Thorsten Oberbossel (oberboss@stud-mailer.uni-marburg.de)

Perry Rhodan SOS SAGOPYA - aus der Serie »Die Clan-Korvette«

Teil 1 von 8

Copyright © 1999
Alle Rechte beim Autor

 

Bericht Laura Anderson

    Ich hatte Funkdienst. Meine Eltern hatten sich in ihre Kabine verzogen, Joan und Simon feierten ihren persönlichen Tanzabend in unserer Messe, während unsere beiden Umweltangepaßten sich im 25-Kilogramm-Kugelstoßen maßen. Meine werten Brüder hüteten den Maschinenraum. Ich hatte ihnen noch gesagt, daß sie den Mahonyschwestern doch gefälligst ein Valentinsgeschenk machen sollten, wenn sie schon nicht selbst bei ihnen vorbeikommen könnten. Wie erwartet hatten mich die beiden Zwillinge zuerst verdutzt, dann böse, dann belustigt angeguckt. Nun saß ich mit unserer Neuerwerbung aus der fremden Galaxis auf der anderen Seite der nun nicht mehr bestehenden Geheimstraße der MDI, Dyvoni Haxlar, im Ortungs- und Funkraum der EOS.
    »Was ist an diesem Tag so wichtiges, den ihr >Valentinstag< nennt, Laura?« fragte mich Dyvoni und blickte mich aus ihren schwarzen Augen an
    »Ich weiß nicht, wann dieser Tag eingeführt wurde und warum es ausgerechnet der vierzehnte Februar ist. Aber es ist schon eine Jahrhunderte alte Sitte: Männer und Jungen schenken den Frauen oder Mädchen, die sie lieben eine Kleinigkeit, um ihre Liebe zu beweisen. Früher war das ein wichtiger Tag für Blumenhändler und Duftwasserverkäufer. Heute ist es schon ein Geschenk, wenn der Verehrer seine Angebetete treffen und ihr einen schönen Tag bereiten kann.
    »Und wir sind die einzigen, die nicht davon betroffen sind?« wollte Dyvoni wissen.
    »Offiziell ja. Die beiden Jungs sehen sich auch als unbetroffen von Valentin. Aber ich kenne die beiden Blondies. Die werden sich rechtzeitig bedanken, daß sie nicht bedacht worden sind«, erwiderte ich grinsend.
    »Müssen es die männlichen Exemplare einer Paarbindung sein, die Geschenke überreichen?« fragte mich Dyvoni noch.
    »Nicht unbedingt«, erwiderte ich. »Aber früher hieß es, daß Männer so zum Ausdruck bringen könnten, was sie nicht in Worte fassen könnten, weil ihnen dazu die Begabung fehle.«
    »Ich hoffe doch, daß deinem Vater einfällt, was er deiner Mutter sagen kann«, meinte die Jitari und imitierte ein Lächeln. Ich antwortete nicht darauf. Schließlich hatte es zwischen meinen Eltern, seit ich denken kann, keinen Streit gegeben. Sicher, meine Mutter war eine ausgezeichnete Diplomatin und verstand es, ihre Gefühle zu kontrollieren. Aber mein Vater war ein Mensch, der immer zeigte, wie er sich gerade fühlte. Wenn es etwas gegeben hätte, was zwischen den beiden nicht stimmte, hätte er sich entweder zurückgezogen und laut irgendwelche alten Rockmusikstücke gehört oder hätte stillschweigend in den Tag hineingelebt. Richtig böse war er bis jetzt noch nicht geworden, wenn man mal von seiner unübertroffenen Ironie absah.
