Der letzte Ritter

 
Eine   Von
Perry Rhodan   50
Fortsetzungsgeschichte
Teil 13
  Copyright © 1998

 

Der Pilzdom hatte nichts von seinem imposanten Eindruck eingebüßt. Das Passantum strahlte beruhigende Impulse aus, es schien meine Erregung zu spüren.
   Wir waren aus dem Arsenal zur Basaltebene zurückgekehrt.
Moira war nicht wieder aufgetaucht.
   Entweder war sie weitergezogen, immer auf der Suche nach einer Trophäe, oder sie war noch irgendwo da draußen und beobachtete uns. Ich wußte nicht was die Ayindi vorantrieb, aber ich wußte aus Expeditionsberichten von der großen Leere, das sie schon immer schwer zu durchschauen gewesen war. Ich stufte sie außerdem als klare Einzelgängerin ein. Vielleicht war durch den Gefallen mich nach Galorn zu bringen die wertvolle Trophäe bezahlt, wer weiß das schon.
   Ich nahm mir vor nicht mit ihr zu rechnen und selbst die Dinge in die Hand zu nehmen.
   Nach reiflicher Überlegung hatten wir uns entschlossen den Pilzdom zu betreten.
   Weniger wegen unseres Entdeckergeistes, sondern viel mehr weil wir keine andere Wahl hatten.
Vielleicht hatte auch das Wissen meine Entscheidung beschleunigt, das es auf Trokan einen Zugang bzw. Ausgang gab.
   Natürlich war ich kein Illusionist. Die Informationen des Verkünders sagten aus, das Sonnensystem sei miniaturisiert – aber Reginald Bull hatte auf Kahalo widersprochen.
   Meine Hoffnung lag darin, das die Informationen des Verkünders nur teilweise auf Fakten beruhten und zum Teil auf Gerüchte und Erzählungen die nach dem Verschwinden des Sol-Systems in der Galaxis die Runde machten.
   Nicht zuletzt wertete ich die Übergabe des Passantums als einen Hinweis, das dies der richtige Weg sein könnte.
   Auf die Warnung des Gerätes hin, hatte ich Yltriel fest mit meinem Serun verbunden. Da der kleine Gataser keine Berechtigung hatte die Brücke zu betreten, bestand für ihn die Gefahr verloren zu gehen und vom Universum aufgesaugt zu werden. Was immer das heißen mochte, ich wollte dem von vorn herein vorbeugen. Das ich Yltriel auf Galorn zurücklasse, war für mich Indiskutabel.
   Der Pilzdom war halb mit Basalt überzogen was jedoch für den Zugang kein Problem bedeutete.
   Ich dachte traurig an das Schicksal der Adlaten, die versteinert über die Ebene verteilt waren. Seit dem Rückblick im Arsenal des zweiten Botens wußte ich welche Tragödie sich hier abgespielt hatte.
Ich streckte die Hand aus und berührte das Nebelfeld des Pilzdomes.
Fast glaubte ich einen tastenden, dann ziehende Impuls zu spüren – aber das konnte Einbildung sein.
   »Was wird uns dahinter erwarten?«, fragte ich das Passantum.
Obwohl ich es als rein rhetorische Bemerkung verstand, antwortete das Passantum auf der Stelle.
   »Ich registriere Beschädigungen der Brücke. Sie ist jedoch noch begehbar.«
   Ich lauschte in mich hinein.
   Ich hatte mich an den mentalen Gedankenaustausch gewöhnt und gelernt damit umzugehen.
   Das ich meine Gedanken oftmals noch immer laut aussprach mußte auf Yltirel schizophren wirken. Er verkniff sich jedoch jegliche Bemerkungen was vielleicht auf seine eigene Hilflosigkeit zurückzuführen war. Er wußte, daß er ohne mich keine Chance hatte je wieder zur Milchstraße zurückzukehren.
   Ich trat einen entschlossenen Schritt vor.
   Ich tauchte augenblicklich in das Nebelfeld ein und verlor kurz die Orientierung.
   Das Passantum bemerkte meine aufsteigende Panik: »Es ist gleich vorbei, noch einen Schritt.«
   Die Sicht wurde plötzlich wieder klar und ich sah einen Bohlensteg vor mir. Nein! Ich mußte mich sofort wieder korrigieren, denn es waren nur die Reste einer wohl ehemals weit gespannten Brücke.
Noch in meinem Sichtbereich brach sie ab und endete im Nichts. An den Rändern der Bruchkante waren irisierende Lichtreflexe sichtbar. Ich schätzte, daß ich noch 100 Meter laufen konnte bis ich die Kante erreichte, doch mein Instinkt riet mir, der defekten Stelle nicht zu nahe zu kommen.
   »Du hast recht«, ließ das Passantum vernehmen. Der höherdimensionale Charakter der Brücke ist dort schwer gestört. Wir sollten einen Sicherheitsabstand einhalten. Ich sah mich um und erschrak.
   »Der Eingang! Er ist verschwunden!«
   »Das ist ein normaler Effekt. Vergiß nicht das wir nicht auf einer gewöhnlichen Brücke stehen, sondern das der Steg nur der 4 dimensionale Abdruck eines höchst komplexen Beförderungssystems ist.«
   Ich nahm es hin und sah mich um.
Um die Brücke schien das Universum ständig neu zu entstehen und wieder zu vergehen. Alles spielte sich wie in Zeitraffer ab. Ich sah Galaxien wachsen und verglühen.
    Ich war erschüttert. Mit diesem Eindruck hatte ich nicht gerechnet.
    »Konzentriere dich auf unsere Aufgabe und messe dem was du siehst keine Bedeutung bei.«
    Ich fühlte mich bevormundet und unsanft aus meinen Gedanken gerissen.
