Ich hatte Funkdienst. Meine
Eltern hatten sich in ihre Kabine verzogen, Joan und Simon feierten ihren
persönlichen Tanzabend in unserer Messe, während unsere beiden
Umweltangepaßten sich im 25-Kilogramm-Kugelstoßen maßen. Meine werten
Brüder hüteten den Maschinenraum. Ich hatte ihnen noch gesagt, daß sie
den Mahonyschwestern doch gefälligst ein Valentinsgeschenk machen sollten,
wenn sie schon nicht selbst bei ihnen vorbeikommen könnten. Wie erwartet
hatten mich die beiden Zwillinge zuerst verdutzt, dann böse, dann
belustigt angeguckt. Nun saß ich mit unserer Neuerwerbung aus der fremden
Galaxis auf der anderen Seite der nun nicht mehr bestehenden Geheimstraße
der MDI, Dyvoni Haxlar, im Ortungs- und Funkraum der EOS.
»Was ist an diesem Tag so wichtiges, den ihr
>Valentinstag< nennt, Laura?« fragte mich Dyvoni und blickte mich
aus ihren schwarzen Augen an
»Ich weiß nicht, wann dieser Tag eingeführt wurde und
warum es ausgerechnet der vierzehnte Februar ist. Aber es ist schon eine
Jahrhunderte alte Sitte: Männer und Jungen schenken den Frauen oder
Mädchen, die sie lieben eine Kleinigkeit, um ihre Liebe zu beweisen.
Früher war das ein wichtiger Tag für Blumenhändler und
Duftwasserverkäufer. Heute ist es schon ein Geschenk, wenn der Verehrer
seine Angebetete treffen und ihr einen schönen Tag bereiten kann.
»Und wir sind die einzigen, die nicht davon betroffen
sind?« wollte Dyvoni wissen.
»Offiziell ja. Die beiden Jungs sehen sich auch als
unbetroffen von Valentin. Aber ich kenne die beiden Blondies. Die werden
sich rechtzeitig bedanken, daß sie nicht bedacht worden sind«, erwiderte
ich grinsend.
»Müssen es die männlichen Exemplare einer Paarbindung
sein, die Geschenke überreichen?« fragte mich Dyvoni noch.
»Nicht unbedingt«, erwiderte ich. »Aber früher hieß
es, daß Männer so zum Ausdruck bringen könnten, was sie nicht in Worte
fassen könnten, weil ihnen dazu die Begabung fehle.«
»Ich hoffe doch, daß deinem Vater einfällt, was er
deiner Mutter sagen kann«, meinte die Jitari und imitierte ein Lächeln.
Ich antwortete nicht darauf. Schließlich hatte es zwischen meinen Eltern,
seit ich denken kann, keinen Streit gegeben. Sicher, meine Mutter war eine
ausgezeichnete Diplomatin und verstand es, ihre Gefühle zu kontrollieren.
Aber mein Vater war ein Mensch, der immer zeigte, wie er sich gerade
fühlte. Wenn es etwas gegeben hätte, was zwischen den beiden nicht
stimmte, hätte er sich entweder zurückgezogen und laut irgendwelche alten
Rockmusikstücke gehört oder hätte stillschweigend in den Tag
hineingelebt. Richtig böse war er bis jetzt noch nicht geworden, wenn man
mal von seiner unübertroffenen Ironie absah.
»Bist du traurig, daß du keinen Freund oder
Lebenspartner hast, mit dem du heute zusammen sein kannst?« bohrte Dyvoni
nach. Ich überlegte, worauf diese Frage hinauslaufen sollte. Dann
erwiderte ich so nüchtern wie möglich:
»Ich habe bis heute keinen gefunden, den ich jetzt
vermissen würde. Und die, mit denen ich gerne zusammen bin, sind alle
hier.«
»Gehöre ich auch dazu?« kam eine Frage, wie von einem
Kind, von Dyvoni. Ich wußte nicht, ob ich jetzt grinsen oder grollen
sollte, weil ich absolut nicht wußte, wie ich diese Frage verstehen
sollte. Dann sagte ich:
»Du gehörst zu uns allen.<<
»Gut, ich muß verstehen, daß du dir kein
persönliches Urteil bilden kannst, weil wir ja noch nicht so lange
zusammen sind«, wertete die zierliche Humanoide aus einer fernen Galaxis
meine Antwort. Dann wechselten wir das Thema und besprachen den Flug der
EOS.
