
Auf einem Routineflug durchquert die EOS einen sehr scharf gebündelten
Hyperkomrichtstrahl und wertet die davon übertragenen Funksignale aus. In
einem alten Dorancode wird von einem unbekannten Notfall eines Schiffes
namens SAGOPYA berichtet, das Kyla als Schiff unter dem Kommando ihrer
Schwester Relxana erkennt. Doch Nachfragen bei den doranischen Behörden
werden mit Unkenntnisbeteuerungen beantwortet, was das Schicksal von Schiff
und Kommandantin angeht. Die Besatzung der Clankorvette beschließt, dem
Ursprung der Funksignale auf den Grund zu gehen.
Ich sah,
wie der alte Frachtmeister Kortyk Handurais aus dem Antigravschacht
kletterte. Trotz meiner Disziplin mußte ich doch grinsen, als ich sah, wie
der beleibte Kerl mit den hellgraugrünen Haaren in der viel zu engen
Gleichheitsuniform den Einstieg durchschritt.
»Was grinsen Sie so, Nertas?« fauchte der siebzigjährige Mann, der
früher einmal zu den Schaffenden von Dor gehört hatte.
Ich sagte nichts und drückte mich in einen Seitenkorridor. Ich war auf
dem Weg zur Hauptpositronik, um dort die Berichte der letzten Reise zu
ordnen. Doch da erhielt ich einen Anruf über meinen Armbandminikom. Die
ehemalige Staatsfrachtpilotin der Stufe VI, Relxana Lentars höchstpersönlich,
befahl mir, in die Zentrale zu kommen. Ich fragte zurück, was ich da
solle, weil ich eigentlich noch die letzten Unterlagen ordnen müsse. Doch
die Kommandantin unseres Schiffes bestand auf mein Erscheinen.
Ich nahm also den nächsten Antigravlift und ließ mich zum Zentraldeck
bringen.
Als ich durch das Schott trat, sah ich, daß Relxana Lentars, die
hochgewachsene Kommandantin mit den schulterlangen, dunkelgrünen Haaren,
alleine in der Kommandozentrale saß. Ich wunderte mich, wo der Copilot und
der Navigator geblieben waren. Dann sah ich, daß wir uns noch im
Linearflug befanden und nahm zur Kenntnis, daß der Autopilot anzeigte, daß
wir noch eine Stunde im Linearflug verbringen würden. Der große
Bordkalender zeigte den 14. Februar des Jahres 250 der doranischen Unabhängigkeit
von Terra, was nach terranischer Zeitrechnung dem Jahr 2420 entsprach. Die
Uhr zeigte 18.15 Uhr.
»Sie haben um mein Erscheinen ersucht, Frau Kommandantin? Hier bin
ich, wie befohlen«, meldete ich mich korrekt an.
Relxana Lentars, die früher, so wußte ich, mit Nachnamen Dyrut geheißen
hatte, wandte sich mir zu, sah mich aus ihren silbergrauen Augen an und
sagte mit warmer aber fester Altstimme:
»Du sollst mir für den Rest der Linearetappe Gesellschaft leisten,
Surtik. Linearflüge sind so was von langweilig. Aber setz dich doch!«
»Ich will nicht ungehorsam erscheinen, Frau Kommandantin«, setzte ich
an. »Aber die Ordnung der letzten Transportreise ist für mich ein
wichtiger Anlaß...«
»Wenn wir die Gruppe Dorwas getroffen und unsere Fracht übergeben
haben, Surtik. Doch bis dahin bleibst du erst einmal hier. Und laß gefälligst
diese förmliche Anrede. Wir sind alle gleich, wie du weißt.«
»Es fällt mir schwer, mich daran zu gewöhnen, Frau Kommandantin, äh,
Frau Lentars.«
»Du weißt, daß mich alle Relxana nennen. Und das erwarte ich auch
von dir«, kam die Antwort der Kommandantin. Dann gebot sie mir mit einer
energischen Geste, im Sessel des Copiloten Platz zu nehmen.
»Wo sind die beiden Flugoffiziere?« fragte ich.