    »Unsere Aufgabe? Könntest du nicht etwas spezifischer werden?«
    »Erforsche deine Gedanken!« kam die Antwort.
    Ich erschrak. Ich wußte plötzlich Dinge über die Brücke, die ich nie und nimmer wissen konnte.
    So war mir auf einmal klar, das ich das Passantum benutzen konnte die Position des Steges zu verändern.
    »Woher weiß ich...?« flüsterte ich leise.
    Das Passantum schwieg.
    Hatte das Betreten der Brücke irgend einen Impuls in mir ausgelöst?
    Das Pochen in meinem Kopf wurde stärker.
    Ich versuchte mich von den Kopfschmerzen abzulenken und ging einige Schritte auf die Brücke hinaus.
    Ich fühlte mich bereits sicherer und hatte jede Angst verloren - denn ich wußte, daß mir nichts geschehen konnte - aber woher nur?
    »Passantum! Kannst du die Brücke neu justieren?«
    »Die Steuerung ist defekt. Ich kann die Bezugspunkte ändern jedoch nicht kontrollieren. Der Weg nach vorn bleibt versperrt, wenn du aber nach der neuen Justierung zurück läufst, könnten wir vielleicht einen Ausgang erreichen.«
    »Gibt es Risiken?« fragte ich besorgt.
    »Ich weiß nicht«, antwortete das Passantum, »die Brücke könnte vielleicht aus der Verankerung gerissen werden und wir stürzen ins Nichts ab.«
    Ich war entschlossen es trotzdem zu wagen.
    »Justiere den Steg!«
    Ich wußte nicht genau mit welchem Effekt ich zu rechnen hatte, aber außer einem Schwindelgefühl spürte ich nichts.
    »Das war es?«
    Das Passantum sagte: »Ich habe die Brücke gedreht. Sie bleibt stabil.
    Ich sah mißtrauisch zu der Bruchkante hinüber. Hatten sich die Leuchterscheinungen verstärkt?
    Ich wandte mich um und ging in langsamen Schritten den Steg entlang.
    Yltriel jammerte seit wir die Brücke betreten hatten.
    Er drängte die Brücke wieder zu verlassen, doch ich ignorierte den Siga-Blue.
    Nach einigen Schritten stand ich wieder vor einem Nebelfeld.
    »Passantum, kannst du mir den Raum jenseits des Nebelfeldes zeigen?«
    Als sich die Nebelfelder lichteten, sah ich eine blühende Landschaft. Bäume, Wiesen und strahlender Sonnenschein!
    »Ein Garten Eden«, flüsterte ich ergriffen.
    »Was ist das für ein Planet?«, fragte ich unsicher.
    »Ich weiß nicht.«, antwortete das Passantum wahrheitsgetreu.
    Ich gab mir einen Ruck.
    »Wir sehen uns die Sache einmal an.«
    Ich trat einen Schritt in das Nebelfeld hinein und spürte einen unwiderstehlichen Sog der mich drängte die Brücke zu verlassen.
    Als ich dem Gefühl bereitwillig nachgab und aus dem Pilzdom treten wollte, hörte ich die mentalen Alarmschreie des Passantums.
    »Nein! Gehe nicht weiter! Halt!«
    Ich erschrak und sprang zurück.
    Sofort formierte sich wieder das vertraute Bild der Brücke um mich herum.
    Ich lauschte angespannt.
    »Was ist los?«
    Das Passantum antwortete nicht sofort.
    »Warte einen Augenblick!«
    Ich sah die Projektion von jenseits des Nebelfeldes plötzlich verzerrt. Das Bild begann zu flackern und wurde instabil, dann mußte ich geblendet die Augen schließen.
    »Was um Gottes willen...«
    Das Passantum antwortete ruhig.
    »Die Landschaft war ein Trugschluß. Ich konnte die Projektion nicht sofort durchschauen. In Wirklichkeit liegt dieser Ausgang im Kern einer heißen Sonne. Noch ein Schritt und wir wären alle augenblicklich verbrannt.«
    »Was...?« Ich wurde bleich, meine Knie zitterten.
    »Eine Falle?«
    »Die Projektion sollte offensichtlich dazu verleiten die Brücke zu verlassen. Wer immer diese Falle aufgestellt hat, wollte töten.«
    Ich lief einige Schritte zurück.
    Beklemmung machte sich breit.
    »Kannst du wieder Galorn als Ausgang einstellen? Vielleicht ist Moira doch noch da und wir können die Milchstraße auf anderem Weg erreichen...«
    Das Passantum antwortete ruhig.
    »Ich sagte bereits das ich den Steuermechanismus nicht mehr kontrollieren kann. Es ist wie…«
    »...Roulette spielen«, vervollständigte ich den Satz.
    Ich dachte nach.
    »Wir machen einen neuen Versuch«, entschied ich.
    »Wir haben sowieso keine andere Wahl.«
    Wieder spürte ich das leichte Schwindelgefühl dann bestätigte das Passantum, daß die Brücke neu justiert ist.
    Als ich mich wieder umwandte, bekam ich eine weitere Meldung die in mir alle Alarmglocken schellen ließ.
    »Ich habe eine verschlüsselte Impulsgruppe empfangen nachdem ich die Brücke erneut gedreht hatte.«
    Ich blieb stehen.
    »Du meinst wir haben eine Art stillen Alarm ausgelöst?«
    »Irgend jemand hat die Brücke mit einem Meldesystem ausgestattet. Nach der ersten Justierung habe ich das Signal möglicherweise übersehen. Diesmal war es deutlich vernehmbar.«
    Ein unangenehmes Gefühl beschlich mich.