    »Bist du traurig, daß du keinen Freund oder Lebenspartner hast, mit dem du heute zusammen sein kannst?« bohrte Dyvoni nach. Ich überlegte, worauf diese Frage hinauslaufen sollte. Dann erwiderte ich so nüchtern wie möglich:
    »Ich habe bis heute keinen gefunden, den ich jetzt vermissen würde. Und die, mit denen ich gerne zusammen bin, sind alle hier.«
    »Gehöre ich auch dazu?« kam eine Frage, wie von einem Kind, von Dyvoni. Ich wußte nicht, ob ich jetzt grinsen oder grollen sollte, weil ich absolut nicht wußte, wie ich diese Frage verstehen sollte. Dann sagte ich:
    »Du gehörst zu uns allen.<<
    »Gut, ich muß verstehen, daß du dir kein persönliches Urteil bilden kannst, weil wir ja noch nicht so lange zusammen sind«, wertete die zierliche Humanoide aus einer fernen Galaxis meine Antwort. Dann wechselten wir das Thema und besprachen den Flug der EOS.
    Wir hatten vor vier Minuten eine Linearetappe über 200 Lichtjahre beendet und wollten eine Stunde lang die Sterne vermessen, um unseren weiteren Kurs zu bestimmen. Dyvoni bediente die Ortungsanlage, während ich die Funksterne in der näheren Umgebung abhörte, um deren Winkel zu uns zu ermitteln. Trotz Hypertaster und überlichtschneller Energieortung waren die vielen Pulsare und radiowellen aussendenden Gaswolken immer noch eine gute Orientierungshilfe für die Raumfahrt. Wenn ich die exakten Daten hatte, sollte ich sie, so Saga, unsere derzeitige Chefpilotin, in die Navigationspositronik eingeben und die Flugparameter festlegen lassen. Wenn das der Fall war, konnte ich sie in die Zentrale rufen, damit sie wieder steuerte, denn Daddy hatte sich Urlaub für den ganzen Valentinstag 2420 ausgebeten. Und der Bordkalender in der Ortungs- und Funkzentrale zeigte gerade 19:25 Uhr am 14. Februar 2420. Also hatten wir noch vier Stunden und fünfunddreißig Minuten, in denen wir mit denen auskommen mußten, die nicht irgendwelchen Valentinsverpflichtungen nachgingen.
    Das Rumpeln schwerer Gegenstände, die einige Decks über uns mit großem Schwung bewegt wurden, sowie das gleichmäßige Rauschen der Klimaanlage, waren die einzigen Geräusche, die um uns herum waren. Vor mir tanzten Oszillogramme, blinkten Anzeigen und wanderten Zeiger, mal nach rechts, mal nach links. Stellare Statik, die gemengt war mit den kümmerlichen Resten von weit entfernt stattfindendem Hyperfunkverkehr bekannter und vielleicht auch unbekannter Zivilisationen, wurde von den ausgefahrenen Antennen eingefangen und von den Hyper-Normal-Wandlern umgesetzt. Ich drehte leicht am Lautstärkeregler, um die Radiowellenstrahlung hörbar zu machen. Zirpen, Knistern, Rauschen, Knacken, Brummen. Der Chor der kosmischen Stimmen, wie ihn irgendwer mal genannt hatte.
    »Du hast mir vor drei Tagen erzählt, daß die Leute aus deinem Volk dich wegen deiner Herkunft falsch behandelt haben, Laura«, brach Dyvoni das Schweigen. Ich schüttelte leicht den Kopf und erwiderte:
    >>Nein, Dyvoni! Ich sagte, daß man mich wegen meiner hellgrünen Haare geärgert hat, nicht wegen meiner Herkunft. Das ist schon lange nicht mehr üblich bei uns Terranern, jemanden seiner Herkunft oder Abstammung wegen Vorhaltungen zu machen oder ihn oder sie zu beleidigen. Aber weil ich eben keine doranischgrünen Haare habe, war es für viele unvorstellbar, daß das, was davon bedeckt wurde, normal sein könnte. Manche hielten mich auch für einen Mutanten. Du weißt, was das ist, Dyvoni?«
    >>Ein Wesen, das durch genetische Veränderung andere körperliche oder geistige Eigenschaften besitzt. In eurer Welt spielen dabei besonders die geistigen Sinne und Kräfte eine Rolle. Die Regierung eurer Stammwelt verfügt über mehrere Personen mit solchen Kräften. Und dein Vater hat gesagt, daß man mich wegen meiner Begabung der Wahrnehmung und Beeinflussung fünfdimensionaler Vorgänge bestimmt auch in dieses Mutantenkorps eingegliedert hätte. Aber ich bin froh, daß ich mich bei euch und in völliger Freiheit bewegen kann«, antwortete Dyvoni ausschweifend.
