Thorsten Oberbossel (oberboss@stud-mailer.uni-marburg.de)

Perry Rhodan Ich wollte nie ein Held sein

Teil 4 von 4

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    Lyxandra Giranut erwies sich als außergewöhnlich sachkundig im Auffinden eines Hauptklimaschachtes. Sie entzündete mit dem Thermostrahler, den sie einem Akonen abgenommen hatte, ein Stück Stoff aus der Uniform eines der von uns überwundenen Akonen, das hell aufloderte. Mit dem brennenden Stoffetzen wandelte die Doranin durch den Korridor und hielt den Stoffrest einige Male hoch, dann sagte sie:
    »Ich habe einen Klimaschacht, Shaky.«
    »Wie haben Sie das denn gemacht?« fragte ich und ärgerte mich gleich über meine Dummheit.
    »Der älteste Jagdtrick, Shaky. Bringt man euch Eierköpfen sowas nicht mehr bei?« erwiderte die Kriegerin gehässig.
    Das geschah mir recht! Wieso hatte ich nicht daran gedacht? Sicher konnte man mit einer Flamme die Strömungsrichtung von umgewälzter Bordatmosphäre nachweisen, ja sogar durch eine geringfügige Farb- oder Leuchtkraftveränderung der Flamme nachweisen, wo Abluft eingesogen oder Frischluft zugeführt wurde.
    Ich trat neben die Doranin. Dann nahm ich die Atombatterien, die wir erbeutet hatten und führte an diesen unzulässige Manipulationen durch. Jetzt hatten wir nur maximal noch fünfzig Sekunden, bevor die Reaktionsmasse, die durch eine geringfügige Erhöhung der ionisierenden Strahlung aktiviert worden war, die sie umgebende Schutzhülle derartig aufgeheizt haben würde, daß diese aufplatzte und die Reaktionsmasse als radioaktiver Dampf entwich. Ich wollte mit den Batterien an den von Lyxandra entdeckten Klimaschacht heran, doch das Weib von einer mir unbekannten Welt kam mir zuvor. Es nahm mir ungefragt die scharfgemachten Energiezellen weg, federte kurz mit den Beinen durch und landete dann mit einem sehr eleganten Satz auf meinen Schultern. Reflexartig fing ich die zusätzliche Last ab und richtete mich wieder zu meiner vollen Größe auf. Ich war es von Besuchen bei meinen Großeltern väterlicherseits her gewohnt, unter einer höheren Schwere zu laufen und sogar zu arbeiten. Deshalb machten mir die zusetzlichen 80 bis 90 Kilogramm, die die Doranin wiegen mochte, nichts aus.
    Lyxandra beseitigte mit dem auf Desintegrationswirkung gestellten kleinen Kombistrahler das Schutzgitter vor dem Schacht. Dann beförderte sie die Batterien mit großem Schwung in den Schacht. Ich hörte, wie die Energiezellen im Schacht weiterrollten. Irgendwann, wenn ihre Inhaltsstoffe freigesetzt würden, würden diese sich schnell im Klimasystem ausbreiten und, falls man an die Einhaltung nukleartechnischer Sicherheitsstandards gedacht hatte, stationsweiten Strahlungsalarm auslösen.
    Federnd und erstaunlich leise landete Lyxandra Giranut neben mir auf dem Boden.
    »Komm, wir machen, daß wir hier wegkommen«, meinte die Kriegerfrau. »Wenn die nämlich den Weg der Strahlung nachrechnen, sind bald aufgebrachte Techniker oder Roboter hier.«
    Ich fand keinen Anlaß, ihr zu widersprechen.