    »Wir haben möglicherweise nicht so viele Versuche wie wir zuerst dachten.«
    »Die Brücke ist zwar beschädigt aber noch begehbar – und so wird es auch vorerst bleiben…« sagte das Passantum.
    »Das meinte ich nicht«, schnitt ich die mentale Stimme ab.
    »Irgend Jemand weiß jetzt, daß wir auf der Brücke sind und dieser Jemand ist uns womöglich nicht gut gesinnt. Wir sollten sie so schnell wie möglich verlassen.«

Das Passantum meldete sich erneut.
    »Ich habe die Brücke neu justiert, kann aber an unserem Ende keinen Ausgang ausmachen. Es scheint mir als ob sie zwischen zwei Stationen stecken geblieben ist.«
    Ich wurde unruhig.
    Vielleicht war es ein Fehler gewesen, das ich mich darauf eingelassen hatte.
    »Dann versuche es erneut! Los!«
    Ich sah unsicher zu der grellen Leuchterscheinung hinüber an der die Brücke abriß. Als das leuchten hektischer wurde und von unregelmäßigem Flackern unterbrochen wurde war mir klar das etwas nicht stimmte.
    »Passantum! Was geht da vor sich.«
    Das schwarze Armband das mir Reginald Bull auf Kahalo überreicht hatte drang mit seiner leisen Stimme in mein Bewußtsein.
    »Jemand versucht das lose Ende der Brücke festzumachen.«
    Ich spürte wie mein Mund trocken wurde.
    »Was...?«
    Das Passantum schien zu flüstern.
    »Die Brücke ist keine wirkliche Brücke. Jemand versucht das eine Ende zu verbiegen um etwas auf die Brücke zu befördern.«
    Ich wirbelte herum.
    »Und die andere Seite? Ist da jetzt ein Ausgang?!«
    Ich schrie die Frage heraus, doch das letzte Wort blieb mir im Hals stecken als ich die Kreatur erblickte, die sich aus dem leuchtenden Energiewirbel schälte. Zuerst als dunkler Umriß, dann immer deutlicher.
    Es war als ob ich gegen einen starken Scheinwerfer blickte und nur ahnte was da auf mich zukam.
    »Das ist ein... Haluter?«
    Ich zögerte einen Moment. Auch die Gestalt am anderen Ende schien einen Moment still zu stehen, dann fixierten mich 3 rote, glühende Augen.
    Ich spürte plötzlich die Alarmsignale des Passantums.
    »Das ist ein Brückenwächter der HESPIES! Schnell du mußt fliehen!«
    Ich sah zwischen meinem Handgelenk und dem Haluter hin und her. Schon im Laufen nahm ich war das es kein wirklicher Haluter war, denn seine Haut schimmerte grün.
    »Eine Bestie!«
    Yltriel schaltete sich erstmals wieder in meinen Funk ein.
    »Das Tier geht auf seine unteren Arme nieder.«
    Ich lief was ich konnte und sah mich nicht mehr um.
    »Das ist kein Tier!« schrie ich.
    Der Ausgang am anderen Ende war so nah und doch schien er mir endlos weit entfernt.
    Ich fühlte mich wie in einem Alptraum. Ich steckte in einer zähen Masse und kam nicht voran.
    Ich hörte ein Brüllen das mir durch Mark und Bein fuhr, da war mir klar, der Uleb wollte mich töten.
    Ich rannte um mein Leben.
    Meine einzige Hoffnung war, daß der Haluterähnliche nicht durch das Nebelfeld dringen konnte.
    Yltriel, der an meiner Seite hing, schrie in schrillsten Tönen.
    »Das Monster kommt näher.«
    Das Nebelfeld schien nur noch einige Meter entfernt zu sein, dennoch benötigte ich wertvolle Sekunden um es zu erreichen.
    Fast schien es mir als ob ich den warmen Atem des Ungetüms im Nacken spürte, doch das mußte meine Angst sein.
    Als ich mich kurz umsah wollten meine Beine vor Schreck den Dienst versagt.
    Die Bestie war nur noch 20 Meter hinter mir, eine Entfernung die für einen Uleb kein Problem darstellte.
    »Wie kann es das geben!« schrie ich im Gedanken. »Es gibt keine Ulebs mehr!«
    Als ich nur noch einen Schritt vom Nebelfeld entfernt war erhielt ich einen fürchterlichen Stoß in den Rücken.
    Der Schmerz belehrte mich eines besseren, der Uleb war reell.
    Ich wurde vorwärts durch das Nebelfeld geschleudert und schlug hart auf einem betonierten Bodenbelag auf. Ich konnte mich kaum bewegen.
    Mir schmerzten alle Glieder.
    Die Bestie hatte mich mit dem Schlag bestenfalls gestreift, sonst wäre ich bereits tot...
    Langsam drehte ich mich auf den Rücken und versuchte den Kopf zu heben, erfolglos.
    Ich betete, daß der Haluterähnliche nicht hinter mir her kam.
    Als ich dennoch sein Brüllen hörte, wußte ich das mein Leben keinen Solar mehr wert war.

Langsam, wie in Zeitlupe schob sich der Körper des Ungetüms durch das Nebelfeld des Pilzdomes. Zuerst sah ich vier kräftige Arme die nach vorn gestreckt durch das Nebelfeld drangen, dann folgte der Kugelkopf mit dem Riesenrachen.
    »Ein Uleb!«, dachte ich ganz ruhig. »Die HESPIES hat sich einen Uleb erschaffen!«
    Ich wollte lachen, schreien oder weinen. Meine Situation erschien mir plötzlich wie das Gedankengebäude eines Wahnsinnigen.
    »Komm und hol mich!« schrie ich der Bestie entgegen.
