MAKING OF INTERAKTIVE STORY

von Nils Hirseland

 

Beim PROC Treffen in Stuttgart wurde ich gefragt, ob es nicht einen oder mehrere Artikel wert wäre, über die Entstehung eines Romans zu schreiben. Nun, ich bin kein Profiautor, doch die Arbeit ist ungefähr die selbe, wenn man sich für eine Story Mühe gibt. Ich möchte nun ein »Making of interaktive Story« in dieser und den nächsten Terracoms, gefolgt von einem »Making of Dorgon« bringen.

Wie kommt man auf die Idee einer Story?

Ich beginne dann einmal mit einer der Voraussetzungen; eine gute Idee. Bei der interaktiven Story muß ich da weit ausholen, nämlich zum Oktober 1997. Damals entstand das Exposé für meine erste Fanstory »Rhodans Odyssee«. Gleich begann ich zu schreiben, doch irgendwie gefiehl mir die damalige Handlung nicht. Rhodan wollte einen Somer auf einem Ferienplaneten anwerben. Doch dieser wurde von Terroristen überfallen und Rhodan gefangengenommen. Die Verbrecher flohen aus der Galaxis, um einige Millionen Lichtjahre auf die Saggittonen zu treffen. Die Story war teilweise recht unlogisch und barg einige Fehler. Als Autor muß man auch sich selbst kritisch gegenüberstehen und wenn man nicht von einer Story überzeugt ist, diese auch abändern können. Nachdem ich bereits 10 Seiten geschrieben hatte, löschte ich die Story und begann ein neues Exposé zu schreiben und neue Charaktere zu entwickeln. Dabei inspirierte mich die Histerie um den Film TITANIC, der kurz vor dem Start in Deutschland stand. Das Schiff hatte mich schon immer sehr fasziniert. Eines Tages kaufte ich mir die hervorragenden Soundtrack von James Horner. Dabei sei angemerkt, daß ich sehr gut mit Musik schreiben kann! Ich begann also ein eigenes Schiff zu entwickeln, welches jedoch durch den Raum flog. Trotzdem sollte es einiges von einem »alten« Luxusliner identisch haben. So entstand die LONDON. Lars Weinand gab dem Schiff durch seine Bilder das perfekte Aussehen. Die LONDON ist ein sehr abstraktes Schiff, dessen Oberteil aus einem fast 2 Kilometer langem Luxusliner alá TITANIC besteht. Den unteren Teil bilden die Triebwerke und eine futuristische Flosse auf dem der Name des Schiffes stand. Dann stand dem Projekt nichts mehr im Weg und schrieb »Rhodans Odyssee«, welches sechs Teile hatte und auf sehr positiver Resonnanz bei den Lesern des PROC stieß. In »Rhodans Odyssee« ging jedoch die LONDON unter und riß 11.023 Leute in den Tod. Eigentlich war das Kapitel für mich beendet, auch wenn ich die Hauptpersonen Rosan Orbanashol und Wyll Nordment überleben ließ. Ursprünglich sollten entweder beide oder Wyll sterben. Doch ich wollte ein anderes Ende als bei TITANIC schaffen und habe die weiblichen Leser vor dem Verbrauch etlicher Taschentücher bewahrt.

Im September 1998 besuchte ich dann den »Zellaktivator Con« in Hamburg. Dort waren auch einige PROC´ler anwesend und lobten die Story. Werner Boeinghoff schlug während eines Gespräches mit Klaus Bollhöfener vor, daß eine interaktive Story um die LONDON eine interessante Sache wäre. Nun hatte ich aber das Dilemma, daß die LONDON unwiederruflich untergegangen war. Doch wieder lieferte eine reale Begebenheit mir die rettende Idee. Einige Reedereien haben beschlossen die TITANIC II zu bauen. Na, wenn die das können, kann doch auch ein terranischer Millionär so ein Projekt beginnen. Damit war der Grundstein zur interaktiven Story gelegt. Fortan machte ich mir natürlich nur Gedanken, um einen neuen Teil, trotz diverser privater Diskrepanzen, die einen zusätzlich das Leben schwer machte. Bereits Ende September hatte ich ein Exposé für den ersten Teil ausgearbeitet! Die Idee war nun klar: Ein terranischer Milliardär baut die LONDON II und bietet eine Reise zum Wrack der alten LONDON an, die zuvor keiner mehr seit fünf Jahren gesehen hatte.

