
Es war nur ein Zufall, daß die EOS durch den an eine
geheime Basis einer der doranischen Gesellschaft entgegenwirkenden
Untergrundorganisationgerichteten Hyperkomstrahl flog. Doch nun weiß Kyla
Anderson geb. Lentars, daß ihre eigene Schwester ein wichtiges Mitglied dieser
Untergrundorganisation ist und hat mit Unbehagen und Enttäuschung zur Kenntnis
nehmen müssen, daß sie von dieser zur Feindin erklärt worden ist, weil Kyla und
ihr Mann Roy die Pläne der sogenannten Gesellschaft für Gleichheit auf Dor
vereitelten. Ihnen und ihren Kameraden Simon Simpson und Eldar Maktrom gelingt
gerade noch die Flucht vom Stützpunktplaneten der Piraten.

Wir hatten alle Ausrüstungsgüter
aufgeteilt und die Rotorfluggeräte zurückgelassen. Roy schleppte sich mit der
übergroßen Strahlwaffe des Ertrusers Eldar Maktrom ab. Wir hofften, daß Simon
tatsächlich alle Funktionen des Schlachtkreuzers blockiert hatte, als wir durch
die Baumwipfel stießen und damit als fliegende Zielscheiben dienten. Doch kein
Angriff erfolgte. Wir waren nicht entdeckt worden.
Ohne ein Wort zu wechseln kehrten wir zu jener Stelle zurück,
an der wir die EUROS versteckt hatten. Eine bange Sekunde lang fürchtete ich,
daß man das Schiff doch entdeckt haben könnte, bis es unter dem Codeimpuls
seinen Deflektorschirm abschaltete. Dann fiel auch noch der Energieschirm, der
das Schiff vor den eventuellen Großtieren des Dschungels geschützt hatte. Wir
landeten neben unserem Raumboot und öffneten die Schleuse.
In der Schleusenkammer unterzogen wir uns erst einmal einer
gründlichenradiochemobiologischen Diagnose und stellten fest, daß wir weder
eine hohe Strahlendosis, noch irgendwelche Anzeichen chemischer oder
bakterieller Vergiftungen aufwiesen.
»Vielleicht liegt über der toten Zone um das Camp ein
elektrisches Feld, möglicherweise noch mit Ultraschall gekoppelt«, vermutete
Roy.
»Aber warum haben wir dann nichts davon gespürt, Roy?«
»Weil wir zu kurz da waren. Außerdem hatten wir unsere
Schutzschirme in Betrieb. Tiere reagieren zudem wesentlich empfindlicher auf
Ultraschall oder Elektrizität.«
»Ich bin gar nicht dazu gekommen, dir für deinen Einsatz zu
danken, Roy. Ich hoffe nur, man hat auf Dor kein weiteres Gerät dieser Art.«
»Ich habe das Gerät nicht gesehen, Kyla«, meinte Roy.
»Vielleicht hat man deiner Schwester nur einen Köder hingeworfen, um mehr über
die Aktivitäten dieser merkwürdigen Gesellschaft zu erfahren, und ich habe
jetzt vielleicht einen Geheimtransmitter, einen Peilsender oder etwas
vergleichbares kaputt gemacht.«
»Ich glaube nicht, daß meine Schwester etwas transportiert,
was sie nicht mindestens einmal gesehen hat. Und Sachen, die sie vor dem
Transport nicht sehen kann, befördert sie nicht. Falls sie sich, vom
ideologischen Standpunkt abgesehen, nicht groß geändert hat, wird sie den
Container einer Prüfung unterzogen haben. Außerdem gehe ich davon aus, daß auf
Dor einige Sympathisanten leben, die sicherstellen, daß die Gelbweißen auch
bekommen, was sie haben wollen. Aber absolut sicher können sich die Leute um
meine Schwester jetzt nicht mehr fühlen. Denn auch sie werden infiltriert. Das
schafft Mißtrauen.«
»Das ist nicht unser Problem. Unser Problem ist, daß deine
eigene Schwester uns auf eine Todesliste gesetzt hat und darauf wartet, daß es
uns erwischt.«
»Vielleicht ist es nur eine Finte. Aber bei zu Terrorakten
bereiten Radikalen ist mit allem zu rechnen, Roy. Doch ich glaube nicht, daß
man uns gezielt jagen wird. Das wäre zu aufwendig und auffällig. Schließlich
müßten sie damit rechnen, daß wir von Dor oder einer anderen Großmacht als
Lockvogel benutzt werden könnten, um sie zu erwischen.«
»Ich möchte wissen, Kyla, ob du einverstanden bist, daß Laura
einen Funkspruch nach Dor schickt, um über unsere Begegnung mit deiner
Schwester zu berichten. Außerdem, falls unser Bordingenieur gründlich
gearbeitet hat, steht da auf diesem Planeten nun ein Schlachtschiff der GfGaD
herum, das man nur noch abholen muß.«
»Wenn sie nicht auf die Idee kommen, den Freitod zu wählen.
