Die Schlacht war geschlagen. Die Sieger auf dem Heimweg. Wieder hatte
das vermeintlich Gute gegen das vermeintlich Böse gewonnen. Wieder hatte Perry Rhodan den
Entitäten bewiesen, daß sie nicht unbesiegbar und unfehlbar waren. Rodroms Jagd auf den
Unsterblichen und die damit angestrebte Vergeltung schlug fehl.
Rodrom hatten in allen Dingen eine Niederlage erlitten, seine fünf
bestialischen Kämpfer konnten nicht Perry Rhodan töten. Sie fanden während des Kampfes
auf der Parallelerde den Tod.
Sato Ambush war es, der Rodrom ein Schnippchen schlug und die Rückkehr
der LONDON in das Normaluniversum ermöglichte. Leider schaffte der Pararealist nicht
selbst die Rückkehr in sein Universum.
Kaum waren Rhodan und Aurec wieder in Saggittor, schafften sie es den
Diktator Dolphus zu stürzen. Dolphus hatte bereits eine Armada an Schiffen gesammelt, die
die Milchstraße überfallen sollten. Statt dessen griff diese Armada nun unter Aurecs
Führung die Station Rodroms im Zentrum an. Man konnte die Barriere überwinden und die
Kjollen zurückschlagen. Dort zeigte es sich, wie rücksichtslos die Chaotarchen waren.
Rodrom entfachte eine Supernova im System der Kjollen und bestrafte damit die Verlierer.
Der größte Teil des Volkes der Kjollen wurde ausgerottet. Rodrom zog sich mit der WORDON
aus Saggittor zurück, erschien Rhodan aber noch und warnte ihn vor seiner erneuten Rache.
Dann verabschiedete sich Rhodan von seinem neuen Freund Aurec. Die
LONDON brach auf, um wieder in die Milchstraße zu fliegen.
Die Reise dauerte wahrscheinlich etwa ein Monat. Man schrieb inzwischen
den 10. Dezember 1285 NGZ. Die Reise des stolzen Hanseschiffes begann also vor zwei
Monaten. Eigentlich sollte sie nur zwei Wochen dauern. Doch durch die Entführung von
Vater Dannos und seinen Kindern der Sonner, durch die Verschleppung in die Galaxis
Saggittor und den Abenteuern im Paralleluniversum waren sämtliche Zeitpläne der
Kosmischen Hanse über den Haufen geworden worden.
Doch das lag nun alles hinter den knapp 15.000 Männern und Frauen auf
der LONDON. Bald konnten sie wieder in ihre Heimat zurückkehren. Bald hatte die Odyssee
der LONDON ein Ende... bald...
Rosan stand am Geländer und sah in den künstlichen Himmel, den die
Bordsyntronik der LONDON kreierte. Die kleine Kunstsonne war aktiviert und die Temperatur
dementsprechend höher an Deck des Luxusraumers. Der Sauerstoff wurde mit einem leichten
Salzgehalt angereichert. Dazu kam ein Rauschen von Wellen. Rosan hatte das Gefühl sie
würde auf einem richtigen Schiff sein und einen Ozean überqueren.
Sie sah den Menschen zu, die noch das beste aus der Reise machten. Arno
Gaton hatte notgedrungen einen Preisnachlaß von bis zu 50 % allen Passagieren
versprochen. Zudem freie Getränke und Speisen an den Wochenenden. Damit konnte er die
wütenden aber auch verängstigten Passagiere wieder beruhigen. Die Reise war beinahe zum
Fiasko für die Kosmische Hanse geworden. Ausgerechnet Perry Rhodan hatten sie es zu
verdanken, daß sie doch noch eine glückliche Wende nahm. Perry Rhodan war es, wenn auch
mit Hilfe von Sam, Aurec, Wyll und Rosan selbst, der Rodrom besiegte. Zwar spielten viele
glückliche Zufälle mit, doch ohne Perry Rhodan wäre die LONDON schon bei der
Entführung durch Dannos verloren gewesen.
Jeder an Bord war ihm zu Dank verpflichtet. Doch nicht alle taten es.
Rosan verdrehte die Augen als sie an ihre eigene Familie dachte. Spector hatte Rhodan als
Grund für die ganze Misere bezeichnet. Er argumentierte, daß ohne Rhodan Rodrom niemals
Interesse an der LONDON gehabt hätte.
Sicherlich hatte er so gesehen recht gehabt, doch ohne Rhodans
beruhigende Art und Durchsetzungsvermögen hätte bereits Dannos seine Pläne
verwirklichen können, was auch für viele das Ende bedeutet hätte.
Außerdem hatte niemand das Recht dazu Perry Rhodan für die
Bösartigkeit Rodroms verantwortlich zu machen.
Aber das war schon immer eine Stärke der Arkoniden.
Rosan Orbanashol dachte nun an ihre Zukunft. Auf dieser Reise war sehr
viel passiert. Sie lernte den einzigen Mann kennen, den sie aufrichtig liebte. Sie war
sich auch seiner Liebe sicher. Wyll Nordment hatte ihr Leben mehr verändert als die
Abenteuer in den letzten zwei Monaten.
Er hatte ihr gezeigt, wie schön das Leben doch sein kann. Fern ab von
den Orbanashols und der arkonidischen Etikette. Rosan hatte es satt jeden Morgen die
arkonidische Hymne singen zu müssen. Für Arkons Macht und Glorie. Sie konnte die
Arroganz Attakus nicht mehr ertragen. Doch eigentlich sollte sie ihn ehelichen. Früher
hegte Rosan mit dem Gedanken sich das Leben zu nehmen. Doch als sie es tun wollte, kam
Wyll Nordment dazwischen. Doch auch ihr Glück war von kurzer Dauer. In der Nacht als sie
sich verliebten, kam die Entführung der LONDON durch Dannos zu Tage. Sie kamen nicht
einmal dazu sich richtig zu lieben. Dann geschah alles sehr schnell. Nur einige Tage
später wurde die LONDON zum zweiten Mal entführt. Dazu kamen noch die Intrigen von
Attakus, die Wyll sogar für eine Weile in Arrest brachten. Er und Rosan waren zwar
häufig zusammen, doch sie hatten keine Zeit ihre Liebe richtig zu genießen.
Erst jetzt hatten beide Zeit ausgiebig über sich und ihre, vielleicht
gemeinsame, Zukunft nachzudenken. Rosan wollte erst einmal eine Weile allein sein, um sich
über ihrer Gefühle im Klaren zu werden.
Sie liebte Wyll mehr als alles andere und war auch der festen
Überzeugung, daß sie beide zusammen glücklich werden konnten. Nur hatte sie Angst vor
ihrer Familie. Spector und Attakus Orbanashol ließen nichts unversucht, um Rosan und Wyll
an ihrem Glück zu hindern. Deshalb war sie manchmal der Ansicht, daß Wyll ohne sie
besser dran war.
Zum Zeichen von Anerkennung hatte Wyll Nordment immerhin ein besseres
Zimmer bekommen. Seinen Posten als Navigator hatte er von Gaton jedoch nicht
zurückbekommen. Die Anklage wegen Mitarbeit zur Entführung der LONDON und wegen
tätlichen Angriffs gegen Attakus Orbanashol wurde allerdings aufgrund von Wylls
maßgeblicher Beteiligung zur Rettung der LONDON fallengelassen.
Die Kabine war um etliches komfortabler. Wyll lag auf seinem Bett und
hatte die Arme hinter den Kopf verschränkt.
Er dachte natürlich an Rosan. Er liebte sie und wollte den Rest seines
Lebens mit ihr verbringen. Er hatte keine Angst vor den Orbanashols. Das einzige was ihm
im Moment fehlte war ein Job. Er glaubte nicht daran, daß er in der Hanse noch einmal
anfangen konnte.
Sicherlich mußte kein Mensch mehr auf Terra hungern und Wyll war sich
sicher, daß er auf irgendeinem Schiff eine Stelle bekam, doch war das dann auch das
Richtige für Rosan? Auch wenn sie es nicht zugeben wollte, war sie einen gewissen
Standard gewohnt.
Wyll wollte nicht, daß sie auf alles verzichten mußte, nur wegen ihm.
Er seufzte laut. Dann schaute er auf sein Chronometer. Es war bereits
20.40 Uhr. Er entschloß sich zu Rosan zu gehen, um mit ihr über alles zu reden.
Perry Rhodan und Sam saßen in Rhodans Kabine und genossen die Ruhe.
Für Rhodan waren Abenteuer solcher Art nichts ungewohntes mehr, doch Sam brauchte eine
Ruhepause. Diese gewährte ihm Rhodan schon seit dem Abflug aus der Galaxis Saggittor.
Der Cameloter dachte an seinen neuen Freund Aurec. Manchmal erinnerte
Aurec ihn an Ovaron. Es steckte sehr viel Energie in ihm. Er war froh, daß trotz der
Schicksalsschläge es Aurec schaffte das Saggittorreich wieder zu einigen und es nun
regierte.
Warum allerdings Shel Norkat sich nicht entschlossen hatte Aurecs Frau
zu werden, hatte ihm der Saggittone nicht verraten.
Vielleicht besser so für dich. Terranische Frauen sind manchmal sehr
seltsam, dachte Perry. Rhodan war sich sicher, daß er noch öfters Aurec begegnen
würde.
Ebenso hegte er allerdings das Gefühl, daß er auch Rodrom irgendwann
wieder begegnete. Er dachte an die letzten Worte der Entität, bevor er aus der Galaxis
verschwand.
Du wirst noch von mir hören, Perry Rhodan. Dein Schicksal, wie auch
das der Männer und Frauen auf der LONDON, ist besiegelt. Doch solltest du wieder dem Tod
entkommen, sei gewiß, es gibt auch andere die deinen Tod wollen und sich in diesem Moment
darauf vorbereiten.
Rhodan wußte nicht, wen er damit meinte. Doch das waren sicher keine
leeren Drohungen. Er mußte auf alles gefaßt sein. Rhodan war erst zufrieden, wenn die
LONDON wieder heimatliche Gefilde erreichte.
Sam war inzwischen eingeschlafen. Der Somer hatte sich für einen
Diplomaten und Politiker sehr tapfer gehalten. Er war eines Cameloters würdig. Perry
freute sich auf die kommende Zusammenarbeit mit ihm.
Er war sich noch nicht sicher, wo er genau Sam einsetzen wollte. Doch er
sollte an einem Langzeitplan arbeiten, die Milchstraße wieder auf friedliche Art zu
einen. Eine wahrhaftig anstrengende Aufgabe, doch Sam konnte dieser gerecht werden.
Rhodan holte eine Decke und legte diese über das Vogelwesen. Dann ging
er aus der Kabine und machten einen Spaziergang durch das Schiff.
Er bemerkte wie schön doch die LONDON eigentlich war. Irgendwie war
Rhodan froh, daß dem Schiff nichts Schlimmeres passiert war.
James Holling und Arno Gaton saßen in einem der vielen Speiseräumen
zusammen. Dies war einer, der für kleine Mahlzeiten vorgesehen war. Sie saßen in zwei
bequemen Sesseln. Vor ihnen stand ein kleiner Tisch. Beide tranken eine Tasse Cappuccino.
»Es ist alles noch einmal gut ausgegangen. Trotz fehlender
Rettungskapseln«, begann Holling das ernste Gespräch und beendete somit automatisch die
nichtssagende Konversation, die beide vorher führten.
Gaton schüttelte den Kopf.
»Nun fange nicht schon wieder davon an, James. Die LONDON war niemals
in akuter Gefahr«, sagte der Hansesprecher.
Holling verschluckte sich bei dieser Aussage an seinem heißen Getränk.
»Das war ja wohl ein Witz!«
Gaton tätschelte Holling auf das Bein.
»Beruhige dich erst einmal. Wir wollen doch die alten Kamellen
vergessen. Denke lieber an deinen Abschied. Wir werden dir sogar erlauben noch eine Runde
durch das Solsystem zu fliegen. Mit Feuerwerk kannst du dann in deine Pension schippern.
Als heldenhafter Kommandant der LONDON! Klingt das nicht nett?«
Der alte Plophoser lehnte sich zurück. Natürlich wünschte er sich
solch einen glanzvollen Abschied. Letztendlich hatte Gaton ja recht. Es war nichts
passiert. Die fehlenden Rettungskapseln hatten keine Rolle gespielt. Er grinste und griff
zu seinem Glas. Dann stieß er mit Gaton an.
»Auf meinen letzten Flug«, sagte er.
Gaton machte einen zufriedenen Eindruck.
»Warum nicht gleich so«, meinte er. Beide saßen noch eine Weile in
dem Raum und sahen den Passagieren zu.
»Weißt du, in meiner langen Raumflottenkarriere ist mir alles schon
vorgekommen. Nur eines nicht«, murmelte Holling.
Gaton sah ihn fragend an.
»Kein Wrack. Keine Zerstörung eines Raumschiffes«, fügte er hinzu.
Gaton lachte laut.
»Wird wohl auch nicht mehr passieren.«
Der Hansesprecher nahm einen langen Zug aus dem Glas und ging wieder.
Holling blieb im Sessel und wippte etwas mit dem Kopf hin und her.
Die Orbanashols saßen zusammen mit Koliput und Torn beim Abendtrunk.
Auch Rainer Trieber und weitere einflußreiche Geschäftsmänner gesellten sich zu ihnen.
Sie diskutierten über die wirtschaftliche Lage und wie die Börse auf das Verschwinden
der LONDON wohl reagierte.
Attakus Orbanashol war jedoch nicht recht bei der Sache. Er kauerte in
seinem Sessel und hielt ein leeres Glas. Der Aristokrat winkte Zhart zu sich.
»Was kann ich für dich tun?« fragte der Diener der Familie.
»Wir müssen uns etwas einfallen lassen, damit ich Rosan
wiederbekomme«, fing Attakus an.
Zhart verdrehte die Augen. Er war dieses Thema auch langsam Leid. Nach
seiner Meinung hatte diese »Ausländerin« Attakus nicht verdient. Doch diese Kritik
wagte er nicht zu äußern.
»Wir haben doch schon alles versucht. Zwecklos«, sagte er
diplomatisch.
Attakus stand auf und lief wütend durch den Raum. Die anderen sahen ihn
entgeistert an. Rainer Trieber flüsterte etwas zum topsidischen Delegierten, welcher mit
dem Kopf nickte. Attakus blieb plötzlich stehen.
»Ich hab eine Idee. Zhart, folge mir.«
Beide verließen schnellen Schrittes den Raum und ließen die anderen
Personen alleine zurück. Spector sah mißtrauisch seinem Neffen hinterher. Ihm gefiel es
auch nicht, wie er hinter Rosan hinterherlief. Spector hätte an Attakus Position anders
reagiert. Er hätte die Frau, die es wagte ihn abzulehnen, beseitigen lassen. Doch sein
Neffe rannte ihr noch hinterher. Doch Spector plante bereits einige Killer auf Rosan
Orbanashol anzusetzen, sobald sie wieder auf Arkon waren. Egal ob sie nun sich für
Attakus oder Wyll Nordment entschied. Wenn es nach Spector Orbanashol ging, war das
Schicksal seiner verhaßten und verschmähten Stieftochter besiegelt.
Mit niemanden hatte er darüber geredet. Nicht einmal mit seiner Frau
Thorina. Er hatte befürchtet sie entwickelte auf einmal mütterliche Gefühle und legte
ihr Veto gegen das Vorhaben ein.
So hingegen war es unabänderlich für jeden. Am liebsten wollte Spector
sie schon heute ermorden lassen, doch niemand an Bord war dazu bereit, noch war es
taktisch klug. Er war einer der Hauptverdächtigen, falls ihr etwas geschah. Besonders auf
einem so kleinen Platz wie auf der LONDON. Ein engagierter Killer konnte sie jedoch auf
Terra töten, während Spector auf Arkon I saß und Zeitung laß.