    Seltsamerweise hatte mich jegliche Angst verlassen.
    »So ist es also, wenn man dem Tod ins Auge sieht«, dachte ich. »Man wird ganz ruhig.«
    Der Uleb baute sich vor mir auf und holte mit der Faust eines seiner Handlungsarme aus.
    »Er will mich zerschmettern«, dachte ich nur.
    In letzter Verzweiflung schrie ich der Bestie entgegen: »Na mach schon! Worauf wartest du noch! Meine Vorfahren haben dein Volk schon damals in den sechsten Kreis der Hölle geschickt! Was willst du also von mir!«
    Erst jetzt wurde mir bewußt, das mich der Uleb nicht hören konnte – ich hatte noch meinen Helm auf.
    Ich zwinkerte, als plötzlich ein Schatten über mich fiel.
    Eine Gestalt, die noch um ein vielfaches größer war als der Uleb huschte an mir vorbei und stieß ein nicht weniger furchterregendes Brüllen aus als der Uleb selbst.
    Die weiße Kreatur erschien wie ein Nebelschleier und manifestierte sich direkt zwischen dem Uleb und mir.
    Die Bestie riß ihren Rachen weit auf und stürmte auf den weißen Riesen zu, doch der hatte keine Mühe den Uleb wie einen Ball zurück zu schleudern.
    Ich hörte das wütende brüllen des Uleb als er wieder gegen den Riesen anrannte.
    Diesmal zerschmetterte der weiße Riese den Uleb mit einem gewaltigen Schlag.
    Es knackte furchtbar, dann stürzte der grüne Hüne zu Boden und schloß die Augen.
    Yltirel zwitscherte.
    »Das Monster ist tot!«
    Die weiße Gestalt nahm den Uleb auf und schleuderte ihn zurück durch das Nebelfeld des Pilzdomes.
    Danach löste sich die Gestalt ins Nichts auf.
    Ich streckte die Hand nach vorn.
    »Halt... warte! Geh nicht fort.«
    Ich spürte plötzlich wie meine Sinne versagten.
    Ich konnte nur noch flüstern. »Nicht jetzt...« Dann wurde ich Ohnmächtig.

Ich wußte nicht ob meine Ohnmacht nur einige Minuten gedauert hatte oder Stunden.
    Ich hustete heftig, dann rollte ich mich auf die Seite.
    Über mir war dunkler Himmel, es war Nacht und kein Stern war zu sehen.
    Ich mußte mindestens einige Stunden so dagelegen haben.
    Kein Licht war zu sehen, um mich herum die absolute Dunkelheit.
    Nachdem ich mich vergewissert hatte, das die Außenluft atembar und warm war, riß ich mir den Helm des Seruns vom Kopf.
    Ich sog den Sauerstoff ein und begann gleich heftig zu atmen.
    »Etwas weniger Sauerstoff als du gewöhnt bist«, schoß es mir durch den Kopf. »Aber es reicht.«
    Ich setze mich auf und untersuchte meinen Körper nach Knochenbrüchen.
    Bis auf meine Kopfschmerzen schien alles in Ordnung zu sein.
    »Da haben wir nochmal Glück gehabt, was Yltirel?«
    Ich lauschte, doch es kam keine Antwort.
    »Yltirel?«
    Ich hielt den Atem an.
    Meine Finger tasteten behutsam über die Seite meiner Hüfte an der Yltriel die ganze Zeit über fixiert war, doch der Siga-Blue war verschwunden.
    »Yltirel!« rief ich vorsichtig in die Dunkelheit hinein. »Wo bist du?«
    Ich erhielt keine Antwort.
    Ich richtete mich auf und drehte mich langsam um meine Achse.
    Ich glaubte am Horizont die Silhouette einer Stadt zu erkennen.
    Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen, dann wurden meine Schritte fester.
    In regelmäßigen Abständen rief ich nach dem Siga-Blue, erhielt aber keine Antwort.
    »Kleiner, wo bist du nur?«
    »Passantum!«
    Ich lauschte in mich hinein.
    »Passantum?«
    Keine Antwort.
    Erst jetzt realisierte ich, das sich mein Arm seltsam leicht anfühlte. Ich hatte das Armband verloren!
    In mir stieg Panik auf.
    Wo war ich und wie konnte ich ohne Passantum jemals wieder diesen Ort verlassen?
    »Gar nicht«, gab ich mir selbst die Antwort.
    Ich hörte ein leises Rascheln aus der Richtung vor mir.
    Langsam ging ich weiter.
    Was hatte ich noch zu verlieren?
    Ich ließ die Hände locker an meiner Hüfte baumeln und ging langsam in die Dunkelheit hinaus.
    Das Pochen meiner Schläfe wurde wieder stärker.
    Ich hielt mir die Hände an den Kopf und stöhnte leise.
    »Was ist das nur? Was ist nur in meinem Kopf?«
    Meine Gedanken überschlugen sich als ich fühlte, wie ein plötzlicher Informationsstrom mir alle Fragen beantwortete.
    Fast schien es, als habe jemand das Licht in einem verdunkelten Raum eingeschaltet.
    Ich wurde überwältigt von Gefühlen und Hoffnungen und vor allen Dingen, von neuem Wissen.
    Ich wußte plötzlich was ich zu tun hatte und wo ich mich befand.
    Ich war auch nicht im mindesten Überrascht, als vor mir eine Plasmafackel entzündet wurde, deren Licht die Dunkelheit zerriß. Das Licht der Fackel warf den Schatten von einigen hundert, in dunkle Gewänder gehüllte Gestalten, auf den Boden.
    Ich lächelte, denn ich wußte, daß ich bei Freunden war.
    Langsam ging ich auf die vorderste Gestalt zu und hob grüßend die Hand.