Ich kann mir vorstellen, Roy, daß an Bord dieses Schiffes Arkonbomben oder
ähnliche Massenvernichtungswaffen gelagert sind. Vielleicht wird der Kommandant
auch das Schiff evakuieren lassen und es dann zerstören. Ich täte das, wenn ich
wüßte, daß ich wie auf einem Präsentierteller angeboten würde.«
»Die Gefahr besteht, Kyla. Aber jetzt holen wir erst einmal
unsere beiden Schlachtenbummler ab!« meinte Roy und startete das Raumboot.
Als wir die Umlaufbahn erreichten, erkannte ich vier große
Punkte, die gerade im Linearraum verschwanden. Offenbar hatte die kleine Flotte
der GfGaD die SAGOPYA begleitet und die Kameraden auf dem Planeten
zurückgelassen. Das war unser Glück. Sicher, die EUROS flog unter ihrem
Ortungsschutz. Aber der Raumjäger mit Simon und Eldar hatte sich nicht getarnt.
Doch nun war der Weg frei, um unsere Leute abzuholen.
Wenige Minuten später kreuzten wir im Weltraum die Bahn des
geflohenen Raumjägers. Mit einem schnellen Manöver ging Roy längsseits und
blinkte mit den Lichtern der Backbordseite. Keine zwei Minuten später kamen
unsere Helden an Bord.
Als Simon und Eldar ihre Großtaten erzählt hatten und damit
schlossen, daß sie einen Hyperkomspruch aufgefangen hätten, wollte ich wissen,
von wem dieser Spruch stammte. Doch das konnten mir die beiden nicht erzählen.
Ich sah auf dem Ortungsschirm zehn Punkte, die sich uns
näherten. Ich vermutete, daß es Raumjäger oder Korvetten des Schlachtkreuzers seien
und riet zur Eile, um dieses Sonnensystem zu verlassen. Roy, der längst mit
Höchstbeschleunigung Kurs auf den leeren Raum genommen hatte, lächelte nur und
meinte:
»Wir gucken uns unter der Tarnkappe an, was die machen. Dann
schlüpfen wir einfach in den Halbraum. Genug Geschwindigkeit dazu haben wir
bereits.«
Wir flogen mit 45 % der Lichtgeschwindigkeit im freien Fall
weiter, während der von Laura und mir entwickelte Ortungsschutz uns vor Tastern
und Energiesuchern abschirmte. Als wir sahen, wie sich die zehn Punkte
aufteilten und den unbemannten Raumjäger einholten, sagte Simon:
»Die werden denken, wir säßen noch drin. Die haben ja keinen
Funk mehr in ihrem Superschiff gehabt, der ihnen unsere Absichten mitgeteilt
hätte. Vielleicht machen sie ihren eigenen Raumjäger kapputt.«
Und tatsächlich explodierte der verlassene Raumjäger unter
dem wütenden Feuer fremder Raumschiffe. Dann zogen diese sich zum Planeten
zurück, im Glauben, Simon und Eldar vernichtet zu haben.
Ich berichtete Simon und Eldar, was ich von und über Relxana
erfahren hatte. Simon bemerkte danach nur:
»Ich weiß, Verrat ist bitter. Aber ich schlage eine Flucht
nach vorn vor. Die von dieser Gleichheitsgesellschaft versuchen, uns an der
Aussage zu hindern. Also bringen wir unser Wissen an den Mann, bevor die uns
kriegen können. Wenden wir uns doch an Argia Lowas, die Vicegeneralsekretärin.«
»Die warten vielleicht darauf, daß wir ausgerechnet nach Dor
fliegen, wo dann die ihnen treu ergebenen Typen unsere Nachricht aufnehmen und
uns dann aus reiner Dankbarkeit erschießen«, wandte Eldar ein. »Ich würde mit
dieser Story an die Presse gehen, nach Arkon, Terra und O'Malley's Paradise.
Natürlich müssen wir auch Dor informieren. Aber das machen wir nicht auf
direktem wege. Da schalten wir unsere Geheimverbindungen ein.«
Dabei guckte der Hüne auf meinen Mann, der verlegen nickte.