Attakus und Zhart begaben sich in ihre Luxussuite. Sie schlossen die
Tür und vergewisserten sich, daß niemand ihnen zuhörte.
»Nordment hat ein aufbrausendes Temperament«, begann Attakus schnell.
Zhart hob die Augenbrauen und stimmte zu.
»Das konntest du ja besonders feststellen. Doch was nutzt uns das?«
wollte der Haushofmeister der Familie Orbanashol wissen.
»Wir werden ihn wieder provozieren öffentlich. Danach wird ein
Mordanschlag auf mich passieren. Ich überlebe natürlich, doch die Beweise am Tatort
deuten auf Wyll Nordment hin. Aus Liebe zu Rosan wollte er sie von dem bösen
Arkonidencousin befreien, der sie doch nur gefangenhalten wollte. Aus Liebe tun diese
Terraner ja fast alles«, erklärte Attakus.
»Einen Anschlag kann ich mit Leichtigkeit inszenieren. Ich denke, das
könnte diesmal funktionieren«, entgegnete Hermon von Zhart.
Shel saß alleine in ihrem Zimmer. Sie grübelte über die Dinge, die
sie getan hatte. Sie bereute inzwischen was sie tat.
Shel war wieder in ihre alten Zeiten zurückgefallen. Zeiten in der ihr
Partys, Drogen, Alkohol und Sex wichtiger waren als alles andere. Sie ging auf die LONDON,
um diese alten Zeiten zu vergessen. Doch anstelle bei Aurec zu bleiben, mußte sie bei der
Feier mit einer anderen Terranerin flirten, etwas Drogen einnehmen und mit ihr ins Bett
gehen.
Sie konnte ja nicht ahnen, daß Aurec ihr am selben Abend einen
Heiratsantrag machen wollte. Als sie und die andere Terranerin sich im Schlafzimmer
vergnügten, kam auch Aurec hinzu. Sie konnte niemals die Traurigkeit in seinen Augen
vergessen. In den Augen stand die Enttäuschung. Shel war sich bis zu dem Moment nicht
bewußt gewesen, wie sehr Aurec sie brauchte. Sie war die einzige Person gewesen, die er
nach dem Tod seiner Familie hatte. Shel hatte versucht ihren Fehltritt wieder gut zu
machen, doch es hatte keinen Sinn. Aurec wollte sie nicht mehr sehen. Es blieb ihr nichts
anderes übrig, als zurück zur Erde zu fliegen. Erst den letzten Tagen des Rückflugs war
sie sich darüber im Klaren gewesen, daß sie nie wieder so eine Chance bekam. Sie haßte
sich selbst dafür.
Ihr glaubt, es sei zu Ende? Ihr glaubt, ihr habt es geschafft? Ich
lasse euch in diesem Glauben. Um so erfreulicher wird eure Überraschung und euer
Entsetzen über die unvermeidliche Katastrophe sein. Niemand wagt es Rodrom zu trotzen.
Dafür wirst nicht nur du, Perry Rhodan, deine Strafe erhalten. Nein, alle der 15.000
Wesen an Bord der LONDON werden dafür büßen. Sie werden die Apokalypse erleben, hoffen
auf eine Absolution, die nie erfolgen wird.
Hörst du sie schreien? Die Männer, Frauen und kleinen Kinder? Nein, du
hörst sie nicht? Doch das wirst du bald.
Denn das Schicksal dieses Raumschiffes ist besiegelt.
Wyll und Rosan hatten sich lange unterhalten. Doch sie kamen zu keiner
Einigung. Rosan war der festen Überzeugung, daß es für Wyll zu gefährlich war, sich
mit den Orbanashols zu messen.
Er beteuerte ihr, daß er eine Lösung gefunden hatte, die alle Probleme
nichtig machte. Rosan lehnte sich an das Geländer und sah Wyll erwartungsvoll an.
Er holte seine Hände aus den Hosentaschen und legte sie auf Rosans
Schultern.
»Ich habe mit meinem neuen Boss gesprochen«, sagte er.
»Und wer ist das?« wollte sie wissen.
»Ein sehr großer Mann. Er hat mir den Posten des Chefnavigators auf
einem Raumschiff angeboten«, fuhr Wyll fort.
Rosan sah ihn ungläubig an.
»Das ist aber sehr nett von ihm, wer immer es ist.«
»Und noch mehr, ich kann auch dort wohnen. Eine große und geräumige
Wohnung, ein gutes Gehalt und Platz für zwei.«
Sie fing an zu lächeln. Dann legte sie ihre Arme um seine Hüften.
»Wer und wo?«
»Perry Rhodan und Camelot.«
Rosan machte einen erstaunte Geste.
»Du hast Rhodan gefragt?«
»Und er hat zugestimmt. Auf Camelot sind wir vor deiner Familie völlig
sicher«, sagte Wyll zufrieden.
»Unter den Umständen möchte ich doch mein ganzes Leben mit dir
verbringen, Wyll Nordment!«
Rosan küßte ihn leidenschaftlich. Jetzt waren ihre Träume in
Erfüllung gegangen. Nichts konnte ihrem Glück mehr im Wege stehen.
Ihr seid vergnügt und glücklich, ihr Kreaturen auf der LONDON.
Doch nicht mehr lange, nicht mehr lange, dann werdet ihr in euren Schmerzensschreien
ersticken. Meine Rache wird euch bald heimsuchen.
Und noch in tausend Jahren wird man mit Ehrfurcht an das Schicksal der
LONDON denken. Und jeder wird wissen, wer das Schicksal der LONDON war. Es war die
Inkarnation des Chaotarchen Modror. Es war Rodrom...
Die LONDON flog mit millionenfacher Lichtgeschwindigkeit durch den
Weltraum. Es war so als wollte der Kommandant einen neuen Geschwindigkeitsrekord
aufstellen. Nach neuesten Berechnungen würde die LONDON in bereits drei Wochen die
Milchstraße erreichen. Jedoch waren die Metagravkonverter fast leer. Holling rechnete
damit, daß er gegen Abend die LONDON aus dem Hyperraum auftauchen lassen mußte, um
wieder neu aufzuladen.
Perry Rhodan und Sam verbrachten viel Zeit miteinander. Sie sprachen
über die vergangenen zwei Monate und über die Zukunft der Milchstraße.
Mehr war nicht zu tun. Perry Rhodan genoß die Ruhe.
Der Rückflug war bis jetzt ohne Zwischenfälle vorangegangen. Alles
lief ruhig.
Der Tag ging relativ schnell von sich und es näherte sich die Zeit des
Abendessens. Diesmal waren wieder die gesamten Honoratioren am Tisch versammelt.
Die Kapelle spielte den Kaiserwalzer.
Gaton überlegte bereits einen Film aus den Abenteuern der LONDON zu
machen, welcher auf allen bekannten Planeten gleichzeitig anlaufen sollte.
Rhodan wunderte sich nicht mehr über die Art des Hansesprechers.
»Welchen Affen willst du denn für die Rolle von Wyll Nordment nehmen?
Oder gibt es terranische Schauspieler, die darauf spezialisiert sind die Frauen von
Edelmännern zu stehlen?« warf Attakus ein.
Wyll sprang natürlich sofort darauf an. Bevor Gaton etwas entgegnen
konnte, war Nordment bereits aufgestanden und war auf dem Weg zum anderen Tischende, wo
Attakus saß.
»Diesmal stopfe ich dir für immer das Maul!« schrie Wyll.
Rosan packte ihn und zog ihn wieder auf den Sitzplatz.
»Beruhige dich, Liebling. Merkst du nicht, daß er dich nur provozieren
will?« sagte sie zu ihm eindringlich.
»Das war eine Morddrohung! Ihr alle habt es gehört!« posaunte
Orbanashol durch den Saal. Dann stand er auf und verließ den Raum.
Zhart richtete noch einige Worte an die Tischnachbarn:
»Der ehrenwerte Attakus Orbanashol ist über die Behandlung durch
diesen Nordment derart entsetzt, daß er nicht mehr mit ihm an einen Tisch sitzen kann.«
Gaton versuchte sich zu entschuldigen, doch Zhart ging hochnäsig in
Richtung Ausgang des Saals.
Der Hansesprecher warf Nordment einen bösen Blick zu.
»Würdest du nicht unter dem Schutz von Perry Rhodan stehen, hätte ich
dich aus der Schleuse werfen lassen!«
»Mal wieder ein gemütlicher Abend«, meinte Sam sarkastisch.
»Ich glaube, ich gehe besser ins Bett«, fügte er hinzu, als er
aufstand und den Saal verließ.
Wyll senkte den Kopf.
»Es tut mir leid, Rosan.«
Rosan schüttelte mit dem Kopf.
»An deinem Temperament müssen wir noch etwas arbeiten«, sagte sie
lächelnd.
»Komm mit, ich weiß wo wir jetzt noch hingehen!« entgegnete sie und
nahm Wylls Hand. Beide gingen in das Unterdeck. Dort wo Wyll sie vor knapp zwei Monaten
mitnahm und ihr den schönsten Abend ihres Lebens bescherte.
»Ich möchte heute wieder so feiern, wie damals«, sagte die junge
Rosan.
Die Band hatte ihren europäischen Abend. Sie spielten im Moment
besonders irische und schottische Stücke.
Zu dem Klang der Musik tanzten der Unitherjunge und das terranische Kind
auf der Tanzfläche.
Auch die Ertruser waren wieder da und betranken sich. Der Peepsie saß
wieder an der Bar und wippte mit dem Bier hin und her. Diesmal hielt Rosan jedoch Abstand
zu ihm.
Sie tanzte mit Wyll den ganzen Abend durch. Sie wollte nicht mehr an
Attakus, Spector oder ihre Mutter denken. Nur noch sie und Wyll.
Das Ende naht. Das Ende naht. Das letzte Kapitel ist aufgeschlagen.
Kälte und Tod erreichen die LONDON.
Die rote Gestalt näherte sich dem Inhaftierungsblock der LONDON.
Prollig hielt Wache. Er stellte sich dem Unbekannten gegenüber.
»Was willst du?« fragte er barsch.
Rodrom beeinflußte ihn. Es war ein Leichtes für ihn gewesen. Prollig
wich zur Seite und ließ den Roten passieren.
Die Inkarnation öffnete die Zellentüren von Dannos Kindern der Sonne.
Die Leute gingen verwundert aus den Zellen.
Der Sektenguru näherte sich dem roten Wesen.
»Wer bist du?« fragte er.
»Dein Gott«, antwortete es.
Rodrom ließ seine Psi-Kräfte auf den Anführer der Sekte wirken.
Dannos sprach sofort darauf an, er bemerkte nicht einmal die Beeinflussung.
»Ich bin euer Weg zur Materiequelle. Folgt meinen Anweisungen und es
wird einen glücklichen Ausgang für dich und deine Jünger geben.«
Dannos machte eine Geste der Ehrfurcht.
»Herr, sage mir, was ich tun kann«, sprach der kahlköpfige Mann.
Rodrom wanderte durch den Raum. Inzwischen hatten sich die restlichen
Kinder der Sonne aus den Zellen befreit. Prollig stand wie in Trance am Eingang des Blocks
und hielt Ausschau nach unerwünschten Personen.
Dann ging Rodrom zu Dannos.
»Ihr seid zu wenig für eure kosmische Reise. Ihr braucht mehr Seelen,
die in die Materiequelle aufgehen. Mindestens 10.000 weitere Seelen«, erklärte er.
Dannos starrte auf den Boden. Er war fassungslos über diese Aussage.
War alles was er angestrebt hatte letztlich umsonst gewesen? Dann kam ihm eine Idee.
»Herr, auf der LONDON sind genügend Menschen, die wir nehmen
könnten«, schlug er vor.
Rodrom nickte.
»Doch das wäre vielleicht nicht im Interesse dieser Personen«, sagte
er gedehnt. Er wartete auf die Reaktion Dannos und seiner Gefährten ab. Der Guru blickte
seine Kinder der Sonne an.
»Sie werden es nachdem sie in der Materiequelle sind verstehen. Dann
werden sie froh über das Glück sein und nicht mehr ihrem erbärmlichen Dasein in diesem
Universum nachtrauern«, meinte der Mensch.
In Dannos Augen flammte wieder der Fanatismus auf.
»Dann dürfen sie auch nicht dieses Schiff verlassen können«, waren
Rodroms Worte.
»Doch wie können wir das verhindern? Eine erneute Entführung?«
»So in der Art. Eure Aufgabe ist es sämtliche SERUNS zu manipulieren.
Es sind etwa 500 SERUNS auf diesem Schiff. Macht sie unbrauchbar. Etwa 50 Rettungskapseln
und zwei Space Jets stehen weiterhin zur Verfügung. Wenn es euch möglich ist, sie
unauffällig zu sabotieren, dann wäre das nur zum Besten für eure Verwirklichung.«
Nun mischte sich allerdings Louise Craufordt ein.
»Aber den Kindern darf nichts passieren. Sie sollen ihr Leben
genießen, bis sie selbst zur Erkenntnis gekommen sind, daß das Leben als Entität
schöner ist«, sagte sie schrill.
Rodrom war über das Einmischen dieser Frau irritiert und auch erbost.
Dannos sicherte Louise jedoch zu, daß den Kindern bei einer erneuten Entführung nichts
passieren würde. Er suchte Bestätigung bei Rodrom.
»Natürlich wird den kleinen Dingern nichts passieren. Wir lassen
soviel Rettungskapseln übrig, daß alle Kinder gerettet werden könnten. Diese können
dann wieder in die Milchstraße fliegen, während die LONDON mit dem Rest auf dem Weg zur
nächsten Materiequelle ist«, log die Entität.
»So sei es!« sprach Dannos und faltete die Hände. Er glaubte sich
endlich am Ziel seiner Träume. Die Kinder der Sonne begaben sich geschickt in die Räume
mit den SERUNS und fingen an sie unbrauchbar zu machen.
Jedoch arbeiteten sich nicht für die Mächte der Ordnung. Auch hatten
sie niemals die Möglichkeit auch nur in die Nähe einer Materiequelle zu kommen. Sie
waren Bauern in einem Schachspiel.
In Rodroms Schachspiel.
Die Inkarnation löste sich wieder auf und begab sich auf die WORDON,
die nur wenige Lichtjahre von der LONDON entfernt war.
In der Kommandozentrale herrschte große Aufregung. Jeder war bemüht,
so schnell wie möglich Rodroms Plan auszuführen.
Zykkth meldete sich bei seinem Kommandanten.
»Herr, der Ortungsschutz ist perfekt. Die Tarnung als Asteroid ebenso.
Wir müssen jetzt nur noch darauf warten, bis die LONDON einen Zwischenstopp macht«,
berichtete er.
Rodrom wanderte durch die Zentrale. Dann ging er zu seinem großen
Sessel, der mehr einem Thron ähnelte und setzte sich hin.
Sein Blick schweifte wieder durch den gewaltigen Raum.
»Der Zwischenstopp wird heute sein. Um 23.30 Uhr galaktischer Zeit wird
das letzte Kapitel der LONDON beginnen.«
Die WORDON nahm an Fahrt auf. Rodrom gab die Koordinaten eines Systems
durch. Dort sollte die Konfrontation erfolgen.
In dem System gab es nicht viel. Eine große blaue Sonne spendete Licht
und Wärme für vier Planeten. Davon waren alle nur von primitiven Kulturen bewohnt. Drei
öde Wüstenplaneten und eine Wasserplanet, der zwar eine gute Atmosphäre besaß, jedoch
keine Landmassen. Nur tiefe endlose Ozeane.
Das war das Ziel für die WORDON. Dort sollte die LONDON gestellt
werden. Rodrom sah nur noch die Erfüllung seiner Rache. Zwar hatte er einen Stützpunkt
verloren und somit die Schlacht. Doch der Krieg war noch nicht entschieden.
Selbst wenn Rhodan wieder überlebte, so hatte Rodrom sich einen Namen
aus Blut gemacht und jeder dachte mit Ehrfurcht und Respekt an ihn.