»Sie haben sich mit ihren Partnerinnen im hydroponischen Garten
verabredet, weil heute Valentinstag ist.«
»Ich dachte, der gilt nur noch für Terraner«, gab ich meinem
Erstaunen Ausdruck.
»Gute Traditionen, egal von wem, können nie aufgegeben werden. Außerdem
kann ich den Raumer auch allein manövrieren. Aber die Zentrale ist mir ein
wenig zu leer, und du hast im Moment nichts lebenswichtiges zu tun.«
Ich wußte nicht, was es war, was mich an dieser Frau so faszinierte.
War es ihre Art, alles zu bekommen, was sie wollte? War es die sanfte
Autorität, die sie ausübte und die ich gerade zu spüren bekam? Oder war
es die Tatsache, daß sie mir den Weg aus dem Alltagstrott auf Dor gezeigt
hatte und mich für die Gesellschaft für Gleichheit auf Dor gewonnen
hatte? Ich war nun ein halbes Jahr Mitglied in dieser, von Dor verbotenen
und verleugneten Gruppe rechtloser Doraner, die dafür eintrat, allen
Doranern die gleichen Rechte und Betätigungsmöglichkeiten zu eröffnen.
Ich hatte Relxana auf einer Raumstation getroffen, als sie noch Dyrut
mit Nachnamen hieß. Das war nun zehn Jahre her. Dann, als ich mit einem
kleinen Trupp Chronisten auf dem Planeten Goltar eine Vortragsreise beenden
wollte, war mir die 58 Jahre alte Pilotin der Stufe VI wieder begegnet und
hatte mich in einem langen Gespräch davon überzeugt, daß unser
Volksgruppenwesen auf Dor nicht mehr bestehen könne, ohne durch die
Sicherheitstruppen geschützt zu werden. Man wollte, so Relxana, eine
politische Umwälzung vvorbereiten, die das gesellschaftliche Leben auf Dor
radikal umgestalten sollte. Da ich zu diesem Zeitpunkt keine große
Perspektive besaß, hatte ich mich in einem Anfall von jugendlicher
Unzufriedenheit und Abenteuerlust verleiten lassen, wichtige Daten aus den
Protokollbänken meines Regionalrates zu stehlen und mich durch einen
Transmitter an Bord der TOLARES zu versetzen, die mich und Agenten der
GfGaD aufnahm. Ich dachte damals, daß ich irgendwann wieder nach Dor zurückkehren
könnte. Doch diese Einstellung war sehr naiv. Denn keine zwei Tage später
erfuhr ich, daß man mich für nicht mehr existent erklärt hatte, was mich
jeder Chance beraubte, nach Dor zurückzukehren. In einem Anfall von
Verzweiflung über meine Torheit wollte ich mich selbst töten. Doch
Relxana kam gerade noch rechtzeitig, um mir die Energiestrahlwaffe
abzunehmen, die ich als Einstiegsgeschenk erhalten hatte. Seitdem betreute
sie mich wie eine Mutter. Im Agentenjargon hieß so etwas Führungsoffizier.
»Woran denkst du wieder, Surtik?« holte mich die Kommandantin aus
meinen Erinnerungen zurück.
»An den Funkspruch von Dor, in dem ich einfach für nicht mehr
existent erklärt wurde. Weder tot noch lebendig zu sein, beziehungsweise
als irgendwie in den Datenbänken der Heimat geführt zu werden, ist nicht
leicht für mich, Frau Komm..., äh, Relxana.«
»Es ist für niemanden einfach, für immer den alten Gewohnheiten zu
entsagen und sich völlig neu zu orientieren. Und ich weiß auch, daß da
doch jemand war, der auf dich wartete, als du diese Auseinandersetzung mit
deinem direkten Vorgesetzten hattest.«
»Lira, ja«, gestand ich, und vor meinem geistigen Auge tauchte das
Bild eines neunzehnjährigen Mädchens mit schwarzgrünen Locken und
schelmisch kullernden blauen Augen auf, wie sie, völlig nackt, aus dem
Schwimmbecken der Erholungsanlage von Castol City gewunken hatte, als ich
am Beckenrand auftauchte.
