Ralf König (rkoeni@nocws.rzws.fh-aalen.de)

Perry Rhodan Der Vergessene Unsterbliche

Teil 2

Copyright © 1999
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2. Kapitel: Die Station

    Wolf schlug die Augen auf, und richtete seinen Blick an die weiße Decke. Gerne hätte er sich noch eine Weile erholt, aber das ging nicht. Der Gegner war ein Ara, und die verstanden etwas von Medizin. Auch ohne irgendwelche Hilfsmittel würde er schnell merken, daß Wolf langsam wieder in Form kam.
    Trotzdem versuchte der Agent, sich zu verstecken. Wenigstens konnten sie nicht nachprüfen, an wie viel er sich noch erinnerte.
    Die Tür öffnete sich, und der Ara betrat den Raum. Diesmal wurde er von zwei Springern begleitet, die keine Zeit verloren. Wortlos griffen sie nach ihm, und zerrten ihn auf die Beine.
    Wolf wollte sich einen Moment lang instinktiv wehren, aber dann übernahmen antrainierte Reflexe das Kommando über seinen Körper. Er erschlaffte, überzeugend einen schwer Verletzten spielend.
    Der Ara grinste nur überheblich, dann griff er nach einer Injektionspistole.
    »Wenn du Dummheiten machst, dann bekommst du die zu spüren«, meinte er und schaffte es, dabei überzeugend bedrohlich auszusehen.
    Wolf reagierte kaum, und ließ sich von den beiden Springern aus dem Raum zerren. Vorsichtig musterte er seine Umgebung, aber er bekam nicht viel zu sehen. Nichts, außer einigen kahlen Wänden, die so wenig aussagten, daß er daraus nicht einmal ableiten konnte, von welcher Spezies dieser Planet besiedelt war.
    Eine Tür öffnete sich vor ihnen, und er fühlte sich in einen Raum gezerrt. Der Ara war etwas zurückgefallen, als er merkte, der Mensch würde sich nicht wehren. Mittlerweile war er außer Sicht. Wolf war mit den beiden Springern allein, aber in seinem Zustand würde das sicher reichen. Die beiden Männer schleuderten ihn in Richtung eines Sessels. Wolf brach davor auf die Knie, und hob dann seinen Blick. Erschrocken registrierte er eine Schale, die genau so geformt war, daß sie einen menschlichen Kopf aufnehmen konnten. Sie wollten ihm seine Geheimnisse entreisen, und sie würden mit dieser Vorrichtung nicht lange brauchen, um alles aus ihm herauszuholen, was er wieder wußte. Und das war eine Menge.
    In diesem Moment übernahmen Reflexe das Kommando, die ihm so lange antrainiert waren, daß er nicht einmal die volle Kontrolle über seinen Körper brauchte, um sie anwenden zu können. Er wurde ganz ruhig, und wartete, bis die Springer direkt hinter ihm standen. Dann kam er blitzschnell hoch, und ließ beide Ellenbogen in die stahlharte Muskulatur der Springer krachen. Sie blieben allerdings weitgehend unbeeindruckt. Einen Schritt wichen sie zurück, und verschafften Wolf damit die Bewegungsfreiheit, die er brauchte. Er wirbelte herum, und ließ seine nackte Verse gegen das Kinn des einen Springers krachen. Der Mann mit der roten Haarmähne seufzte, und sank zu Boden. Lange würde er sicher nicht brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen.
    Mittlerweile war aber der andere heran. Sein Fußtritt ließ Wolf zurücktaumeln, und er prallte gegen den Sessel. Der Springer stürzte sich auf ihn, und krallte seine Hände um den Hals des Agenten. Wolf keuchte, und riß im letzten Moment beide Hände hoch. Sie drückten unter das Kinn des Mannes, allerdings war der so kräftig, daß Wolf fast beide Arme gebrochen wurden. Langsam verließen ihn die geringen Kräfte seines ohnehin sehr schwachen Körpers, und er erkannte, daß er sehr schnell die Kontrolle erlangen mußte. Sonst wäre er tot, und wenn der Ara kam, war es sowieso aus.