    »Du bist wirklich gut, Shaky. Als ich beim Training mal einem meiner Teamkollegen auf die Schultern gehüpft bin, ist der doch tatsächlich
    unter mir zusammengebrochen.«
    »Und was hat Ihnen verrraten, daß ich Sie aushalten würde?«
    »Die Art, wie du mir klargemacht hast, daß du im Moment nichts von mir wolltest, Shaky«, gab die Doranin zur Antwort. »Aber dazu kommen wir nochmal, wenn wir aus diesem Bunker hier raus sind...«
    Ich hoffte, daß wir dann getrennte Wege gehen und uns danach nie wieder über den Weg laufen würden. Aber das wollte ich dieser Person nicht mitteilen.
    Kurz vor dem Zugang zu einem noch mit Energie versorgten Bereich der Station blieben wir stehen und lauschten. Dann, als wir ein rhythmisches Wimmern hörten, wußten wir, daß entweder der basisweite Strahlenalarm ausgelöst worden war oder man andere Gründe hatte, irgendwelche Sirenen einzuschalten. Als wir dann diverse Lautsprecherdurchsagen hörten, aus denen ich etwas von Raumanzügen und Ausgängen heraushörte, war ich mir sicher, daß unsere Atommüllaktion den erwünschten Erfolg gezeitigt hatte.
    »Wir passen eine Gruppe von Akonen ab, die auf dem Weg zu den Gleiterhangaren ist und schließen uns dieser an«, schlug ich vor.
    Die Doranin nickte mir zustimmend zu.
    Eine Minute später marschierte tatsächlich eine Gruppe von zehn Akonen in Raumanzügen in einen Korridor hinein, den ich als einen der Gänge wiedererkannte, durch die ich vom Gleiterhangar in die Zelle gebracht worden war. Ohne Zögern marschierten wir in der Gruppe mit. Den Mitgliedern des Evakuierungstrupps fiel nicht weiter auf, daß zwei zusetzliche Personen in ihrer Gruppe mitgingen. Und wir blieben auch nicht die einzigen, die noch zu der Gruppe stießen. Aus jedem Korridor, den wir passierten, strömten mindestens zehn weitere Akonen hervor und gliederten sich in die Gruppe der Flüchtlinge ein, die auf Grund eines unerklärlichen Atomunfalles die Basis zu räumen hatten.
    Unterwegs kamen weitere Durchsagen über Rundruflautsprecher, aus denen ich entnehmen konnte, daß die Technikerteams an die Arbeit gehen sollten, um ein Strahlungsleck im Bereich einer senkrechten Frischluftleitung
    zu untersuchen. Offenbar lag dieser Schacht in der Nähe einer Reaktoranlage, denn der Sprecher betonte, daß Eile geboten sei, weil sonst irgendwas passieren könne.
    Schweigend erreichten wir alle den Gleiterhangar. In disziplinierter Ordnung verteilten sich die Akonen auf die dort aufgestellten Maschinen. Als nur noch ein Gleiter übrigblieb, machten auch wir beide, Ms. Giranut und ich, uns daran, einzusteigen.
    Der Gleiter war etwas kleiner als die anderen Fahrzeuge. An seinen Kontrollelementen saß ein junger Akone in einer rostroten Kombination. Als er uns erblickte, verfärbte sich sein samtbraunes Gesicht und zeigte eine wütende Grimasse. Der Pilot deutete auf unsere Raumhelme und stieß irgendwelche Sätze aus. Ich glaubte zu vernehmen, daß der Mann wünschte, daß wir die Helme öffnen sollten. Sollte dies sein Ansinnen gewesen sein, so dachten die Doranin und ich nicht daran, diesem Folge zu leisten. Daraufhin zog der Mann einen kleinen Gegenstand aus seiner Uniform und hielt ihn gegen uns. Unvermittelt flüsterte eine geistige Stimme in meinem Gehirn, daß ich umgehend den Raumhelm zu öffnen habe und mich identifizieren solle, denn dies sei der Gleiter des Kommandanten. Es war mir klar, daß wir durch einen Hypnostrahler beeinflußt werden sollten. Deshalb wunderte es mich, daß ich zwar den Befehl vernehmen konnte, nicht aber dem Zwang unterworfen wurde, diesen auszuführen. Und die Doranin schien ebenfalls gegen die hypnomechanische Einflußnahme gewappnet zu sein. Ein Schlag von Lyxandra entwaffnete den Piloten oder Wachposten. Dann erfolgte ein mir unbekannter Würgegriff, der dem Akonen die Besinnung nahm. Schlaff und zu jeder weiteren Handlung unfähig, sank er in seinem Sitz zurück.