»Sie ist Poetin und arbeitet für die Wohlklangvereinigung, richtig?«
erkundigte sich Relxana, ob ihre Angaben stimmten.
»Ob sie es ist, weiß ich nicht«, erwiderte ich und spürte, wie das
Gefühl von Entbehrung und Verzweiflung mir Tränen in die Augen trieb. Ich
wollte nicht, daß Relxana mich weinen sah und versuchte, meinen Blick von
ihr abzuwenden. Doch sie hielt ihn mit ihren Augen fest und sprach
beruhigend:
»Eines Tages kehren wir alle auf unseren Heimatplaneten zurück und
werden dort friedlich weiterleben. Und du brauchst dich nicht zu schämen,
wenn du weinen mußt, Surtik. Gefühle zu zeigen ist der Reichtum, den wir
anstreben, um diese lebenden Automaten auf unserer Welt wieder zu Menschen
zu machen.«
Es gelang mir, die negativen Gefühle niederzukämpfen und der
Kommandantin wieder fest in die Augen zu sehen.
»War es das, was dich von Dor weggetrieben hat, Relxana?«
»Genau, Surtik. Ich wachte irgendwann auf und fand mich neben einem
Mann, der täglich im Wartungskomplex der Energieversorgung die
Steuerungssysteme kontrollierte, während ich irgendwelche staatstragenden
Frachtflüge unternommen habe. Das konnte doch nicht alles gewesen sein.
Und dann lernte ich einige Leute kennen, die wie ich dachten und einen
Neuanfang planten. Doch dazu mußten wir Dor verlassen. Ich schaffte es,
einige Freunde zu gewinnen und die SAGOPYA zu entführen. Dann kamen noch
weitere Gesinnungsbrüder und -schwestern hinzu, und bald können wir
anfangen, auf Dor eine neue Ordnung zu schaffen, ganz gewaltlos.«
»Jede Revolution fordert Opfer. Keiner des alten Systems wird sich
freiwillig unterwerfen«, konterte ich. Mir war diese ganze Propaganda der
GfGad bekannt und hing mir bald schon zum Hals heraus. Manchmal kam es mir
so vor, als sollte unserem Planeten nur die Auswahl zwischen einem
Kastensystem und einer Massengleichschaltung gegeben werden, wo das
Individuum nichts bedeutete. Ich beschloß, private Einzelheiten von
Relxana zu erfragen.
»Hast du nie daran gedacht, Kinder zu bekommen, Relxana?«
»Mein Mann wollte mit mir einen entsprechenden Antrag stellen. Doch
irgendwie war mir die Vorstellung zu wider, diesem System neue Untertanen
zu gebären, wie eine Muttersau neues Schlachtvieh produziert. Irgendwie
bewundere ich meine Schwester Kyla. Die hat sich auf eine Affäre mit einem
Terraner eingelassen, aus der ein Kind hervorgegangen ist. Sie hat sich für
das Kind und gegen ihre Stellung als Doranin entschieden und sich damit
entrechten lassen. Aber sie hätte sich auch gegen das System wehren können
und auf Dor bleiben können. Vielleicht wärest du dann heute mit deiner
Lira zusammen und nicht mit einer alten undankbaren Deserteurin.«
»So alt bist du doch noch nicht«, wollte ich gerade sagen, doch da
fiel mir ein, daß Relxana häufig selbstkritisch sprach, um nach
Komplimenten zu fischen. Ich sah es nicht ein, ihr den Gefallen zu tun und
sie zu loben.
»Was haben deine Eltern gesagt, als du fortgegangen bist?«
»Das weiß ich nicht. Und es interessiert mich auch nicht, Surtik. Ich
mußte eine Entscheidung treffen und habe sie auch getroffen.«
»Aber Flucht und Heimatlosigkeit kann doch auch nicht alles sein«,
widersprach ich.