Die Feinheiten

Das ist eine Grundidee, mit der man aber keinen sonderlich spannenden Roman gestalten kann. Die Bedrohung fehlte. Bis jetzt hatte ich keine Idee, was für eine Art Bösewicht für Gefahr sorgen sollte, bis ich mir »The Rock« ansah. Dieser Film gab mir einen kleinen Hinweis zu meinem Schurcken. Schnell entstand ein Mann, dessen Familie auf der LONDON starb. Er mußte daher einen Haß auf die Terraner und die Verantwortlichen haben. Dazu bot sich natürlich ein Arkonide an, da die Arkoniden sich im Moment sowieso nicht sonderlich gut mit der LFT verstehen. Dieser Mann mußte beim Militär sein und kompromißlos seine Ziele verfolgen. Seine Frau und seine beiden Kindern starebn auf der LONDON, doch er tat seinen Dienst in einem Geheimeinsatz. Das tötete alles in ihm ab. Nun, fünf Jahre später, wollen die Terraner aus Geldgier das Wrack der LONDON erforschen und in seinen Augen die Ruhe seiner Familie stören. Das bringt ihn auf den Plan. So entstand Prothon von Mindros.

Die Grundidee war nun verfeinert. Die LONDON fliegt nach London´s Grave und wird von Prothon von Mindros entführt. Im Gegensatz zu einer normalen Story war hier erst einmal Schluß mit der Planung, denn bei interaktiven Story bestimmen die Leser, wie es weitergeht. Natürlich kann man als Autor schon in eine gewisse Richtung lenken, dennoch konnte man kein detailliertes Manuskript ausarbeiten. Die Grundzüge und verschiedene Alternativen der Story mußte ich jedoch schon wissen.

Die Charaktere

Nun kommen wir zu einer der wichtigsten Sache einer Story; den Personen einer Geschichte. Ohne interessante Charakter ist jede Story zum Scheitern verurteilt. In einer interaktiven Story können zum einen einige Leser eingeschrieben werden, doch es mußten auch Haupthandlungsträger eingebaut werden. Wieder hatte ich den Vorteil, daß LONDON II eine Fortsetzungsgeschichte war. Deshalb konnte ich mich einiger Hauptpersonen bedienen. Natürlich fiel meine Wahl sofort auf Rosan Orbanashol und Wyll Nordment, die das Unglück damals überlebten. Natürlich mußte eine Veränderung in ihrem Leben über die fünf Jahre stattgefunden haben. So ließ ich sie heiraten, aber auch gleich wieder scheiden. Rosan zog nach Terra und lebte dort mit einem reichen Zeitungsherausgeber zusammen. Schon komme ich zum ersten Schurken, neben Mindros. Eine Story lebt nicht nur von einem Held oder Bösewicht. Es muß auch kleinere Helden wie auch Schurken geben, so eine Art »schwarz/weiß-Charakter«. Der Inhaber der neuen LONDON sollte ein Mensch sein, der skrupellos genug ist, um fast alles zu tun, damit er zum Erfolg kommt. Michael Shorne entstand. Auch dort hatte ich eine Vorlage. Wie schon oben gesagt, ist das Umfeld sehr sehr wichtig für einen Autor. Man brauch sich nur einmal etwas genauer umszusehen und die Ideen sprießen. Michael Shorne findet sein Original in Micharl Sharpe aus der Seifen-Oper »Falcon Crest«. Während Prothon von Mindros im Roman ein großes Eigenleben entwickelt und sehr wenig mit der Vorlage zu tun hatte, ähneln sich Shorne und Sharpe sehr stark, wobei die Herausforderung darin besteht, die Charakter in eine Science-Fiction Story einzubauen. Mit Shorne ist mir das sehr gut gelungen, zumindest waren die Leser von dieser Person angetan. Michael Shorne kannte natürlich Gol Shannig, den Lebensgefährten von Rosan Nordment. Da beide Rivalen sind, Shorne jedoch unbedingt Rosan als Publikumsmagnet auf der LONDON II haben will, erpreßt er einfach seinen Konkurrenten und droht ihm mit dem Ende seiner Zeitung. Da nun aber auch Gol Shannig kein Altruist ist, sondern Geschäftsmann, überredet er Rosan an der Reise teilzunehmen. Wyll, der auch Camelot seinen Dienst tut, erfährt davon und fliegt auch mit dem Schiff mit. Eine Nebenhandlung ist damit bereits eingeleitet, nämlich ob und wie Rosan und Wyll wieder zueinander finden. Damit habe ich auch einen, in meinen Augen, sehr wichtigen Aspekt eingebracht, nämlich Menschlichkeit und Gefühle. Ich persönlich finde nicht, daß im Mittelpunkt eines Romans die Technik stehen sollte. Wer nur das lesen will, der sollte sich ein Lehrbuch zum entsprechenden Thema beschaffen. Vielmehr ist es wichtig, das Miteinander der Menschen in dieser Technik zu beschreiben. Besonders konnte ich das in der LONDON Saga umsetzen, da Rosan Orbanashol und Wyll Nordment an Rose DeWitt-Bukater und Jack Dawson aus TITANIC sind. Die Herausforderung bestand nun darin, diese Personen etwas abzuändern und sie in ein völlig anderes Jahrtausend einzuschreiben. Sehr zu meiner Erleichterung haben sich beide gut eingefunden, wobei Wyll Nordment sowieso weniger mit Jack Dawson gemeinsam hatte.