    Langsam drehte er seine Hand, bis er sie frei bekam. Dadurch krachte der Springer noch schwerer auf ihn, und drückte ihm jetzt fast die Luft ab. Wolf schaffte es, seine Hand in den Nacken des Mannes zu bekommen, und seinen roten Haarschopf zu packen. Wütend riß er daran und meinte, die Kopfhaut des Springers knirschen zu hören. Der Mann fluchte wütend und nahm den Kopf zurück, um dem Schmerz auszuweichen. Dadurch wurde seine Kehle frei und Wolf zögerte keine Sekunde. Er stieß seinen Zeigefinger gegen den Adamsapfel des Gegners und sah dann ungerührt zu, wie der Springer röchelnd zu Boden sank. Die Hand des Springers rutschte über seine Kleidung, dabei warf ihm der Mann einen hilfesuchenden Blick zu. Mit Erstaunen registrierte er seine Niederlage, dann verlor er das Bewußtsein.
    Wolf hatte den Ara nicht vergessen. Er stieß sich aus dem Sessel und taumelte leicht, als ihn ein Schwindelgefühl erfaßte. Schnell ging er zur Tür und lehnte sich daneben an die Wand. Der Ara, durch die Geräusche angelockt, tat ihm einen großen Gefallen. Ohne die Lage zu sondieren, rannte er in das Zimmer und machte es dem hochtrainierten Agenten damit sehr leicht. Wolf griff einfach im Vorbeilaufen zu, erwischte den Mediziner am Hals und packte den Arm mit der Injektionspistole. Langsam verdrehte er den Arm des Mannes, bis die Pistole auf den Körper seines Gegners zeigte, dann zwang er den Ara, abzudrücken. Innerhalb weniger Sekunden wirkte das Betäubungsmittel, der Mann sackte zu Boden.
    Der erste Springer, den Wolf zu Boden geschickt hatte, bewegte sich stöhnend. Im Vorbeilaufen trat er ihm gegen die Schläfe, worauf jeder Protest sofort verhallte. Schnell huschte er aus dem Raum und schloß die Tür hinter sich. Kein Mensch war weit und breit zu sehen.
    Wolf lief über den Korridor in sein altes Krankenzimmer und untersuchte es flüchtig. Er fand seine Kleidung, allerdings ohne Waffen. Schnell kleidete er sich an, dann betrat er wieder den Korridor. Er verzichtete darauf, zu den Springern zurückzukehren und sie nach Waffen zu durchsuchen. Er wußte nicht, ob einer der beiden wieder zu sich gekommen war, und er war zu schwach, um es auf einen weiteren Kampf ankommen zu lassen. Also folgte er dem Gang in entgegengesetzter Richtung, bis er eine Abzweigung erreichte. Vorsichtig spähte er in den neuen Korridor, den er erreichte, und erkannte, daß er eine Art Verteiler erreicht hatte. Mehrere Gänge zweigten von ihm ab, allerdings war es weiterhin verdächtig ruhig.
    Willkürlich entschied er sich für einen der Gänge und bewegte sich zögernd auf seinen Eingang zu. Niemand war zu sehen, und Wolf wurde mutiger. Er drehte sich einmal um die eigene Achse, als er die Mitte des Verteilers erreicht hatte und überzeugte sich, daß er immer noch allein war.
    Dann setzte er sich wieder in Bewegung, und betrat einen anderen der Gänge.
    Nachdem er einige Minuten gegangen war, erreichte er ein Schott, das sich bei Annäherung in die Wand schob. Wolf duckte sich und glitt an die Wand. Vorsichtig spähte er in den Raum, konnte aber auf den ersten Blick niemanden entdecken.
    Langsam schlich er über die Schwelle, konnte aber immer noch keinen Menschen oder sonstige Lebewesen entdecken. Dafür hörte er ein leises Seufzen, das ihn zunächst alarmierte. Aber das Geräusch klang nicht bedrohlich, es hörte sich eher so an, als sei jemand in Gefahr, oder fühle sich sehr unwohl.
    Eine niedere Wand, nur wenige Schritte von seinem Standort entfernt, versperrte seinen Blick und er umrundete sie.
    Da fiel sein Blick auf eine Liege und für wenige Augenblicke konnte er sich fast nicht mehr bewegen.
    Er hielt den Atem an und ging völlig in dem Anblick auf, der sich ihm bot. Wenn ein Gegner in diesem Moment der Raum betreten hätte, wäre es Wolfs Untergang gewesen, und als der Agent seinen Fehler bemerkte, duckte er sich sofort hinter die niedere Sichtblende, die die Liege bisher verhüllt hatte.
