
Der Goshun-Salzsee lag in tiefe Dunkelheit
gehüllt, nur ein einsames Licht huschte über die Wasseroberfläche.
Der Beobachter verfolgte die Flugbahn des Gleiters wortlos. Er hielt ein
Glas in der Hand, in dem sich eine trübe Flüssigkeit befand, die stark nach
Alkohol roch. Langsam hob er das Glas an die Lippen und nahm einen tiefen
Schluck.
Er genoß das Brennen in seiner Kehle, als der Alkohol durch seine
Speiseröhre glitt. Unbewußt tastete seine Hand über die Brust, nach einem
Zellaktivator suchend, den er dort nie finden würde.
Vor 330 Jahren, im Jahre 1996, war er zum ersten Mal auf Wanderer
gewesen, um dort die Zelldusche zu empfangen, zusammen mit einem
Unsterblichen, der heute immer noch sehr populär war, und wesentlich bessere
Aussichten hatte, einen Zellaktivator zu bekommen: Julian Tifflor war damals
mit dabei gewesen.
Was für einem Umstand er diese Ehre zu verdanken hatte, wußte er bis
heute nicht. Sicher hatte es etwas mit seiner Karriere im Geheimdienst zu
tun, die er in den Jahren vor dem Raumflug Rhodans gemacht hatte. Kurz und
erfolgreich, so mußte man sie wohl charakterisieren.
Diese Karriere hatte ihm eine Zelldusche eingebracht, die bisher alle 62
Jahre erneuert worden war.
Doch heute war etwas geschehen, was all die vergangenen Jahre mit einem
Schlag zunichte machte. ES hatte sich gemeldet und angekündigt, vor einer
großen Gefahr fliehen zu wollen. Als Trost hinterließ die Superintelligenz
25 Zellaktivatoren in der Galaxis, die erst gefunden werden mußten, um dann
von Rhodan verteilt zu werden.
Nur eines war dabei sicher, nämlich daß er keinen bekommen würde. Es
gab wesentlich mehr als 25 Menschen, deren Leben mit einer Zelldusche verlängert
worden war, eine ganze Reihe dieser Menschen würde bald sterben müssen.
Nach 330 Jahren Leben sollte ihm das eigentlich nichts mehr ausmachen,
aber gerade dadurch, daß er so lange gelebt hatte, hing er sehr am Leben.
Deshalb wollte er nicht sterben. Und er hatte nicht mehr lange Zeit. Vor
zwanzig Jahren hatte er die letzte Zelldusche erhalten, und in nur 42 Jahren
würde sein Leben enden. Das hörte sich nach einer langen Zeit an, aber wenn
man diese Zeit nur nutzte, um auf seinen Tod zu warten, dann war sie nicht
sehr lang.
Schweigend starrte der Mann über den im dunkeln liegenden See hinaus, während
er überlegte, wie er sein Leben retten konnte, aber ihm fiel nichts ein.
Langsam drängten sich Bilder in den Vordergrund seines Bewußtseins,
Bilder über Begebenheiten, die Jahre, sogar Jahrhunderte zurücklagen. Oh
ja, er hatte ein langes, gefährliches Leben hinter sich. Schade, daß es
bald vorbei sein sollte...
Peter
Wolf duckte sich unter dem Strahlerschuß hinweg und warf sich blitzschnell
in Deckung. Gerade noch schaffte er es, hinter einer niederen Mauer Zuflucht
zu finden, da schlugen die Strahlen auch schon in den Steinbrocken ein.
Hektisch kroch er von der Stelle weg, die schon bedenklich rot glühte.
Gerade rechtzeitig, denn kaum hatte er sich von seinem Platz entfernt,
als die Mauer auch schon zusammenbrach und sich ein kleiner Steinhaufen genau
an der Stelle bildete, die er gerade verlassen hatte. Eine Sekunde später,
und er wäre vielleicht nicht tot gewesen, aber angesichts seiner Gegner wäre
die Gefangenschaft auf das Gleiche hinausgelaufen.