    »Hallo!« sagte ich leise. »Danke für die Rettung vor dem Ungetüm.«

Die Herreach hatten mir Zuflucht gewährt und mich vor der Bestie gerettet.
    Zwar hatte die kleine Gruppe den Riesen Shimbaa offensichtlich nur kurz stabil halten können, doch lange genug um mich zu schützen.
    Ich befand mich also auf Trokan und das hieß im Sonnensystem!
    Noch konnte ich es kaum glauben, doch alles deutete darauf hin, daß ich wieder zu Hause bin.
    »Zuhause?«
    Ich hing meinen Gedanken nach.
    Ein Blick zu den Sternen ließ dennoch starke Zweifel aufkommen.
    Der Himmel über Trokan war tiefschwarz!
    Die gewohnten Sternbilder fehlten ganz und auch das vertraute Band der Milchstraße war nicht zu sehen.
    Aber selbst wenn das gesamte Sonnensystem von der Außenwelt abgeschirmt sein sollte, wo waren die Planeten?
    Gegen die schwarze Mauer mußten sie sich doch wie funkelnde Diamanten abheben.
    Die Herreach konnten meine Fragen nicht beantworten oder verstanden sie nicht und so beschloß ich erst einmal den neuen Tag abzuwarten und ihrer Einladung ins Dorf zu folgen.

Am nächsten Morgen sah dem Sonnenaufgang entgegen.
Ich war froh die Sonne zu sehen.
    All meine Ängste der Zentralstern des Sonnensystems wäre vernichtet oder einfach nicht mehr da entluden sich in einem befreienden Lachen.
    Die Sonne stieg langsam über den Horizont und flutete die Ebene mit ihrem Licht.
    Ich genoß die wärmenden Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht, denn ich hatte in einer kleinen Hütte übernachtet und die ganze Zeit über entsetzlich gefroren.
    Von Yltriel gab es weiterhin keine Spur und ich begann mir ernsthafte Sorgen zu machen. Auch der Verlust des Passantums machte mir Kopfzerbrechen.
    Ich beschloß nochmals den Pilzdom aufzusuchen um mich zu vergewissern.
    Die Stadt, oder besser die Ansiedlung, lag völlig still da.
    Niemand war zu sehen als ich durch die schmalen Straßen lief.
    Nachdem ich die Siedlung der Herreach hinter mir gelassen hatte, schritt ich langsam den Trampelpfad entlang, dem ich Nachts gefolgt war.
    Je mehr ich mich dem Pilzdom näherte, desto mehr Ruinen wuchsen vor mir aus dem Boden, meistens total zerfallen und nicht mehr erkennbar um welche Bauwerke es sich gehandelt hatte.
    Es mußte sich wohl um Reste der Sicherungsanlagen handeln, die einst von der LFT um den Pilzdom herum aufgestellt worden waren - oder waren es Reste der einstigen Stadt Moond?
    Ich wußte es nicht.
    Ich ließ meinen Blick über die Ebene wandern.
    Der Pilzdom war das einzig markante, völlig intakte Bauwerk auf der weiten Fläche - unzerstörbar wie es schien. Bauwerk?
    Ich schüttelte den Kopf. Noch immer wußte ich nicht was der Pilzdom wirklich darstellte. Ich nahm ihn einfach für das was er war, ein Portal zu einem noch viel unverständlicheren Beförderungssystem.
    Meine Augen erfaßten unweit des Domes einen schwarzen Gegenstand der am Boden lag.
    Ich erschrak fast zu Tode.
    »Yltirel!«
    Mit einem Aufschrei rannte ich auf den dunklen Punkt zu und beugte mich herab, auf‘s schlimmste gefaßt. Dann stutzte ich.
    »Das Passantum!«
    Ich hatte mich vom Schreck erholt und war froh nicht den Leichnam des Siga-Blues gefunden zu haben.
    Aber was war mit dem Gerät geschehen?
    Das schwarze Armband hatte sich geöffnet und war mir wohl vom Handgelenk abgefallen.
    Alle Versuche es wieder anzulegen scheiterten.
    Es hatte seine Funktion eingestellt.
    Ich hörte weder die mentale Stimme noch konnte ich es dazu bewegen sich um mein Handgelenk zu schließen.
    Nachdenklich sah ich zur Siedlung der Herreach hinüber.
    Ob mir die Bewohner Trokans meine drängenden Fragen beantworten konnten? Ich bezweifelte es.
    Seit gestern Nacht spürte ich plötzlich einen nahezu unwiderstehlichen Drang Terra aufzusuchen.
    Ich dachte über dieses Gefühl nach.
    Es war nicht nur ein Wunsch, ich mußte unter allen Umständen die Erde erreichen.
    Ich hatte meine Ausbildung bei der LFT abgeschlossen und wußte über die Möglichkeiten von Hypnoblocks und suggestiven Befehlen.
    Es war offensichtlich, daß meine Ankunft auf Trokan einen Impuls in mir ausgelöst hatte, der einen Teil eines bis jetzt verschleierten Bewußtseins freigelegt hatte.
    Wer mir den Block verabreicht hatte oder warum ich die mentale Sperre besaß, wußte ich nicht.
    Ich grübelte darüber nach.
    Warum sollte überhaupt jemand Informationen meines Gedächtnisses blockieren?
    Hatte ich den Hypnoblock aus meiner Zeit mitgenommen? War er zu meinem eigenen Schutz angelegt worden?
    Schleppte ich irgendein Wissen mit mir herum, das vor der HESPIES meine Mission gefährdet hätte?
    Ich zuckte bei dem Gedanken zusammen.
    Ich habe eine Mission?