Rosan und Wyll spazierten an Deck. Sie waren vom Feiern völlig außer
Atem.
Die LONDON stoppte in dem Moment und die Sterne wurden sichtbar. Zwei
blaue Gebilde fielen dem Liebespaar sofort auf. Es war einmal die Sonne des Systems und
zum anderen ein großer Wasserplanet. Er lag direkt über der LONDON. Es war ein schöner
Anblick.
Beide küßten sich.
»Wyll, heute werde ich meiner Familie mitteilen, daß ich endgültig
bei dir bleibe. Wir gehen in meine Suite und ich werde einen Brief schreiben. Außerdem
nehme ich noch meine Sachen mit«, sagte sie.
Wyll lächelte.
»Wir gehen gemeinsam. Solange uns nicht dieser Zhart oder seine Naats
über den Weg laufen«, meinte er.
Beide gingen händehaltend in das Innere der LONDON zu der Suite der
Orbanashols.
»Rudoch, übernimm bitte du heute die Nachtwache«, sagte James
Holling. Der 175-jährige Plophoser verspürte leichte Kopfschmerzen.
»Ok, Sir. Wird gemacht«, gab der neue Erster Offizier von sich.
Dann fiel ihm doch noch etwas ein, was er sagen wollte.
»Die Ortung funktioniert immer noch nicht. Wir hätten doch das Angebot
der Saggittonen annehmen sollen. Es ist teilweise ein Blindflug. Die Nahortung ist seit
heute morgen wieder defekt. Ich würde vorschlagen, daß wir einen provisorischen Ausguck
an den Masten aufstellen, die mit Teleskopen nach Asteroiden oder Ähnlichem Ausschau
halten sollen«, schlug Rudoch vor.
Holling faßte sich an die Schläfen. Ein so gigantisches Schiff ohne
Nahabtastung. Das war eine Farce. Doch er mußte das Beste daraus machen.
»Ja, macht es so. Mit Teleskopen... ist sicher eine gute Idee«, sagte
er leicht müde.
Dann ging er von der Zentrale aus in seine Kabine.
Er wollte jetzt seine Abschiedsrede schreiben. Dafür brauchte er viel
Ruhe, denn er gehörte nicht zu den besten »Schreiberlingen«.
Rudoch befahl Maskott und Spechdt den Ausguck als erstes zu besetzen.
Ein drei Meter dickes Teleskop wurde innerhalb von 15 Minuten an einem der
Hypertrop-Zapfer angebracht.
»Völlig schwachsinnige Idee. Das bringt auch nicht viel«, meinte
Maskott.
»Quatsch, ich kann Asteroiden und fremde Schiffe bis auf Lichtjahre
riechen«, konterte der Ortungsleiter Spechdt.
Rudoch gab unterdessen den Befehl, das Aufladen zu beginnen. Der
Horizont färbte sich in die verschiedensten Farbtöne. Die Energie floß in die
Hypertrop-Zapfer.
Der Vorgang dauerte etwa zwei Stunden. Vielleicht auch nur neunzig
Minuten.
Rudoch hatte morgen frei. Er überlegte sich bereits, was er an dem Tag
machen wollte.
Rosan und Wyll hatten die Kabine erreicht. Sie kramte in ihrer
Schublade und holte einige kostbare Schmuckstücke heraus und packte sie in ihre Tasche.
»Wer weiß, wenn es uns mal nicht so gut geht, können wir sie in das
Pfandhaus bringen«, sagte sie scherzhaft.
Dann nahm sie noch ihren Plüschgucky. Wyll sah Rosan erstaunt an.
»Den hab ich von meinem Vater bekommen. Ich hänge sehr an ihn«,
erklärte sie.
»Schon gut«, lächelte Wyll.
Er schaute sich in dem Raum um und spielte mit einem goldenen
Brieföffner, dabei schnitt er sich ausversehen.
Rosan zeigte ihm, wo er sich verarzten konnte.
Sie schrieb noch einen Abschiedsbrief und war fest entschlossen den Rest
der Reise bei Wyll zu verbringen und dann nach Camelot mit ihm zu gehen.
In dem Moment kam allerdings Zhart in die Kabine.
Er sah Wyll und Rosan verachtend an. Seine anfängliche Überraschung
hatte er schnell verarbeitet.
»Ehrenwerte Rosan Orbanashol. Attakus wünscht dich unverzüglich zu
sprechen. Ich habe den Auftrag, dich sofort zu ihm zu bringen«, erklärte er mit der
üblichen Arroganz.
»Sie geht nirgendwo hin!« schnaube Wyll den Haushofmeister an.
Dieser warf einen verächtlichen Blick zu Nordment.
»Ich wiederhole mich nur ungern, aber Attakus wünscht dich zu
sprechen. Ohne deinen barbarischen Begleiter. Dieser sollte besser die Kabine verlassen,
sonst rufe ich den Sicherheitsdienst, wegen Einbruch.«
»Von mir aus, wir wollten sowieso gehen«, sagte Rosan und rannte los.
Nicht nur Zhart war von dieser Aktion überrascht. Auch Wyll brauchte einige Sekunden um
zu schalten. Dann warf er ein Kissen in Richtung Zhart und rannte auch los. Sie stürmten
aus der Kabine und liefen einen Korridor entlang. Zhart verfolgte sie quer durch die
Gänge.
Das Liebespaar lief an den verdutzten Passagieren vorbei und rief des
öfteren eine Entschuldigung. Sie versteckten sich in einem Raum.
Doch Zhart entdeckte sie dort. Die »Jagd« ging weiter.
»Der ist ja furchtbar hartnäckig«, rief Wyll.
»Kein Wunder, er war früher bei der FAMUG und im
Kristallsicherheitsdienst«, antwortete Rosan.
Sie fanden einen Gang wo ein Fahrstuhl und ein Antigravlift waren.
»Wir nehmen den Fahrstuhl«, sagte Wyll hastig.
Sie schlossen schnell das Gitter bevor der heranstürmende Zhart sie
erreichte. Er versuchte das Gitter aufzumachen, doch der Lift fuhr bereits los. Rosan
zeigte ihm noch den Mittelfinger, bevor sie ihn nicht mehr sahen.
So gut fühlte sie sich noch nie. Endlich war sie frei. Sie rannten
durch den Maschinenraum in die Lagerhallen. Die Maschinisten beschwerten sich und
versuchten sie vergebens aufzuhalten.
Der Lagerraum war groß. Von dort gelangte man zu dem Hangar, wo die
beiden Space-Jets standen.
Rosan setzte sich in die Space-Jet. Wyll ging in die kleine Zentrale und
spielte den Kommandanten.
»Wohin soll es gehen?« fragte er.
»Auf einen einsamen wunderschönen Planten, wo nur wir zwei sind«,
sagte Rosan.
Dann umschloß sie ihn mit ihren Armen. Beide legten sich auf eine
Rückbank in der Zentrale.
»Wyll, berühre mich«, hauchte sie.
Wyll ließ sich nicht ein zweites Mal bitten. Er küßte sie
leidenschaftlich und begann ihre Kombination zu öffnen. Beide versanken in ihrer
leidenschaftlichen Liebe.
Sie stöhnten auf, umarmte sich fest und küßten sich innig.
In diesem Moment waren sie allein auf einen Planeten, der nur für sie
war. Zwar war diese Welt auf die Space-Jet begrenzt, doch das kümmerte sie in diesem
Moment wenig. In diesem Moment existierte nur ihre Liebe.
»Ich konnte sie bis jetzt nicht mehr finden«, erklärte Zhart
unzufrieden.
Attakus machte einen resignierten Eindruck. Er lief wütend durch die
Kabine und schlug mit der Faust gegen die Wand.
»Verdammt!« schrie er.
»Ich fürchte, die bist du für immer los«, meinte Hermon von Zhart.
Attakus sah den Brieföffner an dem noch etwas Blut klebte.
»Wessen Blut ist das?« wollte er wissen.
Zhart holte einen Analysator aus dem Nebenzimmer. Der Test ergab, daß
das Blut von Wyll Nordment stammte.
Attakus fing an zu lachen. Zhart konnte ihm nicht ganz folgen. Er sah
seinen Meister fragend an.
»Jetzt haben wir einen Beweis für Wyll Nordments Attentat auf mich.«
Die Metagravtriebwerke waren wieder vollgetankt. Die LONDON nahm
langsam an Fahrt auf und bereitete sich auf den Sprung in den Hyperraum vor.
Rudoch saß mit drei anderen Besatzungsmitgliedern auf der Brücke. Er
trank einen Kaffee und beobachtete die Sterne. Sie waren knapp über dem Orbit des blauen
Wasserplaneten.
»Wie lange noch, bis zum Hyperraumsprung?« wollte er wissen.
»Noch etwa fünf Minuten«, berichtete einer der Navigatoren.
Auf dem Hypertrop-Zapfer war das Teleskop und der Ausguckstand
befestigt. Die beiden langweilten sich schrecklich.
»Wir hätten was zu spielen mitnehmen sollen«, meinte Maskott müde.
Unten sahen sie Rosan und Wyll, die vergnügt auf dem Deck liefen und
sich küssten.
»Naja, wenn das die einzige Beschäftigung für uns wäre, etwas
Abwechslung hier hereinzubekommen, langweile ich mich lieber«, sagte Spechdt sarkastisch.
Maskott warf ihm einen bösen Blick zu.
Spechdt erwiderte jedoch nicht den Blick sondern starrte in das All
heraus. Er sah irgendetwas schemenhaftes auf die LONDON zu kommen.
Es kam immer näher und näher.
»Oh Gott, ein Asteroid!« schrie er. Er rief sofort in der
Kommandozentral an.
Einer der Offiziere nahm nach dem vierten Aufsummen erst ab.
»Kommandozentrale«, meldete er sich.
»Hier ist Spechdt, ein Asteroid vor uns. Er hält direkt auf uns zu!
Mensch, mach was. Stoppt die Maschinen!« schrie der Ortungsschef.
Der Offizier rannte zu Rudoch und berichtete ihm.
Der Asteroid war inzwischen mit bloßem Auge zu erkennen.
Er rannte in die Zentrale.
»An Maschinenraum, sofort anhalten und Gegenschub. Navigator, hart
Backbord. Nach links drehen, los!«
Die Maschinen stoppten unverzüglich. Moindrew reagierte schnell und
aktivierte den Gegenschub. Die LONDON drehte leicht nach links ab und passierte bereits
den riesigen Asteroiden.
»Komm schon, komm schon!« beschwor Rudoch das Schiff. Der Asteroid
hatte eine Länge von etlichen Kilometern. Jedoch war er nicht rund, sondern
pflockförmig.
Die LONDON steuerte langsam an ihm vorbei.
»Paratronschirm aktivieren«, sagte Rudoch leise und viel zu spät.
Zitternd aktivierte der wachhabende Offizier den Schutzschirm.
Plötzlich wurde der Asteroid hell. Lichter flammten auf und
Geschütztürme wurden sichtbar. Rudoch glaube seinen eigenen Augen nicht.
»Oh, mein Gott... das ist kein Asteroid.«
Die Geschütze flammten auf und Salven trafen den Schutzschirm der
LONDON. Das Schiff erzitterte und den Punktbeschuß des fremden Schiffes.
»Sir, Schutzschirm beginnt zusammenzubrechen!« schrie einer.
Der Schutzschirm flackerte und brach in der unteren Sektion zusammen.
Dann ein riesiger Knall. Blitze und Energie funkten aus der Seite der LONDON.
»Treffer. Wir sind getroffen«, schrie ein junger Offizier.
»Schutzschirm stabilisieren. Beeilung.«
Der Asteroid nahm Fahrt auf und verschwand. Zurück blieb eine
beschädigte LONDON. Sie bebte inzwischen nicht mehr.
Dafür zitterte Rudoch. Alles ging so schnell. Vielleicht fünf Minuten,
nicht länger.
»Schadensmeldung«, forderte er.
Der andere Offizier reagierte noch nicht.
»Schadensmeldung!« schrie er nun.
Inzwischen erreichte auch Holling die Kommandozentrale.
»Was ist passiert?« wollte er unverzüglich von Rudoch wissen. Er
wurde von Moindrew und Gaton begleitet.
»Sir, ich weiß es nicht genau. Ein Asteroid tauchte auf, doch das war
gar keiner. Er schoß auf uns«, berichtete Rudoch stotternd.
»Tastet das Schiff ab«, befahl Holling.
Alex Moindrew machte sich sofort an die Arbeit. Er wurde bleich als er
das Resultat sah.
»Wir haben eine Breitseite abbekommen.«
Das Hologramm der LONDON wurde angezeigt. Moindrew zeigte die
beschädigten Sektionen.
Die LONDON wurde von der untersten Passagiersektion, dort wo die
Laggerräume waren, bis hin zu den Triebwerken aufgerissen. Notschutzschilde haben den
Verlust von Sauerstoff vermieden«, erklärte er.
Gaton machte einen ungeduldigen Eindruck.
»Wann können wir weiterfliegen?« wollte er wissen.
Moindrew sah ihn verständnislos an.
»Die LONDON ist manövrierunfähig. Wir können nicht mehr
weiterfliegen.«
Der Schock saß tief.
Doch Moindrew war mit seinem Bericht noch nicht fertig.
»Es kommt noch schlimmer. Wir sind in den Orbit des Wasserplaneten. Er
zieht uns an. Das bedeutet, die LONDON wird abstürzen und auf der Oberfläche
aufschlagen."
»Wie lange noch?« fragte Holling leise.
»Vielleicht 20 Minuten.«
»Das reicht nicht aus, um die Passagiere zu evakuieren«, stellte
Holling resignierend fest.
»Informiert Rhodan, der kann uns bestimmt weiterhelfen!« meinte Gaton
hastig.
Perry Rhodan wurde sofort informiert und eilte zusammen mit Sam auf die
Kommandostation.
»Wie schlimm ist es?« wollte Rhodan wissen.
Moindrew klärte den Cameloter über die großen Schäden auf. Rhodan
sah sich alles eine Weile an.
»Ich bin kein Ingenieur, also erwartet keine Wunder. Ich brauche die
Hilfe von allen Beteiligten«, sagte er. »Ich habe aber eine Idee. Uns bleiben vielleicht
noch 15 Minuten, bis die LONDON in die Atmosphäre eintritt. Wir müssen diese Minuten
nutzen, um die Passagiere zu warnen. Sie sollen sich irgendwo hinsetzen, wo sie vor
Aufschlägen sicher sind. Sie sollen sich anschnallen und nicht quer durch das Schiff
laufen. Wir müssen die Antigravtriebwerke wieder in Ordnung bekommen, um so den Fall
abbremsen zu können. Vor allem muß der Schutzschirm während des Aufpralls aktiv sein.«
Moindrew nickte.
»Das wäre hinzubekommen. Wird knapp, aber nicht unmöglich«, meinte
er.
»Gut, mache einem Bert Hefrich alle Ehre!«, entgegnete Rhodan.
Moindrew wollte nachharken, wer Bert Hefrich war, doch die Zeit war zu
knapp. Er machte sich sofort an die Arbeit und versuchte die zerstörten Energieleitung zu
ersetzen oder zu überbrücken.
Die Ordonnanz kümmerte sich inzwischen um die Passagiere. Auch Sam half
mit die Gäste zu beruhigen.
Rosan und Wyll wandten sich an den Somer.
»Was ist passiert?« wollten beide wissen.
»Die LONDON wurde getroffen und stürzt ab. Sucht euch einen sicheren
Platz und hofft, daß wir Glück haben«, sagte der Somer.
Der Somer ging wieder zu Rhodan, der versuchte alles zu koordinieren.
»Ein pflockförmiger Asteroid, der in Wirklichkeit ein Schiff war«,
murmelte Sam.
»Die WORDON. Es war Rodroms Rache«, stelle Rhodan bitter fest. Die
LONDON fing an zu vibrieren und fiel immer schneller.
