eine
Stimmung war nicht gerade erheitert. Da saß ich nun in einem winzigen Zimmer in einem
kleinen Haus in New York und wartete auf Cara Sontime.
War es brüderliche Liebe oder geistige Unanwesenheit, die mich dazu
getrieben hatte, auf die Bitte meiner Schwester Joana einzugehen und der irgendwem achso
bekannten Reporterin Cara Sontime ein Interview über mich zu gewähren. Dabei hätte ich
doch schon stutzig sein müssen, als ich las, daß diese Ms. oder Mrs. Sontime für eine
Zeitschrift mit dem ominösen Titel COSMIC GIRLS arbeitete. Sicherlich würde ich gleich
gefragt werden, was ein Mann mit meinen körperlichen Ausprägungen an wissenschaftlichen
Tätigkeiten finden würde. Was konnte ich denn dafür, daß mein Vater vom Planeten
Oxtorne und meine Mutter von Arkon I stammte? Hätte ich es irgendwie verhindern können,
die weißblonde Lockenpracht meiner Mutter und den muskulösen Körper meines Vaters zu
erben? Immerhin hatte ich von meiner Mutter ja auch ein hervorragendes photographisches
Gedächtnis geerbt. Und genau deswegen war ich auch Naturwissenschaftler geworden,
schwerpunktmäßig Hyperphysiker und Planetologe. Aber ich hatte mehr oder weniger
nebenbei noch diverse Lehrbücher zu Themenkomplexen der Biowissenschaften, der
Ingenieurswissenschaften und der Humanmedizin gelesen, auch wenn ich mich nicht
vollständig in diesen Bereichen ausbilden ließ.
Als nach einer Minute Wartezeit die kleine Tür aufschwang und eine
junge, sehr hübsch herausgeputzte Frau mit blondem Pferdeschwanz und bordeauxrotem Kleid
den Raum betrat, blieb ich ruhig sitzen. Die Dame sollte nicht den Eindruck bekommen, daß
ich mich über sie ärgerte. Das war es nicht wert.
»Guten Tag, Mr. Shak! Ich bin Cara Sontime«, begrüßte mich die Frau,
die wohl in meinem Alter sein mußte. Ich erwiderte den Gruß und stellte klar, daß ich
nicht viel Zeit hätte.
»Wenn Sie meine Fragen schnell beantworten, sind wir in einer
Viertelstunde durch«, erwiderte Cara Sontime und ließ sich mir gegenüber auf einen
Stuhl sinken. Lässig fischte sie aus ihrer Umhängetasche ein kleines
Tonaufzeichnungsgerät und eine Holokamera. Sie hob den Bildaufzeichner an, guckte mich
mit ihren blauen Kulleraugen fragend an und machte einige Aufnahmen, nachdem ich durch ein
sanftes Kopfnicken meine Einwilligung gegeben hatte. Dann schaltete Cara Sontime den
Tonaufzeichner ein. Eine Anzeige auf dem Gerät erklomm in grünem Licht und gab an, daß
es in New York gerade 14.15 Uhr am 14. Juni 2419 war. Dann sprach die Reporterin ein paar
einleitende Sätze in das Mikrofon und drückte die Pausentaste des Gerätes. Dann stellte
sie es auf den kleinen Tisch zwischen uns und schaltete den Tonaufzeichner wieder auf
Aufnahme.
»Mr. Shak«, begann sie. »Sie sind der bislang jüngste Absolvent der
polytechnischen Universität von Terrania City. Was hat Ihnen soviel Antrieb gegeben,
innerhalb von vier Jahren ein Studium zu beschließen, für das selbst mit
Hypnounterstützung acht Jahre veranschlagt werden?«
»Meine Herkunft, Ms. Sontime. Meine Mutter ist eine arkonidische
Edelfrau, und mein Vater ist ein Oxtornischer Arzt. Daher war es für mich nie eine Frage,
ob ich eine wissenschaftliche Ausbildung anstreben würde, sondern nur, welche. Da ich
über ein sehr gutes Gedächtnis verfüge, bedurfte es nur der einmaligen Lektüre der
Lehrbücher, um deren vollständigen Informationsgehalt zu erfassen. Hinzu kommt noch,
daß meiner Herkunft wegen immer ein ungerechtfertigtes Aufsehen an den Schulen betrieben
wurde, was mich dazu antrieb, möglichst schnell mit allen notwendigen Studien und
Praktika abzuschließen«, gab ich umfassend Auskunft.