    Ihr dunkles Haar war schulterlang und umrahmte ihr blasses Gesicht auf eine Weise, die sehr anziehend war. Ihr schlanker Körper zitterte und gerade, als sich Wolf über sie beugte, öffnete sie die Lippen und ließ wieder jenes Seufzen hören, das den Agenten gewarnt hatte. Sie sah wunderschön aus, allerdings wirkte sie krank. Ein Speichelfaden löste sich aus ihrem Mundwinkel und sickerte langsam über ihre samtige Haut nach unten. Der Agent verfolgte den Schlauch mit den Augen, der aus ihrem Arm kam und erblickte eine Flasche, die direkt über der jungen Frau hing.
    Das Etikett war nur mit einem Wort bedruckt, das dem Agenten einen Schauer über den Rücken jagte.
    »Sternenfeuer<< stand da zu lesen. Er wußte nicht, warum das so wichtig war, aber etwas sagte ihm, daß das Mädchen in großer Gefahr schwebte.
    Vielleicht würde er sie töten, aber das war ihm in diesem Moment fast gleichgültig. Er spürte ihre Qual mehr, als sie sie wirklich zu zeigen vermochte, und daher reagierte er sofort. Er zog die Nadel aus ihrem Arm und unterbrach damit den Zufluß der Flüssigkeit, die auf den Boden tropfte.
    Einen Tropfen fing Wolf mit dem Finger auf, und schnupperte leicht. Er roch nichts. Er näherte seinen Finger dem Mund und wollte schon kosten, aber dann ließ er es bleiben. Er durfte keine Zeit verlieren, wenn er noch einen Chance haben wollte, daher zog er den schlanken Körper von der Liege und warf ihn sich über die Schulter.
    Immer noch geschwächt von seinen eigenen Verletzungen, konnte er die Last der jungen Frau fast nicht halten. Aber er riß sich zusammen und setzte sich in Bewegung.
    Eine Tür auf der gegenüberliegenden Seite zog ihn an und als er sie erreichte, atmete er nur einmal tief durch. Dann riß er sie auf.
    Geblendet schloß er die Augen, als die Sonne ihm direkt in die Pupille leuchtete. Einige Augenblicke brauchte er, bis sich seine Augen umgestellt hatten und das grelle Licht ausfilterten, dann sah er die Bäume vor sich, die nur wenige Schritte von ihm entfernt begannen.
    Sie waren also auf einem Planeten und die Station, in der er eingesperrt war, war mitten in einem Waldgebiet errichtet. War die nächste Stadt weit entfernt? Gab es hier überhaupt Städte? Wolf richtete seinen Blick zum Himmel. Die Sonne war gelb, und wirkte wie jede andere Standardsonne vom G-Typ. Er konnte nicht sagen, ob er immer noch auf demselben Planeten war, auf dem seine Auseinandersetzung mit den Springern und Aras begonnen hatte. Vielleicht waren sie ganz woanders in der Galaxis.
    Darüber konnte er sich aber später noch Gedanken machen, erst einmal mußte er sich in Sicherheit bringen. Das konnte er am ehesten in dem Wald, den er vor sich erkennen konnte. Zumindest hoffte er das, schließlich konnte er nicht einmal garantieren, ob er überhaupt weit kommen würde mit der Last, die über seiner Schulter lag.
    Langsam setzte er sich in Bewegung, ohne noch einmal zurückzuschauen. Wenn jemand seine Flucht bemerken sollte und auf ihn schoß, dann würde er keine Chance haben. Dieses Risiko mußte er aber eingehen, daher ging er unbeirrt auf den Waldrand zu.
    Nichts passierte, bis ihn die braune Wand der Baumstämme aufgenommen hatte und er von der Station aus nicht mehr zu erkennen war. Erst jetzt drehte er sich kurz um und musterte die graue Metallwand, die Nichtssagend hinter ihm aufragte. Standardbauweise, wie er erkannte. Jedes Kolonialmodul enthielt diese Art Metallplatten, nichts ließ auf Erbauer oder Hintermänner dieses Bauwerks schließen.
    Wolf wandte sich um und stapfte schweigend in den Wald. Langsam ging er weiter. Die grünen Blätter ließen seinen Körper verschwinden, gleichsam unsichtbar werden. Wieder hatten seine Instinkte übernommen, trotz der Last bewegte er sich absolut lautlos durch das Unterholz. Sein Blick suchte die Sonne, die schemenhaft durch die Blätter zu erkennen war. Er folgte dem großen Ball und versuchte, immer die gleiche Richtung einzuhalten. Wenn er sich nicht sehr täuschte, dann führte ihn die Wanderung nach Süden.