    »Apropos frei«, kam ich auf einen Punkt, den zu berühren wir alle uns bis jetzt gescheut hatten, seitdem mein Bruder Rick Dyvoni aus dieser merkwürdigen Kugel befreit hatte.
    »Weshalb wurdest du in dieser Konservierungskugel eingeschlossen? Hast du irgendwas in deiner Welt getan, was dort nicht erlaubt war? Befürchte nicht, daß ich dich deswegen verachten könnte, Dyvoni. Aber ich möchte doch wissen, wieso man dich in diese Zeitkapsel eingesperrt hat.«
    »Nichts, was ihr nicht auch wollt. Ich wollte mit Freunden und Verwandten eine Zivilisation der Freiheit und Gleichheit schaffen, in der jeder tun kann, was er will. In unserer Galaxis regierte, solange ich dort lebte, ein Wesen Namens Lukar, das den sogenannten Frieden der Wachsamkeit einführte. Sicher, unsere Völker, nicht nur die Jitari Xinho, zu denen ich gehöre, sondern auch die Jitari Zirto, Lashgo und Yotasu, sowie Völker anderer Planeten, lebten seitdem in Frieden miteinander. Aber das lag einfach daran, daß das Lukar uns für seine Zwecke in Arbeitsgemeinschaften einteilte und uns von seinen Wächtern, den Sehern, Horchern und Geistreinigern, bewachen ließ. Ich wollte also ... Laura, da ist was!« rief Dyvoni, gerade als es interessant wurde. Dann hörte ich das leise Piepsignal, das mir eine Hyperfunksendung verriet. Ich drückte reflexartig den Speicherknopf, dann den Auslöser für die Peilsonde, um dann auf den Anzeigen zu verfolgen, was geschah.
    Wir glitten im freien Fall mit 5% der Lichtgeschwindigkeit durch den interstellaren Raum. Und von einem Augenblick zum Anderen, traf uns ein starker Hyperfunkrichtstrahl. Es dauerte nur zwei Sekunden, dann war die EOS schon aus dem Empfangsfenster dieses Sendestrahls heraus. Erstaunt sah ich, wie die Einfallstärkenanzeige ohne Übergang wieder auf den Nullwert zurückfiel. Ich ging an den Interkom und wählte den Sportraum für die Mannschaft.
    Zuerst hörte ich aus dem Lautsprecher nur das metallische Poltern einer schweren Wettkampfkugel, wie sie von Hochschwereweltlern benutzt wurde. Dann sah ich das Gesicht von Saga Chaise, der oxtornischen Copilotin und guten Bekannten meines Vaters. Sie trug überhaupt keine Perücke, wie sie es sonst tat. Dafür war sie in einen rubinroten Sportanzug gehüllt.
    »Was ist los, Laura?« begrüßte Saga mich.
    »Wir haben gerade einen scharfgebündelten Richtstrahl eines Hyperkoms durchflogen, Saga. Ich habe ihn heruntergenommen und das, was ich in den zwei Sekunden erwischen konnte, im Speicher gebannt.«
    »Zwei Sekunden, Laura? Wie weit war der Sender denn weg?« wollte Saga wissen. Hinter ihr erkannte ich einen großen Schatten. Das konnte nur unser ertrusischer Feuerwerker, Frachtschubser und Nahrungsüberschußverringerer Eldar Maktrom sein, der mithören wollte, was es denn so interessantes gab.