»Die Leser, speziell die Leserinnen meiner Zeitschrift, möchten zu
gerne wissen, weshalb Sie mit Ihrer Statur nicht an eine Karriere in der solaren Flotte
gedacht haben oder als Trivideoschauspieler oder Sportler angefangen haben.«
»Dann teilen Sie Ihren Leserinnen mit, daß mein Körper mir völlig
egal ist, solange er unversehrt ist. Ich weiß, daß ich dem Idealbild eines
altgermanischen Helden entspreche. Dies haben mir schon hunderte gesagt. Ich fühle mich
jedoch nicht zu Heldentaten geboren. Daher habe ich mich nicht auf eine Karriere in der
solaren Flotte eingelassen. Ich sehe meine Fähigkeiten doch sehr konkret auf
intellektuelle Leistungen ausgerichtet.«
»Ja, aber Sie werden doch wohl auch Bedürfnisse körperlicher Art
verspürt haben«, entgegnete Cara Sontime. »Hatten Sie nie eine partnerschaftliche
Beziehung?«
»Doch, sicher! Ein Universitätsflirt, der sich zu einer dreijährigen
Freundschaft entwickelte. Ich werde den Namen dieser Person jedoch für mich behalten«,
erwiderte ich ruhig. Ich hatte mit dieser unvermeidlichen Frage gerechnet.
»Freundschaft? Also ein rein platonisches Verhältnis. Hatten Sie nie
das Bedürfnis nach sexuellen Erfahrungen?«
»Wenn Sie wissen wollen, was ich über Sex weiß, so lautet meine
Antwort, daß ich theoretisch mit allem vertraut bin, was damit zusammenhängt. Was meine
Erfahrungen und Bedürfnisse angeht, so sind diese meine Privatsache und stehen für
niemanden zur Debatte.«
»Aber Sie können mir doch verraten, welche Frau ihrem Idealbild
entspricht«, wandte sich Cara mit einer weiteren persönlichen Frage an mich.
Ich antwortete herablassend: »Die große Mehrheit Ihrer Leserinnen wird
sich jetzt enttäuscht fühlen, diesem Idealbild nicht entsprechen zu können, aber ich
werde Ihnen gerne verraten, wie die Idealfrau für mich sein sollte:
Ich suche, nicht dringend, nach einer Person, die in hohem Maße geistig
begabt ist und neben einer guten und umfassenden Ausbildung über ein großes Spektrum an
kulturellen Betätigungsfeldern verfügt. Körperlich sollte sie meiner Konstitution
entsprechen, also über eine oxtornische Physis verfügen, falls sie und ich der Meinung
sein könnten, Nachwuchs zu zeugen. Aber daran, und hier mutmaße ich, einer weiteren
Frage Ihrerseits zuvorzukommen, denke ich im Moment überhaupt nicht.«
»Sie legen sehr hohe Maßstäbe an, Mr. Shak. Befürchten Sie nicht,
daß niemand diese Richtlinien erfüllen kann?«
»Im Gegenteil. Ich würde mich wundern, wenn ich auf die Person träfe,
die einen Großteil der von mir umrissenen Faktoren aufweist.«
»Legen Sie diese Maßstäbe gerade deswegen an, weil Sie eigentlich
keine Beziehung haben wollen?«
»Man soll niemals nie sagen, weiß ich. Aber zum gegenwärtigen
Zeitpunkt kann ich diese Frage ohne Zögern mit Ja beantworten.«
»Dann wollen wir nochmal zu Ihrem weiteren Lebensweg kommen«,
wechselte Cara Sontime das Thema. »Was werden Sie nun tun?«
»Zur Zeit arbeite ich als geologischer Gutachter für ein großes
Industrieunternehmen. Später, wenn meine Jugendzeit endgültig der Vergangenheit
angehören wird, gedenke ich, als Dozent an einer privaten Hochschule zu arbeiten. Aber
das wird wohl erst in zwanzig Jahren der Fall sein, also dann, wenn ich vierundvierzig
oder fünfundvierzig Jahre alt sein werde.«
»Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Arbeit und hoffe, daß
Sie nicht nur anderen Wohlstand und Freude bereiten können, sondern auch einmal Zeit für
sich finden«, schloß Cara Sontime das Interview.
Ich verließ das kleine Zimmer, ohne auf die letzten Worte von Cara
Sontime zu reagieren. Sicher, sie arbeitete für eine Lesergemeinschaft, die im Moment
alles körperliche über sonstige Angelegenheiten stellte. Aber ich war kein Trivideostar
und schon gar kein Playboy oder Traumprinz. Für mich galt das, was ich mit meinem Hirn
hervorgebracht hatte und noch hervorbringen würde. Und falls mich irgendwann mal
Bedürfnisse der animalischen Art bedrängen sollten, so würde ich sie kontrolliert
abbauen und mich nicht auf unvorhersehbare Affären einlassen.