    Mein Blick fiel auf das Passantum und ich wußte plötzlich warum es versagt hatte.
    Ich wußte es...!
    Die negative, psionische Strahlung der Dunkelfeldblase hatte die organischen Komponenten des Passantums absterben lassen.
    Das gesamte Sol-System befand sich in einer gigantischen, etwa 40 Astronomische Einheiten durchmessenden Dunkelfeldblase, die es vom Einsteinraum abschirmte.
    Auch die einzelnen Planeten, Trokan eingeschlossen, waren von einem solchen Feld umgeben.
    Ich fröstelte innerlich. Woher wußte ich das alles nur?
    Ich mußte zur Erde!
    »Du hast die Wahrheit erkannt!«
    Ich fuhr herum. Wer hatte da gesprochen?
    Ich kniff die Augen zusammen, denn die Person stand genau in der aufgehende Sonne.
    Ich erkannte einen Herreach in einem purpurnen Gewand. Ein Priester?
    »Wer bist du?« fragte ich vorsichtig.
    Ich bin Tresto Gourn.
    Ich sah mich irritiert um. Es war niemand sonst anwesend.
    »Was kann ich für dich tun?«
    Der Herreach hatte die ganze Zeit über die Augen geschlossen, auch als er fort fuhr.
    »Du hast Teile der Wahrheit erkannt.«
    Ich ging langsam auf den Gourn zu.
    »Warum siehst du mich nicht an?« fragte ich leise.
    »Du kennst die Antwort…« entgegnete der Herreach nur.
    In mir schrillten plötzlich alle Alarmglocken. Ich spannte meine Muskeln, immer darauf gefaßt mein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.
    Der Herreach strahlte eine seltsame Aura aus. Ich fühlte mich durchschaut und unsicher.
    Langsam ging ich der Gestalt entgegen.
    Als ich nur noch wenige Schritte von Gourn entfernt zum stehen kam, schlug dieser plötzlich die Augen auf.
    Ich erschrak! Diesen Anblick werde ich nie vergessen!
    Seine Augen waren pechschwarz, und stumpf – ohne erkennbare Pupille oder Iris. Dennoch schien es mir, als ob sich das gesamte Universum in ihnen spiegelte.
    »Du bist blind!«
    Der Herreach sah genau in meine Richtung.
    »Ich sehe mehr als alle anderen.«
    Ich nickte bedächtig. Ich ahnte, daß Gourn besondere Fähigkeiten besaß. Ohne lange zu überlegen sagte ich:
    »Du warst es! Du hast den Riesen Shimbaa geschickt um mich zu retten und nicht die kleine Gruppe deiner Landsleute!«
    Der Herreach nickte langsam und lächelte dabei.
    »Du erkennst schnell. Mein Volk hat längst die Fähigkeit des mentalen Kollektivgebets verloren, schon vor vielen Sonnenwenden. Ich lebe in der Nähe des Pilzdomes, der einst das Zentrum unserer Religion war. Ich bin ein Ausgestoßener, weil ich anders bin als sie.«
    Ich nickte.
    »Du bist mental begabt!«
    Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
    Der Herreach lächelte nur.
    War das eine Bestätigung? Ich versuchte es anders.
    »Was hast du damit gemeint, ich hätte einen Teil der Wahrheit erkannt?«
    Der Herreach breitete die Arme aus.
    »Du hast den Teil des Universums begriffen, in dem wir leben.«
    Ich sah ihn verwundert an.
    »Du meinst das Sonnensystem?«
    Der Herreach sah mich mit seinen schwarzen Augen an und es war mir als ob er durch mich hindurch blickte als er sagte:
    »Du sprichst und denkst in verwirrenden Begriffen. Ich meine Trokan und das Glutauge. Das ist unser ganzes Universum! Wir sind der Mittelpunkt und gleichzeitig das Universum selbst. Und dann ist da noch…«
    Ich horchte auf.
    »Was meinst du?«
    Der Herreach wurde von einem Schüttelfrost erfaßt und es dauerte einige Minuten bis er sich wieder in der Gewalt hatte.
    »…und dann ist da noch das Böse.«
    Ich nickte langsam.
    Fast schon hatte ich vergessen wo ich mich befand.
    Ich war der HESPIES so nah wie noch nie.
    »Ist sie hier?« fragte ich leise.
    Der Herreach sah mich an.
    »Sie? Das Böse hat kein Geschlecht.«
    »Woher willst du das wissen?« fragte ich gespannt.
    Der Herreach wurde erneut vom Schüttelfrost erfaßt.
    »Weil ich seine Ausstrahlung erfassen kann. Es ist furchtbar! Es leidet und hat Angst. Ich spüre Zorn und eine unglaubliche negative Aura. Es sitzt wie die Spinne im Netz und wartet.«
    Ich spürte wie sich mein Pulsschlag beschleunigte.
    »Und worauf wartet Es?«, fragte ich leise.
    Der Herreach richtete sich auf und sah mich direkt an.
    »Auf den letzten Ritter! Es wartet auf Dich!«

»Das ist unmöglich!«
    Ich faste mir an die Schläfen.
    »Das ist Irrsinn!«
    Der Herreach sah mich mit seinen schwarzen Augen an.
    »Du weißt genau das es so ist.«, beharrte er.
    »Ich bin nur rein zufällig in diese Zeit verschlagen worden! Ich dürfte gar nicht hier sein!« erwiderte ich trotzig.
    Gourn legte mir die Hand auf die Schulter, eine menschliche Geste die mich elektrisierte.
    »Es gibt keine Zufälle im Universum. Alles ist vorherbestimmt. Dinge geschehen weil sie geschehen müssen.«
    Ich schüttelte heftig den Kopf.
