
Die Besatzung der Clankorvette EOS hat nach der zufälligen Durchquerung
eines engbegrenzten Hyperkomrichtstrahls die davon übermittelten Signale
ausgewertet und einen codierten Notruf des Schiffes SAGOPYA
entschlüsselt. Weil es der Besatzung unlogisch erscheint, daß ein Notruf
sowohl als Richtfunksignal als auch codiert gesendet wird, fliegen sie
den Punkt an, von dem aus der Strahl gerichtet wurde.
 
Ich
fand es ziemlich blöd, daß Saga mich einfach mitten im
25-Kilo-Kugelstoßen hatte sitzen lassen, nur weil wir so einen
merkwürdigen Funkspruch aufgeschnappt hatten. Aber was sollte es schon?
Ich klemmte mich hinter die Feuerorgel unserer kleinen Privatkorvette,
testete, ob alle drei Bordgeschütze klar waren und wartete auf die
Dinge, die da vielleicht kommen würden.
Wir jagten mit millionenfacher Lichtgeschwindigkeit durch den roten
Zwischenraum, hinter dem Sender des Funkstrahls her. Laura hatte mit
Saga zusammen den genauen Ursprungsort ausgetüftelt und zu
astronautischen Daten umgemodelt. Vor mir saß Roy hinter den Kontrollen
und wartete, wie ich, auf den Austritt aus dem Linearflug.
Als dann endlich wieder Sterne auf den Bildschirmen zu sehen waren,
kriegte ich die Anweisung, den Normalschirm einzuschalten, was ich dann
auch machte.
Vor uns war nichts, was irgendwie gefährlich hätte aussehen können. Da
standen Sterne im Raum, die wir erst in Jahren erreichen würden, wenn
wir so weiterfliegen würden. Irgendwo sah ich auch einen Meteoriten, der
das Licht der Sterne spiegelte. Ein Meteorit, hier im Leerraum?
»Eldar, den HÜ-Schirm!« Hörte ich Roy rufen. Meine Hand legte bereits
den entsprechenden Hebel um, und um unser Schiffchen baute sich eine
grünliche Energieblase auf, die wesentlich mehr verdauen konnte, als
unser Normalschirm. Gleichzeitig glühte ein greller Lichtstrahl auf, der
knapp an uns vorbeizischte. Dann bekamen wir einen Streifschuß unterhalb
der Polwölbung auf den Schirm. Ohne daß ich etwas getan hätte, glühte der
Schirm noch mehr auf, als am Anfang. Dann bekamen wir ein volles Pfund
Impulsenergie auf den HÜ-Schirm. Ich erkannte, daß wir von dem Kaliber
eines Superschlachtschiffes beharkt wurden und wunderte mich darüber,
daß unser Schirm den Treffer ohne Flackern weggesteckt hatte. Verdutzt
guckte ich mich um und sah, daß Dyvoni, die kleine Frau mit der blauen
Haut, die wir aus dieser unheimlichen Kugel auf der Kontrollwelt für die
vergessene Straße geholt hatten, in konzentrierter Starre dasaß.
»Dyvoni verstärkt den Schirm«, erklärte Roy, der meinen verdutzten Blick
gesehen hatte. »Das HÜ-Feld ist jetzt hundertmal stärker als vom Input
her möglich war.«
»Trotzdem kann doch so ein Superbrummer der Imperiumsklasse den Schirm
knacken«, entfuhr es mir. Und zur Bestätigung prallte eine neue
Energiesalve auf unseren Abwehrschirm. Dyvoni zuckte zwar ein wenig
zusammen, aber der Abwehrschirm hielt. Auch hatte Roy damit angefangen,
schnelle Ausweichmanöver zu fliegen. Ich sah, wie er mit
übermenschlicher Geschwindigkeit hantierte, so daß die nächsten Salven
kilometerweit an uns vorbeifauchten.
»Soll ich zurückschießen?« stellte ich eine zwar blöde aber immerhin
klare Frage. Roy verstand mich nicht, weil er in seinem
Hochgeschwindigkeitszustand alles als sechsfache Zeitlupe mitkriegte.
Saga grinste nur belustigt und meinte:
»Wenn Dyvoni unsere Kanonen auch so verstärken kann?«
»Achtung, Tarnkappe kommt!« rief Laura aus der Ortungszentrale. Dann
krachte eine mächtige Energie in unseren Schirm, daß dieser beinahe
zusammenbrach.
