unwissens seien. Doch ich stellte auch fest, daß trotz dieser Unwissenheit oder gerade deshalb viele schöpferische Geister den Fortschritt vorangetrieben hatten, bis das Lukar sie stoppte. Die Verbindung zwischen zehn Gehirnen, die zu ehemals überragenden Wissenschaftlern der Naturkunde und der Staatskunde gehörten, schuf immer neue Regeln, die klein und ohne großen Aufwand waren, aber ohne Probleme in den Köpfen sämtlicher Wesen plaziert werden konnten. »Und was hast du getan, als deine Mutter dir dies alles erzählt hat, Dyvoni?« wollte Roy wissen. »Ich habe ja nicht nur von ihr erzähltes, sondern richtiges Datenmaterial lesen können, Roy. Daher konnte ich zwischen meinem Wissen und den neuen Daten vergleichen«, erwiderte ich und fuhr damit fort, daß nach den Regeln auch die Vollstrecker kamen, von denen ich nur in Drohformeln gehört hatte. Sie sonderten die Fehlgeleiteten aus und reinigten ihre Geister. Wie das genau ging, konnte ich in einer Aufnahme sehen. Sie überfluteten die Gehirne der Verurteilten mit aufgezeichneten Erinnerungen und ließen diese wie in einer negativen Rückkopplungsschleife immer wieder einfließen, bis die Verurteilten völlig den Verstand verloren und regelrecht reprogrammiert werden konnten. Sie arbeiteten dann in großen Kolonnen und funktionierten nur noch. Ich erläuterte auf die Anfrage von Simon, warum das Lukar solche Angst vor eigenständigen Völkern hatte, daß ich nichts genaues darüber wußte. Ich konnte mir nur denken, daß es darauf ausging, sein alleiniges Rechtsempfinden zu bestätigen, indem es jeden Widerspruch beseitigte. Dabei ging es aber nicht um die Ursachen für mögliche Gegenmeinungen, sondern nur um die, die sie äußerten oder in ihren Gedanken entwarfen. »Kybernetische Megalomanie, noch dazu im Kollektiv«, vorverurteilte Simon dieses Vorgehen. Ich konnte ihm nur zum Teil zustimmen. Denn andererseits hatten sich die großen Völker Kumaris freiwillig unter diese neue Herrschaft begeben, als die großen Kriege sie auszurotten begannen. Starke wie Schwache wurden dadurch zu gleichberechtigten Nachbarn, und das verband. Doch als dann klar wurde, daß dieser Friede eine Gefangenschaft war und keine Überzeugung, bildeten sich die ersten Widerstandsnester. Meine Mutter gab zu, für ein solches zu arbeiten, das sich Rückkehr zur Ruhe nannte. Nach der Vorführung der Daten erläuterte sie mir, daß sie daran arbeitete, die Freiheit der Völker ohne äußeren Druck zu erreichen. Ich bekam einen schützenden Hypnoblock, der mich daran hinderte, in irgendeiner Form an alles zu denken, was ich erfahren hatte, bis der Tag käme, an dem ich meiner Mutter wirklich helfen könne. »Das habe ich noch nicht so ganz verstanden«, wandte Laura ein. »Ihr habt in einer Galaxis gelebt, tausende von Völkern. Und alle wurden von einer halben Maschine regiert?« »Genau. Das Lukar hat mit seinen Überzeugungen und danach mit seinen Verhaltensregeln und Zwangsmaßnahmen alle Völker unter seine Kontrolle gebracht. Es hat dafür gesorgt, daß es die vollständige Kontrolle behielt, wahrscheinlich mit dem Wissen, daß es nicht ewig nur dasitzen konnte und von Frieden reden würde, ohne Widerstand zu erzeugen«, berichtete ich. Roy meinte: »Ich überlege, was gewesen wäre, wenn unseren Planeten damals nicht Thora und Crest, sondern Schiffe des arkonidischen Robotregenten kontaktiert hätten. Die Gefahr, uns zu Sklaven des Robotregenten zu machen, wäre damals nicht erkannt worden. Die Großmächte hätten ihre Waffen an den Invasoren probiert und versagt. Die Mehrheit hätte dann wohl die Befreier von der Angst vor dem Atomkrieg begrüßt.