    »Meine Eltern und meine Lehrer haben mir eingeschärft, daß man niemals
    eine Waffe auf jemanden richten sollte, wenn man nicht sofort damit schießen will«, meinte die Doranin und hob den Strahler auf.
    Dann wiegte sie nachdenklich, sofern eine solche Reaktion bei ihr möglich war, den Kopf, drückte den Auslöser und schüttelte sich dann vor Lachen. Dann fuhr sie herum, richtete die Waffe auf mich und drücte erneut den Auslöser.
    »Knie dich vor mich hin, Shaky!« verstand ich einen gedanklichen Befehl, der mir durch die Hypnowaffe ins Gehirn gepflanzt wurde.
    Doch wieder vernahm ich nur den Befehl, nicht den Zwang, den eine Psychowaffe normalerweise auszuüben pflegte, deshalb antwortete ich:
    »Das hätten Sie wohl so gerne, wie?«
    »Tatsächlich eine Psychowaffe«, erkannte Lyxandra. »Und ich dachte schon, der Kerl ist ein unfähiger Bursche, der sich nicht traut, den Finger krumm zu machen.«
    »Haben Sie denn nicht mitbekommen, daß er uns hypnomechanisch beeinflussen wollte?« fragte ich ungläubig.
    »Weißt du, Shaky, es gibt Dinge von mir, die keiner sofort erkennt. Ich bin hypnotaub, eine Art Antimutant auf sehr begrenztem Gebiet, wenn du es so willst. Aber was ist mit dir los? Du hast ja wohl auch nicht gemacht, was der Kerl von dir wollte, oder?«
    »Wenn das, was Sie Hypnotaubheit nennen eine offizielle Bezeichnung ist, so würde ich mich wohl als hypnoschwerhörig bezeichnen. Ich habe den Befehl verstanden, jedoch ohne dessen Zwang zu verspüren. Und Sie haben tatsächlich nichts mitbekommen?«
    »Überhaupt nicht, Shaky. Irgendwie muß bei meinem Gehirn die entsprechende Zone inaktiv sein, die auf hypnosuggestive Impulse anspricht.«
    »Vielleicht liegt es schlicht daran, daß man mit einem Psychostrahler das Gehirn beeinflußt und nicht etwa andersartige Organe, mit denen jemand zu denken pflegt«, warf ich eine böswillige Vermutung ein.
    »Hoho, Shaky! Paß gut auf, daß du dir meine Sympathien nicht mit einem Schlag verspielst! Dafür schmeißt du jetzt den Piloten raus!« reagierte die Doranin.
    Ich warf ein, daß wir doch warten sollten, bis der großmächtige Kommandant sich höchstpersönlich zu seinem Gleiter bemühen würde. Ein davor abgelegter Pilot würde ihn zu unangenehmen Schlußfolgerungen verleiten. Lyxandra billigte mir zu, daß ich damit rechthaben könnte. Also warteten wir.