»Gravitationsbomben. Gleich zehn Stück«, bemerkte Saga leicht verwirrt.
Dann blinkte vor ihr ein Licht.
»Eldar, den Schirm runter!« rief die Oxtornerin.
»Waaas?!« brüllte ich.
»Wir haben jetzt Kylas und Lauras Tarnkappe auf. Nimm den HÜ-Schirm
runter, Eldar, damit es keine Streustrahlung gibt!« meinte Saga sehr
laut.
Ich erwartete, entweder von einer Gravitationsbombe in die fünfte
Dimension geblasen zu werden oder von ultraheißen Energiestrahlen
gebraten zu werden, als ich den HÜ-Schirm abgeschaltet hatte. Doch es
geschah nichts. Roy hatte, mit einem kurzen Impuls der Triebwerke, die
EOS vom Schlachtschiff, das sich immernoch auf uns zubewegt hatte,
wegschleuderte. Dann hatte er den Antrieb total abgeschaltet. Wir flogen
nun im freien Fall weiter. Und das Schlachtschiff kam nicht hinter uns
her, sondern flog mit flammenden Triebwerksstrahlen weiter.
»Tja, das mit Frauen und Technik muß wohl jetzt entgültig in den
Müllkonverter geworfen werden«, bemerkte Saga grinsend. Ich stierte wie
ein dummer Junge durch die Gegend. Roy, der inzwischen wieder in unserer
Wahrnehmungswelt angekommen war, erklärte mir, daß seine beiden
weiblichen Anverwandten ein System aus Ortungsschutz und Lichtumlenker
erfunden hatten, was ein kleines Raumschiff unsichtbar machte und es von
keinem Taster oder Energieorter entdecken lassen konnte.
»Gemeinheit Nummer zwei«, kam Simons Stimme über Interkom. »Die haben
uns aus den Tastern verloren. Nur die richtige Frequenzabstimmung könnte
denen zeigen, wo wir jetzt sind.«
»Und Gemeinheit Nummer drei«, rief Laura aus der Ortungszentrale, »Ich
habe kurz vor unserem Verschwinde-Zauber einen gerafften
Rundstrahlspruch auf der Freqenz des Richtstrahls losgelassen, daß wir,
ein Kundschafter der Flotte sieben bei der Kontrolle dieses Sektors auf
ein Großkampfschiff gestoßen sind, dem wir nur durch die Flucht in den
Halbraum entkommen können.«
»Dann müßte unser dicker Gegner jetzt mit Volldampf das Weite suchen«,
gab ich eine Bemerkung zum besten. Und ich wußte nicht, welcher Teufel
mich ritt, noch zu sagen:
»Ich möchte wissen, wo der hinfliegt. Ich steige mit meinem schweren
Raumanzug aus und klebe mich dem Raumer auf den Pol.«
»Waaas?!« kam es von Roy und Saga.
Ich wiederholte das, was ich gesagt
hatte. Dann, um meinem Entschluß auch die nötige Glaubwürdigkeit zu
verpassen, holte ich einen großen Raumanzug aus der Wartungsnische
hinter der Feuerorgel und stieg mit unnachahmlicher
Ertrusergeschwindigkeit hinein.
»Du willst dich im Raumanzug an ein fliehendes Raumschiff anschleichen
und dann, bevor es zum Überlichtflug ansetzt, irgendwo daran andocken?«
wollte Saga nochmal wissen.
»Das habe ich schon mal gemacht«, antwortete ich. »Damals am 1. Juli
2387, wo ich noch bei meiner alten Firma gearbeitet habe. Mein Raumanzug
hat Andruckneutralisation, Deflektor und Hochleistungsantrieb, alles
siganesische Kompaktbauweise. Außerdem konnte ich mir den noch vor zwei
Jahren verbessern lassen. Ich kriege die ein, verlaßt euch drauf.«
»Der sieht so aus, als würde der das wirklich hinbekommen«, bemerkte
Saga.
Roy meinte:
»Bevor du mit dem Ding durch das Schiff rast und durch die Außenhülle
brichst, mach das, was du nicht lassen kannst, du ertrusischer Brecher.«
Unvermittelt stand Laura Anderson vor mir und hielt mir ein
schnuckeliges Kästchen mit kleiner Antennenkugel dran unter die Nase.