Die LONDON II sollte natürlich auch eine interessante Crew haben. Da die erste LONDON einen etwas älteren und lethargischen Kommandanten hatte, wollte ich einen Draufgänger, der zugleich eine Respektsperson ist. Wieder orientierte ich mich an bereits vorhandene Leute. Ich suche mir immer Schauspieler aus, die die Rolle der jeweiligen Person verkörpern könnten. Dadurch fällt es mir auch leichter, sie zu beschreiben. So entstand der Kommandant Roy Cheidar, inspiriert durch Roi Sheider, der mir besonders in Sea Quest DSV gefiehl. Ihm Zur Seite wurden Nebenpersonen gestellt, die sporadisch auftauchten, wie Eireen Monhar, Huck Nagako und Udo Arenz.

Dann mußte natürlich auch jemand vertrautes aus dem Perry Rhodan Universum auftauchen. Da Perry selbst schon in Rhodans Odyssee auftauchte, bot er sich natürlich an, doch das Problem bestand darin, daß Rhodan zur Zeit in DaGlausch war. So mußte Atlan ranhalten. Die Geschichte wurde vor seinem Flug nach Chearth angesetzt. Der Einsame der Zeit ist sowieso eine meiner Lieblingspersonen, daher machte es mir viel Spaß ihn und seinen bissigen Extrasinn zu beschreiben, was folgende Szene aus dem ersten Teil der interaktiven Story beweist, die auch sehr gut bei den Lesern ankam:

Atlan mußte unwillkürlich an Mirona Thetin, seine große Liebe, denken. Im gleichen Moment fiel ihm auch Ermigoa oder Iruna Von Bass-Thet ein. Alle diese Frauen hatte er geliebt und vermißte einige auch immer noch stark.

Seine jüngste Romanze mit Tamarena konnte er auch nicht so schnell vergessen. Auch wenn sie von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.

Oder Theta von Ariga oder die Barbarenfrau, mit der du mal vor 5.000 Jahren etwas hattest. Hör auf in Sentimentalitäten zu schwelgen. Wenn du jetzt an alle deine Verflossenen denkst, ist der Tag vorbei und dein Gast eingeschlafen, bemerkte Atlans Extrasinn sarkastisch.

Atlan hätte am liebsten etwas erwidert, doch statt dessen verzog er nur das Gesicht zu einer genervten Grimasse.

"Ist etwas nicht in Ordnung, Atlan?" wollte Wyll Nordment aufgrund des Gesichtsausdrucks wissen.

"Was? Oh! Nein, alles in Ordnung. Mir geht’s gut", sagte Atlan in Wylls Augen etwas wunderlich. Der Terraner kam nicht auf die Idee, daß der Unsterbliche wieder ein Gespräch mit seinem Extrasinn hatte.

Atlan lächelte und bot seinem Gegenüber einen Platz und etwas zu trinken an. Beide Gesten nahm Nordment an. Der Servo brachte den beiden ein Glas Vurguzz gemischt mit einer Cola.

"Was kann ich für dich tun, Wyll?" fragte Atlan höflich.

Nordment kauerte etwas verlegen in seinem Sessel herum. Ihm schien das Thema peinlich zu sein. Dennoch kam er gleich zur Sache.

"Rosan fliegt auf der LONDON II mit. Ich werde auch mitfliegen, um sie wiederzusehen".