Wir hatten vor vier Minuten eine Linearetappe über 200
Lichtjahre beendet und wollten eine Stunde lang die Sterne vermessen, um
unseren weiteren Kurs zu bestimmen. Dyvoni bediente die Ortungsanlage,
während ich die Funksterne in der näheren Umgebung abhörte, um deren
Winkel zu uns zu ermitteln. Trotz Hypertaster und überlichtschneller
Energieortung waren die vielen Pulsare und radiowellen aussendenden
Gaswolken immer noch eine gute Orientierungshilfe für die Raumfahrt. Wenn
ich die exakten Daten hatte, sollte ich sie, so Saga, unsere derzeitige
Chefpilotin, in die Navigationspositronik eingeben und die Flugparameter
festlegen lassen. Wenn das der Fall war, konnte ich sie in die Zentrale
rufen, damit sie wieder steuerte, denn Daddy hatte sich Urlaub für den
ganzen Valentinstag 2420 ausgebeten. Und der Bordkalender in der Ortungs-
und Funkzentrale zeigte gerade 19:25 Uhr am 14. Februar 2420. Also hatten
wir noch vier Stunden und fünfunddreißig Minuten, in denen wir mit denen
auskommen mußten, die nicht irgendwelchen Valentinsverpflichtungen
nachgingen.
Das Rumpeln schwerer Gegenstände, die einige Decks
über uns mit großem Schwung bewegt wurden, sowie das gleichmäßige
Rauschen der Klimaanlage, waren die einzigen Geräusche, die um uns herum
waren. Vor mir tanzten Oszillogramme, blinkten Anzeigen und wanderten
Zeiger, mal nach rechts, mal nach links. Stellare Statik, die gemengt war
mit den kümmerlichen Resten von weit entfernt stattfindendem
Hyperfunkverkehr bekannter und vielleicht auch unbekannter Zivilisationen,
wurde von den ausgefahrenen Antennen eingefangen und von den
Hyper-Normal-Wandlern umgesetzt. Ich drehte leicht am Lautstärkeregler, um
die Radiowellenstrahlung hörbar zu machen. Zirpen, Knistern, Rauschen,
Knacken, Brummen. Der Chor der kosmischen Stimmen, wie ihn irgendwer mal
genannt hatte.
»Du hast mir vor drei Tagen erzählt, daß die Leute
aus deinem Volk dich wegen deiner Herkunft falsch behandelt haben, Laura«,
brach Dyvoni das Schweigen. Ich schüttelte leicht den Kopf und erwiderte:
>>Nein, Dyvoni! Ich sagte, daß man mich wegen
meiner hellgrünen Haare geärgert hat, nicht wegen meiner Herkunft. Das
ist schon lange nicht mehr üblich bei uns Terranern, jemanden seiner
Herkunft oder Abstammung wegen Vorhaltungen zu machen oder ihn oder sie zu
beleidigen. Aber weil ich eben keine doranischgrünen Haare habe, war es
für viele unvorstellbar, daß das, was davon bedeckt wurde, normal sein
könnte. Manche hielten mich auch für einen Mutanten. Du weißt, was das
ist, Dyvoni?«
>>Ein Wesen, das durch genetische Veränderung
andere körperliche oder geistige Eigenschaften besitzt. In eurer Welt
spielen dabei besonders die geistigen Sinne und Kräfte eine Rolle. Die
Regierung eurer Stammwelt verfügt über mehrere Personen mit solchen
Kräften. Und dein Vater hat gesagt, daß man mich wegen meiner Begabung
der Wahrnehmung und Beeinflussung fünfdimensionaler Vorgänge bestimmt
auch in dieses Mutantenkorps eingegliedert hätte. Aber ich bin froh, daß
ich mich bei euch und in völliger Freiheit bewegen kann«, antwortete
Dyvoni ausschweifend.