    Ich warf einen Blick auf die Anzeigen der Peilsonde, dann sagte ich: »Der Sender stand 150 Lichtjahre von uns entfernt im Leerraum, Saga.«
    »In dieser Entfernung nur eine Streubreite von 30000 Kilometern? Das ist beachtlich«, kommentierte Saga meine Angaben. »Und was kam rein, Laura?«
    »Das verrät uns hoffentlich die Funkpositronik. Ich lasse die aufgefangenen Signale gleich durchkauen, dann gucken wir, was hinten herauskommt.«
    »Hoffentlich bekommt unsere Funkpositronik keinen Schluckauf«, erwiderte Saga grinsend. Ich lachte amüsiert. Dann bat ich Saga, in die Zentrale zu gehen, um das Schiff zurückzusteuern. Vielleicht war der Funkstrahl noch da und ich konnte den Sender, vielleicht auch den Empfänger, eindeutiger bestimmen. Saga erklärte sich einverstanden und beendete den Interkomkontakt.
    Eine Minute später sah ich durch die transparente Trennwand zwischen Ortungszentrale und Kommandozentrale, wie Saga eintrat und sich hinter die Flugkontrollen in den Sessel warf. Von einer Sekunde zur Anderen hatte sie die Automatik abgeschaltet und die Steuerung übernommen. Dann sprach sie kurz mit meinem Bruder Lydor über Interkom, worauf die Maschinen der EOS zu arbeiten begannen. Ich bemühte mich inzwischen um die Auswertung der aufgefangenen Signale. Als die Positronik die ersten Ergebnisse präsentierte, staunte ich nicht schlecht. Die rote Lampe für identifizierte Notfallcodes blinkte auf, während die Funkpositronik den Vollalarm auslöste. Dann kam über die Textanzeige der Positronik:
    »SAGOPYA, Notfall 17. Position bei Markierung 27-98.«
    Bevor mich alle an Bord nach dem Alarmgrund fragten, griff ich selbst zum Mikrofon und drückte die Rundruftaste.
    »An alle!
    Wir haben gerade einen Notruf mit Dor-189-Codierung erhalten. Der Notrufsender identifiziert sich als SAGOPYA. Jedoch werden über die Art des Notfalls, sowie den genauen Standort, unverständliche Angaben gemacht.«
    Keine zwei Minuten später standen meine Eltern im Funkraum. Meine Mutter ließ sich von mir die Aufzeichnungen vorführen, während mein Vater Saga bei der Rückführung der EOS zum Empfangsfenster des Funkrichtstrahls beobachtete.
    »Und die Positronik irrt sich nicht, Laura? Die Identifizierung lautet SAGOPYA?« wollte meine Mutter wissen.
    »Es sind zwei identische Nachrichten aus dem Richtstrahl gefiltert worden, Mom. Außerdem war die Übertragung in zwei Komponenten gegliedert. Die eine transportierte die Nachricht, die andere übertrug den Notfallcode, auf den unsere Positronik reagierte. Die Positronik weist den Alarmcode als Dor-189 aus«, erwiderte ich.
    Ich sah, daß meine Mutter übernormal hektisch wurde, als sie die Aufzeichnungen studierte. Dann sagte sie:
    »Relxana.«
    Relxana, daß wußte ich, war eine Tante mütterlicherseits. Mom hatte mir erzählt, daß sie einen kleinen Frachter von 100 Metern Größe kommandierte, der vollautomatisch sei. Außerdem wäre Relxana die einzige Anverwandte, die sich noch für meine Mutter, meine Brüder und mich interessiert hatte, wenn auch mit großer Verachtung.
    »Du glaubst, deine Schwester ruft um Hilfe, Kyla?« wollte mein Vater wissen.
    »So sieht es aus, Roy«, antwortete Mom.
    »Dann verstehe ich aber zwei Dinge nicht, Mom«, mischte ich mich ein. »Wieso wurde die Nachricht verschlüsselt? Und warum wurde sie von einem sehr scharfgebündelten Richtstrahl ausgesendet. Wenn das ein echter Notruf ist, hätte der doch im Klartext über Rundstrahlfunk abgesetzt werden müssen. Außerdem wäre dann auch die Position und die Art des Notfalls so gehalten worden, daß jedes solare oder doranische Schiff die geeigneten Maßnahmen hätte treffen können. Also warum wurde der Notruf als heimliche Botschaft ausgeschickt?«
    »Das frage ich mich auch, Laura«, gestand meine Mutter.