Diese Aussage überraschte Atlan stark. Zumal er nicht einmal wußte, daß Rosan nun doch mitflog. Seinen Informationen zufolge zeigte sie keinerlei Interesse an der Reise. Im Gegenteil, sie verurteilte Michael Shornes Vorhaben die Ruhe der LONDON I zu stören und für ein Geschäft zu mißbrauchen.

Vielleicht solltest du mal die Nachrichten sehen, oh großer allwissender Lordadmiral, stichelte wieder der Extrasinn.

Du bist auch nicht zufrieden, wenn du nicht meckern kannst? dachte Atlan immer noch genervt.

Was besseres habe ich im Moment auch nicht zu tun, entgegnete der Extrasinn ohne sich irgendeiner Schuld bewußt zu sein.

Hättest du immer auf mich gehört, was deine Herzdamen anging, hättest du dir so manchen Ärger erspart, fügte er stichelnd hinzu.

Atlan ignorierte seine innere zweite Stimme und wandte sich Wyll Nordment zu. Er schüttelte mit dem Kopf.

"Ich wußte nicht, daß Rosan zugesagt hatte", stellte er fest.

Im Grunde genommen war dies mehr eine Frage als eine Feststellung vom über dreizehntausendjährigen Arkoniden. Wyll Nordment gab auch prompt die Antwort.

"In den Nachrichten wurde heute darüber berichtet. Shorne Industry und auch die Sol-News machen viel Wirbel um ihre Teilnahme"

Atlan nippte am Glas.

"Ich verstehe. Nun willst du also einfach mitfliegen?"

"Ja, natürlich. Ich muß Rosan wiedersehen. Die letzten zwölf Monate waren schrecklich für mich"

Noch so einer, der einer Frau hinterher trauert. Ihr seid euch beide ähnlich, hörte Atlan in Gedanken.

"Sei endlich still", fluchte Atlan laut. Wyll Nordment sah ihn völlig entgeistert an. Der Arkonide bemerkte, daß er laut gedacht hatte.

"Das galt nicht dir", erwiderte er rasch.

Einen weiteren großen Anteil an Hauptpersonen und Nebenpersonen machten die Leser selbst aus. Nachdem Ende Oktober die Seiten der interaktiven Story online waren, konnte man sich vor Anmeldungen kaum retten. Etwa 200 Fans haben sich bis März angemeldet! Darunter waren sehr viele interessante Charaktere, die in die Story gepaßt hätten, doch leider konnte ich nur knapp 20 von denen herausuchen. Mehr wäre nicht mehr möglich gewesen. Der wohl eindruckvollste Charakter der Leser ist sicher die Person des Hajun Jenmuhs, die in Zusammenarbeit mit mir von Jens-Uwe Muus ausgedacht wurde. Jenmuhs stellt einen der Widersacher, besonders von Rosan und Wyll, dar. Jenmuhs war ein Charakter mit dem ich einige Tabus brechen wollte. So zum Beispiel wurde die erste Vergewaltigung im Perry Rhodan Universum von diesem ekligen Subjekt vorgenommen. Opfer war die arme Rosan. Die Szene hat viele Leute entsetzt, die immer noch erwartet hatten, daß Wyll Nordment rechtzeitig zu Hilfe kommt, doch wie im wahren Leben ist das nicht immer der Fall. Weitere sehr interessante Charaktere waren HaSi, Vas Vargan und Gwenhwyfar. Diese drei Leute, die in Wirklichkeit Harald Sill, Markus Wolf und Susanne Schmidt hießen, mailten sich fast täglich und versetzten sich so in die Rolle ihrer Pseudonyme.

Alles in allem finde ich die Besetzung der Personen in der interaktive Story wesentlich attraktiver als in »Rhodans Odysse«. Wobei ich auch die Charaktere in »Rhodans Odyssee« sehr ansprechend fande, doch die der interaktiven Story sind weitaus bunter gewesen. Ein Beispiel sind die Braunhauers, die bei einigen Lesern Lachattaken hervorgerufen haben. Auch hier hat mich meine Umwelt wieder beeinflußt, den meine Großeltern sind ähnlich schlimm.

Ein wichtiger Hinweis für einen Autoren ist es immer die eigene Umwelt wahrzunehmen, den diese bietet viele Ideen und Inspirationen.

Das war es für den ersten Teil von »Making of interaktive Story«! Im zweiten Teil gehe ich mehr auf die Charaktere und ihre Entwicklung während des Romans ein, sowie den Handlungsverlauf und was sonst alles dazu gehört eine Story zu machen.

Bis dahin,

Nils Hirseland***

Autor der interaktiven Story LONDON II