« »Na ja, es ist ja doch anders abgelaufen«, beschwichtigte Simon Simpson und bat mich, darüber zu berichten, wie es mir später ergangen sei. Ich erzählte davon, daß ich noch einige Jahre unbeschwert gelebt hatte, bis ich Taron getroffen hatte, mit dem ich dann einige schöne Jahre in enger Partnerschaft verbracht hatte. Der Schutzblock in meinem Bewußtsein hielt an, bis ich in den Nachrichten des Lukars von einer Aktion gegen sogenannte Irre hörte, die vom rechten Weg abgekommen waren und nun in die Gesellschaft zurückgeholt würden. Ich erkannte meine Mutter und dachte daran, daß ich nicht wußte, daß sie zu diesen Leuten gehörte. Erst da löste sich die Sperre, die mich vor verräterischen Gedanken geschützt hatte, so daß mir alles einfiel, was sie mir beigebracht hatte. Ihre Organisation, die Rückkehr zur Ruhe, fand ich in Gestalt einer mir bis heute nicht bildlich vorgestellten Kontaktperson namens Jitix. Ich nahm einen Decknamen an und forschte im Rahmen der Organisation nach weiteren Möglichkeiten, das verbotene Wissen zu bewahren und zu erweitern. Doch dann kam der Wendepunkt. Ich erfuhr von meinem Vertrauensarzt, daß ich von Taron Kinder erwarten würde. Da wir Jitari grundsätzlich fünf Kinder oder Mehr pro Schwangerschaft hervorbringen, ist es bei uns Sitte, sich eine Jitarifrau zu suchen, die uns bei der Aufzucht der Kinder helfen konnte. Auf dieser Suche machte ich die Bekanntschaft mit Gelari Antrar, die sich in mein Vertrauen einschlich, um mich dann, vierzehn Jitastage später einem Geistreinigungskommando auszuliefern. Ich konnte zwar mit Hilfe meiner Paragaben fliehen und ein Versteck aufsuchen, doch meine Mutter war bereits geflohen. Sie hatte sich mit einigen Freunden durch das Tor zur Unendlichkeit abgesetzt, einem sechsdimensionalen Großtransmitter, der ähnlich funktioniert, wie jener, durch den meine terranischen Kameraden in die Galaxis kamen, in der sie mich dann fanden. Ich konnte mich nicht ewig verstecken. So versuchte ich unter anderem Namen, eine neue Comutter zu suchen und geriet dabei in erneute Gefangenschaft. Man untersuchte mein Gehirn und fand nichts weiteres über die Organisation, als das, was ich bereits kannte. Das war nicht genug für die Schergen des Lukars. Sie wollten mich töten. Doch meine Schwangerschaft verbot ihnen das, weil das Lukar kein unschuldiges Leben verschwenden wollte. So wurde ich in diese Zeitkapsel eingeschlossen. Mehr wußte ich dann nicht mehr. »Warum ich dann in dieser Galaxis aufgetaucht bin, kann ich mir nur dadurch erklären, daß man mich loswerden wollte. Und das mag bedeuten, daß das Lukar aus irgendeiner Richtung bedrängt wurde«, beschloß ich meinen kurzen Bericht. »Ähm, Moment, Dyvoni! Da sind noch einige Fragen mehr, die ich gerne noch beantwortet haben möchte«, mischte sich Eldar Maktrom ein. »Welche Fragen sind das noch?« »Wie konnte es soweit kommen, daß dieses Kyborgkollektiv, wie ich es mal nennen will, überhaupt die achso kriegerische Galaxis überrumpeln konnte?