    Tatsächlich traf Kuras von Hagdor, dessen unangenehme Bekanntschaft ich vor nicht ganz drei Stunden gemacht hatte, in einem goldfarbenen Raumanzug bei seinem persönlichen Gefährt ein und kam an Bord. Er sah den Piloten in seinem Sitz und gab, nachdem er seinen Raumhelm geöffnet hatte, eine kurze Anweisung. Erst dann bemerkte er, daß der Pilot offenbar nicht bei Sinnen war und wollte gerade zur Schleuse hinaushechten, als ich mit dem rechten Arm unter dem Sessel herauslangte, unter dem ich mich verborgen hatte und den Kommandanten mit eisernem Griff zu fassen bekam. Offensichtlich hatte ich meine Kraft doch ein wenig unterschätzt, denn ich hörte ein kurzes Knirschen im Fußgelenk des Akonen und dessen schmerzerfüllten Aufschrei. Dann sank Kuras von Hagdor zu Boden. Unverzüglich warf sich Lyxandra Giranut über ihn und zwang den Kommandanten, durch einen Haltegriff aus irgendeiner Kampftechnik zur Bewegungslosigkeit. Ich suchte den gefangenen Stationsbefehlshaber nach Waffen ab, wobei ich peinlich genau darauf achtete, jedes noch so kleine Gerät oder Kleidungsaccessoir als Waffe zu betrachten und zu entfernen. Auch wenn ich nicht der Geheimagent war, für den mich der Akone gehalten hatte, wußte ich doch, daß es Methoden der Tarnung gab, die einen Energiestrahler in einem Impulsschreiber verbergen konnten oder eine Paralysewaffe in einem Brillengestell unterbringen konnten. Nachdem ich den Akonen unter Lyxandras Aufsicht entwaffnet, ja bis auf die Uniform entkleidet hatte, warf ich den betäubten Piloten aus dem Gleiter und nahm hinter den Steuerungselementen Platz. Dann setzte ich den Antrieb in Gang, ließ per Knopfdruck die Hangarschleuse auffahren und startete die Maschine. Mit schnellen, wenn auch untrainierten Bewegungen trieb ich das Fahrzeug in die freie Atmosphäre des Planeten Goron hinaus. Über diesem Teil des Planeten wölbte sich gerade ein klarer Sternenhimmel. Da Goron keinen natürlichen Satelliten besaß, war es sehr dunkel.
    »So, Herr Kommandant«, begann Lyxandra Giranut, »jetzt erzählst du uns ganz hübsch, wie wir dein privates Raumboot finden und benutzen können!«
    »Kuras von Hagdor, Kommandant Klasse fünf der Außensicherungsstreitkräfte von Akon, Dienstnummer vier vier sechs null neun eins A«, antwortete der Basiskommandant.
    »In Ordnung! Ich bin Lyxandra Giranut, Oberleutnant der Langstreckenaufklärereinheit sieben von Dor. Dienstnummer acht eins vier drei null B K neun zwei. So, und nachdem wir uns nun miteinander bekanntgemacht haben, antwortest du jetzt auf meine Frage von eben! Klar?«
    »Kuras von Hagdor, Kommandant Klasse fünf...« setzte der Befehlshaber der akonischen Station erneut an, doch dann verfiel er in einen langezogenen Schmerzensschrei.
    Ich wagte es nicht, hinzusehen, was die Doranin mit dem Akonen anstellte, sondern fragte nur, warum Lyxandra nicht den Hypnostrahler gegen Kuras von Hagdor anwenden wollte. Sie antwortete darauf lediglich:
    »Der feine Herr ist gegen derlei Gemeinheiten abgesichert, denke ich. Daher muß ich, ob ihm das nun gefällt oder nicht, auf alte Befragungstechniken zurückgreifen. Verschärftes Verhör nannte man das wohl damals.«
    Wieder schrie der Kommandant auf. Und ich fand noch nicht einmal Anlaß dazu, ihn zu bedauern. Und diese Erkenntnis erschreckte mich. War ich schon soweit, Brutalität gegen ein fühlendes Wesen zu akzeptieren, mit der Begründung, daß dieses Wesen mir gegenüber ja auch keine Skrupel zeigen würde?
    »Ich sage Ihnen nichts«, stieß Kuras von Hagdor unter Schmerzen hervor.
    Dann hörte ich, wie etwas zerbrach, wie der Kommandant röchelte und schließlich überhaupt keinen Laut mehr von sich gab.