»Apropos frei«, kam ich auf einen Punkt, den zu
berühren wir alle uns bis jetzt gescheut hatten, seitdem mein Bruder Rick
Dyvoni aus dieser merkwürdigen Kugel befreit hatte.
»Weshalb wurdest du in dieser Konservierungskugel
eingeschlossen? Hast du irgendwas in deiner Welt getan, was dort nicht
erlaubt war? Befürchte nicht, daß ich dich deswegen verachten könnte,
Dyvoni. Aber ich möchte doch wissen, wieso man dich in diese Zeitkapsel
eingesperrt hat.«
»Nichts, was ihr nicht auch wollt. Ich wollte mit
Freunden und Verwandten eine Zivilisation der Freiheit und Gleichheit
schaffen, in der jeder tun kann, was er will. In unserer Galaxis regierte,
solange ich dort lebte, ein Wesen Namens Lukar, das den sogenannten Frieden
der Wachsamkeit einführte. Sicher, unsere Völker, nicht nur die Jitari
Xinho, zu denen ich gehöre, sondern auch die Jitari Zirto, Lashgo und
Yotasu, sowie Völker anderer Planeten, lebten seitdem in Frieden
miteinander. Aber das lag einfach daran, daß das Lukar uns für seine
Zwecke in Arbeitsgemeinschaften einteilte und uns von seinen Wächtern, den
Sehern, Horchern und Geistreinigern, bewachen ließ. Ich wollte also ...
Laura, da ist was!« rief Dyvoni, gerade als es interessant wurde. Dann
hörte ich das leise Piepsignal, das mir eine Hyperfunksendung verriet. Ich
drückte reflexartig den Speicherknopf, dann den Auslöser für die
Peilsonde, um dann auf den Anzeigen zu verfolgen, was geschah.
Wir glitten im freien Fall mit 5% der
Lichtgeschwindigkeit durch den interstellaren Raum. Und von einem
Augenblick zum Anderen, traf uns ein starker Hyperfunkrichtstrahl. Es
dauerte nur zwei Sekunden, dann war die EOS schon aus dem Empfangsfenster
dieses Sendestrahls heraus. Erstaunt sah ich, wie die
Einfallstärkenanzeige ohne Übergang wieder auf den Nullwert zurückfiel.
Ich ging an den Interkom und wählte den Sportraum für die Mannschaft.
Zuerst hörte ich aus dem Lautsprecher nur das
metallische Poltern einer schweren Wettkampfkugel, wie sie von
Hochschwereweltlern benutzt wurde. Dann sah ich das Gesicht von Saga
Chaise, der oxtornischen Copilotin und guten Bekannten meines Vaters. Sie
trug überhaupt keine Perücke, wie sie es sonst tat. Dafür war sie in
einen rubinroten Sportanzug gehüllt.
»Was ist los, Laura?« begrüßte Saga mich.
»Wir haben gerade einen scharfgebündelten Richtstrahl
eines Hyperkoms durchflogen, Saga. Ich habe ihn heruntergenommen und das,
was ich in den zwei Sekunden erwischen konnte, im Speicher gebannt.«
»Zwei Sekunden, Laura? Wie weit war der Sender denn
weg?« wollte Saga wissen. Hinter ihr erkannte ich einen großen Schatten.
Das konnte nur unser ertrusischer Feuerwerker, Frachtschubser und
Nahrungsüberschußverringerer Eldar Maktrom sein, der mithören wollte,
was es denn so interessantes gab.
Ich warf einen Blick auf die Anzeigen der Peilsonde,
dann sagte ich: »Der Sender stand 150 Lichtjahre von uns entfernt im
Leerraum, Saga.«
»In dieser Entfernung nur eine Streubreite von 30000
Kilometern? Das ist beachtlich«, kommentierte Saga meine Angaben. »Und
was kam rein, Laura?«
»Das verrät uns hoffentlich die Funkpositronik. Ich
lasse die aufgefangenen Signale gleich durchkauen, dann gucken wir, was
hinten herauskommt.«
»Hoffentlich bekommt unsere Funkpositronik keinen
Schluckauf«, erwiderte Saga grinsend. Ich lachte amüsiert. Dann bat ich
Saga, in die Zentrale zu gehen, um das Schiff zurückzusteuern. Vielleicht
war der Funkstrahl noch da und ich konnte den Sender, vielleicht auch den
Empfänger, eindeutiger bestimmen. Saga erklärte sich einverstanden und
beendete den Interkomkontakt.