    »Mein Name ist John McGiver...« setzte ich an – doch der Herreach schnitt mir das Wort ab.
    »Du weißt selbst nicht wer du bist!«
    Dieser Satz traf mich wie ein Schlag.
    Ich sah auf.
    »Und wer glaubst du bin ich?«
    Es schien mir, als ob mich die toten Augen des Herreach sezierten. Nach einigen Sekunden ließ Gourn resigniert die Schultern sinken.
    »Ich kann Dein Bewußtsein nicht erreichen. Ein Teil Deines Gehirns ist mir verschlossen.«
    Ich nickte.
    »Ein Teil meines Wissens ist auch mir verschlossen und ich habe das Gefühl, daß ein entscheidendes Mosaik zum Schlüssel meiner Erinnerung fehlt. Ich brauche Antworten!«
    Gourn nickte leicht.
    »Du mußt zu dem Ort, den du suchst.«
    »Terra«, antwortete ich schnell. »Ich muß unbedingt nach Terra!«
    Gourn sah an mir vorbei.
    »Ich weiß nicht was Terra ist. Ein Ort wie dieser?«
    Ich lächelte. »In meiner Erinnerung ist Terra der schönste Planet des Universums.«
    »Planet?«
    Ich begann zu begreifen, daß Gourn jedes Verständnis über den Aufbau des Universums fehlte. Ich konnte es ihm keinesfalls übel nehmen. Wie viele Jahrhunderte vegetierten die Herreach schon unter dem Dunkelschirm? Ich verwarf die Frage. Das brachte mich nicht weiter.
    »Was kannst du mir über das Böse sagen.«
    Der Herreach versteifte sich.
    »Es ist da draußen.«
    Ich folgte seiner Hand, die in den schwarzen Himmel deutete.
    »Du sagtest es leidet und hat Angst. Wie meinst du das?«
    Der Herreach wurde erneut von einem Schüttelfrost erfaßt.
    »Es ist wie immer, wenn das Leben erwacht ist. Es hat Angst vor dem Tod.«
    Ich kniff die Augen zusammen.
    »Du meinst die Bestie hat Existenzangst? Kann man sie töten?«
    Gourn ging angstvoll zwei Schritte zurück.
    »Dann müßtest du ihr ins Angesicht sehen!«
    Ich setzte nach.
    »Hat sie denn eines?«
    Als Gourn meine Frage ignorierte versuchte ich es anders.
    »War sie schon auf Trokan?«
    Gourn ging in die Knie und begann fürchterlich zu zittern.
    Es dauerte einen Moment, bis ich merkte, daß sein Zustand nichts mit meinen Fragen zu tun hatte.
    »Was ist mit dir?«
    Gourn brachte nur ein Wimmern zustande.
    Ich begann mir Sorgen zu machen.
    Der Herreach brach vollends zusammen und begann unkontrolliert zu zucken.
    Das ganze wirkte wie ein epileptischer Anfall auf mich.
    Ich versuchte ihn festzuhalten um zu verhindern, daß er sich auf dem steinigen Boden verletzte. Plötzlich und ohne Übergang hörte es auf.
    Gourn atmete schwer und setzte sich auf.
    »Was war...« Ich brach ab als ich in sein entsetztes Gesicht sah.
    Es war von Angst gezeichnet.
    »Es hat mich berührt!«
    Ich sah mich hektisch um.
    »Unsinn Gourn, das Böse ist nicht hier. Du hattest einen Anfall...«
    Gourns Hand krallte sich in meinen Arm.
    »Sie hat mich mit ihrem Atem gestreift!«
    Ich wußte nicht was ich davon halten sollte.
    »Der Tag ist nahe, wo wieder Herreach verschwinden werden. Sie wird uns erst quälen und dann viele von uns zu sich holen!«
    Ich war entsetzt.
    Hatte Gourn mit seinen mentalen Fähigkeiten einen irgendwie gearteten Impuls der HESPIES aufgefangen?
    »Du hast es gefühlt?«
    Gourn hob die Arme.
    »Ich bin verflucht. Als einziger meines Volkes spüre ich das wahre Böse und niemand kann meinen Schmerz verstehen!«
    Ich half dem Herreach auf.
    »Doch, ich kann!«
    »Wirklich?«
    Gourn sah mich direkt an. War er wirklich blind?
    »Du kannst mit deinem begabten Gehirn die Mentalimpulse der HESPIES espern und scheinst an ihrem Gefühlsleben teilzunehmen.«
    »Es ist grausam!«
    »Aber Es hat Gefühle! Es lebt, also kann man es töten! Gourn, erzähl mir von dem was du empfängst.«
    Der Herreach setzte zum Sprechen an, stockte aber plötzlich und sah mich befremdet an.
    Langsam, fast wie in Zeitlupe kippte er nach vorn, direkt in meine Arme.
    Ich fing ihn auf und schüttelte ihn, erst dann bemerkte ich die etwa 5 Milimeter große Einschußwunde an seinem Hinterkopf.
    Der Herreach mußte auf der Stelle Tod gewesen sein.
    Reflexhaft griff ich zur Waffe. Gourn fiel auf den Boden und rührte sich nicht mehr.
    Dafür vernahm ich ein anderes Geräusch.
    Das leise Surren von Yltriels Antigrav!
    Ich drehte mich um meine Achse und suchte die Umgebung ab.
    Mein Individualschirm war längst aktiviert und konnte von der kleinen Handfeuerwaffe des Siga-Blues nicht durchdrungen werden.
    »Wo bist du?«, rief ich laut.
    »Wo versteckst du dich?«
    Die Antwort kam überlaut aus meinem Empfänger.
    »Warum hast du deinen Schutzschirm aktiviert, Terraner!«
    Ich überging die Frage und antwortete mit einer Gegenfrage.