Wolf kroch hinter der Deckung entlang auf ein kleines Gebäude zu, das
sich direkt vor ihm erhob. Wenn er es erreichte, dann wäre seine Chance gut
gewesen, den Angriff seiner Gegner lebend zu überstehen. Aber immer noch
schossen die Strahlen der Thermowaffe auf ihn zu, bohrten sich in die
Deckung, die ihn noch schützen konnte, aber sicher nicht mehr lange. Langsam
bröckelte die lächerlich kleine Mauer immer mehr zusammen, sowohl vor als
auch hinter ihm, und Wolf wußte nicht, ob er es noch schaffen würde.
Plötzlich hörte der Beschuß auf.
Wolf fragte sich nicht, was gerade passiert war, er nutzte einfach die
Gunst des Augenblicks und richtete sich leicht auf. Natürlich rechnete er
mit einer List. Wahrscheinlich wollten ihn die Gegner lediglich in Sicherheit
wiegen und wenn irgendeines seiner Körperteile zu sehen war, dann konnten
sie das Feuer eröffnen. Aber die Chance gab er ihnen nicht. Geduckt rannte
er in der Deckung der Mauer auf das Haus zu, das ihm Schutz versprach, doch
erreichen sollte er es nicht mehr. Kurz davor erwischte ihn die Druckwelle
einer Explosion. Die Gegner hatten eine Sprenggranate geworfen, die die Überreste
der Mauer hinwegfegte und auch nicht vor seinem Körper Halt machte.
Wolf fühlte sich gepackt und gegen die Wand des Hauses geschleudert, in
das er sich retten wollte.
Als er das Bewußtsein zu verlieren drohte, nahm er wie durch einen
Schatten das Erscheinen mehrerer Männer wahr. Die Springer grinsten
befriedigt, machten einige scherzhafte Bemerkungen und richteten eine Waffe
auf ihn.
Das ist also das Ende, dachte der Agent der SolAb. Merkwürdigerweise
blieb der Schmerz aus, den er erwartet hatte, aber mittlerweile waren die
Schmerzen seiner Verletzungen so stark geworden, daß er das Bewußtsein
verlor...
Erstaunlich, aber er war nicht tot. Langsam
öffnete er die Lider seiner Augen und ließ einen ersten Blick durch das
Rund schweifen, allerdings erkannte er nicht viel. Alles wirkte verschwommen,
und als er versuchte, Bewegungen zu fixieren und einzuordnen, wurde ihm
schwindlig. Das Bewußtsein verließ ihn wieder, aber es kam auch schnell
wieder.
Diesmal machte er nicht den Fehler, die Augen öffnen zu wollen. Er
lauschte und versuchte, die Geräusche, die ihn zahlreich umgaben
einzuordnen.
Vergeblich, wie er erkannte.
Langsam kamen die Erinnerungen zurück, er erinnerte sich an die letzten
Momente, bevor er das Bewußtsein verlor. Springer, die ihn erschießen
wollten. Nun, glücklicherweise hatten sie es unterlassen. Aber warum?
Er wußte nicht einmal, warum sie ihn überhaupt angegriffen hatten.
Hatte er ihnen einen Handel kaputtgemacht?
Langsam sickerten mehr Einzelheiten in sein Gehirn und er erkannte, daß
er sehr viel vergessen hatte. Zu viel. Sogar seinen Namen.
Erschrocken zuckte der Mann zusammen, dann verlor er erneut das Bewußtsein.
Diesmal dauerte es länger, bis er wieder zu sich kam.
Stimmen rissen ihn aus seiner
Besinnungslosigkeit. Er versuchte, einen Sinn in den Worten zu erkennen, die
an seinem Gehör vorbei rauschten.
Langsam wurden die Stimmen klarer und er erkannte, daß sie über ihn
redeten. Aber einen Sinn in den Worten konnte er immer noch nicht finden, und
so bewegte er sich stöhnend, um die Männer auf sich aufmerksam zu machen.
Die Worte verstummten und er hörte Schritte, die sich seinem Lager näherten.
Er versuchte, die Augen zu öffnen, aber sofort erfaßte ihn wieder ein
Schwindelgefühl und er schloß sie schnell wieder, bevor er das Bewußtsein
erneut verlieren konnte.