« »Das ist mir nicht so bekannt. Es heißt in den alten Daten, daß diejenigen, die sich später zum Lukar zusammenfügten, mächtige Leute in der Galaxis waren und starke Flottenverbände unterhielten. Sie schlugen die verfeindeten Völker zurück und boten sich zunächst als stärkerer Gegner an. Dann verbreiteten diese Leute unter dem Namen Lukar die Lehre von der Fortschrittsfähigkeit der Harmonie und legten Patentlösungen vor, die jeder annahm, der sich nicht als Unfähiger darstellen wollte. Dann wurde das Kollektiv geschaffen, daß dann allen Völkern die Heilslehren in Form von Propaganda und Verhaltensregeln eintrichterte, zunächst gewaltlos und mit dem Recht auf Meinungsfreiheit. Doch irgendwann wurden die, die eine andere Auffassung vorbrachten, als Kranke verunglimpft und somit aus der Gesellschaft verbannt. Mit der Angst vor einem neuen Krieg konnte das Lukar die Massen auf seiner Seite halten, bis keiner mehr wagte, zu widersprechen. Das ganze hat ungefähr 150 terranische Jahre gedauert und dauerte bei meiner Geburt bereits 600 terranische Standardjahre, wenn ich das richtig umrechne.« »Du bist also schwanger und brauchst, wenn die Kinder einmal kommen, jemanden, eine Frau, die dir bei der Aufzucht der Kinder hilft?« wollte Joan Jaime Hallivell wissen. Ich sagte ja und sah, daß Joan wissentlich grinste. »Das wußte ich, mit deiner Schwangerschaft. Als wir dich fanden und ich dich untersucht habe, konnte ich die Föten schon erkennen. Aber ich dachte, daß du das selber sagen solltest«, erklärte Joan. Ich bedankte mich bei ihr für ihre Verschwiegenheit und warf einen Blick in die Runde. »Und deine Mutter hat befürchtet, daß ihr alle quasi gleichgeschaltet werden solltet. Also nicht so, wie im Spruch: >Ich bin nichts, das Volk ist alles< aus gängigen Diktaturen des 20. Jahrhunderts?« fragte Simon Simpson. »Das Individuum und das Volk sollten als Begriff ausgelöscht werden. Vielleicht ging es darum, das gesamte Wissen der Völker ins Bewußtsein des Lukars zu integrieren, so daß eine Massenintelligenz entstand.« »Die Psychofusionsprogressionstheorie von Prof. Delmenhorst aus dem Jahre 2106 gibt die Vereinheitlichung eines Volkes in einem Bewußtsein als ursächlich aus einer Zwangslage heraus mögliche Art der Bewußtseinsveränderung an und schließt nicht aus, daß das legendäre Geisteswesen ES nur das Produkt einer erdrückenden Zwangslage ist, bei der die körperliche Daseinsform aufgegeben wurde«, brachte Simon einen Auszug aus einem Lehrsatz zur Sprache. »Vielleicht sollte aber auch ein Ameisenstaat auf biokybernetischer Verschaltungsebene geschaffen werden, wo jede Person durchnumeriert und ferngesteuert würde. Aber das sind alles Spekulationen«, wandte Roy ein. »Dann wäre Dyvoni der Verweigerung der Vereinheitlichung schuldig?« fragte Laura. »Überlege dir mal, wieviele Sektierer es seit den Gründungszeiten der großen Weltreligionen gab und gibt, von den Enginophoben, die nichts technisches zulassen, was einen Mechanismus komplizierter als ein Uhrwerk besitzt und energiebedürftiger als mit einem Uhrgewicht zu betreiben ist, bis zu den Báalol-Priestern. Früher gab es noch mehr solcher Gruppen. Und die hatten eines gemeinsam, ihre Mitglieder auf einen Führer einzuschwören, nicht durch Überzeugung allein, sondern durch Verlockung und Strafen«, wußte Saga zu ergänzen. Ich sagte dazu nur: »Ich weiß ja noch nicht einmal, wo meine Mutter hingekommen ist. Ich stelle nur fest, daß sie nicht so mutig war, wie sie sich mir gegenüber verkaufen wollte. Außerdem ist das vielleicht schon solange her, daß jede Diskussion darüber Unsinn ist, weil es schon vorbei ist.