In dem kleinen Hotel, in dem meine Schwester Joana logierte, guckten mir
schon wieder alle Zimmermädchen hinterher. Ich fragte mich, wann diese ihrer Arbeit
nachgehen konnten, wenn sie sich andauernd ablenkten. Im Zimmer von Joana traf ich neben
meiner Schwester noch ihren derzeitigen Partner Landon Faith an. Joana, die mir sehr
ähnlich sah, nur daß sie dem Idealbild einer weißblonden Venusfigur entsprach, fragte
mich, wie denn das Interview verlaufen sei. Ich gab kurz und knapp Auskunft.
Dann sagte Landon Faith: »Sie kommen mir vor, wie der alte Weise, den
eine Böse Hexe mit dem Körper eines Drachentöters bestraft hat, Mr. Shak. Irgendwie
vermitteln Sie den Eindruck, daß Ihr Gehirn mit dem, was es umgibt, nichts anzufangen
weiß.«
»Ich halte viel von Ehrlichkeit, Mr. Faith. Dennoch finde ich Ihre
Bemerkung unpassend«, erwiderte ich.
»Vielleicht ist es doch wichtig, welche Chromosomen bei der Zeugung
verschmolzen werden«, meinte Joana. »Denn was du für unheimlich wichtig hälst, Bruder
Lankor, finde ich zum Teil sehr langweilig. Dich kann man nirgendwo mit hinnehmen, wenn da
kein Superphilosoph oder kein Naturwissenschaftsprofessor sitzt, mit dem du dich
unterhalten kannst. Denn sonst fängst du doch irgendwann damit an, daß die Party
dekadent sei und die Partygäste zu viel Zeit hätten, wenn sie sie derartig bedenkenlos
verschwendeten.«
»Das stimmt doch auch«, erwiderte ich. »Aber du hast ja vor Jahren
beschlossen, daß du erst einmal alle Genüsse auskosten willst, die das zivilisierte
Leben bereitzuhalten vorgibt.«
»Weil ich später nicht gezwungen sein will, mein Leben zu bereuen,
weil es so eintönig verlaufen ist«, hielt mir Joana entgegen. Ihr Freund grinste nur
dumm.
»Ich für meinen Teil werde jetzt nach Terrania zurückkehren und
sehen, welche Aufgaben ich demnächst auszuführen habe«, erklärte ich und
verabschiedete mich.
Direktor Malton Treki saß in seinem großen schwarzen Konturensessel
und legte gerade eine Impulsfolie auf den Schreibtisch.
»Sie sind aber schnell zurückgekommen, Mr. Shak«, begrüßte mich
mein direkter Vorgesetzter, der Forschungskoordinator der COSMIC MINING Limited, einer
Erz- und Energieträgerabbaugesellschaft.
»Ich hielt es für angebracht, mich wieder aus dem Urlaub
zurückzumelden«, erklärte ich.
Dann hörte ich, was Direktor Treki mir als neue Aufgabe zugedacht
hatte. Er sagte:
»Sie kennen sicherlich das Hortansystem, Mr. Shak. Es liegt 25.000
Lichtjahre von Sol entfernt. Dort haben unsere Roboterkunder einen Planeten ausgemacht,
der über einen hohen Anteil fünfdimensionaler Strahlung verfügt. Wir gehen davon aus,
daß es sich hierbei um die Anzeichen von Howalgonium handelt. Da wir keinen regulären
Forschungsraumer entsenden können, um den Planeten unauffällig zu untersuchen, sollen
Sie allein mit einem präparierten Schiff dorthin fliegen. Sie kennen doch noch die
ARTEMIS?«
»Selbstverständlich«, erwiderte ich.
Dann furh Direktor Treki fort: »Das Schiff ist bereits gewartet worden.
Sie starten damit in Richtung Mars, um die Arbeiten auf dem Mond Phobos zu begutachten.
Tatsächlich tauchen sie im Ortungsschatten des Mars, da wo unsere Störsatelliten die
Ortung kontrollieren, in den Linearraum ein und fliegen den programmierten Kurs bis zum
Hortansystem.«
»Warum können wir kein reguläres Schiff mit der nötigen Besatzung
dort hinschicken?« fragte ich, weil es mir widersinnig vorkam, daß ein solcher Aufwand
für eine reine Routineuntersuchung betrieben werden sollte.