Eine Minute später sah ich durch die transparente
Trennwand zwischen Ortungszentrale und Kommandozentrale, wie Saga eintrat
und sich hinter die Flugkontrollen in den Sessel warf. Von einer Sekunde
zur Anderen hatte sie die Automatik abgeschaltet und die Steuerung
übernommen. Dann sprach sie kurz mit meinem Bruder Lydor über Interkom,
worauf die Maschinen der EOS zu arbeiten begannen. Ich bemühte mich
inzwischen um die Auswertung der aufgefangenen Signale. Als die Positronik
die ersten Ergebnisse präsentierte, staunte ich nicht schlecht. Die rote
Lampe für identifizierte Notfallcodes blinkte auf, während die
Funkpositronik den Vollalarm auslöste. Dann kam über die Textanzeige der
Positronik:
»SAGOPYA, Notfall 17. Position bei Markierung 27-98.«
Bevor mich alle an Bord nach dem Alarmgrund fragten,
griff ich selbst zum Mikrofon und drückte die Rundruftaste.
»An alle!
Wir haben gerade einen Notruf mit Dor-189-Codierung
erhalten. Der Notrufsender identifiziert sich als SAGOPYA. Jedoch werden
über die Art des Notfalls, sowie den genauen Standort, unverständliche
Angaben gemacht.«
Keine zwei Minuten später standen meine Eltern im
Funkraum. Meine Mutter ließ sich von mir die Aufzeichnungen vorführen,
während mein Vater Saga bei der Rückführung der EOS zum Empfangsfenster
des Funkrichtstrahls beobachtete.
»Und die Positronik irrt sich nicht, Laura? Die
Identifizierung lautet SAGOPYA?« wollte meine Mutter wissen.
»Es sind zwei identische Nachrichten aus dem
Richtstrahl gefiltert worden, Mom. Außerdem war die Übertragung in zwei
Komponenten gegliedert. Die eine transportierte die Nachricht, die andere
übertrug den Notfallcode, auf den unsere Positronik reagierte. Die
Positronik weist den Alarmcode als Dor-189 aus«, erwiderte ich.
Ich sah, daß meine Mutter übernormal hektisch wurde,
als sie die Aufzeichnungen studierte. Dann sagte sie:
»Relxana.«
Relxana, daß wußte ich, war eine Tante
mütterlicherseits. Mom hatte mir erzählt, daß sie einen kleinen Frachter
von 100 Metern Größe kommandierte, der vollautomatisch sei. Außerdem
wäre Relxana die einzige Anverwandte, die sich noch für meine Mutter,
meine Brüder und mich interessiert hatte, wenn auch mit großer
Verachtung.
»Du glaubst, deine Schwester ruft um Hilfe, Kyla?«
wollte mein Vater wissen.
»So sieht es aus, Roy«, antwortete Mom.
»Dann verstehe ich aber zwei Dinge nicht, Mom«,
mischte ich mich ein. »Wieso wurde die Nachricht verschlüsselt? Und warum
wurde sie von einem sehr scharfgebündelten Richtstrahl ausgesendet. Wenn
das ein echter Notruf ist, hätte der doch im Klartext über Rundstrahlfunk
abgesetzt werden müssen. Außerdem wäre dann auch die Position und die
Art des Notfalls so gehalten worden, daß jedes solare oder doranische
Schiff die geeigneten Maßnahmen hätte treffen können. Also warum wurde
der Notruf als heimliche Botschaft ausgeschickt?«
»Das frage ich mich auch, Laura«, gestand meine
Mutter.
»Einen Notruf über einen Richtstrahl abzusetzen, noch
dazu verschlüsselt, entbehrt einer gewissen Logik.«
»Falls es keinen Grund gibt, der zwingender ist, als
die Notlage selbst«, spekulierte ich.