    »Heh, dieser Fiesling hat sich einfach davongemacht, Shaky. Der hat eine Giftkapsel oder etwas ähnliches geschluckt«, kommentierte Lyxandra die letzten Lautäußerungen des Kommandanten und bestätigte dadurch meinen Verdacht, den zu überdenken ich mich nicht getraut hatte.
    »Und ich dachte schon, Sie hätten ihn in Ihrem Übereifer umgebracht«, sprach ich.
    Lyxandra schnaubte verärgert und stieß aus: »Junge, ich bringe keinen Mann um, von dem ich noch etwas will.«
    Ich würdigte diese Äußerung mit keinem Kommentar.
    »Und jetzt?« war meine einzige Äußerung zu diesem Vorfall.
    »Wir finden das Boot schon, Shaky. der Herr Kommandant hat nämlich vor seinem Abgang etwas erschrocken dreingeschaut, als du den Gleiter in eine Linkskurve geworfen hast. Offenbar liegt da irgendwo sein Schiffchen bereit.«
    »Dann suchen wir den Raumer. Hoffentlich schießt man uns nicht ab«, meinte ich und nahm einen Kurs, auf dem wir vielleicht den Raumer des Kommandanten finden würden.
    Tatsächlich kam nach einer Flugzeit von nur einer Minute ein Raumfahrzeug in Sicht, das von den Abmessungen her einer terranischen Space-Jet entsprach. Allerdings war es mehr eliptisch geformt und maß in der Längsrichtung 25 und in der Breite 20 m. In der Höhe maß es sogar nur 10 m. Leider stand das Raumfahrzeug unter einer Energieglocke. Doch ich hatte mir für diesen Fall schon einen Plan zurechtgelegt. Ich suchte nach Einrichtungen, die einem Funkgerät entsprechen mußten und ließ mir
    von Lyxandra Giranut, die der akonischen Technologie kundiger war als ich, genaue Anweisungen erteilen, wie ich die Radiokomanlage zu bedienen hatte, um Kontakt mit der Besatzung des Kleinstraumschiffes aufzunehmen.
    Ich erhielt Verbindung mit einem Leutnant Dornastar und gab mich selbst
    als Oberleutnant Koldras von Natror zu erkennen. Der Name war mir von Lyxandra Giranut zugeflüstert worden. Offenbar gab es ein solches Individuum in den Reihen der akonischen streitkräfte. Als ich zum Grund meiner Kontaktaufnahme befragt wurde gab ich vor, den Kommandanten persönlich an Bord bringen zu müssen, damit dieser schnellstmöglich zur Hauptwelt der Akonen fliegen könne. Zehn Sekunden blieb es Stumm im Funk. Dann fragte mich ein Akone, den ich noch nicht gesprochen hatte:
    »Weshalb nutzt der Kommandant nicht die Transmitterdirektverbindung zur Hauptwelt, wenn er es so eilig hat?«
    Ich zögerte eine Sekunde und antwortete: »In der Nähe des Sonnensystems wurden in letzter Zeit zuviele Fremdschiffe geortet. Es besteht die Gefahr, daß Transmitterimpulse mit hoher Intensität angemessen werden können. Daher legt der Kommandant Wert darauf, mit diesem Schiff nach Akon zu fliegen. Aber wer möchte das wissen?«
    »Major Homar von Danagor«, erhielt ich zur Antwort, dann verlangte der Major von mir, ich solle den Prioritätscode des Kommandanten übermitteln.
    Ich konterte diesen Befehl mit der Bemerkung: »Ich habe den eindeutigen Befehl des Kommandanten, keinerlei Zugehörigkeitscodes per Funk zu übermitteln. Und Sie werden mich nicht dazu bringen können, einen direkten Befehl des Kommandanten zu übergehen.«
    Zehn Sekunden lang schwieg der Major oder der Leutnant, je nachdem, wer sich melden wollte, dann erhielt ich die Erlaubnis, im kleinen Hangar im Heckbereich des Schiffes zu halten. Der Schutzschirm fiel, und eine kleine Schleuse tat sich auf, durch die unser Gleiter soeben noch hindurchschlüpfen konnte. Ein engbegrenztes Traktorfeld fing den Gleiter ein und bugsierte ihn ohne Schwierigkeiten in den Hangar. Die Schleuse schloß sich.