»Das ist ein Positionsspion, den Simon aus einem SolAbdepot organisiert
hat«, erklärte sie mir das Ding. »Er nimmt die typischen Strahlungen der
Orientierungssterne wahr und ermittelt dadurch die Position auf die
Lichtmillisekunde genau. Wenn du startest, drücke einfach die rote Taste
und lasse das Ding in einer Tasche verschwinden. Wenn du mit
Überlichtgeschwindigkeit fliegst, bekommt der Spion keine Signale mehr.
Und wenn du wieder mit Unterlichtgeschwindigkeit fliegst, empfängt das
Gerät die Signale der Funksterne, errechnet die Positionsabweichungen
und funkt den neuberechneten Standort per Richtstrahl und Rafferimpuls,
der als Stellarstatiksignal getarnt ist, an deinen Abflugort, also an
uns.«
»Und wenn ich da ankomme, wo ich hinwill?« wollte ich noch wissen.
»Dann drückst du die blaue Taste und schaltest damit den Spion wieder
ab«, antwortete Laura.
Ich sagte nichts weiter und schloß den Helm. Im Loslaufen hörte ich noch
Roy rufen:
»Wir holen dich ab, wenn du mit dem Schlachtschiff am Ziel bist, Eldar.«
Keine Tür stand mir im Weg, bis ich in einer der Ausstiegsschleusen
ankam. Dann schlug das Innenschott mit lautem Knall zu, und trotz der
üblichen Sicherheitsvorschriften, die das verboten, öffnete sich das
Außenschott, bevor die Pumpen die Luft abgesaugt hatten. So kam es dann,
daß mich der in der Schleuse verbliebene Luftgehalt fortriß und ins All
schleuderte. Da mein Helm schon zu war, machte es mir nichts aus. Im
Gegenteil! Ich war froh, endlich draußen zu sein. Nun drehte ich den
Antrieb voll auf, schaltete zuerst den Deflektor, dann diesen komischen
Positionsspion ein, packte das kleine Gerät in eine Tasche des Anzugs
und flog mit 550 km/s□ hinter dem Schlachtkreuzer her. Ich hoffte, daß
mir der dicke Terkonitklumpen nicht vor der Nase in den Linearraum
verduftete, bevor ich auf ihm festmachen konnte. Doch offenbar wollte
man nicht so ganz eilig das Weite suchen, denn der Superschlachtkreuzer
flog mit schätzungsweise 250 km/s□ vor mir her. So kam es dann auch,
daß ich den großen Raumer nach zehn Minuten eingeholt hatte.
Ich paßte meine Geschwindigkeit dem Wert des Schlachtkreuzers an und
hoffte, daß mein Antrieb nicht geortet wurde. Dann, als ich nur noch
eine halbe Lichtmillisekunde über dem 1500 m durchmessenden Schiff flog,
fürchtete ich schon, daß der Raumer gleich ins Zwischengefüge tauchen
würde, denn die Triebwerke wurden abgeschaltet. Doch ich bekam es hin,
den Raumer noch zu erreichen. Jetzt kam die Stunde für den
Elektromagneten, der im Brustteil des Raumanzuges eingebaut war. Ich
schaltete ihn auf volle Leistung und klebte mich auf die Außenhülle, da
wo die obere Polwölbung saß. Jetzt hing ich mit einem Sog von 150
Kilogramm pro Quadratzentimeter auf der Terkonithülle fest und konnte
mich jetzt völlig entspannen. Ich legte mich flach auf den Bauch und
guckte auf die Anzeige der Andruckneutralisation. Diese sagte mir, daß
mein fliegender Untersatz wieder unter Antriebskraft stand und mit nun
350 km/s□ beschleunigte. Und dann passierte es.
Plötzlich waren alle Sterne weg. Ich spürte ein unheimliches Kribbeln,
als wollte mich jemand mit Ultraschall und elektrischem Strom
durchmassieren. Ich erkannte auch dunkelrote Schlieren, die vor meinen
Augen herumwirbelten. Das war es also. Ich wußte, daß ich jetzt für alle
Zeiten verlorengehen würde, wenn der Magnet ausfallen sollte. Denn dann
würde ich aus der Kalupblase herauspurzeln und ohne Nachruf im Hyperraum
verschwinden, aus dem ich wohl dann nicht mehr den Weg zurück ins
Normaluniversum finden könnte. Vielleicht würde mein Körper aber auch
explodieren und sich über die ganze Galaxis verteilen. Nette Aussichten!