»Moindrew, wir haben nicht mehr viel Zeit«, rief Rhodan ins
Interkomgerät. Er erhielt keine Antwort.
Viele der Passagiere nahmen das nicht ernst. Andere wiederum schrien in
Panik auf. Die Crew hatte die größte Mühe alle unterzubringen.
»Holling, können wir vielleicht mit Hilfe der Traktorstrahlen der
Space-Jets die LONDON abbremsen?« fragte Rhodan nach.
Der alte Mann schüttelte den Kopf.
»Versuch mal mit einem Bindfaden den Fall einer Tonne zu verhindern«,
erwirderte er auf Perrys Frage.
Rhodan fluchte. Er sah auf die Uhr. Es war 23.58 Uhr.
»Noch etwa fünf Minuten bis zum Aufprall. Wenigstens ein
Wasserplanet«, murmelte er zu den anderen.
»Die LONDON kann auch auf dem Wasser schwimmen. Sie ist amphibisch
gebaut«, sagte der Somer Sam, der sich auch inzwischen festhielt.
»4000 Meter noch«, hörte sie eine Stimme sagen.
Rhodan befahl Moindrew bei 1000 Metern die Antigravs und den
Schutzschirm zu aktivieren.
»3000 Meter, 2000 Meter... 1000 Meter.«
Die Antigravs stoppten den Aufprall etwas ab. Die LONDON fiel mit einer
geringeren Geschwindigkeit auf die Oberfläche. Sie setzte zuerst mit dem Bug auf. Der
Schutzschirm dämpfte auch etwas, erlosch dann allerdings. Durch die hohe Geschwindigkeit
raste die LONDON über das Wasser, sie flog noch einmal etliche Meter hoch und setzte
wieder mit dem Bug auf, der sogar etliche Meter in das Wasser ragte. Die Glaskuppel
zerbrach dabei in tausend Teile, dann beruhigte sich das Schiff langsam und blieb ruhig
auf der See liegen.
Es herrschte für eine Weile Ruhe. Auf dem Planeten war es wohl Nacht.
Die Sonne war nicht zu sehen und das schwarz hüllte die LONDON ein.
Die Leute in der Kommandozentrale waren quer durch den Raum geflogen.
Medoroboter machten sich sofort daran, diese zu verarzten.
Reinigungsroboter versuchten skurrilerweise die Schäden der
Inneneinrichtung zu beheben.
»Jemand noch am Leben?« rief Rhodan mit hustender Stimme.
»Ich glaube schon«, hörte er Sams Stimme.
Auch die anderen hatten den Aufprall überlebt. Rudoch überprüfte die
Schäden der LONDON.
»Die Glaskuppel ist zerbrochen, etliche Schäden an der Außenhülle.
Wassereinbruch beim Einschußloch. Der Scanner zeigt ungefähr 40 Tote an.«
Rhodan raffte sich wieder auf und warf selbst einen Blick auf die
Kontrollen. Moindrew hatte inzwischen die Kommandozentrale erreicht.
»Wir haben es geschafft!« sagte er fröhlich.
»Besser hätte ein Bert Hefrich es auch nicht machen können«, gestand
Rhodan. Dann wurde er wieder ernst.
»Wird sich die LONDON über Wasser halten?« wollte er wissen.
Moindrew machte einige Tests am Hologrammbild. Das große Leck wird mit
den Notschirmen abgedeckt.«
Solange diese halten, schwimmt die LONDON.«
»Haben wir keine Notschotts?«
»Doch, aber die würden dem Wasserdruck nicht standhalten«, erklärte
der Konstrukteur der LONDON.
»Ok, laßt die Passagiere sich erst mal sammeln. Sie sollen jedoch
gewarnt werden und auf eine nötige Evakuierung vorbereitet sein. Holling, die
Rettungsboote sollen bereitgemacht werden.«
Rhodan fiel wieder etwas ein. Als Dannos Passagiere der LONDON mit den
Kapseln auf einem Planeten aussetzen wollte, waren zu wenig vorhanden.
»Holling, wieviel haben wir denn?« wollte Rhodan wissen.
»50 Stück, reicht also für 5000 Passagiere. Dazu kommen noch 500
SERUNS. In den Space-Jets kriegen wir auch noch einmal 200 Leute rein. Also haben wir
Platz für maximal 6000 Passagiere.«
»Und wieviel haben wir an Bord?«
»15.022 Seelen«, antwortete Rudoch.
Rhodan schluckte. »Hoffen wir also, daß die Schirme halten.«
Ich hatte es doch gesagt, es gibt kein Entrinnen. Die WORDON hat
kompromisslos zugeschlagen. Knapp 100 von euch sind schon tot, doch diese hatten noch den
angenehmsten Tod. Was euch nun erwartet, ist ein langsames Ende.
Bereitet euch darauf vor.
Die Lage an Bord hatte sich knapp eine Stunde nach dem Aufprall wieder
etwas beruhigt. Die Passagiere waren entweder in ihren Kabinen oder in den Restaurants.
Gaton wies die Kapellen an, heitere Musik zu spielen und den Barkeepern viele Witze zu
machen, um so die Wesen zu beruhigen.
Sam führte mit etlichen Leuten Gespräche und wirkte auch so beruhigend
auf alle. Die Crew arbeitete auf Hochtouren. Die Innenschäden wurden versucht zu beheben,
außerdem hatte man einen Hilferuf gesendet.
»Wir sind etwa 15 Mio. Lichtjahre von der Lokalen Gruppe entfernt. Das
ist hoffnungslos«, meinte der Cheffunker Sparks. Doch er wiederholte den Hilferuf immer
wieder und wieder. Die Medoroboter verarzteten die Verwundeten und machten allerdings
insgesamt 78 Tote ausfindig.
Weitere Droiden säuberten das Schiff und stellten die Inneneinrichtung
wieder her. Die tausend Glasscherben, manche bis zu vier Meter lang und dick, mußten
ebenfalls vom Deck entfernt werden.
Rudoch und zwei andere Offiziere hatten unterdessen die Rettungskapseln
untersucht. Rudoch war außer sich, als er feststellen mußte, daß sämtliche Kapseln
sabotiert wurden. Genauso wie die Space-Jets. Alle Raumer wurden fluguntüchtig gemacht.
Das Selbe galt für die SERUNS.
Rudoch teilte dies Rhodan, Holling, Gaton und Moindrew mit.
»Sabotage! Doch wer hat so etwas grausames getan?« wollte Arno Gaton
wissen.
Rhodan ahnte Übles.
»Checkt bitte, ob Dannos und seine Kinder der Sonne noch in ihren
Zellen sind.«
Rhodans Rat wurde sofort Folge geleistet. Jedoch befanden sie sich
wieder in ihren Zellen. Rhodan war über diese Tatsache sehr überrascht. Nun wußte er
auch nicht, wer dafür verantwortlich war.
Rhodan setzte sich kurz in den Kommandostuhl. Holling sagte nichts. Es
war auch unpassend gewesen, sich jetzt über Sitzplätze und Kompetenzen zu streiten.
Rhodan sah auf sein Chronometer und beobachtete wie die Sekunden
vergingen. Es blieb ihnen nichts anderes übrig als zu warten. Die LONDON konnte
unmöglich mehr starten. Moindrew mußte einer der Space-Jets wieder flugtüchtig machen.
Die Space-Jet konnte Hilfe holen - rechtzeitig Hilfe holen.
Ein kleiner Ruck durchfuhr das Schiff und ließ Rhodan hochschrecken. Er
sah Holling und die anderen an, doch auch sie wußten nicht, was passiert war.
Etwa eine Minute später kam Moindrew in die Zentrale gestürmt.
Er war kreidebleich.
»Eine verdammte Energieleitung ist explodiert. Der Schirm
zusammengebrochen. Wassereinbruch!« sagte er in einem verzweifelten Ton.
»Was bedeutet das?« wollte Gaton wissen.
»Die LONDON wird sinken.«
»Aber das ist doch Humbug. Die LONDON ist ein Raumschiff und aus bestem
Arkonstahl. Die kann doch nicht sinken. Das geht nicht.«
Moindrew hatte sich wieder gefaßt.
»Meine Herren. In etwa drei bis vier Stunden wird die LONDON mit dem
Bug voran auf den Meeresboden dieses Planeten sinken.
Nichts kann sie aufhalten. Von nun an wird die LONDON untergehen!«
Rhodan überlegte eine Weile. Der Alptraum wurde also war. Er
verfluchte Rodrom, denn es war sein Werk. Er war an der Sabotage der Rettungskapseln mit
Garantie schuld. Doch schuld an der fehlenden Anzahl von Kapseln war er nicht. Diese Last
trug Arno Gaton allein. Rhodan war klar, daß viele Menschen nun sterben würden.
Ebenso war ihm klar, daß eine düstere höhere Macht wieder einmal für
so eine Sinnlosigkeit der Auslöser war. Doch ohne die geldgierige Art der terranischen
Geschäftsmänner, wäre Rodroms Rache nicht so grausam geworden.
»Können die Kapseln und Space-Jets auf dem Wasser schwimmen?« wollte
Perry wissen.
Moindrew bestätigte die Frage.
»Wir können somit mindestens 5000 Wesen retten«, stellte Rhodan fest.
Arno Gaton hatte inzwischen die Kommandozentrale verlassen. Er wußte genau, daß mit der
korrekten Anzahl der Rettungskapseln diese Katastrophe nicht annähernd so schlimm war.
10.000 Seelen werden sterben, ging es Rhodan durch den Kopf.
Diesmal war auch er machtlos. Was konnte er gegen die Katastrophe tun?
»Sparks, sende weiter Hyperkomsprüche. Versuche alles um Hilfe zu
bekommen!« kommandierte Rhodan. »Holling, du und die anderen müssen die Evakuierung
beginnen. Unverzüglich.«
Der Kommandant wirkte geknickt.
»Nun habe ich doch mein Wrack«, sagte er nachdenklich. Rhodan wußte
nicht, was er damit meinte.
Der Captain machte sich auf den Weg nach draußen. Die Sirenen wurden
aktiviert und die Männer und Frauen der Crew begannen die Rettungskapseln schwimmtüchtig
zu machen. Sie mußten sie per Antigrav in das Wasser lassen.
Die Passagiere wurden von den Besatzungsmitgliedern darauf hingewiesen,
sich warm anzuziehen.
Rhodan erfragte unterdessen die Daten des Planeten. Die Temperatur lag
bei 12° Celsius im Moment. Die Wassertemperatur jedoch bei nur 10° Celsius. Die Tiefe
des Ozeans betrug über 10 Kilometer. Rhodan hatte die Hoffnung gehabt, die LONDON wäre
zu groß gewesen. Doch selbst knapp drei km Länge waren nicht ausreichend.
Sam kam unterdessen zu Perry Rhodan.
»Was ist passiert, Perry?« fragte er.
Rhodan schilderte den Vorfall.
»Dann wird es wohl Muscheln zum Frühstück geben«, sagte Sam
sarkastisch. Im nächsten Moment wurde der Somer wieder ernst.
»Wir müssen die Frauen und Kinder zuerst retten. Altruismus ist jetzt
wichtig. Außerdem müssen wir eine Panik verhindern«, erklärte er.
»Die Geschichte wiederholt sich«, meinte Perry Rhodan.
»Was meinst du damit?«
»Es gab in der terranischen Geschichte schon einmal ein großes
Schiffsunglück. Das Schiff hieß TITANIC. Damals konnten nur 700 der knapp 2100
Passagiere gerettet werden. Nur der Untergang der LONDON wird schlimmer werden.«
Rosan und Wyll eilten zur Kabine der Orbanashols. Rosan wollte auf alle
Fälle ihre Familie warnen. Auch wenn sie nicht viel für sie mehr übrig hatte, so wollte
sie nicht ihren Tod. Hand in Hand ging das Paar in die Suite.
Attakus und die anderen starrten sie an. Prollig, der Sicherheitschef
war ebenfalls in der Kabine, ebenso wie ein Schiffsoffizier, der versuchte die Orbanashols
an Deck zu bringen. Attakus trug einen Verband um seinen Arm.
»Wo gibt es denn sowas? Der Täter kehrt zum Tatort zurück«, meinte
Attakus.
Wyll sah ihn ungläubig an.
Prollig legte ihm Energiefesseln an.
»Was soll das?« fragte Wyll wütend.
»Es tut mir leid, Junge. Du hattest versucht Attakus Orbanashol zu
erschießen. Wir haben eine Waffe mit deinen Fingerabdrücken hier. Außderm klebt dein
Blut auf einem Brieföffner, den Attakus nahm, um sich zu verteidigen. Diesmal bist du zu
weit gegangen«, erklärte der Sicherheiftsoffizier.
»Das ist eine Lüge!« schrie er.
»Attakus, Mutter... wir haben anderes zu tun. Etwas schlimmes ist
passiert. Die LONDON wird untergehen. Wasser ist durch das Leck eingebrochen. Sie geht
unter!« rief Rosan ihrer Familie entgegen.
»Die LONDON ist aus heimatlichen Stahl gebaut, die wird nicht
untergehen. Das Schiff ist für Reiche gebaut, da passiert uns nichts. Was würde denn aus
meinen neuen Sachen werden? Ich habe so schöne Mäntel hier bekommen. Die müssen wir
mitnehmen«, sagte Thorina.
Rosan ging zu ihrer Mutter und packte sie an den Schultern und
schüttelte sie.
»Mutter, wach endlich auf. Die Rettungskapseln reichen gerade für ein
Drittel aller Passagiere.«
»Ein Grund mehr, daß wir uns zu den Kapseln begeben sollten«, meinte
Attakus. Er packte Rosan am Arm.
»Bitte reserviere bereits einen Platz in den Kapseln für mich und
meine Verlobte«, sprach Attakus zu dem Crewmitglied. Dieser ging kopfschüttelnd aus der
Kabine.
Prollig führte Wyll ab, der noch Rosans Namen rief. Zhart begleitete
Prollig, um sicher zu gehen, daß Wyll von der Bildfläche verschwand.
Die Orbanashols gingen aus der Kabine heraus auf den Korridor.
»Dienerin, drehe die Heizung auf, damit es nicht so kalt wird, wenn wir
wieder zurückkehren«, sagte Thorina.
Auf dem Weg trafen sie noch den topsidischen Delegierten Terek Orn und
den Springerpatriarch Koliput.
»Welche Kapselnummer haben wir?«, fragte der Springer.
Der Offizier schüttelte den Kopf.
»Es tut mir leid, nur Frauen und Kinder können evakuiert werden.«
Beide blieben wie erstarrt stehen und sahen sich an.
Der Topsider faßte sich an das Kinn.
»Heute ist wohl ein guter Tag zum Sterben. Ordonnanz, bringe uns eine
Flasche Vurguzz, wir wollen wenigstens wie Edelmänner abtreten!« sprach er.
Beide setzten sich in das Foyer und warteten auf den Untergang. Die
anderen Passagiere drängelten sich langsam auf das Deck. Viele glaubten immer noch nicht,
daß die LONDON untergehen konnte. So etwas gab es doch noch nicht. Ein Raumschiff geht
auf dem Wasser unter.
Rainer Trieber wurde auch aus seiner Kabine geholt. Er trug noch seinen
Bademantel. Erst nach mehrmaligen Drängen der Crewmitglieder, zog er sich an.
Perry Rhodan hatte inzwischen anweisen lassen, soviel Schwimmwesten wie
möglich herzustellen. Die Droiden und Roboter saßen daran und fertigten etliche der
vielleicht rettenden Westen.
Die Rettungskapseln waren umfunktioniert. Um die Passagiere schneller
einladen zu können, hatte man die Glaskuppeln abmontiert. So mußten sich die Frauen und
Kinder nicht durch einen Eingang quetschen, sondern konnten von oben in die Kapsel
steigen. Sparks und Rudoch hatten die Aufsicht über die Verteilung und Bemannung der
Boote.
Die Sirenen heulten immer noch.