    »So, jetzt wird es ernst«, meinte Lyxandra Giranut.
    Sie drückte mir wieder eine Waffe in die Hand, den Thermostrahler. Ich lehnte es erneut ab, mich zu bewaffnen, weil ich nicht wollte, daß durch mein Verschulden noch ein Lebewesen zu Tode kommen sollte.
    »Shaky, wann begreifst du das endlich? Wir sind im Kampfeinsatz, mit der Mission, die feindliche Festung zu verlassen. Die werden uns nicht freiwillig abhauen lassen«, hielt mir Lyxandra einen kurzen Vortrag, dann gab sie mir den erbeuteten Hypnostrahler und meinte: »Damit kannst du keinem wehtun, wenn du es nicht unbedingt willst.«
    Wir stiegen aus dem Gleiter und betraten den Hauptteil des Schiffes. Sofort wurden wir von Kampfrobotern umzingelt, die uns ohne Worte in die Zentrale des Schiffes führten. Dort saß ein Akone in einer dunkelblauen Uniform, die Arme verschränkt und sah uns mit überheblicher Miene entgegen.
    »Willkommen an Bord der RASTAN, meine Herrschaften. Ich freue mich darauf, dem Kommandanten mitzuteilen, daß ich zwei Verräter in meine Gewalt gebracht habe«, sprach der Akone, den ich an der Stimme als Major von Danagor wiedererkannte. »Der Kommandant wird bald die Basis wieder betreten können und dann entscheiden, was mit Ihnen zu geschehen hat. Im Übrigen haben Sie sich bereits dadurch verraten, daß Sie behauptet haben, der Kommandant könne die Transmitterdirektverbindung nicht benutzen. Es gibt nämlich keine solche Direktverbindung. Und das genau aus den Gründen, die Sie angaben, um den Flug des Kommandanten mit diesem Raumschiff zu rechtfertigen.«
    Der Major verlangte von uns, daß wir unsere Helme öffneten, um uns genauer zu betrachten. Da wir seiner Aufforderung nicht nachkommen wollten, drohte er uns damit, seinen Robotern den Schießbefehl zu erteilen.
    Er zählte bis vier, bei fünf sollten die Automaten feuern. Doch der Major kam nicht dazu, seine Drohung in die Tat umzusetzen. Denn ein junger Akone, vielleicht der Leutnant, mit dem ich über Funk gesprochen hatte, stürmte in die Zentrale und rief:
    »Major von Danagor! Der Kommandant war doch im Gleiter. Er ist tot. Offenbar vergiftet durch die finale Dosis.«
    Der Major fuhr herum und wandte uns damit den Rücken zu. Blitzartig ließen Lyxandra und ich uns zu Boden fallen. Dabei riß die Doranin den kleinen Kombistrahler hoch und drückte ab. Der Major löste sich innerhalb von Sekundenbruchteilen in einem grünlich schillernden Nebel auf. Die Roboter feuerten zwar im selben Augenblick, doch da sie um uns herumstanden, kreuzten sich die Energiestöße und trafen die jeweils gegenüberstehenden Maschinen. Krachend und knisternd fielen die Kampfroboter aus. Nur eines der humanoid geformten Geräte war noch aktiv und drehte seine Waffenarme in die Richtung von Lyxandra Giranut, die gerade mit dem Kombistrahler auf den jungen Akonen anlegte. In einem Anfall von verzweifelter Wut sprang ich auf den Roboter zu, prallte mit all meinem Gewicht auf ihn und umklammerte ihn. Der Roboter wandte sich mir zu, um mich anzugreifen. Mehr aus Instinkt als aus klarer Berechnung ließ ich mich mit em Roboter zu Boden fallen. Da die Maschine nicht auf einen derartigen Vorfall eingerichtet war, gelang es mir, mich kriechend aus ihrer unmittelbaren Reichweite zu retten. Dann sah ich, wie der Roboter im grünen Flimmern desintegrierter Moleküle verging. Ich schnellte wieder hoch und sah noch, wie Lyxandra erneut auf den jungen Akonen zielte. Ich rief noch, daß sie ihn nicht töten solle, doch da brach der Fremde bereits zusammen. Allerdings war er nicht tot, wie ich an den schwachen Atembewegungen erkennen konnte, die er noch vollführen konnte.