»Dann machen wir, daß wir nach Hause kommen«, sagte er und
brachte unser Boot in den Linearraum.
Als wir die 25 Lichtjahre überwunden hatten, die zwischen der
EOS und dem SAGOPYA-Secret-System lagen, stellte ich die genaue Abstimmung der
Tasterimpulse auf einen speziellen Wert und bekam wenige Sekunden später das
Bild der EOS auf den Schirm.
»Rufen wir sie über Radiofunk, Kyla«, meinte Roy. Ich hatte
bereits eine Verbindung mit Laura, die uns von einem wichtigen Funkspruch
berichtete, den sie aufgefangen hätte.
Wir ließen uns einschleusen und verließen die Minijet.
Von Joan entgültig für unvergiftet befunden, gingen Roy und
ich in die Zentrale, wo alle Besatzungsmitglieder versammelt waren.
»Ich habe hier einen Funkspruch aufgefangen, der sich an ein
Schiff SYRGOLAN richtet«, eröffnete Laura. Dann las sie den Text vor:
»Schlachtschiff SYRGOLAN von Tesaki Nelotquas Flotte!
Frachtflug gescheitert. SAGOPYA wurde abberufen und für neuen
Einsatz eingeteilt. Erbitten Lagebericht und Erklärung für Verspätung!
Gez. Chistarik Lesowanis, Flottenkommandant.«
»Wir sollten doch mitteilen, daß ein beschädigtes
Schlachtschiff auf diesem Planeten Wild Land herumsteht«, meinte Simon. »Wenn
die keine Nachricht kriegen, fliegen die zurück und bergen den großen Brocken.«
»Das ist nicht mehr unser Problem«, offenbarte Laura und
holte einen weiteren Funkspruch hervor. »Die Piraten, mit denen wir es zu tun
hatten, haben sich an eine Stelle namens Latora zai Haganar gewandt. Ich konnte
das erkennen, weil in diesem Funkspruch von einem Fehlschlag gegen die
Gleichheitsbruderschaft die Rede war, von einem Kampf gegen ein hyperstark
abgeschirmtes Kleinschiff und dem vereitelten Versuch, die Kommandantin eines
Frachters dieser Gleichheitsbruderschaft zu verhören. Die Gegenstelle war nicht
zu hören. Wahrscheinlich sollte sie nur informiert werden und nicht antworten.«
»Latora zai
Haganar?!« entfuhr es Simon Simpson erschrocken. »Was hat die
denn mit den Piraten zu tun?«
»Kennt der Zwerg die Adresse dieser Funknachricht etwar?«
antwortete Eldar mit einer Gegenfrage.
»Aber sicher, du Würstchendieb. Latora zai Haganar, die erste
Tochter der Grand Lady Latyra zai Haganar von Estrubatesh, ist die Anführerin
der sogenannten Schattenkriegerinnen und vorsitzende des estrubatesischen
Raumheeres. Die Estrubatesen sind militant matriarchisch gegliedert. Ihre
Frauen sind 2,15 m groß und halb so umfangreich. Die Männer sind im Vergleich
dazu klein, selbst für meine Verhältnisse, Herr Maktrom. Diese Latora zai
Haganar hat mich aus dem Amt gegrault, weil ich von ihr als Unterpfand für eine
friedliche Koexistenz zwischen den Estrubatesen und den Solariern eingefordert
wurde.«
»Ach die war das, die dich so fertig gemacht hat, du
Kurzschlußspezialist«, erwiderte Eldar Maktrom.
»Dann sind die Estrubatesen machtgierig?« fragte Roy.
»Sagen wir mal, Freibeutertum und Untergrundtätigkeiten
gehören zu ihrer Außenpolitik. Wenn ein Diplomat nach Estrubatesh geht, besteht
die Möglichkeit, daß er in den Zuchtstall der hohen Zai-Haganar-Familie
eingegliedert wird. Sonst ist Diplomatie nur noch auf wirtschaftlicher,
handelstechnischer Ebene möglich. Aber auf dieser Welt herrscht ein
feudalstaatliches Wesen, mit Abgaben und Tributen. Als ich dort eingesetzt
wurde, hatte sich die Grand Lady zai Haganar gerade als Gesamtführerin aller
Stämme etabliert. Das ist jetzt zehn Jahre her.«
»Dann sollten wir zusehen, daß wir nicht zwischen die
Mühlsteine dieser Intrigenfabrik geraten«, schlug Saga Chaise vor.