Die ersten Passagiere erreichten das Deck und nährten sich den Booten.
Holling hatte ausdrücklich den Befehl gegeben nur Frauen und Kinder in die Kapseln zu
verfrachten. Rhodan und Sam überwachten das Geschehen. Ihm fiel auf, daß bis jetzt nur
die vornehmeren Passagiere an Deck waren.
Er ging zu Sparks.
»Wo sind die anderen Passagiere?« wollte er wissen.
»Die warten noch unten. Anweisung der Kommandantur, wir halten es für
besser erst die...«
»...Reicheren zu retten. Das kommt nicht in Frage. Sorge dafür, daß
alle Passagiere die gleiche Chance bekommen!« schrie Perry Rhodan den zitternden Offizier
an.
Dieser rannte los und ließ Rhodans Befehl umsetzen.
Rudoch hob die Arme und signalisierte, daß die ersten Frauen und Kinder
in die Kapseln konnten.
»Frauen und Kinder hervortreten«, rief er laut.
Die ersten Passagiere gingen die Kapseln. Man hatte provisorisch einige
Ruder an den Seiten angelegt. Der Sabotageakt hatte fast den ganzen Energieverkehr der
Kapseln deaktiviert.
Das Boot wurde mit nur knapp 80 Passagieren gefüllt. Ziemlich hastig
und übereilt wurde die Kaspel mit dem Antigrav zu Wasser gelassen.
Rhodan bemerkte diese Schlamperei nicht, da er nach weiteren
Rettungsmöglichkeiten suchte. Er schlug vor, daß man aus den schwimmbaren Möbelstücken
Flöße bauen sollte. Einige Männer machten sich sofort an die Arbeit.
Rudoch erstattete inzwischen Holling Bericht: »Rettungskapsel 1 und 2
sind auf dem Wasser.«
Der alte Plophoser schien das nicht mehr mitzubekommen. Er starrte auf
das Wasser. Dann sah er seinen ersten Offizier ungläubig an.
»So, zwei Boote zu Wasser. Schön, schön«, murmelte er. Rudoch ging
nicht weiter darauf ein, sondern kümmerte sich um die anderen Kapseln.
Er hatte eine riesige Angst. Der Terraner wollte noch nicht sterben. Er
überlegte vielleicht auf eines der Boote zu springen. Doch erst beim Letzten. Zuerst
wollte er noch, so gut er konnte, die Menschen retten.
Die LONDON neigte sich leicht nach vorne. Das vordere dicke Rohr mit der
Kugel war bereits unter Wasser. Noch dauerte es aber eine Weile, bis der Passagierteil
betroffen wurde.
Sam wies unterdessen die Kapellen und Bordsyntronik an, etwas klassische
Musik zu spielen. Rhodan sah den Somer verdutzt an.
»Nun, damals wurde das ja wohl auch so gemacht«, sagte Sam in
Anspielung auf den Untergang eines terranischen Luxusliners.
»Ja, nur genutzt hat es auch nichts«, meinte Rhodan bitter.
Wyll wurde in den Inhaftierungsblock gebracht. Prollig sperrte ihn ein.
Dannos und seine Kinder der Sonne hingegen wurden freigelassen. Der dicke
Sicherheitsoffizier stand, wie auch Dannos, immer noch leicht unter der Beeinflussung der
Chaotarcheninkarnation.
Wyll sah irritiert zu, wie die Kinder der Sonne abzogen. Sie jubelten
und celebrierten. Dannos sagte, sie waren nun am Ziel.
»Prollig, laß mich frei. Du kannst mich doch nicht hier absaufen
lassen«, beschwor Wyll ihn. Doch der Offizier hörte ihm nicht mehr zu. Er verließ
einfach den Raum.
Nur Zhart blieb bei ihm.
»Tja, wie es aussieht, bist du diesmal am Ende«, sagte der Arkonide
zufrieden.
Eine Tasse auf dem Tisch rutschte herunter.
»Es wird Zeit, daß ich mich verabschiede.«
Mit aller Arroganz ging Zhart langsam auf Nordment zu. Dann schlug er
dem jungen Terraner mit aller Kraft in die Rippen. Wyll brach keuchend zusammen, während
Zhart über seine Aktion höchst erfreut war. Er grinste breit. Dann verließ er ohne
Worte den Raum und ließ den verzweifelten Wyll Nordment zurück.
Die ersten zehn Rettungskapseln waren zu Wasser gelassen. Inzwischen
brach etwas wie eine leichte Panik unter den Passagieren aus. Die Familien wollten sich
nicht voneinander trennen. Viele Frauen und Kinder wurden von stärkeren Leuten
zurückgedrängt.
Die Kapelle spielte muntere Lieder, wie Orpheus und die Unterwelt,
Tritsch Tratsch Polka und ophalische Volkslieder.
Ein Mirsalese hatte großes Glück. Obwohl er schon 120 Jahre alt war,
ging er als Kind durch, was er seiner Größe zu verdanken hatte. Er wurde in Rettungsboot
Nummer 12 verfrachtet. Auch die Orbanashols näherten sich langsam den Kapseln.
Attakus versuchte inzwischen den Offizier zu bestechen, doch dieser
gehörte zu den gewissenhaften Leuten.
Spector sah sich auch nach anderen Möglichkeiten um. Er packte sich
Rudoch.
»Hör zu, du bekommst 20 Millionen Galax bar auf die Hand, wenn du für
mich, meinen Neffen und Haushofmeister drei Plätze auf einem Boot zusicherst. Er drückte
Rudoch einen großen Batzen Geld in die Hand.
Der erste Offizier ließ sich von der Summe überzeugen.
»Haltet euch auf der linken Seite des Schiffes, dort bin ich und kann
euch reinlassen«, erklärte er.
Inzwischen waren Rosan und Thorina an der Reihe. Rosan hielt jedoch
Ausschau nach Wyll. Sie sah wie Zhart zu Attakus kam. Sie ging sofort zu beiden und bekam
noch mit, wie der Haushofmeister ihrem Cousin berichtete, daß Nordment erledigt war.
»Was habt ihr mit ihm gemacht?« wollte sie wissen.
»Er dürfte bald Fischfutter sein«, sagte Attakus amüsiert.
»Und nun geh in deine Rettungskapsel«, befahl er seiner Verlobten.
Thorina befand sich bereits in der Rettungskapsel.
»Tochter, komm endlich«, schrie sie.
Attakus sah sie auffordernd an. Doch Rosan schüttelte den Kopf.
»Nein ich kann nicht«, sagte sie und wollte weglaufen. Attakus ergriff
sie allerdings an ihrem Arm.
»Wo willst du hin? Zu ihm?« fletschte er ihr entgegen.
»Ja, zu ihm. Ich will für immer bei ihm bleiben.«
»Du willst die Hure dieser terranischen Kanalratte werden?« schrie der
Arkonide fassungslos.
»Lieber die Hure einer terranischen Kanalratte als deine Frau«,
brüllte Rosan entgegen und schlug Attakus mit der Hand ins Gesicht. Er ließ sie los. Sie
nutzte das sofort und rannte los. Attakus gab Zhart einen Wink, er solle sie im Auge
behalten.
Attakus wollte seinen Besitz nicht hergeben. Er war Arkonide. Wyll
Nordment ein Barbar. Er hatte nicht das Recht einem Aristokraten etwas wegzunehmen. Rosan
hatte für Attakus den Stellenwert eines Spielzeuges. In gewisser Weise liebte er sie
auch, besser gesagt; er hing an ihr.
Das Boot mit seiner Tante wurde zu Wasser gelassen. Langsam glitt es
herunter, bis es das Wasser erreicht hatte. Die Leute auf dem Boot fingen an, von der
LONDON wegzurudern. Einige Männer sprangen nun auch ins Wasser und versuchten auf die
Kapseln zu kommen.
Einige schrien im Wasser auf und verschwanden.
Rhodan sah mißtrauisch auf das Wasser. Er rief einem der Crewmitglieder
zu die Scheinwerfer auf das Wasser zu richten.
»Da schwimmt was im Wasser«, stellte Sam fest.
»Haie oder sowas«, meinte Perry. In dem Moment schnellte einer dieser
Wasserkreaturen hoch. Sie war etwa sechs bis sieben Meter lang und drei Meter breit. Das
Wesen, mit blauen Schuppen bekleidet, sprang auf einen der im Wasser schwimmenden Männer
und verschluckte ihn einfach. Das Maul dieser Kreatur hatte eine Breite von über einen
Meter.
»Oh mein Gott. Die Boote müssen aufpassen«, schrie Rhodan.
Auf einer Rettungskapsel brach Panik aus, als einer der Männer
versuchte auf das Boot zu gelangen. Thorina schlug mit dem Ruder auf den Mann ein. Das
Wassertier wurde dadurch allerdings angelockt. Es schnellte auf den Mann hin und biß zu.
Es riß ihn in zwei Teile. Der obere Teil des Mannes hing noch am Boot. Die Frauen trauten
sich nicht, die Überreste herunterzuwerfen. Die Kinder fingen an zu schreien.
Thorina ging zum Bootsende und gab dem Toten einen Tritt. Doch Sekunden
später rammte das Tier die Kapsel beim Versuch den Rest des Mannes zu fressen. Die Kapsel
kenterte zwar nicht, doch einige der Passagiere fielen heraus darunter auch Thorina.
Sofort tauchten vier weitere Haitiere auf und stürzten sich auf ihre Beute.
Die alte Orbanashol schrie laut auf. Dann hörte man nur noch ein
Gurgeln und Röcheln, bevor sie für immer verstummte.
Rhodan schaltete schnell.
»Wir müssen Fleisch und alles Essen ins Wasser werfen. Die Viecher
müssen satt werden, bevor sie sich auf uns stürzen«, schlug er vor.
Er und Sam machten sich zusammen mit einigen anderen auf den Weg in die
Kombüsen und Küchen und holten soviel Fleisch, wie es ging und warfen es in das Meer.
Die Haitiere stürzten sich darauf.
»Hoffen wir, daß dein Plan aufgeht«, meinte Sam.
Rhodan schüttelte den Kopf.
»Es ist ziemlich aussichtslos. Die Männer und Frauen können im Wasser
nicht Tage lang ausharren. Doch bis Hilfe kommt, wenn überhaupt Hilfe kommt, können Tage
vergehen. Wenn diese Biester uns dazu noch angreifen, haben wir keine Chance.«
Alex Moindrew traf auf dem Weg zum Deck Rosan.
»Rosan, was machst du noch hier? Die LONDON wird in den nächsten
Stunden untergehen. Es gibt nicht genügend Rettungskapseln. Du mußt dich retten«, sagte
er zu ihr.
»Wo bewahrt man die Verbecher auf?« wollte Rosan wissen.
Moindrew war irritiert.
»Bitte, es ist wichtig.«
Moindrew erklärte ihr den Weg zu den Inhaftierungsblocks. Rosan
bedankte sich kurz und rannte in den unteren Schiffsteil.
Moindrew begab sich nach draußen. Er verfolgte die Evakuierung.
Wütend ging er zu Sparks.
»Was soll das? Die Kapseln sind ja teilweise nicht einmal zur Hälfte
bemannt worden«, sagte er.
Sparks war auch mit den Nerven völlig am Ende. Er war in dieser
Situation völlig überfordert. Er schüttelte mit dem Kopf.
»Wir... wir wußten nicht, ob die Kapseln hielten«, entschuldigte er
sich.
»Die Kapseln sind aus hartem Stahl, die brechen bei 100 Menschen sicher
nicht zusammen. Nicht einmal bei 100 Halutern. Verdammt nochmal, holt die Kaspeln zurück
und füllt sie vollständig. Jedes Leben, das gerettet werden kann, ist es wert!«
Der Offizier nickte rasch und ordnete an, daß noch mehr Passagiere in
die Kapseln konnten. Er rief die anderen Kapseln zurück, doch niemand hörte auf ihn.
Sparks rannte zusammen mit Moindrew zu Holling.
»Sir, wir müssen die Boote wieder zurückrufen, damit wir mehr
Passagiere einfüllen können. Auf mich hören die nicht, aber du als Captain hast mehr
Autorität«, erklärte er dem Kommandanten. Der Plophoser machte jedoch einen zunehmend
verwirrten Eindruck.
»Ja... ja, wenn du meinst«, sagte er langsam und sah sich um. Er griff
ein Sprechgerät und ging an Deck.
»Achtung, Achtung. Hier spricht der Kommandant. Die Kapseln, die nicht
voll beladen sind, sollen sofort zurückkehren, um mehr Personen aufzunehmen. Das ist ein
Befehl! Kehrt um!« sprach er in den Stimmenverstärker.
Doch die Leute reagierten nicht. Sie hatten Angst, die LONDON könnte
urplötzlich sinken oder zu viele stiegen dazu.
Keine der Rettungskapseln kehrte um. Holling wiederholte seinen Befehl
noch einige Male, bevor er resignierend das Sprechgerät deaktivierte.
Rosan irrte durch die leeren Korridore. Inzwischen brach auch langsam
Wasser in die Räume ein. Bis jetzt war es nur knöcheltief. Doch je tiefer die junge
Orbanashol in das Schiff eindrang, desto höher wurde es.
»Wyll!« rief sie. Doch keine Antwort. Sie rief seinen Namen ständig,
immer lauter. Ein Blue, welcher Steward auf der LONDON war, rannte an ihr vorbei.
»Hilf mir, wo ist der Inhaftierungsblock?«
»Bei allen Kreaturen der Hölle, ich muß weg... muß weg, weg, weg!«
schrie der Gataser aufgeregt. Er beachtete Rosan nicht mehr und torkelte durch den Gang.
Rosan ging eine Treppe herunter, über dieser stand
»Inhaftierungsblock«. Das Wasser ging ihr inzwischen bis zu den Hüften. Es war ziemlich
frisch, wenn jedoch nicht eiskalt. Sie schrie kurz auf, bevor sich ihr Körper an die
Temperatur gewohnt hatte.
Auf dem Weg traf sie einen Maahk, der ruhig durch das Wasser ging.
»Hast du einen jungen Terraner hier gesehen?« fragte sie verzweifelt.
»Ich habe viele junge Terraner auf diesem Schiff gesehen. Bitte
definiere deine Beschreibung«, erwiderte der Andromedaner kühl.
Rosan verdrehte die Augen.
»Bitte hilf mir ihn zu suchen. Er ist hier irgendwo gefangen, ich muß
ihn retten.«
Der Maahk machte eine ablehnende Geste.
»Unlogisch. Männer dürfen sowieso nicht auf die Rettungskapseln, also
wird er so oder so sterben. Ob früher oder später spielt keine Rolle.«
»Arschloch!« entgegnete die Arkonidin wütend und ging weiter.
Der Maahk sah ihr verständnislos hinterher.
Sie rannte inzwischen den Gang heran und rief wieder nach ihrem
Geliebten. Das Licht fiel kurz aus. Erschrocken stoppte Rosan und hörte das Knarren der
Wände und Türen.
Sie wiederholte Wylls Namen. Diesmal hörte sie ein schwaches »Rosan,
ich bin hier.«
Sie rannte in die Richtung, wo sie es zu hören glaubte. Der Ruf wurde
lauter und stärker. Sie rannte in einen Raum, wo Wyll mit den Energiefesseln an einer
Zellentür angekettet war.
»Rosan, warum bist du hier?« fragte Wyll.
»Um dich zu retten, was sonst«, entgegnete sie und küßte ihn.
»Du mußt die Fesseln deaktivieren«, sagte er.
»Wie denn? Gibt es einen Schlüssel oder einen Code?«
Wyll wußte es nicht. Er überlegte eine Weile. Das Wasser stieg höher
und höher. Es erreichte langsam Rosans Brust.
»Du mußt sie durchschießen. In dem Tisch liegt ein Thermostrahler.«
Rosan kämpfte sich durch die Wassermassen bis zum Tisch vor und holte
die Waffe heraus. Sie zielte mit der Waffe auf die Handfesseln.