»Nein, das ist richtig. Deshalb müssen wir ja darauf hinarbeiten, daß
wir bald wieder nach Dor zurückkehren können. Und wir alle werden dann
wieder als vollwertige Bürger unserer Heimat angesehen werden. Das
verspreche ich dir.«
»Du meinst, das hoffst du«, hielt ich entgegen.
»Nein, das verspreche ich dir«, bekräftigte Relxana Lentars mit
energischer Stimme.
Ich hielt es für Zeitverschwendung, länger mit ihr dieses Thema zu
diskutieren. Ich starrte auf die Schirme der Panoramagalerie, wo immer noch
das rötliche Wabern des Halbraums zu sehen war. In Gedanken ging ich durch
die von mir anzulegenden Dateien und legte mir einen Plan zurecht, wie ich
die Unterlagen am günstigsten einsortieren konnte. Relxana ließ mich in
Ruhe. Sie summte leise eine alte doranische Volksweise.
Als wir mit der SAGOPYA den Linearraum verließen, meldete sich die
Chefingenieurin Relosha Xendras über die Interkomverbindung des Copiloten.
Ich wandte mich an die Kommandantin.
»Die Ingenieurin teilt mit, daß wir bei der nächsten Linearetappe
mit höherer Eintauchgeschwindigkeit fliegen sollen, um den Konverter zu
schonen. Beim Start von der Basis waren wir zu langsam in den Halbraum
eingetaucht.«
»Sage der alten Schraubendreherin, daß wir keine andere Möglichkeit
hatten, wenn wir schnellstmöglich auf Überlicht gehen wollten«,
erwiderte Relxana. Ich setzte gerade an, ihre Worte an die Ingenieurin
weiterzugeben, doch diese sagte:
»Das mit der Schraubendreherin habe ich gehört. Aber die Begründung
wird von mir akzeptiert.«
»Das will ich dir auch geraten haben, Relosha«, stieß Relxana von
ihrem Platz aus eine lautstarke Antwort aus.
Auf den Bildschirmen erschienen die Sterne der Galaxis, dünn gesäht,
weil wir bereits im Randbereich der Milchstraße flogen. Relxana nahm über
ihren Interkomanschluß Kontakt zur Funkzentrale auf und gab die Anweisung,
einen gerafften Richtstrahlspruch an die Basis abzusetzen, daß wir im
Zielgebiet angekommen seien. Doch bevor der Funker den Befehl ausführen
konnte, schrillten sämtliche Alarmsirenen durch die Zentrale, und ich
erkannte drei überschwere Schiffe, davon einen Flottentender für Schiffe
bis 500 Meter. Die beiden anderen Schiffe waren Schlachtkreuzer der
Imperiumsklasse des SI. Sie nahmen uns so schnell in die Zange, daß selbst
die wie ein Automat reagierende Pilotin Relxana Lentars nichts tun konnte,
um sich aus dem Einflußbereich der beiden Kampfschiffe zu entfernen. Dann
kam eine Meldung aus der Funkabteilung, daß ein gewisser Shewar Tolen, der
sich als Kommandant des Dreierverbandes identifiziert hatte, um unsere
sofortige und bedingungslose Kapitulation bat.
»Was will dieser Typ, Astin? Gib ihn mir sofort auf den Bildschirm!«
befahl Relxana. Ich blickte zu ihrem Platz hinüber, wo sich auf ihrem
Interkomschirm gerade das Gesicht eines Neuarkoniden in einer
schwarzsilbernen Uniform zeigte.
»Sie sind die Kommandantin der SAGOPYA? Dann befehle ich Ihnen, uns
ihr Schiff zur sofortigen Übernahme auf den Tender LONG JOHN SILVER zu übergeben.