Ich dachte an diesen kleinen Kasten in meiner Tasche, der jetzt keine
Funksignale mehr auffangen konnte. Wenn Laura Recht hatte, würde der
Spion jetzt wissen, daß wir nicht mehr mit Unterlichtgeschwindigkeit
flogen. Falls er nicht kapputt war, würde er dann wieder was auffangen,
wenn wir aus dem Reich der roten Schlieren ins Raum-Zeit-Gefüge
zurückgeplumpst sein würden. Dann wußte ich nicht, wielange er brauchte,
um die neue Position zu ermitteln und den kurzen Funkspruch
loszuschicken.
{A}ls ein leichtes Vibrieren zu spüren war und die Sterne wieder zum
Vorschein kamen, zeigte mein Armbandchronometer, daß wir den 15. Februar
2420 00.05 Uhr Terrastandardzeit schrieben. Da ich nicht wußte, ob wir
nun am Ziel angekommen waren, blieb ich erst mal, wo ich war. Vielleicht
wollte der große Raumer, der mich auf seinem Buckel trug, wie ein
Elefant eine Ameise, ja nochmal durch den Halbraum fliegen. Doch als ich
dann die blauweiße Sonne sah, in deren Nähe wir uns aufhalten mußten,
dachte ich, daß mein Gefährt wohl doch nicht weiter mit
Überlichtgeschwindigkeit durchs All flitzen würde.
Immernoch auf dem oberen Pol der 1500-Meter-Kugel bekam ich mit, wie wir
an einem Eisplaneten, zwei Kometen und einer Gaskugel vom Jupitertyp
vorbeizogen. Dann kam eine ganze Weile nichts, bis mein
Beschleunigungsmesser anzeigte, daß mein Terkonitklumpen mit 550 km/s□
verzögerte. Schade, daß ich in meinem Helm keine Fernoptiksysteme
hatte, um zu gucken, wo wir denn eigentlich hinwollten. Das wir einen
Planeten oder einen Mond anfliegen würden, schloß ich daraus, daß wir
weiter bremsten, unterhalb der Geschwindigkeiten, bei denen man
normalerweise mit einem anderen Raumschiff zusammenkoppeln kann,
vorausgesetzt, die beiden Schiffe verfügten über die gleiche Technik mit
Traktorstrahlen, Andruckneutralisatoren und was sonst noch so nötig war.
Eine ganze Weile konnte ich nicht erkennen, ob wir nun auf einem
Planeten, den ich sah, oder auf einem vorgelagerten Asteroiden landen
wollten. Als dann der Asteroid an uns vorbeizog und der Raumer immernoch
bremste, dachte ich doch, daß der Planet das Ziel sein mußte. Da ich
nicht auf dem Schiff kleben bleiben wollte, wenn wir in die Atmosphäre
eintauchten, schaltete ich den Magneten ab und ließ das Schiff unter mir
wegfallen. Immernoch im Deflektorschirm, ließ ich mich antriebslos
weitertreiben, bis ich über den Planeten hinweggeflogen war. Ich nahm
auch dann keine Kurskorrekturen vor, als ich haarscharf an einfallenden
Meteoriten vorbeiraste, die der Planet eingefangen hatte. Erst als ich
mich wieder von jenem grünblauen Himmelskörper entfernte, nahm ich den
Antrieb wieder in Betrieb und steuerte mich so, daß ich immer langsamer
wurde und dabei in einer großen Kurve um den Planeten herumflog.
Als ich wieder in das dichte Meteoritenfeld kam, schaltete ich doch
meinen IV-Schirm ein, um die kleinen Biester, die mir mit mehreren
tausend Sekundenkilometern entgegenschossen abzuwehren. Dann holte ich
aus einer anderen Tasche meines Raumpanzers eine kleine Kamera heraus,
stellte sie auf Weitwinkelaufnahme und bestrich damit die
Planetenoberfläche, die unter mir vorbeiglitt. Wie ein
Beobachtungssatellit umrundete ich den Planeten in immer genaueren
Kreisbahnen, bis ich mich der Schwerkraft hingeben konnte und nun als
1-Mann-Aufklärer in einer niedrigen Umlaufbahn die Welt umkreiste, die
das Schlachtschiff anflog.