« »Da hat sie recht. Und ich glaube ihr«, meinte Kyla Anderson. »Wir können also davon ausgehen, daß die Sache schon verjährt ist. Wir wissen ja auch nicht, wie weit diese Galaxis Kumari entfernt liegt«, wandte Roy ein. Ich sah ihn an und antwortete darauf: »Es gibt eine Ortungstechnik, mit der man seine Position innerhalb des ganzen Kosmos bestimmen kann. Sie basiert auf der Ortung übergroßer Gravitationsquellen und ihrer charakteristischen Hyperenergieschwingungen. Ich denke, ich kann ein derartiges Gerät bauen. Die Feinjustierung dürfte allerdings schwierig werden.« »Das ist nicht nötig. Wenn jemand aus Kumari hierher kommt, werden wir wissen, wie weit die Galaxis entfernt ist«, grinste Roy und beschloß das Thema damit, daß er sagte: »Wir verstehen zwar nicht alles, was du uns erzählt hast, weil wir eben nur deine Erzählung gehört haben und nichts vergleichbares haben. Aber ich glaube nicht, daß du eine Gefahr für uns und die gesamte Menschheit bist. Aber es ist gut, daß du uns berichtet hast, was mit dir passiert ist.« »Kannst du die Geschichte noch mal erzählen, während ein Aufzeichnungsgerät für Psychoinhalte mitläuft?« fragte Simon Simpson. Ich sagte zu. Danach trennten wir uns für's erste. Drei Tage später, wir waren gerade auf dem Raumhafen von New York gelandet, wo Roy die EOS hatte registrieren lassen, beschaffte Simon Simpson einen Psychotaster. Eine Woche später hatten wir alle Daten, die ich aus meiner Erinnerung erstellen konnte, aufgezeichnet. Ich sah Jaktil, die blaue Heimatsonne meines Heimatplaneten, das weiße Rundhaus meiner Mutter, sowie Tarons dunkelbraunen Haarschopf und seine silbergrünen Augen, während wir unter dem goldenen Mondlicht und dem weiten Sternenhimmel Jitas' zusammenlagen, die Flugschnarrer ihr Revierkonzert gaben und das hohe Wisborngras unter unseren Bewegungen knisterte. Ich sah die rotgerüsteten Hescher der Geistreiniger und das bleiche Allsichtauge des Lukars, das über mir schwebte, als aus unsichtbaren Lautsprechern mein Verbannungsurteil erklang. Ich sah meine Mutter, wie sie in ihrem weißen Hausgewand gestikulierte, weil ich ihr nicht sofort glaubte, was sie mir erzählte. All das konnte ich weitergeben und als zusammenhängende Geschichte in die Positronik einspeisen lassen. Simon bedankte sich bei mir. »Ich weiß nicht, ob wir diese Geschichte an die Solaradministration weitergeben können, Dyvoni. Aber ich konnte es erreichen, daß du als vollwertige Staatsbürgerin des Imperiums eingebürgert wirst, falls du das willst. Ich habe einige gute Verbindungen spielen lassen, um dir garantieren zu können, daß dir keiner was will, was deine Mutantengabe angeht.« »Soll das heißen, daß du deinen Leuten davon berichtet hast?« »Eben nicht. Ich habe erwirkt, daß über dich nicht mehr bekannt wird, als deine Auffindung und ein kurzer Bericht von dir, wie du in diese Zeitkapsel kamst. Unser Aufenthalt in der anderen Galaxis bleibt ja auch ein Geheimnis. Man geht davon aus, daß wir auf dem Weg nach Arkon deinen Fundort angeflogen haben. So wie es ja auch in unseren Positroniken vermerkt wurde, wenn die Inspektoren der Zivilraumbehörde kommen und unsere Flugrouten nachprüfen.« »Gut«, erwiderte ich und lächelte zufrieden. Ende Bericht Dyvoni Haxlar | ||||||
![]() | ![]() | ![]() | ||||
Inhalt | CREST V (6) | Die Suche... (3) | Kumari |