»Warte, warte. Übe erstmal an toten Objekten«, schlug Nordment leicht
beunruhigt vor.
»Keine Zeit«, meinte sie und schoß.
Wyll schrie auf, doch unbegründet. Der Strahl durchtrennte die
Energiefesseln und er konnte sich befreien.
»Ok, jetzt raus hier«, sagte er schnell. Der Terraner nahm seine
Geliebte bei der Hand und sie verließen so schnell es ging den Raum. Wyll fluchte
mehrmals aufgrund der Temperatur des Wassers.
Sie mußten den Korridor bereits entlang schwimmen. Erst als beide eine
höhere Ebene erreichten, konnten sie wieder laufen.
Sie erreichten eine Sektion mit zwei Ausgängen. Aus beiden schoß
langsam Wasser. Noch wurden sie von Türen abgehalten.
Ein kleines blueisches Kind stand im Wasser und schrie nach seinen
Eltern.
»Wir müssen ihn mitnehmen.«
Wyll nahm den Kleinen auf den Arm und wollte loslaufen. Da kam ein Blue.
Er schrie Wyll auf gatasisch an und riß ihm den Jungen aus dem Arm. Er rannte dann zu
einem der Ausgänge. Doch plötzlich brach das Wasser durch und der Blue und sein Kind
wurden von der Flutwelle mitgerissen . Rosan und Wyll rannten um ihr Leben, doch die Welle
holte auch sie ein. Beide wurden zu Boden gedrückt. Wyll schaffte es sich an dem
Geländer festzuhalten. Er packte Rosan an ihrem Kleid und zog sie zu sich. Dann schwammen
sie mühevoll einen Gang entlang und konnten noch rechtzeitig eine höhere Sektion
erreichen, bevor die andere vollständig geflutet war.
Sie brachen eine Tür auf und gelangten an einem noch trockenen Teil der
LONDON. Einer der Besatzungsmitglieder rügte die beiden.
»Das ist Eigentum der Kosmischen Hanse. Dafür müßt ihr aufkommen.«
»Halt die Klappe!« riefen Rosan und Wyll gleichzeitig. Sie beeilten
sich auf das Deck zu kommen, in der Hoffnung, noch einen Platz auf einer rettenden Kapsel
zu finden.
Das Raumschiff hatte sich inzwischen leicht geneigt. Das Wasser begann
nun bereits die Passagiersektion zu erreichen. Es schwappte bereits etwas davon auf das
vordere Deck. 31 der Rettungskapseln wurden bis jetzt zu Wasser gelassen.
Viele Menschen versuchten vergeblich auf eines der Boote zu kommen.
Rudoch mußte einige sogar mit Thermostrahlern bedrohen, damit sie zurückwichen. Die
Nerven des Ersten Offiziers lagen blank.
Rudoch wollte in eine untere Sektion gehen, doch es strömte bereits
die, in diesem Falle, todbringende Flüssigkeit aus dem Antigravschacht.
Die Kapelle spielte unbeirrt weiter. Zur Not spielte die Bordpositronik
noch weitere Musikstücke. Jedoch fing diese Musik an, mehr wie ein Requiem als wie eine
Beruhigung zu wirken.
Rosan und Wyll trafen auf Attakus, Spector und Zhart.
Attakus lief auf sie zu.
»Da bist du ja.« Er legte seinen Mantel über die nasse Frau.
»Du mußt sofort in diese Kapsel!« forderte er sie auf. Rosan
schüttelte den Kopf. Doch auch Wyll riet ihr zu.
»Hör zu, du mußt da rein.«
»Aber was wird mit dir?« wollte sie wissen.
»Ich komme schon klar. Irgendwie schaffe ich es, mich
durchzukämpfen«, meinte Wyll und versuchte sie so zu beruhigen.
»Ich habe ein Abkommen mit einem der Offiziere, er hat freie Plätze
für uns. Wyll kann auch mit, wenn es sein muß«, sagte Attakus überraschend.
»Stimmt das?« fragte Rosan.
»Natürlich!« antwortete der Arkonide ihr, ohne eine Miene zu
verziehen.
Wyll nickte ihr zu. Ihm war an sich klar, daß Attakus gelogen hatte,
doch er mußte erst einmal Rosan in Sicherheit wissen.
Sie stieg in die Kapsel ein, die danach langsam per Antigrav abwärts
gelassen wurde. Rosan sah zu den beiden Männern hoch, die sie ansahen.
»Es gibt kein Abkommen, oder?« fragte Wyll.
»Doch, aber es gilt nicht für dich«, entgegnete Attakus kalt.
Alles verging für sie wie in Zeitlupe. Sie sah zu den anderen Menschen,
die schreiend und weinend versuchten ihr Leben zu retten. Dann blickte sie zu Wyll hoch,
der kurz mit dem Kopf resignierend nickte.
Rosan wußte nicht genau, was er damit meinte. Doch sie hatte das
Gefühl, es war das letzte Mal, daß sie ihn sah. Sie dachte an Attakus und wie verlogen
er doch war. Was wenn es keine Passage gab? Wyll war der Mann, den sie liebte. Sie konnte
ihn nicht einfach alleine lassen auf der untergehenden LONDON. Sie wägte den Abstand zum
Geländer ab und sprang aus der Kapsel. Knapp erreichte sie das Geländer und krallte sich
fest.
Wyll und Attakus schrien fast zu gleichen Zeit »Nein«. Dann lief
Nordment los.
Einige Leute halfen ihr wieder auf das Schiff. Sie rannte die Treppe
hoch, um zu Wyll zu kommen.
Im Foyer trafen sich beide und umarmten sich.
»Rosan, wie konntest du nur so dumm sein?« sagte er leise.
»Ohne dich will ich dieses Schiff nicht verlassen.«
Spector hatte diese Szene verfolgt. Er sah seinen traurigen Neffen. Dann
schrie er auf und zog einen Desintegrator.
»Jetzt mach ich dieses Pack kalt!« brüllte er und schoß auf die
beiden.
»Rosan, lauf!« rief Wyll.
Sie rannten die große Treppe hinunter in das Innere des Schiffes. Dort
versuchten sie dem wütenden Spector Orbanashol zu entkommen, doch dieser verfolgte sie.
Wie ein Berzerker rannte er die Treppe hinunter und schoß auf die beiden. Dabei traf er
einen Unither, der sich retten wollte.
»Mist, daneben!« murmelte der Arkonide und fing an die beiden zu
suchen.
Rosan und Wyll wurden immer noch von dem wahnsinnig gewordenen Spector
verfolgt. Er schoß immer wieder auf die beiden, solange, bis der Desintegrator leer war.
Dann riß er ein Rohr aus der Wand und versuchte damit Wyll zu
erschlagen. Beide rangen im Wasser. Rosan konnte nur tatenlos zusehen. Spector schlug dem
Terraner mehrmals in die Nierengegend. Wyll brach ächzend zusammen. Rosan hängte sich
von hinten an ihren Stiefvater, um ihn zurückzuhalten. Das brachte Nordment die nötig
Zeit, um zu verschnaufen. Nachdem der Arkonide Rosan abschüttelte, kämpfte sich sein
Gegenspieler wieder hoch und versetzte ihn einen tritt in den Magen. Keuchend sackte der
Hühne in sich zusammen.
Eine Tür wurde von reinströmenden Flutmassen regelrecht aufgesprengt.
Wyll und Rosan kletterten eine Leiter hoch, die an einem Gitter endete. Es war
elektronisch verschlossen.
»So eine Scheiße!« rief Wyll und rüttelte am Gitter.
»Vielleicht können wir sie durch einen Kurzschluss öffnen?« schlug
Rosan vor.
Spector Orbanashol raffte sich langsam wieder auf.
»Wir müssen uns beeilen, entweder wir ertrinken oder mein Stiefvater
schlägt uns tot.«
Nordment hantierte am Schloß des Gitters herum. Rosan drängelte, daß
er sich beeilen sollte. Der Sippenführer der Orbanashols war wieder zu vollem Bewußtsein
gekommen. Er sah, wie die beiden vergeblich versuchten das Schott zu öffnen. Überheblich
fing er an zu grinsen. Dann zog er aus seiner Tasche einen weiteren Thermostrahler.
»Oh Gott, er hat eine Waffe!« schrie Rosan. In dem Moment hatte es
Wyll geschafft und das Gitter öffnete sich kurz. Sie quetschten sich durch bevor es sich
wieder schloß. Spector schoß auf die beiden, traf allerdings das Schloß des Gitters,
welches verschmolzen wurde.
Er rannte zum Gitter und versuchte es zu öffnen, doch das Schloß war
nicht mehr zu öffnen.
Er sah wütend die beiden an.
»Es tut mir leid, wir können dir nicht mehr helfen«, sagte Wyll mit
Bedauern. Das Wasser stieg immer höher. Wyll und Rosan schwammen aus dem Korridor und
warfen einen letzten Blick zu den, verzweifelt am Gitter rüttelnden, Spector Orbanashol.
Dann stieg das Wasser immer höher und wurde zum Grab für ihn.
Die LONDON war mit dem Bug bereits im Wasser untergegangen. Es drohte
nun auch die Kommandobrücke von dem schwarzen Naß eingehüllt zu werden.
Noch etwa fünf Rettungskapseln waren zur Verfügung gestellt worden.
Attakus und Zhart hatten, während sie damit beschäftigt waren, Spector
und Rosan zu suchen, ihre Passage verpaßt.
Schließlich entschloß sich Attakus nun doch zu fliehen.
Er ging zu Rudoch, der die letzten Boote beaufsichtigte.
»Ich brauche eine Passage. Sofort«, sagte der Aristokrat.
Rudoch sah ihn erstaunt an.
»Ich hab dafür gezahlt!« meinte Orbanashol.
Der Erste Offizier holte das Geld heraus und warf es dem Arkoniden ins
Gesicht.
»Ich pfeife auf dein Geld, wir verrecken sowieso!«
Attakus sah ihn verzweifelt an. Dann zückte Rudoch den Thermostrahler.
»Zurück von der Kapsel!« befahl er.
Attakus hob die Hände und wich langsam zurück. Er rannte zur anderen
Seite, in der Hoffnung, daß sich dort noch ein Boot befand.
Die viertletzte Kapsel wurde mit Passagieren gefüllt. Arno Gaton stand
ruhig daneben. Für ihn war es das größte Desaster. Er konnte sich nicht mehr
herausreden. Sicher mußte er Rede und Antwort stehen in Terrania City, aufgrund der
fehlenden Rettungskapseln. Seinen Posten als Hansesprecher war er los.
Trotzdem war das für ihn kein Grund auf der LONDON unterzugehen. Er
verfügte immer noch über genügend finanzielle Mittel und mit den richtigen Anwälten
konnte er mit einem blauen Auge davonkommen.
Als niemand mehr in die Kapsel stieg, schwang der Hansesprecher sich
hinein. Jetzt wartete man auf das Zeichen von Rudoch.
Dieser erblickte Gaton und zögerte eine Weile. Dann gab er den Befehl
das Boot zu Wasser zu lassen.
Perry Rhodan war zum Statisten degradiert. Er konnte nicht viel tun.
Die LONDON ging unter und mit ihr starben viele Wesen. Daran konnte auch er nichts mehr
ändern. Vielleicht mußte Rhodan sogar selbst sterben. Dann hatte Rodrom sein Ziel
erreicht.
Immerhin haben die Wassertiere ihre Attacken gegen die Rettungskapseln
eingestellt, dank Rhodans Idee mit dem Fleisch.
Nur vereinzelt griffen sie schwimmende Passagiere an.
Rhodan machte sich um Sam Sorgen.
»Falls wir schwimmen müssen, dann sehe ich schwarz für dich. Es ist
besser, du gehst in eines der Boote«, forderte Rhodan den Somer auf.
»Nein. Erst müssen alle Frauen und Kinder gerettet sein, bevor ich auf
einer dieser Rettungskapseln gehe«, sagte er altruistisch.
Rhodan sah zum Himmel hoch, dann schlug er das Vogelwesen nieder. Er
trug ihn zu einer der Kapseln.
Dann legte er ihn in das Boot. Weder Rudoch noch Sparks hatten
Einwände. Rhodan sah sich um und entdeckte ein kleines Mädchen, was in der Ecke kauerte.
Sofort nahm er es und setzte sie ins Boot.
Dann wurde auch dieses heruntergelassen.
Die LONDON neigte sich immer mehr. Selbstlos spielte die Kapelle weiter.
Als das Schiff immer schräger stand hörten sie mit dem Hochzeitstanz von Paul Lincke
auf.
»Ich glaube, wir haben unsere Pflicht erfüllt«, meinte einer.
Der andere schüttelte den Kopf.
»Wo sollen wir denn noch hin? Spielen wir weiter.«
Er stimmte zu einem neuen Lied an. Es war Nearer my God to thee. Die
anderen spielten mit.
James Holling ging auf die Kommandobrücke und schloß die Tür. Die
LONDON ging weiter mit dem Bug voran unter. Die Wassermassen umschlossen die Brücke. Noch
hielten die Fenster stand.
Der alte Plophoser stellte sich an die Navigationskontrollen und schloß
mit dem Leben ab. Der Wasserdruck zerquetschte die Fenster und Türen und das Wasser
strömte hinein und umschloß den Kommandanten der LONDON.
Überall drang nun Wasser ein. Auch das Foyer, in dem der topsidische
Botschafter und der Springer-Patriarch Koliput saßen wurden überflutet. Entsetzt, aber
würdevoll sahen die beiden den ankommenden Flutwellen entgegen und nahmen ihr Ende
wortlos hin.
Eine blueische Mutter, die kein Rettungsboot mehr erreichte, saß mit
ihren drei Kindern in der Kabine auf dem Bett und erzählte ihnen eine Geschichte von der
blauen, roten und gelben Kreatur, die sich darauf freute, die drei bald zu sehen.
Alex Moindrew geisterte durch das Schiff und blieb im Speisesaal stehen.
Er sah auf ein Chronometer und bemerkte, daß es nicht mehr richtig lief. Er stellte es
neu. Dann rutschte es vom Podest und viel klirrend zu Boden. Er mußte eingestehen, daß
die LONDON kein perfektes Raumschiff war. Sie war nicht unzerstörbar. Er wußte, daß die
Überheblichkeit der Terraner, aller Galaktiker, erst diese Katastrophe möglich machte.
Auch er bereitete sich auf das nahende Ende vor.
Rainer Trieber erreichte das vorletzte Rettungsboot. Er flehte Sparks
an, auf das Boot zu kommen.
»Bitte, bitte... ich habe zuhause eine Frau und ein Kind. Ich will sie
wiedersehen«, sagte der Banker weinerlich.
Sparks erlaubte ihm auf die Kapsel zu gehen.
Der Unternehmer lachte schallend.
»Dafür dürfen ihre Hinterbliebenden ein kostenloses Konto bei unserer
Galaxiskasse führen!« jubilierte der Mann.
Die Rettungskapsel war bereits überfüllt. Trieber war der letzte, der
aufgenommen werden konnte. Hinter sich hörte Trieber das Schluchzen von zwei epsalischen
Kindern. Die beiden pummeligen Jungen saßen auf einer Bank und hielten sich gegenseitig.
Trieber zögerte. Er sah in die entsetzen Augen der beiden. Er wollte
sie mit sich nehmen. Doch der Platz reichte nur für einen von beiden. Sie waren einfach
zu dick. Er konnte nur einen retten, es sei denn...
Trieber sah sich um. Er dachte an seine Familie. Dann dachte er an die
Zukunft dieser beiden Epsaler. Zitternd nahm er beide an die Hand und setzte sie ins Boot.
Es war kein Platz mehr für ihn da.
Sparks gab den Befehl, daß Boot herunterzulassen. Rainer Trieber stand
weinend an der Reling und sah, wie seine letzte Chance wegschwamm.