»Ich weiß, daß sie es nicht verdient hat«, brachte ich ein,
»aber ich möchte meine Schwester warnen. Wenn du Recht hast, Simon, so wird
diese Gesellschaft für Gleichheit auf Dor von deinen Estrubatesen unterwandert.
Höchstwahrscheinlich verfolgen diese Wesen einen bestimmten Plan. Ich will
nicht, daß meine Schwester aus purer Leichtgläubigkeit in einen Sumpf gerät, in
den sie nicht selbst gehen wollte.«
»Wir starten eine kleine Notfallboje, die wir so umrüsten,
daß sie deinen Funkspruch aussendet, und zwar in die Richtung, in die der
Richtstrahlnotruf gesendet wurde, Mom«, erklärte meine Tochter.
»Danke, Laura. Darüber hinaus sollten wir uns überlegen, wen
wir über unsere Erlebnisse informieren sollen.«
»Ich werde mit meiner Mutter reden«, meinte mein Mann.
Joan Hallivell erbot sich, einen als vertraulich
gekennzeichneten Bericht der Sicherheitsbehörden von O'Malley's Paradise an die
dort bis in die Schaltzentralen der Macht gefürchtete Diana Argus vom NEW TARA
DISCOVERER zu schicken. Dann würde es nicht lange dauern, bis das im ganzen
Imperium herumwäre, ohne daß wir damit irgendetwas zu tun hätten. Dieser
Vorschlag wurde mit Beifall begrüßt. Dann berichtete jeder von uns, was er oder
sie erlebt hatte.
Ich saß in der Funkzentrale und horchte auf die Peilsignale
einer kleinen Boje, die wir eigentlich für Notfälle an Bord hatten. Das 2 m
große, kegelförmige Objekt trieb mit geringer Unterlichtgeschwindigkeit von uns
fort. Ich überflog noch einmal den Funkspruch, der von einem Abspielgerät im
Code der GfGaD, den wir ja mit dem Notruf erhalten hatten, abgesetzt werden
sollte. Dann sagte ich zu meiner Tochter:
»Funkspruch kann rausgehen. Ich hoffe nur, daß deine Tante
noch etwas von ihrer Vernunft behalten hat.«
Der Funkspruch ging raus, genau in die Richtung, in die der
Richtstrahl gewiesen hatte, der uns auf die Spur meiner Schwester geführt
hatte. Daher konnten wir nicht hören, was gefunkt wurde. Aber ich hatte den
Text vor mir liegen und las nochmal:
Kyla Anderson an Relxana Lentars!
Nimm Abstand von deinem
Irrweg! Auch wenn du nicht nach Dor zurückkehren kannst, gibt es genug
Chancen für dich, ein friedliches und erfülltes Leben zu führen. Deine
Absichten mögen zwar gut sein, aber leider sind die Mittel unbrauchbar und
werden euch nur Schaden zufügen.
Daß deine Vereinigung von mindestens einem Verräter
unterwandert wird, ist dir wohl nicht mehr neu. Aber dies kennst du wohl noch
nicht:
Ihr seid, dies weiß ich, nur ein Spielball für jemandes
zweifelhafte Interessen. Nimm Abstand von deinem Tun, Relxana, falls du
immernoch die Frau bist, die vor zwanzig Jahren zu mir sagte, daß Frieden
mehr einbringe als Haß und Zerstörung.
In Liebe Kyla.
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Es war am späten Abend des 15. Februar
2420, als ich mit Roy allein in unserer Kabine war. Wir hielten uns bei den
Händen. Ich spürte, daß Roy mich für etwas trösten wollte, von dem er nicht
wußte, wie es mich bedrückte. Lange schwiegen wir uns an. Dann sagte er:
»Es tut mir Leid, daß du nun auch den letzten Halt in deiner
Familie verloren hast, Kyla. Ich hätte es dir von Herzen gegönnt, wenn du
wieder mit deiner Schwester in Kontakt gekommen wärest und über sie vielleicht
noch die Gelegenheit gehabt hättest, mit deinen Eltern zu sprechen.«
»Was meine Eltern tun, das habe ich im Laufe der Jahre
verstehen gelernt, Roy. Aber was Relxana macht, das wirft alles um, was ich von
meinem früheren Leben kannte und für unumstößlich hielt. Es ist nichts,
wirklich nichts vorgefallen, was meine Schwester so verbittert gemacht hat. Und
daß sie mir ins Gesicht sagt, ich sei ein Feigling gewesen, weil ich die
Auswanderung den Strapazen und der ungewissen Zukunft für Laura auf meinem
Heimatplaneten vorgezogen habe, ist noch das wahnwitzige daran. Denn, Roy, wenn
sie mich versteht, sollte sie wissen, daß ich diese Entscheidung nicht
ausschließlich für mich getroffen habe. Hinzu kommt noch, daß sie keinen Deut
besser ist. Sie opfert sich für ein Ziel, von dem sie glaubt, daß es sogar den
Einsatz gefährlicher Waffen und den Mord an der eigenen Schwester rechtfertigt,
ohne jedoch dazu gezwungen zu werden. Sie hat nichts hinzugewonnen, wie ich.