    »Ich dachte schon, Sie würden auch ihn ...«
    »Shaky, wer soll uns denn nach Hause fliegen?« versetzte die schwarzgrüngelockte Kriegerin. »Auch wenn du etwas anderes von mir denkst, Lankor, so bin ich doch nicht auf Töten und Zerstören programmiert. Bei uns gilt das Denken auch noch was, auch wenn das für dich neu sein dürfte.«
    Zu seinem und zu unserem Glück erwies sich Leutnant Dornastar als gut geeignet für psychomechanische Beeinflussung. Er führte widerstandslos alle Anweisungen aus, die ich ihm erteilte. So rief er über Funk die Basis an, daß er den Kommandanten nun zur Hauptwelt bringen würde. Einstweilen sollte jedoch kein Hyperfunkkontakt mit der Hauptwelt aufgenommen werden, ebenso sollte die Basis alle Energieerzeuger abschalten, um die Gefahr eines Reaktorversagens auszuschließen. Danach startete das kleine Raumschiff und nahm Kurs auf das blaue System der Akonen. Doch bereits nach der ersten Linearetappe änderte der Leutnant die Flugbahn, so daß nicht die blaue Riesensonne Akon das entgültige Ziel war, sondern eine kleine gelbe Sonne am Westrand der Galaxis. Als wir dort eintrafen, rief ich über Hyperkom die Zentrale der COSMIC MINING Limited und bat um ein Raumschiff, daß uns abholen möge. Danach gab ich dem Piloten des Akonschiffes noch einen letzten Hypnobefehl:
    »Fliegen Sie in den freien Raum zwischen der Startbasis und ihrem
    Sonnensystem. Dort setzen Sie die Maschinen außer Funktion und aktivieren den Notsender. Wenn man Sie abholt, geben sie an, daß eine Roboterfehlfunktion den Tod Ihres Kommandanten verschuldete und auch das Maschinenversagen verursachte! Ansonsten wissen Sie nichts mehr, was Sie in den letzten Stunden erlebt haben, sobald Sie den befohlenen Zielort erreicht haben!«

    Terrania City am 18. Juni 2419. Es war gerade 20.00 Uhr, als ich in dem kleinen, aber luxuriös ausgestatteten Zimmer des Intergalactic Hotels eintraf. Das Hotel wurde von der COSMIC MINING als Unterbringung für ihre auswärtigen Mitarbeiter bereitgehalten. Ich brauchte nur meine Daten anzugeben und mich per Individualimpulsabgleich auszuweisen, um ein Zimmer zu bekommen.
    Ich legte mich erschöpft auf das Bett. Und hier überkam mich erneut das schlechte Gewissen, das mich schon heimgesucht hatte, als ich sah, wie der Akone von Lyxandra erschossen wurde. Und dieses Mal stürzte ich vollends in den Strudel aus Schuldgefühlen und Angst. Ich hatte nun erfahren, daß ich ebenso zu Gewalttaten im Stande war wie andere Wesen auch. Wie einfach gelang es doch dem wilden Tier in mir, meinen achso unerschütterlich geglaubten Verstand zu überwältigen und seine Aktionen durchzuführen. Damit mußte ich wohl nun zu leben lernen.