»Das Empfangsfenster war nur 30.000 Kilometer breit,
Laura?«
»Genau, Mom. Und nur Dyvonis empfindlichen Sinnen
verdanken wir es, daß wir den Trägerstrahl noch abfangen konnten. Aber
nun weiß ich wirklich nicht, was ich von der Sache halten soll.«
»Ich rufe die doranische Raumfahrtbehörde und frage
an, was mit der SAGOPYA ist«, entschloß sich meine Mutter, die ehemalige
Kommunikationsbeauftragte von Dor und stellte eine
Richtfunkhyperkomverbindung mit Dor her.
Auf dem Bildschirm der Funkanlage erschien das Gesicht
eines moosgrüngelockten Doran, der in eine langweilige Uniform gehüllt
war. Ich weiß nicht, ob oder wie wir ihn gestört hatten, aber er blickte
uns verärgert an.
Mom identifizierte uns. Dann fragte sie:
»Haben Sie neue Daten über die SAGOPYA? Ich würde
gerne wissen, wo sie sich im Moment befindet.«
»Das Raumschiff SAGOPYA? Moment, ich sehe mir die Daten
an«,kam die Antwort des doranischen Funkers. Sein Gesicht verschwand für
wenige Sekunden. Dann sagte er:
»Die SAGOPYA ist bereits vor 10 Jahren außer Dienst
gestellt worden, Mrs. Anderson.«
»Dann würde ich gerne wissen, wo sich meine Schwester
zur Zeit aufhält und wie ich sie erreichen kann«, reagierte meine Mutter
auf die Aussage des Funkers auf Dor. Dieser verschwand noch einmal vom
Bildschirm. Doch eine Sekunde später war er wieder zu sehen. Er machte
eine sehr maskenhafte Miene als er sagte:
»Sie haben zu den von Ihnen erfragten Informationen
kein Zugangsrecht mehr, Mrs. Anderson. Damit ist unser Gespräch beendet.«
Ich sah, wie meine Mutter zunächst wütend, dann
verzweifelt wurde.
»Ich kann meine Schwester nicht erreichen«, sprach
sie, wobei sie ihre Stimme beherrschen mußte, um nicht loszuschreien.
»Die erteilen mir keine Auskünfte, weil ich keine Doranin mehr bin.«
»Wir wissen ja auch nicht, ob es wirklich das Schiff
von Relxana Dyrut ist«, versuchte Dad, meine Mutter zu beruhigen.
»Warum sollte sich jemand anders als SAGOPYA
identifizieren, Roy? Ich weiß nicht, was ich denken soll.«
»Aber ich«, mischte ich mich ein. Dann ging ich zur
Funkanlage, rief die Hyperkomverbindung mit Dor noch einmal auf und bekam
nun selbst den gelockten Funkoffiziellen zu sehen.
»Wer sind Sie denn?« fragte er mich. Ich stellte mich
vor und sagte:
»Ich erbitte die Information über den Aufenthaltsort
oder die Kontaktmöglichkeiten von Relxana Dyrut.«
»Sie sind Terranerin, Ms. Anderson. Sie haben keine
Befugnisse, private Auskünfte über doranische Staatsbürger zu
erfragen«, kam mir dieser hochamtliche Lockenkopf mit seinen
bürokratischen Ausflüchten. Ich erwiderte:
»Ich bin eine der nächsten Verwandten von Mrs. Dyrut.
Falls sie durch irgendwas ums Leben gekommen sein sollte, will ich darüber
informiert sein, ob und was ich erben werde.«
Mom starrte mich entsetzt an. Offenbar ging ihr meine
Begründung entschieden zu weit.