Als ich mein Anderthalbkilometertaxi heranschweben sah, hielt ich die
Luft an, schaltete alle Energie ab und stellte mich tot. Mein Raumanzug
würde noch zehn Minuten die Wärme speichern, bevor er auskühlte.
Ich beobachtete, wie das Schlachtschiff ohne großen Aufwand in die
Atmosphäre hineinglitt und als glühender Punkt auf die
Planetenoberfläche zustürzte, um irgendwo zu landen. Ich brachte mich
sofort in eine Position, von der aus ich die Landung mit der Kamera
besser verfolgen konnte. Ich stellte das elektronische Bildaufnahmegerät
auf Autozoom und peilte mit dem elektronischen Sucher das Schlachtschiff
genau an. Dann hielt ich das Feldobjektiv so gut wie möglich auf den
großen Raumer, der eine glühende Gasspur hinter sich herzog. Schließlich
bekam ich heraus, daß der Raumer auf einer Lichtung in einem gewaltigen
Dschungel landete und sofort mit starken Tarnfeldern überdeckt wurde. Da
ich keine genaue Positionsbestimmung machen konnte, schoß ich noch
mehrere Einzelfotos von der unmittelbaren Umgebung, falls ich später mit
besserer Ausrüstung wiederkommen würde. Und dann war ich auch schon
wieder aus dem Bereich heraus, in dem ich den Landeplatz gut erfassen
konnte. Ich schaltete die Kamera aus und spielte weiter den stummen
Satelliten. Meine Lebenserhaltungssysteme hatten inzwischen wieder ihre
Arbeit aufgenommen. Ich hoffte nur, daß da unten keine so guten
Ortungsanlagen standen, die mich erfassen konnten. Außerdem wollte ich
bald wieder los, um auf die EOS zu warten.
Nach zwei Stunden löste ich mich aus der Umlaufbahn und jagte mit voller
Beschleunigung ins äußere Sonnensystem hinaus. Ich hatte keinen
Deflektor eingeschaltet, und das rettete mir das Leben.
Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich eine 10 m durchmessende Scheibe vor
mir auf und spie sonnenhelle Flammen aus. Reflexartig zog ich zur Seite,
genauso wie das Flugobjekt, das ich jetzt erst erkannte. Es war eines
von unseren Beibooten!
Als ich mich der Fahrtrichtung und Geschwindigkeit angepaßt hatte,
konnte ich den Namen EUROS auf der Oberseite des kleinen Raumboots
entziffern. Da ich nicht vorhatte, mit wem auch immer da drinnen per
Funk zu sprechen, flog ich ohne Aufforderung an die transparente Kuppel
heran, klopfte höflich an und tastete mich dann zur Einstiegsschleuse
vor. Als ich dort ankam, ging die Außenluke auf. Ohne Probleme schlüpfte
ich in das kleine Raumboot. Als dann die Außenluke zu war und die
Schleusenkammer mit Bordatmosphäre gefüllt wurde, merkte ich erst, daß
ich seit über sechs Stunden nichts mehr gegessen hatte. Für mich war das
zwar nichts allzu schlimmes, aber ich sah es auch nicht ein, noch länger
zu warten. Ungeduldig wartete ich darauf, daß ich endlich richtig ins
Schiffchen gelangen konnte. Dann endlich tat mir die Innenluke den
Gefallen und machte mir Platz.
Ich erkannte Roy, der die Flugkontrollen bediente, den ehemaligen
Sonderoffizier der SolAb, Simon Simpson, der hinter Roy saß und Kyla,
Roys Frau, die im Copilotensitz vor der kleinen Ortungsüberwachung saß.
Außerdem sah ich, daß auch in diesem Schiff das Blinklicht leuchtete,
daß auf der EOS die sogenannte Tarnkappe angezeigt hatte.
»Optische Tarnung wieder in Kraft, Roy«, hörte ich Kyla sagen, als ich
mich in den vierten Sessel zwengte und wieder einmal diese Vollidioten
verfluchte, die Raumschiffmöbel immer nur nach ihrem beschränkten
Zwergenstandard zusammenzimmerten. Dann kam ich auf das wesentliche:
»Habt ihr was anständiges zum Essen dabei?«
Unverfrorenes Gelächter kriegte ich zur Antwort.