»Kannst du mich hören?«
Die Stimme schnitt in sein Gehirn und für einen Augenblick verspürte er
das Bedürfnis, in Panik aufzuspringen und wegzurennen, aber er beherrschte
sich.
Krächzende Laute kamen über seine Lippen und es dauerte einen Moment,
bis er sich selber als Redner erkannte. Entsetzt verstummte er, dann
versuchte er erneut, zu reden.
»Ja«, flüsterte er langsam. »Wo bin ich?«
Falsche Frage, erkannte er. Zunächst wäre es wichtig gewesen, zu
erfahren, wer er war, denn mit einemmal wurde ihm schmerzlich bewußt, daß
er nicht mehr wußte, wie er hieß. Die nächste Frage des Menschen, der an
seinem Bett stand, entsetzte ihn daher sehr.
»Kannst du reden? Dann erzähle uns erst einmal, wer du bist, und was du
hier willst? Welchen Auftrag hattest du?«
Auftrag? Der Mann versuchte, den Kopf zu schütteln, aber das tat so weh,
daß er es lieber bleiben ließ. Mühsam versuchte er, den Menschen klar zu
machen, daß er nicht wußte, wer er war, aber es gelang ihm nicht, verständlich
zu reden.
»Wir legen ihn noch einen Tag schlafen«, vernahm er.
Er wollte sich wehren, als er das hörte, aber wieder schaffte er es nur,
unzusammenhängend zu reden und Widerstand konnte er erst recht nicht
leisten. Daher mußte er widerstandslos über sich ergehen lassen, daß sie
ihm einen Injektion in den Oberarm verpaßten. Kurze Zeit später verließ
ihn wieder das Bewußtsein.
Diesmal erinnerte er sich wenigstens wieder
an seinen Namen.
Aber gleichzeitig hatte er das Gefühl, daß er das besser für sich
behalten müsse. Die Stimme, an die er sich erinnerte, war nicht sehr
freundlich gewesen. Er wußte nicht, warum, aber die Männer waren
anscheinend gegen ihn. Langsam öffnete er die Augen. Für einen Moment erfaßte
ihn wieder der Schwindel, aber er bezwang ihn und behielt die Augen offen.
Anfangs tat das Licht noch in den Augen weh, aber es wurde mit der Zeit
erträglicher, und erstmals erhaschte Wolf einen Blick auf den Raum, in dem
er sich befand. An eine Zelle erinnerte der Raum nicht, aber das besagte
nichts. Heutzutage kannte man wirksame Methoden, jemanden in einem Raum
gefangen zu halten, ohne daß der Insasse das erkannte. Woher Wolf das wußte,
war ihm nicht so ganz klar, aber er erkannte, daß ihm mehr Dinge bekannt
waren, als er dachte.
Schmerzen breiteten sich über seinen ganzen Körper aus und langsam
kehrte wieder eine Erinnerung in sein Bewußtsein zurück. Kurz bevor ihn
einer der Springer erschießen wollte, war er durch die Wucht einer Sprengung
an eine Wand geschleudert worden. Das mußte der Grund für seine Schmerzen
sein.
Er versuchte, sich aufzurichten, aber der Schwindel, der ihn erfaßte,
brachte ihn schnell zu der Erkenntnis, sich doch besser wieder hinzulegen.
Dann konzentrierte er sich auf seinen Körper und versuchte, alle
Bereiche zu lokalisieren, die verletzt waren. Ganz bewußt ließ er seine
Instinkte über seine Reaktionen entscheiden, denn er erkannte sehr schnell,
daß ihm sein eigenes Unterbewußtsein mehr half, als das, was er ohnehin
nicht mehr wußte.
Und endlich erinnerte er sich an eine wichtige Tatsache: Er war Mitglied
des Terranischen Geheimdienstes, der Solaren Abwehr, oder auch SolAb genannt.
Daher also wollten sie Einzelheiten über einen Auftrag erfahren. Sie mußten
aus dem gegnerischen Lager stammen, aber wie sah dieses gegnerischen Lager
aus? Wer waren die Hintermänner? Und was war eigentlich sein Auftrag
gewesen?