»Doranische Staatsbürger sind nur dem doranischen
Staat und dessen Bürgern verpflichtet und mit Rechten ausgestattet. Sie
haben...«
»...gemäß multilateraler Übereinkunft über den
offiziellen oder privaten Umgang mit Bürgern anderer galaktischer Staaten
das Recht gemäß Blutsverwandschaftsklausel, Unterabschnitt
Vermögensnachlaßbestimmungen, alle Rechte, über jeden Verwandten bis zum
zweiten oder dritten Grad informiert zu sein, falls dies für mich von
erbrechtlicher oder familiärer Bedeutung sei. Da ich doranische Vorfahren
habe, bin ich zum Teil Doranin, zumindest der Rechtslage nach«, schnitt
ich dem Bürokraten das Wort ab.
»Ihre Mutter hat alle familiären, staatsbürgerlichen
und materiellen Rechte und Pflichten ersatzlos abgetreten. Sie haben beide
keine Verwandten auf Dor.«
»Ach wissen Sie«, antwortete ich auf die Bemerkung des
Funkers, »ich mach’ da nicht viele Worte. Ich wende mich an den
pangalaktischen Ausschuß für Rechtswahrung zwischenstaatlicher
Vereinbarungen und werde denen erzählen, daß der doranische Staat meinen
Erbteil unterschlägt, obwohl ich, auch als Staatsbürgerin des solaren
Imperiums Anspruch auf die Einhaltung der Übereinkunft habe. Also, was ist
mit meiner Tante?«
»Suchen Sie sie doch gefälligst selbst!«
»Sind Sie befugt, solche Vorschläge zu machen, oder
war das ein Befehl? Falls das zweite der Fall ist, möchte ich doch wissen,
ob Sie als Doran einer Terranerin solche Anweisungen erteilen dürfen.
Einen angenehmen abweichungsfreien Resttag wünsche ich noch!« beendete
ich den Funkkontakt, nachdem mein Lichtjahre entfernter Gesprächspartner
das Gesicht zu einer wütenden Grimasse verzogen hatte.
»Und was sollte das jetzt, Laura?« fuhr mich meine
Mutter an.
»Frechheit siegt«, erwiderte ich grinsend. »Der Typ
hat verraten, daß wohl keiner weiß, wo Tante Relxana sich aufhält, was
bei der strickten Ordnung deiner ursprünglichen Heimatwelt sehr
merkwürdig ist. Der hätte nämlich genau nach den von mir erwähnten
Vorgaben Auskunft erteilen müssen, falls irgendwas passiert wäre. Aber
offenbar weiß man da unten unter Dorhams warmem Licht nicht, wo deine
Schwester ist und was sie macht. Kommt dir das als ausgebildete Diplomatin
nicht auch seltsam vor?«
»Genauso wie die Angabe, daß die SAGOPYA schon längst
nicht mehr im Dienst ist und dieser Notruf per Richtfunk mit sehr scharfer
Bündelung ausgesandt wurde, Laura«, antwortete meine Mutter und nahm eine
gefaßte Haltung ein.
»Ich denke«, sagte ich, »daß wir dem Vorschlag
folgen sollten und Tante Relxana suchen sollten«, erklärte ich.
»Ja, das machen wir, Laura. Jetzt will ich auch wissen,
was an diesem heimlichen Notruf dran ist«, pflichtete Mom mir bei. Eine
stumme Frage zu Dad, ein bekräftigendes Nicken von diesem, und wir drei
waren uns einig. Kurze Zeit später erreichten wir den Punkt, an dem wir
den Funkstrahl durchquert hatten. Doch der Hyperfunkstrahl war nicht mehr
aktiv. Saga stoppte das Schiff vollständig. Dann ließ sie sich von mir
die Daten zuspielen, die ich über den Ursprung des Funkstrahls gesammelt
hatte. Schnell hatte sie die astrogatorische Positronik damit gefüttert
und einen exakten Linearflugkurs zum Ursprungspunkt des Funkstrahls
errechnet. Eine formale Frage an die restliche Besatzung, ob jemand nicht
damit einverstanden sei, daß wir den Kurs änderten, ergab eine
einstimmige Antwort, daß keiner etwas gegen die Untersuchung des Notfalls
einzuwenden hätte. Also schaltete Saga die Flugautomatik wieder ein und
startete den programmierten Linearflug, der uns über 150 Lichtjahre
hinwegführen sollte.
Ende Bericht Laura Anderson
Inhalt
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