»Also das finde ich ja großartig«, meinte ich. »Erst schickt ihr mich
einem wildgewordenen Superschlachtschiff nach, laßt mich damit durch den
Linearraum gurken, um dann als vorübergehender Satellit eine wilde
Dschungelwelt zu umkreisen. Und was kriege ich für meine wagemutigen
Taten? Dummes Gelächter.«
»Aber, Eldar«, sagte Simon. »Wir haben die ganze Ladebucht voller
Steaks, Kartoffeln, Mohrrüben und Kohlköpfe, damit du armer Kerl nicht
vom Fleisch fällst. Außerdem haben wir dir deine Feuerspritze
mitgebracht. Die hattest du nämlich liegen gelassen. Dein Gedächtnis
läßt wohl schon nach, wie?«
»Zwerg, du lebst gefährlich«, versetzte ich und drohte Simon mit der
rechten Faust. Doch dann lachte ich nur noch, daß die enge Kabine
richtig doll durchgerüttelt wurde.
Die nächste halbe Stunde gehörte der Ladeschwerpunktverschiebung, vom
Stauraum zu meinem Sessel. Danach präsentierte ich meinen Abholern die
Kamera und den Positionspion, den ich noch nicht abgeschaltet hatte.
»Du hast als Anhänger des großen Schiffes 1500 Lichtjahre zurückgelegt,
Eldar. Laura hat nicht geglaubt, was ihr dein kleiner Spion gefunkt
hat«, erklärte Roy. Dann nahm er die kleine Kamera und holte den
Speicherkristall heraus. Kyla nahm den kleinen Datenträger und legte ihn
in ein Abspielgerät. Ohne Schwierigkeiten bekam sie das, was ich von dem
Planeten aufgeschnappt hatte auf einen kleinen Bildschirm.
»Welcher Planet ist es, Eldar?« fragte mich die mooshaarige Frau von Roy
Anderson. Ich antwortete ihr, daß es der fünftletzte Planet des
Sonnensystems sein mußte. Daraufhin drückte die Doranin eine Taste am
Ortungspult und zauberte unvermittelt ein gestochen scharfes Bild des
grünblauen Dschungelplaneten auf den Bildschirm.
»Wau!« machte ich anerkennend.
»Das Planetchen hat Kyla schon bei unserer Ankunft im passiven
Spektrometer gehabt und als Ziel Nummer eins der Raumschiffe
eingestuft«, stellte Roy fest.
»Der Raumschiffe?« fragte ich. Doch dann mußte ich über meine eigene
Dummheit lachen. Wie konnte ich auch annehmen, daß das Schlachtschiff,
das mich hierher mitgenommen hatte, das einzige Raumschiff war, das die
SAGOPYA getroffen hatte. Denn, das war klar, der angeblich außer Dienst
befindliche Dor-Frachter mußte wohl auf einen Feind gestoßen sein,
Piraten oder sonst wer. Und dieser Feind hatte
bestimmt nicht nur ein Raumschiff, obwohl das schon ziemlich heftig war,
was wir zu sehen bekommen hatten.
»Es ist der sechste Planet dieser Sonne«, bemerkte Kyla mit der
Trockenheit einer routinierten Überwachungstechnikerin.
»Außerdem kriege ich hier jede Menge Radiowellen herein, die eindeutig
künstlich sind. Ich lasse sie schon auswerten.«
»Keine Hyperfunksignale, Kyla?« wollte Roy Anderson wissen, während ich
mir noch eine Portion Kartoffeln in die Figur schob.
»Nichts aktuelles, Roy. Wahrscheinlich sind alle da, die auf diesem
Planeten untergebracht sind. Dann braucht man keinen Hyperfunk.«
»Andere Ortungsgeräte?« fragte Simon interessiert.
»Jede Menge Tasterstrahlen. Aber die Tarnkappe hält.«
»Die EUROS war das erste Boot, das wir mit der Tarnkappe ausgestattet
haben, Eldar. Du erinnerst dich ja daran, daß Simon und die Zwillinge
mit meiner Tochter zusammen verschiedene Tricks in verschiedene Beiboote
einbauen wollten. Die Tarnkappe war die Spezialität der EUROs.«
»James Bond läßt grüßen«, fiel mir dazu nur ein.