Ich schicke gleich meine Jungs hinüber, um Sie einzuweisen. Sollten Sie
auf irgendwelche merkwürdigen Ideen kommen, seien Sie hiermit darauf
hingewiesen, daß meine Schiffe über Gravitationsbomben verfügen, die
mehr als ausreichend sind, um ihr Schiff zu vernichten.«
»Wer schickt Sie?« entgegnete Relxana eine Frage, so ruhig und
sachlich, als wäre sie sich der Bedrohung nicht bewußt oder würde sie
nicht ernstnehmen. Ihr Gesprächspartner lachte und antwortete:
»Ich selbst schicke mich. Und damit Sie wissen, warum: Ich will Ihre
Ladung haben.«
»Ein billiger Piratenüberfall«, kommentierte Relxana die Situation.
»Woher wollen Sie wissen, daß ich etwas transportiere, was für Sie von
irgendwelchem Wert sein könnte?«
»Was ich weiß, weiß ich, Madame. Und jetzt machen Sie Ihr Schiff zur
Übernahme bereit oder ich schätze in Sekundenbruchteilen ab, ob ich mich
wirklich mit Ihnen lange abgeben muß, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Was man nicht kriegt, das zerstört man. Nicht wahr?« erwiderte
Relxana, immer noch ruhig sprechend.
»Genau!« bestätigte der Mann auf dem Bildschirm. Dann verschwand
sein Bild, und die beiden Schlachtschiffe rückten uns noch enger auf den
Leib.
»Woher weiß der, ob wir was wichtiges haben?« wiederholte Relxana
die Frage, die sie dem Piraten gestellt hatte.
»Verrat«, stieß ich aus.
»Nichts anderes ist möglich, Surtik. Laß mich mal ans
Navigationspult!«
Ich wand mich aus dem Copilotensitz und ließ die Kommandantin an mir
vorbei. Dabei strichen mir ihre langen Haare durch das Gesicht und ich nahm
die anregende Duftaura eines Kräuterparfüms wahr, mit dem sie sich
benetzt hatte.
Mit flinken Fingern schaltete die 58 Jahre alte Raumfahrerin an den
Kontrollen des Navigationsppultes. Dann drückte sie zwei Tasten.
»Wir lassen uns einfangen«, sagte sie entschieden. Doch um ihren Mund
spielte ein tiefgründiges Lächeln, und in ihren Augen glomm das Feuer im
Zaum gehaltener Entschlossenheit, die wohl für einen späteren Zeitpunkt
bewahrt werden sollte.
»Unser Notsender bündelt gerade einen sehr feinen Hyperkomstrahl, der
vom Navigationspult mit den exakten Koordinaten unseres Schiffes und
unserer Basis versorgt wird. Außerdem sendet der Notsender einen Code, der
unseren Leuten signalisiert, daß wir überfallen und geentert wurden. Man
wird uns nachkommen, egal, wo die Reise hingeht. Denn sobald wir gelandet
sind, geht ein entsprechender Impuls raus. Die Piraten werden davon nichts
mitbekommen«, erläuterte sie mir, was sie am Pult programmiert hatte.
Dann griff sie nach dem Rundrufmikrofon und drückte die Sprechtaste:
»Achtung, an alle!
Soeben wurde die SAGOPYA von feindlichen Kräften aufgebracht. Eine
Enterung und Übernahme des Schiffes steht unmittelbar bevor. Wenn euch
euer Leben lieb ist, so leistet keinen Widerstand! Unsere Ladung ist gegen
unbefugten Zugriff durch Selbstvernichtungsladungen geschützt. Es lohnt
sich also nicht, euch dafür umbringen zu lassen. Ich wiederhole: Leistet
keinen Widerstand, denn er ist völlig unnötig!«
Wenige Minuten später stürmten die beiden Flugoffiziere in die
Zentrale. Der Copilot deutete auf mich und brummte:
»Mein Platz, weg da!«
Ich sprang auf und wollte die Zentrale verlassen, um in mein Quartier
zu gehen, bevor das Enterkommando an Bord kommen würde. Außerdem gedachte
ich, die Positronik mit einer Feindentzugscodierung gegen Datenraub zu
sichern. Die Daten würden dann, wenn nicht ich die positronik bediente,
automatisch und unwiederbringlich gelöscht. Doch Relxana hielt mich mit
einer Handbewegung zurück.