    mso-bidi-font-size:10.0pt">Lange Zeit war er so gewandert, als er einen kleinen Bachlauf erreichte. Zeit für eine Pause, erkannte er und ließ den Körper von seiner Schulter gleiten. Er bettete das Mädchen an den Baum, der neben ihm aufragte, dann beugte er sich zum Wasser nieder. Eine Handvoll nahm er auf, an der er mißtrauisch schnupperte. Doch dann warf er alle Bedenken über Bord. Seine Instinkte flüsterten ihm zu, er müsse das Risiko eingehen. Alles andere würde sein Tod sein. Also gehorchte er seinen Gefühlen, nahm einen tiefen Schluck von dem Wasser, das wunderbar schmeckte. Dann netzte  er auch die Lippen der Frau, die er erst jetzt näher in Augenschein nahm.
    Wieder nahm ihn dieses ebenmäßige Gesicht gefangen. Die dunklen Haare des Mädchens waren schweißverklebt und hingen in Strähnen in ihre Stirn, im Moment machte sie keinen sehr attraktiven Eindruck. Doch auch ohne Schminke war die übergroße Schönheit der Frau zu erkennen. Sanft strich er einige der Strähnen aus ihrer Stirn, und machte sich große Sorgen, ob sie überhaupt überleben konnte. Sternenfeuer hatte das Mittel geheißen, das ihr verabreicht worden war. Was war Sternenfeuer? Eigentlich müßte er es wissen, aber im Augenblick war er wirklich nicht sicher, was ihm das Wort sagen sollte.
    Das Mädchen bewegte sich, ihre Lider flatterten, und sie verkrampfte für einen Moment. Ihre Lippen wurden zu dünnen Strichen, als ob sie Schmerzen hatte, dann beugte sie sich kurz vor und öffnete den Mund, aus dem sich ein Schwall Erbrochenes ergoß. Wolf konnte gerade noch ausweichen, dann faßte er kräftig zu, als sich der Körper des Mädchens zur Seite neigte. Gerade noch konnte er sie festhalten.
    Langsam öffnete das Mädchen die Augen, und fixierte ihn mit einem verschleierten Blick, der ihm endlich verriet, womit er es zu tun hatte.
    »Wo bin ich?« flüsterte sie, dann sank ihr Kopf wieder zur Seite, und ihre Augen schlossen sich. Sie versank in einen unruhigen Schlaf.
    Ihre Augen hatte die Größe von Stecknadelköpfen. Das Mädchen stand unter Drogen.

 

Forsetzung folgt

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