»Das sagt der Richtige«, muckte der Zwerg mit der pechschwarzen
Igelfrisur auf. »Fegt der dicke Ertruser mit einem Superanzug durchs
All, schmeißt sich auf das erstbeste Superschlachtschiff, läßt sich
damit durch den Halbraum schleppen und knipst noch im Vorbeifliegen das
gegnerische Hauptquartier. Wo stammt denn so was her, häh?«
»Mission Impossible«, gab ich zurück und hängte noch dran: »Apropos:
Kyla sollte nicht alle Bilder auf einmal angucken, weil sich der
Kristall danach selbstzerstört.«
»Hat sie denn noch fünf Sekunden Zeit?« fragte Roy grinsend.
»Nein!« stieß ich aus.
Kyla lachte nur und meinte:
»Ich habe aber schon alle Bilder in die Positronik überspielt und lasse
deine Fotoschau gerade mit der passiven Fernortung im Datenabgleich
parallelaufen. Es wird nicht lange dauern, Herr Geheimagent Maktrom,
dann werden wir das feindliche Nest punktgenau erfaßt haben.«
»Falls deine Tochter das Abgleichprogramm nicht vermurkst hat, Kyla«,
meinte Roy frech.
»So so, Roy. Wenn Laura etwas nicht hinbekommt, ist sie nur meine
Tochter? Das Spiel ist uralt und steht schon als Anleitung auf
jungsteinzeitlichen Steintafeln geschrieben im Menschheitsmuseum von
Terrania City«, bekam Roy es zurück.
»Leute, anstatt euch zu zanken, wäre es vielleicht mal interessant, was
wir machen, wenn wir wissen, wo wir landen müssen«, unterbrach der Zwerg
Simon in seiner bekannt unromantischen Art die neckische Flachserei des
Ehepaares Anderson.
»Da unten steht schon mal ein Schlachtschiff der Imperiumsklasse.
Vielleicht genügt ja eine Fliegenklatsche, um es zu besiegen«, warf ich
ein.
»Ich bevorzuge Insektenspray«, tönte Simon locker.
»Meine Herren, ich erbitte Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit für eine
wichtige Bekanntmachung«, klinkte sich Kyla in unsere belanglose
Diskussion ein.
Wir lauschten alle so angestrengt, daß das Säuseln der
Bordklimaanlage und das Gesumm der Instrumente beinahe wie eine
gewaltige Fabrikhalle zu klingen begannen.
Dann kam Kyla mit ihrer
wichtigen Mitteilung rüber:
»Der von unserem Außendienstmitarbeiter entdeckte und photographisch
dokumentierte Planet besitzt zu 35 % eine Oberfläche aus Ozeanen. Der
Rest dürfte Sumpfland mit starker Vegetation sein. Da große Raumschiffe
günstigerweise auf festem Untergrund landen können, wo dann auch noch
Ortungsanlagen montiert werden können, habe ich den Planeten mit den
Passivsystemen auf größere Mineralstrukturen in Oberflächennähe
überprüfen lassen. Dann kamen noch die Koordinaten der angemessenen
Ortungsstrahlen und Funksignale, sowie die Zielfotos von Eldar. Es war
kein Problem für die Positronik, den Landeplatz auf die
Winkelmillisekunde genau zu bestimmen. Er liegt auf einer zehn mal
zwanzig Kilometer großen Insel aus Granit und Basalt. Auf der Insel
stehen große Bäume und dichtes Buschwerk. Da ich nur mit passiven
Systemen peilen konnte, war es mir nicht möglich, zumindest das
beobachtete Schiff zu finden. Aber da Eldar angegeben hat, daß es nach
der Landung unter einem Tarnfeld verborgen wurde, zweifle ich nicht
daran, daß es noch da ist. Außerdem habe ich im Infrarotbereich noch
eine gut ausgeprägte Landespur in der höheren Atmosphäre nachweisen
können, die ich beinahe bis zum Landeplatz verfolgen konnte. Also, der
Landeplatz befindet sich auf 22 Grad 15,556 Minuten nördlicher Breite
und 40 Grad 27,985 Minuten östlicher Länge, wobei ich den Längengrad 0
als den Meridian bestimmt habe, der bei der ersten Ortung des Planeten
unter der Tag-Nacht-Grenze des Planeten gelegen hatte. Falls jetzt
irgendwer meint, einen Vorschlag einbringen zu können, steht ihm nun die
Aufmerksamkeit der ganzen Besatzung zur Verfügung.«
Das konnte ja was geben, wenn wir erst einmal auf diesem Planeten landen
würden, dachte ich.
Ende Bericht Eldar Maktrom
Inhalt
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