»Ich habe die Vollsicherungen aller verräterischen Anwendungen des
Schiffes eingeleitet, Surtik. Die Positronik wird keinen Verrat begehen,
ohne sich zu zerstören. Du hast mir doch schließlich das Heldentodvirus
vorgeführt, nicht wahr?«
»Stimmt«, bejahte ich anerkennend. Relxana war eine hervorragende
Geheimdienstmitarbeiterin. Dies mußte ich nun vollkommen einsehen.
Eine Viertelstunde später kamen sie an Bord. Fünfzig Mann in schweren
Kampfanzügen und 20 Kampfroboter. Ohne Schwierigkeiten nahmen sie
innerhalb von fünf Minuten alle wichtigen Posten an Bord ein und übernahmen
damit die Schiffsführung. Relxana ließ sich von einem kleinwüchsigen,
offenbar marsgeborenen Mann mit schwerem Impulsstrahler genaue Anweisungen
geben, wie sie das Frachtschiff auf die Ladefläche des Tenders zu überführen
hatte. Wer auch immer dieses Kommando führte mußte einen merkwürdigen
Hang zu alten Piratengeschichten besitzen. Sonst wäre dieser
Schiffstransporter bestimmt nicht nach dem holzbeinigen Piraten aus
Stevensons »Schatzinsel« benannt worden. Ohne unnötige Verzögerung
setzte unsere Kommandantin die SAGOPYA auf der Ladefläche auf, auf der
mindestens noch ein Kreuzer unseres Schiffstyps Platz gefunden hätte. Dann
bekamen wir den Befehl, das Schiff zu räumen und uns in die
Mannschaftssektion des Tenders zu begeben. Wie Schlachtvieh wurden wir auf
die Schleusen zugetrieben. Relxana zog mich mit einer heftigen Handbewegung
zu sich heran und flüsterte:
»Du bleibst in meiner Nähe! Ist das klar?«
Ich nickte nur bestätigend und wich ihr nicht mehr von der Seite.
Relxana und ich waren die letzten, die durch eine Schleuse und einen
daran angekoppelten Schleusentunnel das Schiff verließen. Den Piraten
schien es sehr verdächtig zu sein, daß es so leicht ablief, uns von Bord
zu schaffen, daß einer von ihnen uns einen sehr drohenden Blick zuwarf,
der von Relxana mit einem beruhigenden Kopfnicken beantwortet wurde.
Als wir im Tender angekommen waren, wurden wir nach Geschlecht
aufgeteilt. Mit der unglaubwürdigen Behauptung, daß unsere Bezwinger anständige
Piraten seien, die keine unsittlichen Kontakte zulassen durften, schubste
ein bulliger Typ mich von Relxana fort, die zuerst einen verärgerten
Gesichtsausdruck, dann eine beruhigende Miene zeigte.
»Der Chef wird euch gut behandeln, wenn ihr euch nicht dumm anstellt«,
erklärte einer der Piraten. Dann trieb er mich und die anderen Männer
unserer Besatzung an, in einen geräumigen Korridor zu gehen. Unterwegs hörte
ich, wie ein Pirat einen kurzen Funkverkehr mit irgendeiner anderen Stelle
abwickelte, aus dem hervorging, daß die BLACK BEARD mit uns zusammen nach
Wild Land fliegen würde, während die CAPTAIN HOOK noch warten solle. Ich
schloß daraus, daß man sich den Rücken freihalten wollte, falls man nach
uns suchen würde. Mir ging durch den Kopf, daß unsere Basis über 5
Schiffe der Imperiumsklasse verfügte. Würde sich ein Piratenschiff
dagegen behaupten können?
Doch mir gingen noch andere Gedanken durch den Kopf. Was würde mit
unserer Ladung passieren, von der ich nur wußte, daß sie existierte? Doch
ändern konnte ich nichts. Denn gerade wurden wir in einen großen Raum
getrieben, der wohl ein Gefängnis darstellte. Denn hinter uns baute sich
sogleich ein Energiefeld auf, nachdem die Piraten den Raum wieder verlassen
hatten.
Ende Bericht Surtik Nertas
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