    Als die dezente Türglocke an meinem Zimmer ansprach, kehrte ich langsam aus dem Strom der dunklen Erinnerungen zurück. Dann vernahm ich ein lautes Klopfen, das mich gänzlich in die Gegenwart zurückholte. Ich stand auf und bemerkte, daß ich wohl geweint haben mußte. Etwas, daß mir seit meiner Kindheit nur zweimal widerfahren war. Ich zögerte daher, die Tür zu öffnen und wischte zunächst die Tränen aus meinem Gesicht. Dann erst entriegelte ich die Zimmertür.
    Vor der Tür stand Lyxandra Giranut. Sie trug jetzt ein violettes Kleid mit kurzem Rock. Um die Hüfte hatte sie ein kirschrotes Tuch geschlungen. Außerdem trug sie noch die kirschroten Stiefel, die ich schon bei unserer allerersten Begegnung gesehen hatte. Die Doranin sah mich mit ihren braunen Augen an. Dann verzog sie das Gesicht für einen kurzen Moment und meinte dann, während sie mir vorsichtig die Hand auf die Schulter legte:
    »Das war zuviel für dich, wie, Shaky? Da bist du als einfacher Wissenschaftler losgeflogen, um einen einfachen Job auszuüben und bist dabei in eine Sache geraten, mit der du nichts zu tun haben wolltest.
    Es ist aber nun einmal passiert. Du wirst also damit fertig werden, irgendwie und irgendwann.«
    »Wie tröstlich, Ms. Giranut. Ich habe von meiner Mutter ein überragendes photographisches Gedächtnis geerbt. Das wird mich nun jeden Tag daran erinnern, wie leicht es doch dem Tier in mir gelungen ist, ohne Skrupel zu morden. Ich habe mindestens einen der Akonen auf dem Gewissen. Da komme ich nicht drüber weg«, gestand ich ein. Die Doranin meinte darauf nur:
    »Lankor, dieses wilde Tier ist oft der einzige Partner, auf den du dich wirklich verlassen kannst. Weil dieses Tier in dier und mir seit Millionen von Jahren weiß, was es in Gefahrensituationen tun muß.«
    »Das gilt für Sie, die Sie auf Kampf und Überleben dressiert wurden. Aber ich nehme dieses Charakteristikum nicht für mich in Anspruch.«
    »Ich fliege heute noch mit einem Linienschiff nach Dor, Shaky. Ich erwarte von dir, daß du mich mal besuchen kommst, damit wir uns besser kennenlernen können. Und dann bringen wir zu Ende, was wir in der Station nur gespielt haben. Ich will dich nämlich immer noch haben, Lankor. Also fang ja nichts mit einer Anderen an!«
    Ich wollte ihr sagen, daß ich ihre Art, mit mir umzugehen, immer noch abstoßend fand, doch sie nahm mich ohne Vorwarnung in die Arme und küßte mich auf den Mund. Dann versetzte sie mir einen Klaps auf den Rücken, drehte sich um und ging davon, ohne ein weiteres Abschiedswort.
    Ich schwieg ebenfalls, denn ich hoffte, daß diese Begegnung und die damit verknüpften Erlebnisse, einmalig bleiben würden. Und es verlangte mich auch nicht danach, dieses Geschöpf näher kennenzulernen, das als Frau in einer Kriegergesellschaft danach zu trachten versuchte, ihrer Umwelt zu beweisen, alles genauso, wenn nicht noch besser, zu tun wie ein Mann. Mitleid empfand ich zwar nicht für dieses Geschöpf einer fremden Welt. Aber ich hielt es doch für arm, wenn es Trieben und kurzfristigen Neigungen mehr Gewicht beimaß, als durchdachten Plänen und langfristigen Zielen.
    Auf nimmer Wiedersehen, Ms. Giranut! dachte ich bei mir, als die Korridortür hinter Lyxandra Giranut zufiel, aber ihre letzten Worte klangen als Echo in meinem Verstand nach: »Fang ja nichts mit einer Anderen an!« - Ein lächerliches Ansinnen!

 
ENDE

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