Sie hat alles verschenkt und keinen Dank dafür erhalten. Oder glaubst du, daß
sie gelobt wird, weil du ihre Fracht zerstört hast?«
»Das bestimmt nicht, Kyla. Aber hast du den jungen Doran
gesehen, der sie, als er sie wiedersah, in die Arme schloß. Ich habe deine
Schwester lächeln sehen. Und von dir weiß ich, daß ihr genau abschätzt, wann
ihr eure Gefühle preisgebt. Ich weiß nur nicht, in welchem Verhältnis die
beiden stehen. Sind sie Liebende oder nur gute Freunde?«
»So wie Relxana den Jungen, Surtik wurde er von ihr genannt,
angelächelt hat, war dies das Lächeln einer Mutter, die ihr Kind wiederhat. Der
Junge steht allein da, Relxana war da und hat ihm einen Weg gezeigt, wobei sie
für sich selbst eine Aufgabe gefunden hat. Aber der Weg, den sie gehen, führt
in die Irre und endet, so behaupte ich, in Chaos, Mißtrauen und Vernichtung.
Was auch immer die beiden verbindet, es ist in Gefahr, einer wahnwitzigen Idee
zum Fraß vorgeworfen zu werden.«
»Du glaubst, daß es nur so etwas wie mütterliche Zuneigung
ist, was sie für den Jungen empfindet, Kyla?« wollte Roy hintergründig wissen.
»Oder glaubst du, daß deine Schwester das Band zwischen sich und ihm auch auf
andere Weise festigen will, falls es nicht schon geschehen ist?«
»Wenn meine Schwester sich so hingeben könnte, wie ich das
damals bei dir geschafft habe, dann würde ich dir zustimmen, daß da noch mehr
als nur Fürsorge und Betreuung ist, Roy. Vielleicht wünscht sich dieser Junge
auch mehr und hängt deshalb an meiner Schwester, die das für sich ausnutzt.
Aber Relxana würde sich, wenn sie schon ihren Geburtsnamen wieder angenommen
hat, nicht noch einmal auf eine Beziehung einlassen. Vielleicht legt sie, um
diesen platten Ausdruck zu gebrauchen, den Jungen irgendwann ab oder gibt ihn
in andere Hände. Aber sie wird wohl, das behaupte ich, obwohl ich seit heute
nicht mehr weiß, wie weit ich Relxana noch einschätzen kann, nicht über eine
flüchtige Affäre hinauskommen, selbst wenn ihr dabei das passiert, was uns über
die Jahre verbindet, Roy.«
Als wir, Roy und ich, am nächsten Morgen in die Zentrale der
EOS kamen, lag die Sonne Haldro als weißer Riesenstern vor uns. Wir näherten
uns dem vierten Planeten, auf dem wir landen wollten, um eine Ladung Haldronium
zu übernehmen. Es war nun 06.00 Uhr und damit 24 h seit unserem Anflug auf Wild
Land her. Roy flachste, ob wir nicht eine hohe Konventionalstrafe bezahlen
müßten, wenn wir den Auftrag nicht termingerecht abwickeln konnten. Doch ich
war zuversichtlicher als mein Mann.
»Wer auf einen Notruf reagiert, hat keine andere Wahl, als zu
helfen, Roy. Und in unserem Bordbuch steht drin, daß wir auf den Notruf der
SAGOPYA reagiert haben. Wer uns also daraus einen Vorwurf machen möchte, der
wird dadurch widerlegt«, meinte ich.
»Ich wollte auch nur sagen, daß der Direktor der Haldronium
Industries nicht gerade vertrauensselig war, als er unsere Trivideoanzeige
gelesen hat. Vielleicht hat er, weil wir schon zwei Stunden über die
verabredete Zeit sind, einem anderen Unternehmen den Auftrag gegeben.«
»Dann werde ich mich mit diesem Herrn auseinandersetzen, Roy.
Mal sehen, was von der damaligen Diplomatenausbildung noch übrig geblieben
ist.«
Roy lächelte mich an und meinte:
»Dann kann ja nichts mehr passieren.«
Ende Bericht Kyla Anderson

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