Er hatte in seinem ganzen Leben meist nur an sich gedacht, wie er
wirtschaftliche Vorteile erringen konnte. Doch dieses einemal dachte er auch an das Glück
anderer. Obwohl er ein skrupelloser Geschäftsmann war, war er doch in dieser Nacht ein
Held.
Die LONDON stand nun schräg im Wasser. Der gesamte vordere Teil ragte
bereits in das Meer hinein.
Die Männer und Frauen versuchten schreiend sich in das Heckteil
vorzukämpfen.
Das letzte Rettungsboot wurde förmlich gestürmt.
Rudoch hatte große Mühe die Leute zurückzuhalten.
»Bleibt stehen oder ich schieße!« schrie er.
Einer der Passagiere, ein junger Akone, ging nicht darauf ein und stieg
in die Kapsel. Rudoch schoß zweimal auf ihn. Leblos brach der Mann zusammen.
Rudoch war über sich selbst entsetzt und ließ die Waffe fallen. Einige
beschimpften ihn, andere nutzten die Gelegenheit um auf die Kapsel zu kommen. Das Wasser
hatte das Deck bereits erreicht, so daß man es nicht einmal per Antigrav herunterlassen
mußte.
Attakus schaffte es auch auf das Boot zu kommen. Es fing jedoch bereits
an zu wanken. Attakus stieß eine alte Frau von der Kapsel. Sie fiel schreiend ins Wasser.
»Runter hier, oder die Kapsel kentert«, rief er.
Das Heck der LONDON hing bereits etliche Meter über dem Wasser. Zu etwa
einem Drittel war das Raumschiff bereits untergegangen. Doch nun begann es immer schneller
und schneller zu sinken.
Ullrich Wakkner lief schreiend umher und versuchte sich irgendwo
festzuhalten, doch das Wasser zog den Banker mit sich. Er schwamm nun direkt vor der
ersten Säule und versuchte wieder ein Geländer zu erreichen.
Etwa 50 Meter schräg davon hatte Attakus das Rettungsboot unter
Kontrolle gebracht.
Nun allerdings lösten sich die Verankerungen der ersten Säule. Mit
einem großen Quietschen und einem hohlen, düsteren Dröhnen fiel die riesige Säule ins
Wasser.
Ullrich Wakkner schrie kurz auf, dann wurde er von dem riesigen Gewicht
erdrückt, wie viele andere auch, die vor der Halterung schwammen. Die Welle spülte
einige Dutzend Galaktiker vom Schiff. Darunter auch Rudoch. Er versuchte sich vergeblich
an einem Geländer festzuhalten. Die Welle war stärker und hielt ihn unter Wasser, bis er
keine Luft mehr bekam und das Wasser in seine Lunge eindrang.
Sparks erging es auf der anderen Seite nicht viel besser. Er konnte nur
knapp der Wasserwelle entkommen und kletterte nun in Richtung Heck.
Inzwischen war totale Panik ausgebrochen. Die Menschen und Wesen schrien
um Hilfe, doch niemand konnte ihnen mehr helfen.
Das Ende war nur noch eine Sache von vielleicht einer Stunde.
Pater Dannos und seine Kinder der Sonne hatten sich im Hinterdeck
versammelt. Sie saßen um ihren Guru herum und beteten.
»Meine Kinder, wie der rote Gott es sagte, werden wir in ihm aufgehen
und so den Weg zu einer Entität schaffen«, faselte der Schwachsinnige.
Herb und Herriet Kleinfeldt hatten sich bereits von ihrem Anführer
verabschiedet. Auch sie versuchten verzweifelt noch eine Rettungsmöglichkeit zu finden.
Louise Craufordt sah ein terranisches Kind, welches ins Wasser rutschte
und laut schrie. Sie fing an zu weinen. Die Terranerin hatte sich noch eine Flasche
Vurguzz mitgenommen, um das Ende besser ertragen zu können.
Die Wut stieg in ihr hoch.
»Du Schwein!« fing sie an Dannos anzubrüllen. »Du hattest gesagt,
den Kindern passiert nichts.«
Sie zeigte auf das ertrinkende Kind.
Dannos schüttelte den Kopf.
»Nein«, stammelte er.
»Das verstehe ich nicht. Er sagte doch, daß... Louise... das Kind geht
in Liebe!«
Doch Craufordt glaube ihrem Meister nicht mehr. Sie zog eine Waffe und
schoß fünfmal auf Vater Dannos. Die Strahlen durchbohrten ihn. In seinem Gesicht stand
großes Erstaunen, dann fiel ihr nach hinten in das Wasser.
Die LONDON war inzwischen zur Hälfte gesunken. Sie stand schräg über
dem Wasser. Das Heck war bereits ein- bis zweihundert Meter über der Wasseroberfläche.
Etwa noch 700 Meter ragten aus dem Meer heraus.
Immer wieder sprangen verzweifelte Menschen ins Wasser. Doch sie
erreichten die Kapseln meist nicht. Wieder wurden die Wasserraubtiere aktiv. Sie packten
sich ab und zu einen Passagier und zerrissen ihn.
Rosan und Wyll hatten es inzwischen auch auf das Deck geschafft. Sie
kämpften sich durch die schreienden Massen langsam zum Heck durch.
Sie stiegen über einen Eingang und sprangen herunter. Rosan fiel zu
Boden und verlor den Blickkontakt mit Wyll.
»Wyll? Wyll?« schrie sie. Sie hatte inzwischen große Angst.
Dann packte sie eine Hand. Zu ihrem Erleichtern war es Wylls. Er rannte
mit ihr weiter in Richtung Schiffsende.
Dann ein großes Aufschreien, als die Beleuchtung ausfiel. Man hörte
einige Explosionen.
Unbeirrt kämpften sich trotzdem ihren Weg durch.
Vor ihnen stand ein terranischer Pfarrer, der zum letzten Gebet aufrief.
Vor ihm knieten etliche Wesen nicht nur Terraner.
Auf dem Weg zum hinteren Geländer trafen Wyll und Rosan auf Shel
Norkat. Sie war völlig verzweifelt.
»Wäre ich doch bloß bei Aurec geblieben«, schrie sie. Rosan
versuchte sie mitzuziehen, doch Shel riß sich los und taumelte in die andere Richtung.
Früher war das Foyer das Zentrum des Schiffes, das Zentrum der
Aktivitäten und des Lebens. Jetzt war es mit Wasser geflutet und leblose Körper von
Männern und Frauen schwammen darin.
Vielleicht knapp 600 Meter ragten noch aus dem Wasser. Die zweite Säule
war bereits unter Wasser.
Viele Menschen rutschten das Deck hinunter, weil es so steil war. Sie
schlugen oft gegen offene Türen oder Ausbuchtungen.
Rosan und Wyll hatten das hintere Geländer erreicht. Dort war auch
Perry Rhodan. Er hatte versucht Ordnung in das Chaos zu bringen, doch diesmal war der
Unsterbliche machtlos. Er hatte sich hinter das Geländer gestellt und hielt daran fest.
Wyll und Rosan folgten seinem Beispiel. Wyll stieg rüber, doch Rosan
schafft es nicht ganz. Sie klammerte sich von der anderen Seite an das Geländer.
Neben sich sah sie Rainer Trieber der auch hinter dem Geländer stand.
Einige andere Leute sprangen einfach in das Wasser. Manchen fielen auf
die Triebwerke und wurden zerschmettert. Andere überlebten den Aufprall ins Wasser nicht.
Nichts konnte sie mehr retten. Die Angst und Verzweiflung stand allen im
Gesicht geschrieben.
Die Rettungskapseln waren inzwischen etwa 500 bis 1000 Meter vom
Geschehen entfernt. Von dort aus hatten sie eine einigermaßen sichere Entfernung.
Die LONDON ragte hoch und düster aus dem Wasser. Die Lichter und die
Musik waren erloschen.
Man hörte noch das Schreien und Weinen der Menschen an Bord.
Arno Gaton lief es wie ein kalter Schauer über den Rücken. Er vergrub
das Gesicht in seine Hände.
Sam war inzwischen wieder zu Bewußtsein gekommen. Er verfluchte Perry
Rhodan, daß er ihn niederschlug. Doch er wünschte ihm auch alles erdenkliche Glück. Er
betete für die Wesen an Bord der LONDON. Er betete für ihrer Seelen und für ihre
schnelle Erlösung. Er hoffte, daß es einige noch schaffen konnten. Besonders Perry
Rhodan...
Zhart hielt sich am Geländer fest und versuchte nach oben zu klettern.
Doch es waren noch etwa 800 Meter bis zum obersten Geländer der LONDON. Er befand sich im
Mittelteil des Schiffes. Er glaubte ein Knarren und einige Explosionen zu hören. Dann
wurde er bestätigt. Einige Generatoren explodierten und sprengten mehrere Risse quer
durch die LONDON. Das vordere Teil konnte dadurch nicht mehr die restlichen 300 Meter des
Hinterteils und die schweren Triebwerke tragen. Es brach in der Mitte hindurch. Zhart
rutschte durch den Riß und fiel in die Tiefe. Das hintere Teil der LONDON fiel wieder
zurück ins Wasser und schlug auf. Die Menschen schrien während des Falls.
Rosan schloß die Augen und hielt sich fest. Sie hörte das Aufschlagen
einiger Körper. Dann öffnete sie die Augen und sah zu Wyll. Er hatte den Aufschlag, wie
auch Perry Rhodan, überlebt. Beide halfen nun Rosan hinter das Geländer.
Der abgetrennte vordere Teil ging unter. Der restliche Teil füllte sich
erst langsam mit Wasser, dann stieg er höher und höher.
Die 400 Meter des Schiffes bäumten sich horizontal auf, bis sie gerade
in der Luft stehenblieb.
»Was ist das?« schrie Rosan.
»Ich weiß es nicht«, mußte Wyll gestehen.
Nun blieb das Heck mitten in der Luft stehen. Es baumelte etwas hin und
her, sank jedoch noch nicht.
Rhodan wurde schlecht beim Anblick in die Tiefe. Der Unsterbliche
stützte sich mit aller Kraft am Geländer ab, um nicht über dieses in die Tiefe zu
stürzen.
Rosan blickte auf die Menschen, die am Geländer hingen. Sie erkannte
Shel Norkat, die mit weit aufgerissenen Augen an einem Eingang hing. Sie hatte sichtlich
Mühe sich festzuhalten und glitt langsam ab, bis sie völlig abrutschte und hinunterfiel.
Sie prallte gegen einen Mast, der durchbrach. Dann fiel sie die weiteren 400 Meter in die
Tiefe.
Rhodan atmete tief durch. Der Moment schien Ewigkeiten zu dauern. Das
Ende der LONDON stand kurz bevor. Doch das Schicksal spielte noch einen sadistischen
Streich, indem es das Ende noch verzögerte.
Rhodan erkannte das unithische und terranische Kind. Beide wurden von
einer Frau umarmt. Sie sahen kurz zum Unsterblichen hoch. In den Augen stand Trauer und
Leid.
Aus Perry Rhodans Augenhöhlen flossen Tränen. Diese Kinder mußten
jetzt sterben. Warum und wofür? Ihnen wurde alles genommen. Sie hatten nie die Chance
alles im Leben mitzubekommen. Sie konnten sich niemals verlieben, niemals Kinder bekommen,
niemals ihren Wünschen mehr nachkommen.
Rhodan verfluchte Rodrom und haßte ihn für diese Tat, wie man nur
jemanden hassen konnte.
Einige weitere Menschen fielen in die Tiefe.
Rainer Trieber stand zitternd auf dem Geländer. Er hatte bereits mit
dem Leben abgeschlossen.
Rhodan riß sich wieder zusammen.
»Rosan, Wyll; Ihr beide dürft erst wenn die LONDON im Wasser ist
loslassen. Dann versucht so schnell wie möglich wieder nach oben zu kommen, bevor der Sog
euch herunterzieht. Kurz bevor das Wasser das Geländer erreicht Luft holen«, sagte er
schnell.
Dann ging ein Ruck durch die LONDON. Ein Aufschreien. Das Ende kam
jetzt. Die LONDON fing weiter an zu sinken. Langsam aber unaufhaltsam kam das Wasser Meter
um Meter näher.
»Oh Gott, oh Gott. Ich will noch nicht sterben!« schrie Rosan.
Wyll nahm ihre Hand.
»Du hast gehört, was Perry sagte. Luft holen, wenn ich es sage.«
Beide zitterten. Rhodan sah dem Wasser entgegen. Es war noch 200 Meter
entfernt, 100 Meter, 50 Meter, 25 Meter. Die Menschen wurden hinuntergerissen und
verschwanden in dem dunklen Naß.
Dann erreichte das Wasser das Geländer.
»Luft holen!« schrie Rhodan. Die drei hielten fast gleichzeitig die
Luft an. Das Geländer wurde auch überspült. Die Triebwerke waren das Letzte, was noch
den Himmel erblickte, dann verschwanden auch diese zusammen mit dem Hypertrop-Zapfer und
der Flagge der Kosmischen Hanse im Wasser.
Die LONDON war untergegangen und hatte knapp 10.000 Wesen mit in den Tod
gerissen. Das Drama war zu Ende.
Rosan versuchte krampfhaft an die Wasseroberfläche zu gelangen. Sie
verlor Wylls Hand und versuchte den Kontakt zu ihm wieder herzustellen, schaffte es aber
nicht.
Dann schwamm die Halbterranerin an die Oberfläche. Der Sog war
überraschend schwach, so schaffte sie es wieder nach oben.
Das erste, was sie rief war Wylls Name. Doch sie war nicht die einzige,
die rief. Sie war von über tausend Überlebenden umringt, die hilfeschreiend im Wasser
schwammen.
Hinter ihr tauchte ein Mann auf, der sie unter Wasser drückte. Er stand
offensichtlich unter Schock und schrie. Rosan kam kurz wieder hoch und wollte Luft holen.
Da hörte sie eine vertraute Stimme sagen: »Laß sie los!«
Es war Wylls Stimme. Er schwamm schnell zu den beiden und schlug den
Mann ins Gesicht, der auch sofort daraufhin Rosan losließ.
Wyll umarmte seine Geliebte innig.
»Gott sei dank, du lebst!« stammelte die junge Orbanashol.
Wyll legte einen Arm um Rosans Oberkörper und zog sie mit sich. Er
hatte ein schwimmendes Stück Holz gesehen. Es stammt vermutlich von einer Tür.
Er legte Rosan auf das rettende Stück. Es war zwei Meter lang und etwa
die Hälfte breit. Jedoch konnte es nur eine Person tragen. Wyll mußte sich an dem Stück
festhalten. Er sah sich um. Die Männer und Frauen im Wasser schrien verzweifelt um Hilfe,
doch niemand schien sie zu hören. Die Rettungsboote waren über einen Kilometer weit weg.
Sie bewegten sich auch nicht.
Wyll hielt Rosans Hände fest. Beide sahen sich in die Augen.
»Wir leben immerhin noch. Jetzt schaffen wir es!« munterte er sie auf.
Sie lächelte schwach. Es fing an zu regnen.
»Noch nasser können wir ja nicht werden«, flüsterte sie sarkastisch.
Wyll sah sich weiter um. Er glaubte Perry Rhodan entdeckt zu haben. Der
junge Terraner winkte ihm zu.
Es war tatsächlich der Zellchipträger. Rhodan lächelte als er die
beiden sah. Er hatte sich an einem Plastikstuhl festgehalten und schwamm mit diesem zu dem
Liebespaar herüber.
»Ich bin froh, euch beide lebend zu sehen.«
Die Rettungskapseln schwammen ruhig über das Meer. Als es anfing zu
regnen, schlossen sich die Kuppeln.
Die knapp 4000 Männer und Frauen saßen still in den umfunktionierten
Booten und hofften auf baldige Hilfe.
Sam konnte nicht ruhig sitzen. Er mußte an die über 1000 Lebewesen
denken, die da draußen im Wasser um ihr Leben kämpften.