Grübelnd wälzte er sich in seinem Bett hin und her. So lange er nicht
versuchte, sich aufzurichten, ging es ihm eigentlich ganz gut, aber er spürte
immer mehr, daß er noch einige Zeit in diesem Bett verbringen würde. Sein Körper
war schwer geschädigt und es grenzte an ein Wunder, daß er überhaupt noch
lebte. Andererseits war die Medizin in dieser Zeit weit fortgeschritten,
sicher würde man eine Möglichkeit finden, ihn wieder zu retten.
Als er versuchte, sich an die Jahreszahl zu erinnern, scheiterte er
wieder. Er wußte nicht, welches Jahr man schrieb, aber es machte ihm immer
weniger aus. Unwichtig, erkannte er sehr schnell. Das Überleben war
wichtiger. Solche Dinge würde er später immer noch erfahren können.
Die Tür öffnete sich und ein Mann kam herein, den Wolf nicht kannte. Er
war hager, hochgewachsen und hatte eine Glatze. Seine Kleidung wies ihn als
Arzt aus. Wolf strengte sein Gehirn an. Das Aussehen dieses Mannes sollte ihm
etwas sagen, aber er hatte keine Ahnung, was.
Allerdings war der Mann nicht eben höflich. Er grüßte nicht, sondern
kam sofort zur Sache.
»Und, geht's langsam besser?«
Ganz offensichtlich interessierte ihn der Gesundheitszustand seines
Patienten nicht allzu sehr. Trotzdem mußte es für ihn wichtig sein, daß er
lebte. Warum? War Wolf so bedeutend, oder war sein Überleben beruflich
wichtig für den Mann, in dem Wolf instiktiv einen Gegner sah?
»Ja.« Erfreut registrierte Wolf, daß seine Stimme langsam wieder verständlich
klang. Trotzdem hätte er gerne etwas getrunken, sein Hals fühlte sich sehr
trocken an.
»Wasser«, meinte er daher. Der Arzt nickte und griff nach einem Glas,
das auf dem Nachttisch stand. Einen Augenblick lang wollte sich Wolf weigern,
das Wasser anzunehmen, aber wenn man ihn töten wollte, dann hätte man das
schon früher tun können. Er nahm eine kräftigen Schluck.
»Dann erzähl uns mal, warum du uns in die Quere gekommen bist!«
Der Tonfall des Mannes hörte sich freundlich an, aber eine
unterschwellige Drohung war darin versteckt, wie der Agent erkannte.
»Ich kann mich nicht erinnern. Was ist mit mir los? Verraten Sie mir
wenigstens, wie es mir geht.«
Zögernd griff der Arzt nach einem Stuhl und ließ sich neben dem
Patienten nieder. Er schien zu erkennen, daß das Verhör nicht so einfach
werden würde.
»Einige Knochenbrüche, die nicht weiter gefährlich waren. Dazu kamen
aber eine Reihe innerer Verletzungen. Wir mußten die Milz und eine der
Nieren ersetzen. Dein rechtes Bein war abgetrennt, aber wir haben es wieder
nachwachsen lassen. Alles in allem geht es dir wieder recht gut, ich denke,
in drei Tagen kannst du das Bett verlassen.«
Wolf nickte, dann blickte er dem Arzt genau in die Augen.
»Ich habe einen Teil meines Gedächtnisses verloren. Haben Sie dafür
eine Erklärung?«
»Nun, du hattest einige Verletzungen am Kopf, aber die waren nicht so
schlimm. Allgemein kann es vorkommen, daß man nach solchen traumatischen
Verletzungen einen gewissen Gedächtnisschwund feststellt, aber in den
meisten Fällen hält das nicht so lange an.«
»Ich weiß, daß ich Ihre Körperform kenne. Aber ich kann mich trotzdem
nicht an den Namen Ihres Volkes erinnern.«
»Man nennt uns Galaktische Mediziner oder auch Aras. Du kannst froh
sein, daß sich einer von uns um dich kümmert.«
Wolf nickte, diesen Namen kannte er.
»Ich kann Ihnen nicht helfen. Wir müssen uns noch einige Tage gedulden,
bis ich wieder über mehr Erinnerungen verfüge. Im Moment weiß ich nicht
einmal meinen Namen oder meinen Beruf. Ich bin sicher, das wird sich in den nächsten
Tagen ändern«, meinte Wolf zuversichtlich.