    »Einen Notruf über einen Richtstrahl abzusetzen, noch dazu verschlüsselt, entbehrt einer gewissen Logik.«
    »Falls es keinen Grund gibt, der zwingender ist, als die Notlage selbst«, spekulierte ich.
    »Das Empfangsfenster war nur 30.000 Kilometer breit, Laura?«
    »Genau, Mom. Und nur Dyvonis empfindlichen Sinnen verdanken wir es, daß wir den Trägerstrahl noch abfangen konnten. Aber nun weiß ich wirklich nicht, was ich von der Sache halten soll.«
    »Ich rufe die doranische Raumfahrtbehörde und frage an, was mit der SAGOPYA ist«, entschloß sich meine Mutter, die ehemalige Kommunikationsbeauftragte von Dor und stellte eine Richtfunkhyperkomverbindung mit Dor her.
    Auf dem Bildschirm der Funkanlage erschien das Gesicht eines moosgrüngelockten Doran, der in eine langweilige Uniform gehüllt war. Ich weiß nicht, ob oder wie wir ihn gestört hatten, aber er blickte uns verärgert an.
    Mom identifizierte uns. Dann fragte sie:
    »Haben Sie neue Daten über die SAGOPYA? Ich würde gerne wissen, wo sie sich im Moment befindet.«
    »Das Raumschiff SAGOPYA? Moment, ich sehe mir die Daten an«,kam die Antwort des doranischen Funkers. Sein Gesicht verschwand für wenige Sekunden. Dann sagte er:
    »Die SAGOPYA ist bereits vor 10 Jahren außer Dienst gestellt worden, Mrs. Anderson.«
    »Dann würde ich gerne wissen, wo sich meine Schwester zur Zeit aufhält und wie ich sie erreichen kann«, reagierte meine Mutter auf die Aussage des Funkers auf Dor. Dieser verschwand noch einmal vom Bildschirm. Doch eine Sekunde später war er wieder zu sehen. Er machte eine sehr maskenhafte Miene als er sagte:
    »Sie haben zu den von Ihnen erfragten Informationen kein Zugangsrecht mehr, Mrs. Anderson. Damit ist unser Gespräch beendet.«
    Ich sah, wie meine Mutter zunächst wütend, dann verzweifelt wurde.
    »Ich kann meine Schwester nicht erreichen«, sprach sie, wobei sie ihre Stimme beherrschen mußte, um nicht loszuschreien. »Die erteilen mir keine Auskünfte, weil ich keine Doranin mehr bin.«
    »Wir wissen ja auch nicht, ob es wirklich das Schiff von Relxana Dyrut ist«, versuchte Dad, meine Mutter zu beruhigen.
    »Warum sollte sich jemand anders als SAGOPYA identifizieren, Roy? Ich weiß nicht, was ich denken soll.«
    »Aber ich«, mischte ich mich ein. Dann ging ich zur Funkanlage, rief die Hyperkomverbindung mit Dor noch einmal auf und bekam nun selbst den gelockten Funkoffiziellen zu sehen.
    »Wer sind Sie denn?« fragte er mich. Ich stellte mich vor und sagte:
    »Ich erbitte die Information über den Aufenthaltsort oder die Kontaktmöglichkeiten von Relxana Dyrut.«
    »Sie sind Terranerin, Ms. Anderson. Sie haben keine Befugnisse, private Auskünfte über doranische Staatsbürger zu erfragen«, kam mir dieser hochamtliche Lockenkopf mit seinen bürokratischen Ausflüchten. Ich erwiderte:
    »Ich bin eine der nächsten Verwandten von Mrs. Dyrut. Falls sie durch irgendwas ums Leben gekommen sein sollte, will ich darüber informiert sein, ob und was ich erben werde.«
    Mom starrte mich entsetzt an. Offenbar ging ihr meine Begründung entschieden zu weit.