    »Warum hast du den Herreach getötet!«
    »Na was glaubst du? Er war ein Geschöpf der HESPIES, darum!«
    Ich konnte Yltriel nicht ausmachen. Die Vegetation der Umgebung bot genug Deckung für den kleinen Gataser.
    »Wo bist du die ganze Zeit gewesen?« fragte ich lauernd.
    »Ich habe mich verirrt.«, folgte die knappe Antwort.
    Ich kniete kurz neben Gourn hin und gab meinen Pikosyn den Befehl den Herreach zu untersuchen.
    »Gehirntod durch Gewalteinwirkung«, lautete die Diagnose.
    Die Wut trieb mir die Tränen in die Augen.
    »Wir hätten viel von ihm erfahren können!«, schrie ich in das Akustikfeld meines Helmes.
    »Komm heraus und zeig dich!«
    »Schalte erst deinen Schirm aus, Terraner!«
    Ich überlegte einen Moment.
    Was war nur in den Widder-Führer gefahren? Hat Yltirel über all die Dinge, die wir gemeinsam durchgemacht haben, den Verstand verloren?
    »Bist du mein Gegner oder mein Freund?«
    Atemlos lauschte ich auf Antwort.
    »Wenn es sein muß, dann töte ich dich, Terraner! Schalte Deinen Schirm aus!«
    Ich überlegte fieberhaft.
    Wie glaubwürdig war die Geschichte des Siga-Blues?
    Ich ließ die Umgebung keinen Moment aus den Augen.
    Trotz seiner geringen Größe konnte Yltriel gefährlich für mich werden.
    »Du sagst, du hast dich bei unserer Ankunft verlaufen? Wie ging das vor sich?«
    Als ich die Antwort des Siga-Blues abwartete, gab ich meinem Pikosyn den stummen Befehl: »Pikosyn, Energieortung mit Vektorangabe!«
    Die Antwort kam prompt, ohne jede Verzögerung.
    »3 Uhr, Entfernung 5 Meter.«
    Yltriel antwortete gerade: »Ich wurde davongeschleudert und wachte viel später benommen auf. Ich habe nach dir gesucht, dich aber nicht gefunden.«
    Ich entsicherte mit einem Daumendruck meinen Strahler.
    »Und du hast das Dorf der Herreach nicht entdeckt, keinen Kilometer von hier?«
    »Welches Dorf meinst du, Terraner? Da wo ich war gab es nur Ruinen.«
    Ich wirbelte herum und feuerte über die Sträucher hinweg.
    Das trockene Gras fing sofort Feuer.
    Mit einem Satz war ich an der vom Pikosyn georteten Stelle.
    Ich entdeckte einen kleinen, unförmigen Sack im Gras.
    Ein höhnisches Lachen kam über meinen Empfänger herein. Ich erkannte die Stimme des Blues fast nicht wieder.
    »Das war nur mein Reserveaggregat, Terraner. Wie dumm ihr doch alle seid! Glaubst du wirklich du kannst meiner Herrin schaden?«
    Ich biß die Zähne zusammen.
    »Du arbeitest für die Bestie!« mein Akkustikfeld klirrte, so laut schrie ich es hinaus.
    Ein leises Lachen ertönte.
    »Dein Wissen wird dir nicht helfen. In wenigen Minuten ist Hilfe hier, dann bringen wir dich zu Ihr. Eigentlich bist du eine ziemlich jämmerliche Gestalt, Terraner. Es ist mir ein Rätsel warum sie ausgerechnet vor dir solche Furcht hat. Glaubst du wirklich im Machtbereich der HESPIES hat eine so primitive Organisation wie die WIDDER nur entfernt eine Überlebenschance? Dieser Haufen erbärmlicher Exoten wurde nur geduldet um Dich anzuziehen, Terraner. Die meisten werden wohl gerade exekutiert. Die Herrin weiß genau wie ihr denkt! Und du bist prompt in die Falle gegangen.«
    Wieder ein Lachen.
    »Eigentlich bist du blind in zwei gestellte Fallen hinein gelaufen, oder glaubst du wirklich die HESPIES verschwendet ihre Energie nur um dieses Wrack Namens Reginald Bull am Leben zu halten?«
    Ich biß mit aller Kraft meine Zähne zusammen und gab meinen Pikosyn einen weiteren stummen Befehl, dann schritt ich weit aus und blieb nach 2 Metern stehen.
    »Kalt«, kam die höhnische Antwort. So wirst du niemals herausfinden wo ich bin.
    Als ich die angeforderten Informationen erhielt, schoß ich ohne zu zögern.
    Ein kurzer, schmerzvoller Aufschrei war zu hören, dann Stille.
    Ich schritt langsam zu der Stelle die ich unter Beschuß genommen hatte und sah den verkohlten Körper des Siga-Blues am Boden liegen.
    »Das ist für den Mord an Gourn, du Mistkerl!«
    Ich hatte mit einfacher Zweipunktpeilung den Standort von Yltriels Helmfunkgerät errechnen lassen. Unkonventionell aber wirksam!
    Ich setzte mich einen Moment neben den Leichnam des Herreach ins Gras.
    Ich konnte es noch immer nicht fassen. Yltriel war ein Agent der HESPIES gewesen und ich hatte ihm die ganze Zeit über vertraut!
    Ich nahm den Helm ab und atmete tief ein.
    Was für Überraschungen standen mir noch bevor? Wie sollte all das nur enden?
    Ich muß zur Erde, hämmerte es durch meinen Kopf.
    Ich muß nach Terrania und dem ganzen Wahnsinn ein Ende bereiten!

Fortsetzung folgt!

 
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