»Ich werde dir ein bißchen helfen«, meinte der Ara und griff nach
einer Pistole, die ebenfalls auf dem Nachttisch lag.
Wolf dachte schon, das sei sein Ende, aber dann erkannte er die Pistole
als medizinisches Gerät. Mit ihr wurden Injektionen schmerzfrei verabreicht.
Er wollte sich wehren, aber der Ara beruhigte ihn.
»Keine Angst, wir wollen dich nicht töten. Noch nicht. Dieses
Medikament soll dir nur helfen, bestimmte Regionen deines Gehirns zu
stimulieren. Damit kannst du deinen Gedächtnisschwund sicher schneller überwinden.«
Zischend spritzte das Medikament in seinen Oberarm, und Wolf entspannte
sich. Müdigkeit erfaßte ihn, der er sich bereitwillig hingab. Im Moment
drohte ihm noch keine Gefahr. Wenn er die Erinnerungslücken noch einige Zeit
vorspielen konnte, dann waren seine Chancen gut, die Gegner irgendwann
angreifen zu können. Im Moment fühlte er sich schon sehr gut. Zwei Tage,
schätzte er, und er würde wieder laufen können.
Langsam dämmerte er in eine Traumwelt hinüber.
Schmerzen
breiteten sich über seinen ganzen Körper aus und langsam kehrte wieder eine
Erinnerung in sein Bewußtsein zurück. Kurz bevor ihn einer der Springer
erschießen wollte, war er durch die Wucht einer Sprengung an eine Wand
geschleudert worden. Das mußte der Grund für seine Schmerzen sein.
Er versuchte, sich aufzurichten, aber der Schwindel, der ihn erfaßte,
brachte ihn schnell zu der Erkenntnis, sich doch besser wieder hinzulegen.
Dann konzentrierte er sich auf seinen Körper und versuchte, alle
Bereiche zu lokalisieren, die verletzt waren. Ganz bewußt lies er seine
Instinkte über seine Reaktionen entscheiden, denn er erkannte sehr schnell,
daß ihm sein eigenes Unterbewußtsein mehr half, als das, was er ohnehin
nicht mehr wußte.
Und endlich erinnerte er sich an eine wichtige Tatsache: Er war Mitglied
des Terranischen Geheimdienstes, der Solaren Abwehr, oder auch SolAb genannt.
Daher also wollten sie Einzelheiten über einen Auftrag erfahren. Sie mußten
aus dem gegnerischen Lager stammen, aber wie sah dieses gegnerischen Lager
aus? Wer waren die Hintermänner? Und was war eigentlich sein Auftrag
gewesen?
Grübelnd wälzte er sich in seinem Bett hin und her. So lange er nicht
versuchte, sich aufzurichten, ging es ihm eigentlich ganz gut, aber er spürte
immer mehr, daß er noch einige Zeit in diesem Bett verbringen würde. Sein Körper
war schwer geschädigt und es grenzte an ein Wunder, daß er überhaupt noch
lebte. Andererseits war die Medizin in dieser Zeit weit fortgeschritten,
sicher würde man eine Möglichkeit finden, ihn wieder zu retten.
Als er versuchte, sich an die Jahreszahl zu erinnern, scheiterte er
wieder. Er wußte nicht, welches Jahr man schrieb, aber es machte ihm immer
weniger aus. Unwichtig, erkannte er sehr schnell. Das Überleben war
wichtiger. Solche Dinge würde er später immer noch erfahren können.
Die Tür öffnete sich und ein Mann kam herein, den Wolf nicht kannte. Er
war hager, hochgewachsen und hatte eine Glatze. Seine Kleidung wies ihn als
Arzt aus. Wolf strengte sein Gehirn an. Das Aussehen dieses Mannes sollte ihm
etwas sagen, aber er hatte keine Ahnung, was.
Allerdings war der Mann nicht eben höflich. Er grüßte nicht, sondern
kam sofort zur Sache.