    »Doranische Staatsbürger sind nur dem doranischen Staat und dessen Bürgern verpflichtet und mit Rechten ausgestattet. Sie haben...«
    »...gemäß multilateraler Übereinkunft über den offiziellen oder privaten Umgang mit Bürgern anderer galaktischer Staaten das Recht gemäß Blutsverwandschaftsklausel, Unterabschnitt Vermögensnachlaßbestimmungen, alle Rechte, über jeden Verwandten bis zum zweiten oder dritten Grad informiert zu sein, falls dies für mich von erbrechtlicher oder familiärer Bedeutung sei. Da ich doranische Vorfahren habe, bin ich zum Teil Doranin, zumindest der Rechtslage nach«, schnitt ich dem Bürokraten das Wort ab.
    »Ihre Mutter hat alle familiären, staatsbürgerlichen und materiellen Rechte und Pflichten ersatzlos abgetreten. Sie haben beide keine Verwandten auf Dor.«
    »Ach wissen Sie«, antwortete ich auf die Bemerkung des Funkers, »ich mach’ da nicht viele Worte. Ich wende mich an den pangalaktischen Ausschuß für Rechtswahrung zwischenstaatlicher Vereinbarungen und werde denen erzählen, daß der doranische Staat meinen Erbteil unterschlägt, obwohl ich, auch als Staatsbürgerin des solaren Imperiums Anspruch auf die Einhaltung der Übereinkunft habe. Also, was ist mit meiner Tante?«
    »Suchen Sie sie doch gefälligst selbst!«
    »Sind Sie befugt, solche Vorschläge zu machen, oder war das ein Befehl? Falls das zweite der Fall ist, möchte ich doch wissen, ob Sie als Doran einer Terranerin solche Anweisungen erteilen dürfen. Einen angenehmen abweichungsfreien Resttag wünsche ich noch!« beendete ich den Funkkontakt, nachdem mein Lichtjahre entfernter Gesprächspartner das Gesicht zu einer wütenden Grimasse verzogen hatte.
    »Und was sollte das jetzt, Laura?« fuhr mich meine Mutter an.
    »Frechheit siegt«, erwiderte ich grinsend. »Der Typ hat verraten, daß wohl keiner weiß, wo Tante Relxana sich aufhält, was bei der strickten Ordnung deiner ursprünglichen Heimatwelt sehr merkwürdig ist. Der hätte nämlich genau nach den von mir erwähnten Vorgaben Auskunft erteilen müssen, falls irgendwas passiert wäre. Aber offenbar weiß man da unten unter Dorhams warmem Licht nicht, wo deine Schwester ist und was sie macht. Kommt dir das als ausgebildete Diplomatin nicht auch seltsam vor?«
    »Genauso wie die Angabe, daß die SAGOPYA schon längst nicht mehr im Dienst ist und dieser Notruf per Richtfunk mit sehr scharfer Bündelung ausgesandt wurde, Laura«, antwortete meine Mutter und nahm eine gefaßte Haltung ein.
    »Ich denke«, sagte ich, »daß wir dem Vorschlag folgen sollten und Tante Relxana suchen sollten«, erklärte ich.
    »Ja, das machen wir, Laura. Jetzt will ich auch wissen, was an diesem heimlichen Notruf dran ist«, pflichtete Mom mir bei. Eine stumme Frage zu Dad, ein bekräftigendes Nicken von diesem, und wir drei waren uns einig. Kurze Zeit später erreichten wir den Punkt, an dem wir den Funkstrahl durchquert hatten. Doch der Hyperfunkstrahl war nicht mehr aktiv. Saga stoppte das Schiff vollständig. Dann ließ sie sich von mir die Daten zuspielen, die ich über den Ursprung des Funkstrahls gesammelt hatte. Schnell hatte sie die astrogatorische Positronik damit gefüttert und einen exakten Linearflugkurs zum Ursprungspunkt des Funkstrahls errechnet. Eine formale Frage an die restliche Besatzung, ob jemand nicht damit einverstanden sei, daß wir den Kurs änderten, ergab eine einstimmige Antwort, daß keiner etwas gegen die Untersuchung des Notfalls einzuwenden hätte. Also schaltete Saga die Flugautomatik wieder ein und startete den programmierten Linearflug, der uns über 150 Lichtjahre hinwegführen sollte.

Ende Bericht Laura Anderson

 

Forsetzung folgt

Inhalt