»Wir müssen umkehren. Nicht alle Kapseln sind vollbesetzt. Wir können
noch Leben retten«, sagte der Somer.
Spechdt, der ehemalige Ortungsleiter der LONDON entgegnete barsch: »Das
kannst du vergessen. Ich kehre nicht mehr zurück. Die würden doch die Kapsel kentern.«
Sam schüttelte wütend den Kopf.
»Das ist doch Wahnsinn. Die Menschen brauchen unsere Hilfe. Leute, das
sind eure Männer, Frauen und Kinder da draußen. Ihr könnt sie doch nicht einfach
sterben lassen!« beschwor er sie.
»Wenn du nicht gleich die Schnauze hältst, kannst du denen da im
Wasser Gesellschaft leisten«, fletschte Spechdt ihm entgegen.
Sam atmete tief durch und setzte sich kopfschüttelnd.
Seit bereits einer Stunde schwammen die Überlebenden im Wasser. Das
Schreien wurde leiser. Einige waren vor Entkräftung bereits zusammengebrochen.
Wyll versuchte Rosan weiter aufzumuntern.
»Hey, es könnte schlimmer sein«, meinte er lächelnd. Rosan gab ein
schwaches Lächeln zurück.
Auch sie war immer noch klitschnaß. Der Regen wollte nicht aufhören.
»Bald kommen die Rettungskapseln und holen uns ab«, tröstete Wyll
seine Geliebte.
Er sah fragend zu Perry Rhodan herüber, doch der schüttelte nur den
Kopf.
Perry hörte einige Aufschreie. Die Wasserraubtiere waren wieder
hungrig. Sie schnellten aus dem Wasser hoch und schnappten sich ihre Opfer. Wieder brach
eine Panik unter den Überlebenden aus.
»Es ist schlimmer«, sagte Rosan.
Es regnete immer noch. In den Kapseln hörte man das Prasseln auf der
Kuppel. Es war immer noch sehr ruhig unter den Geretteten.
Der Funkoffizier der untergegangenen LONDON, Sparks, versuchte nun eine
Rettung der im Wasser schwimmenden Überlebenden zu organisieren.
Er hielt Funkkontakt mit den anderen Kapseln und wies sie an, die nicht
vollen Kapseln umzubesetzen, so daß alle gefüllt waren. Die übrigen Kapseln sollte
soviel wie möglich von den anderen aufnehmen.
Sam half mit und versuchte die Aktion voranzutreiben. Doch es dauerte
eine Ewigkeit...
Eine gespenstische Stille lag über dem Meer. Das Schreien der
Überlebenden war verstummt. Man hörte nur noch das Rauschen der Wellen und das Prasseln
des Regens. Vereinzelt noch ein Seufzen oder ein Stöhnen.
Rosan war inzwischen eingeschlafen. Perry Rhodan hielt Nordment vom
Einschlafen ab. Er schwamm bereits drei Stunden im Wasser. Falls er einschlief, konnte er
sich Unterkühlungen holen. Das Wasser war zwar mit knappen 10° Celsius nicht kalt, aber
auch nicht sonderlich warm.
Die Raubfische hatten sich inzwischen zurückgezogen. Seit bereits einer
Stunde hatten sie keinen Galaktiker mehr gerissen. Doch die See bot ein riesiges Grab.
Rhodan schätzte, daß knapp tausend Menschen in den letzten drei Stunden den Tod gefunden
hatten. War es durch die Raubfische oder durch Kreislaufzusammenbruch und Entkräftung.
Rhodan sah wie zwei Kapseln sich näherten. Erleichtert stieß er Wyll
Nordment an, der hochschreckte. Rhodan zeigte in die Richtung der kommenden Rettung.
Wyll weckte sanft Rosan auf, die sich irritiert umsah.
»Sie kommen, um uns zu retten!« sagte Wyll freudig.
Rosan lächelte.
Wyll und Rhodan winkten die Kapseln herbei. Auch die anderen, noch knapp
400 Überlebenden machten auf sich aufmerksam. Viele schwammen den beiden Kapseln
entgegen. Die Luken öffneten sich und die ersten wurden aufgenommen.
Doch das Glück dauerte nicht lange. Rhodan hörte hinter sich ein
schnelles Rauschen. Es waren die Raubfische. Sie griffen wieder etliche der Menschen an
und zogen sie in die Tiefe. Es brach eine Panik aus. Eine der Kreaturen tauchte
urplötzlich vor Rosan und Wyll auf. Es rammte Wyll in seiner Brustgegend und riß mit
seinen scharfen Flossen seinen Oberschenkel auf. Dann erspähte es einen Mann, der zwei
Meter von ihm entfernt war. Es bäumte sich auf und sprang auf ihn. Eine Welle blieb von
beiden zurück. Der Mann tauchte nie wieder auf.
Rhodan schwamm zu Wyll, um zu sehen, wie stark er verletzt war.
»Es geht schon«, hustete Wyll. Er erreichte wieder das Holz mit Rosan.
Sie ergriff sofort wieder seine Hände und küßte ihn.
»Du mußt durchhalten!« sagte sie leise.
Rhodan winkte einem der Beiboote zu. Sparks sah Rhodan, doch tat nichts.
Er griff anstelle den Befehl zu geben dorthin zu fahren, ein
Sprechgerät.
»Es tut mir leid, mehr als 150 Personen können wir nicht aufnehmen.
Die Boote sind randvoll. Bitte vergebt uns, aber haltet weiter durch, bis Hilfe kommt.«
Wyll sah entsetzt Rosan an.
»Wir haben einen Verletzten hier!« rief Rhodan. Das zweite
Rettungsboot näherte sich den drei. Rhodan konnte Sam erkennen, der aus der Luke sah.
»Wir nehmen Wyll Nordment zu uns. Dafür gehe ich ins Wasser«, schlug
der Somer vor. Wyll wollte erst nicht, doch Rhodan konnte ihm vom Gegenteil überzeugen.
Plötzlich umringten aber etwa 100 Überlebende die Kapsel und
versuchten an Bord zu kommen.
»So geht das nicht. Wir müssen die Luke schließen, sonst kentert das
Boot!« sagte Spechdt.
Sam verneinte. »Solange ich hier bin, bleibt sie offen!«
Spechdt schien das zu wörtlich zu nehmen. Er schubste Sam ins Wasser
und schloß die Luke. Die Kapsel trieb wieder davon. Die schreienden Menschen hinter sich
lassend.
Perry schwamm zu dem Somer, der sichtlich Mühe hatte sich an der
Oberfläche zu halten. Sam ergriff sofort den Plastikstuhl und hielt daran fest.
»Wozu habe ich dich niedergeschlagen, wenn du doch den Helden
spielst?« fragte Rhodan ironisch.
Die Raubfische waren abgezogen, doch sie konnten jederzeit wiederkommen.
Es hatte aufgehört zu regnen. Jedoch war es weiterhin dunkel. Die
meisten waren nun tot. Keiner gab mehr einen Laut von sich. Perry Rhodan und Sam hielten
sich gegenseitig noch wach.
Wyll zitterte inzwischen. Rosan versuchte ihn immer wieder aufzumuntern.
Doch auch ihr fehlte die Kraft.
»Wyll«, flüsterte sie schwach. Sie hustete mehrmals.
»Ja?«
»Ich liebe dich.«
»Hey, das klingt ja wie ein Abschied«, stotterte er. Das Wasser wurde
nun doch nach so vielen Stunden ziemlich kalt.
»Ich schaffe es nicht, Wyll«, hauchte Rosan. Er verstärkte den Druck
in seinen Händen, die immer noch Rosans hielten.
»Du mußt mir versprechen, daß du es schaffst. Du wirst noch steinalt
werden und viele Kinder bekommen auf Camelot«, versprach er ihr.
»Nur, wenn du der Vater bist«, flüsterte sie.
Wyll wollte darauf antworten, doch der Schmerz der gebrochenen Rippen
und des Obeschenkels ließen ihn zusammenzucken.
»Sicher...« meinte er nur.
Er wußte, daß er nicht mehr lange durchhalten konnte. Vielleicht noch
eine halbe Stunde, dann würde er zusammenbrechen. Doch Hilfe war nicht in Sicht. Woher
auch. Es war vorbei. Er hoffte nur, daß Rosan es schaffte.
»Rosan, du bist die tollste Frau, die mir jemals begegnet ist. Auch
wenn es schwachsinnig klingt, aber dich hier zu treffen, war das beste, was mir passieren
konnte«, gestand er ihr.
Sie lächelte wieder schwach. Auch sie zitterte. Ein kalter Wind zog nun
über das Meer.
Auf einmal hörten sie ein Raunen, das vom Himmel kam. Mehrere Lichter
waren zu sehen.
»Raumschiffe!« schrie Rhodan.
»Die Rettung kommt«, fügte er hinzu.
Auch die anderen in den Kapseln bemerkten das. Sie winkten den
Space-Jets zu.
»Das sind galaktische Schiffe«, stellte Sam erstaunt fest.
Wyll wollte einen Freudenschrei loswerden, doch wieder tauchte ein
Raubfisch auf. Er warf das Holz um. Rosan fiel ins Wasser. Sie schwamm etwas weg, doch das
Wesen nahm die Verfolgung auf.
»Rosan!« schrie Wyll verzweifelt. Er brach etwas von dem Holz ab und
warf es auf das Tier. Dieses reagierte auch. Rosan hatte inzwischen eine der Kapseln
erreicht.
»Wyll, schwimm weg!« rief sie entsetzt.
Doch er konnte nicht mehr. Er hatte keine Möglichkeit sich mehr zu
verstecken. Das Raubtier raste auf ihn zu mit weit geöffnetem Mund.
Wyll hörte Rosan weinerlich schreien.
»Leb wohl, ich liebe dich auch, Rosan!«
Der Koloß fiel platschend auf ihn. Die vier Arme umklammerten den
Körper und rissen ihn auseinander. Dann hielt das schwarze Ungetüm auf Wyll Nordment zu.
Das eigenartige war, daß dieses Wesen vor einer Minute noch nicht da
war. Es fiel einfach vom Himmel ins Wasser. Direkt auf das Raubtier. Auf dem Giganten mit
den drei roten Augen, die leuchteten, saß ein pelziges Wesen mit einem Zahn.
Es sah aus wie eine Maus. Das Wesen grinste breit als es zusammen mit
dem Koloß auf Nordment zuschwamm.
»Du bist gerettet. Be happy! Wir haben das sogar kostenlos gemacht«,
hörte Wyll die schrille Stimme des Wesen sagen.
Er war sprachlos. Neben ihm landete ein amphibische Fähre auf dem
Wasser. Sie holten Rosan, Perry Rhodan, Sam und zwei andere aus dem Wasser. Dann spürte
Wyll, wie er wie von Geisterhand hochgehoben wurde. Er wußte nun, wer die beiden waren.
Es waren Icho Tolot und Gucky.
Auf der Fähre stand ein weiterer Arkonide, der Rosan stützte. Wyll
dachte zuerst, es sei Attakus Orbanashol, doch dann erkannte er den Mann. Es war Atlan.
Perry Rhodan umarmte seinen Freund.
»Wie hast du uns gefunden?« wollte er wissen.
»Dannos Leute hatten einen Kontaktmann, der Lösegeld forderte. Den
konnten wir ausfindig machen und Gucky verhörte ihn. Durch ihn bekamen wir heraus, wo die
LONDON vom Kurs abgebracht wurde. Wir flogen dorthin und fanden die Forschungssonde von
einem Volk namens Saggittonen. Wir entschlüsselten sie und fanden die Koordinaten der
Galaxis heraus. Dann stießen wir auf euren Hilferuf«, erklärte Atlan sachlich.
»Etwas grauenvolles muß passiert sein«, meinte Icho Tolot als er auf
das Meer sah.
»Ja, Tolotos. Etwas sehr grausames«, bestätigte Rhodan. Dann blickte
er zu Rosan, die zu dem verletzten Wyll rannte.
Rhodan ging zu den beiden.
»Tja, da ihr beide überlebt habt, muß ich wohl Wort halten. Ihr
dürft nach Camelot. Dort könnt ihr zwei in Ruhe leben«, sagte er lachend. Er umarmte
beide kurz.
»Siehst du, Rosan. Wir haben es beide geschafft«, sagte Wyll schwach.
»Sag jetzt nichts«, entgegnete sie und küßte ihn.
Attakus Orbanshol kam bei ihnen vorbei als er aus einer der Kapseln kam.
Er sah sie kurz an und ging resignierend weiter.
Er konnte das Glück der beiden nicht mehr verhindern. Weder seine
Intrigen noch der Untergang der LONDON schaffte es ihre Beziehung zu zerstören. Nichts
konnte zwischen die Liebe von Wyll Nordment und Rosan Orbanashol kommen.
Die Space-Jets und Gleiter hatten inzwischen alle in den Rettungskapseln
befindlichen Überlebenden aufgenommen. Sie wurden zu den Fähren gebracht und versorgt.
Einige litten an Unterkühlung oder Schocks. Sie mußten sofort in medizinischer
Behandlung gegeben werden.
Auf der See trieben noch einige Überreste der LONDON, wie Stühle,
Türen, Schotts oder andere schwimmbare Dinge.
Gucky und Icho Tolot standen still am Rand der Fähre und sahen traurig
auf das Meer. Sie hatten die schreckliche Nacht nicht miterlebt, doch wußten sie, daß
etwa 11.000 Lebewesen einen grausamen Tod erlitten.
Perry Rhodan dachte an Rodrom. Er schwor ihm Rache für das was er getan
hatte. Doch auch für Gaton und seine Hansesprecher wurde der Untergang der LONDON ein
Nachspiel haben.
Dann dachte er an die über 10.000 Männer und Frauen, die ihr Leben
ließen.
»Euer Tod wird gerächt werden«, versprach er.
Atlan ging zu ihm.
»Hast du einen Wunsch, Barbar?«
»Ja, ab nach Hause!«
Das einst so stolze Schiff lag nun am Meeresboden in einer Tiefe von
12.312 Metern. Mit der LONDON haben 11.023 Männer und Frauen aus der Milchstraße und der
Lokalen Gruppe ihre letzte Ruhe gefunden. Nur 3999 Lebewesen überlebten die größte
Katastrophe eines Raumluxusliners in der Geschichte der Neuen Galaktischen Zeitrechnung.
Die LONDON sollte das gewaltigste und schönste Schiff der Galaxis werden, doch es wurde
zu einem Schiff des Todes. Noch in Jahrhunderten wird man an das grausame Schicksal des
Hanseschiffes denken. Rodrom hatte recht, denn man wird auch ihn in Verbindung mit dem
Desaster bringen. Doch man wird auch an die Fahrlässigkeit der Hanse denken, die aufgrund
materieller Vorteile nicht genügend Rettungskapseln an Bord hatten.
Es wird in naher Zukunft eine öffentliche Entschuldigung aller Hansesprecher geben und
Arno Gaton wird in Pension gehen und in seiner Villa mit seinem schlechten Gewissen leben,
doch dies macht die 11.023 Lebewesen auch nicht wieder lebendig.
Perry Rhodan taufte das System, wo das letzte Kapitel der LONDON geschrieben wurde, auf
den Namen »LONDON´s Grave«.
Er hoffte, daß niemand dieses System ansteuern wird, doch er wußte, daß irgendwann
Forscher oder neugierige Journalisten versuchen werden, die letzte Ruhe der LONDON zu
stören.
Viele ließen ihr Leben in der schrecklichen Nacht des 12.Dezembers 1285 NGZ. James
Holling der Captain der LONDON, Spector und Thorina Orbahanshol, Hermon von Zhart,
Rainer Trieber, Shel Norkat, Ullrich Wakkner, Alex Moindrew, Koliput der
Springerpatriach, Terek Orn der Botschafter Topsids, Der Erste Offizier Rudoch,
Stelv. Orter Maskott, das terranische Kind und das unithische Kind sowie 11.009 weitere
Lebewesen.
Mögen sie auf ewig in Frieden ruhen...