»Und, geht's langsam besser?«
Ganz offensichtlich interessierte ihn der Gesundheitszustand seines
Patienten nicht allzu sehr. Trotzdem mußte es für ihn wichtig sein, daß er
lebte. Warum? War Wolf so bedeutend, oder war sein Überleben beruflich
wichtig für den Mann, in dem Wolf instiktiv einen Gegner sah?
»Ja.« Erfreut registrierte Wolf, daß seine Stimme langsam wieder verständlich
klang. Trotzdem hätte er gerne etwas getrunken, sein Hals fühlte sich sehr
trocken an.
»Wasser«, meinte er daher.
Der Arzt nickte und griff nach einem Glas, das auf dem Nachttisch stand.
Einen Augenblick lang wollte sich Wolf weigern, das Wasser anzunehmen, aber
wenn man ihn töten wollte, dann hätte man das schon früher tun können. Er
nahm eine kräftigen Schluck.
»Dann erzähl uns mal, warum du uns in die Quere gekommen bist.«
Der Tonfall des Mannes hörte sich freundlich an, aber eine
unterschwellige Drohung war darin versteckt, wie der Agent erkannte.
»Ich kann mich nicht erinnern. Was ist mit mir los? Verraten Sie mir
wenigstens, wie es mir geht.«
Zögernd griff der Arzt nach einem Stuhl und ließ sich neben dem
Patienten nieder. Er schien zu erkennen, daß das Verhör nicht so einfach
werden würde.
»Einige Knochenbrüche, die nicht weiter gefährlich waren. Dazu kamen
aber eine Reihe innerer Verletzungen. Wir mußten die Milz und eine der
Nieren ersetzen. Dein rechtes Bein war abgetrennt, aber wir haben es wieder
nachwachsen lassen. Alles in allem geht es dir wieder recht gut, ich denke,
in drei Tagen kannst du das Bett verlassen.«
Wolf nickte, dann blickte er dem Arzt genau in die Augen.
»Ich habe einen Teil meines Gedächtnisses verloren. Haben Sie dafür
eine Erklärung?«
»Nun, du hattest einige Verletzungen am Kopf, aber die waren nicht so
schlimm. Allgemein kann es vorkommen, daß man nach solchen traumatischen
Verletzungen einen gewissen Gedächtnisschwund feststellt, aber in den
meisten Fällen hält das nicht so lange an.«
»Ich weiß, daß ich Ihre Körperform kenne. Aber ich kann mich trotzdem
nicht an den Namen Ihres Volkes erinnern.«
»Man nennt uns Galaktische Mediziner oder auch Aras. Du kannst froh
sein, daß sich einer von uns um dich kümmert.«
Wolf nickte, diesen Namen kannte er.
»Ich kann Ihnen nicht helfen. Wir müssen uns noch einige Tage gedulden,
bis ich wieder über mehr Erinnerungen verfüge. Im Moment weiß ich nicht
einmal meinen Namen oder meinen Beruf. Ich bin sicher, das wird sich in den nächsten
Tagen ändern«, meinte Wolf zuversichtlich.
»Ich werde dir ein bißchen helfen«, meinte der Ara und griff nach
einer Pistole, die ebenfalls auf dem Nachttisch lag.
Wolf dachte schon, das sei sein Ende, aber dann erkannte er die Pistole
als medizinisches Gerät. Mit ihr wurden Injektionen schmerzfrei verabreicht.
Er wollte sich wehren, aber der Ara beruhigte ihn.
»Keine Angst, wir wollen dich nicht töten. Noch nicht. Dieses
Medikament soll dir nur helfen, bestimmte Regionen deines Gehirns zu
stimulieren. Damit kannst du deinen Gedächtnisschwund sicher schneller überwinden.«
Zischend spritzte das Medikament in seinen Oberarm und Wolf entspannte
sich. Müdigkeit erfaßte ihn, der er sich bereitwillig hingab. Im Moment
drohte ihm noch keine Gefahr. Wenn er die Erinnerungslücken noch einige Zeit
vorspielen konnte, dann waren seine Chancen gut, die Gegner irgendwann
angreifen zu können. Im Moment fühlte er sich schon sehr gut. Zwei Tage,
schätzte er, und er würde wieder laufen können.
Langsam dämmerte er in eine Traumwelt hinüber.
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