»Weil wir eindeutige Hinweise darauf haben, daß ein gewisser Fürst
Hogan aus der Clique der sogenannten Freifahrer, die sich in den letzten Jahren gebildet
hat, mindestens einen Spion in unsere Firma eingeschleust hat, der ihm über die von uns
gefundenen Howalgoniumvorkommen informieren soll. Es ist einer anderen Firma schon
widerfahren, daß sie einen wertvollen Auftrag verloren hat, weil ein Industriespion der
Freifahrer die Unterlagen darüber gestohlen hat. Außer dem Generaldirektor, dem
Sekretär des Generaldirektors und meine Wenigkeit ist niemand über die Entdeckung Gorons
unterrichtet.«
»Aha, der Planet hat also einen Namen bekommen«, erkannte ich etwas
impertinent, wie ich zugeben muß. Um meine Entgleisung wieder gut zu machen fragte ich
höflich:
»Und bis wann wünschen Sie meinen Bericht darüber, ob sich der
Aufwand rentiert hat, Herr Direktor?«
»Sie fliegen am 16. Juni, um 02.00 Uhr los. Die ARTEMIS ist mit einem
verstärkten Kalupkonverter bestückt worden, der sie innerhalb von 20 Stunden hinbringen
wird. Es ist kein Zwischenstop vorgesehen, Mr. Shak. Aber die Technik verfügt über drei
Reserveeinrichtungen. Sie können sich also während des Fluges so richtig ausschlafen.
Und wenn Sie innerhalb von einer Woche alle Ergebnisse haben sollten, kommen Sie zurück
nach Terra und legen mir den Bericht höchstpersönlich vor. Dann können wir entscheiden,
ob wir uns auf Goron betätigen sollen oder nicht. Vielleicht haben wir ja bis dahin den
Spion enttarnt.«
»Falls ich nicht das Subjekt bin, das gegen uns konspiriert«, gab ich
eine kläglich scheiternde Vorstellung meines ohnehin untrainierten Humors zum Besten.
Direktor Treki lachte nicht, sondern meinte nur gelassen:
»Dann wissen wir es eben erst in einer Woche.«
Mit einem Gleiter ging es zum Raumhafen. Dort, im privaten Sektor, fand
ich die ARTEMIS, ein Schiff mit der Außenzelle eines 3-Mann-zerstörers der solaren
Flotte. Ich kannte das Schiff bereits von diversen Erkundungen, die ich für meine Firma
durchgeführt hatte.
Ich bestieg das kleine Raumschiff, versicherte mich darüber, daß alle
Ausrüstungsgüter an Bord waren und begab mich in die Steuerkabine. Dort führte ich den
Vorflugcheck durch und überprüfte dabei mit einer kleinen Empfangsvorrichtung, die mir
Direktor Treki mitgegeben hatte, ob an Bord ein heimlicher Hypersender installiert worden
war. Als weder der Check, noch die Sendersuche irgendein unangenehmes Ergebnis erzielt
hatten, bat ich für meine angebliche Marsexpedition um Starterlaubnis und bekam diese
auch.
Von Hand brachte ich die ARTEMIS vom Boden weg und steuerte sie in den
Weltraum hinaus. Dann nahm ich Kurs auf den roten Nachbarn der Erde und beschleunigte mit
Höchstwerten.
Auf der Höhe der Marsbahn zog ich das kleine Raumfahrzeug in einer
Kurve um den roten Planeten herum, wobei ich einen kurzen Funkimpuls an Terra absetzte.
Dann drückte ich einige Tasten der Positronik und wartete.
Ohne Vorwarnung sprang der Überlichtantrieb an und hob die ARTEMIS aus
dem vierdimensionalen Einsteinraum. Der Linearantrieb folgte einem vorher eingegebenen
Programm und trieb das Schiff durch die rötlichen Schlieren des Halbraums davon, mit elf
Millionen Überlichtgeschwindigkeiten. Auf einer kleinen Anzeige las ich ab, daß ich nun
19 h und 52 Minuten nichts mehr tun konnte und deshalb nutzlos herumsaß, wenn ich nicht
eine bessere Beschäftigung finden würde.
Ich folgte dem Rat meines Vorgesetzten und legte mich in der kleinen
Kabine in die Koje. Sofort verfiel ich in einen tiefen Schlaf.
Als ich wieder erwachte, zeigte mir das Armbandchronometer 10.00 Uhr an.
Ich beschloß, mich noch ein wenig mit dem Planeten zu beschäftigen, zu dem ich hinflog
und dann noch eine Schlafpause einzulegen.
Um 18.00 Uhr legte ich mich wieder in die Koje, nachdem ich alle
gewonnenen Daten über Goron gelesen hatte, so daß ich den Planeten nun in- und auswendig
kannte. Als der Raumer den programmierten Flug beendete, wurde ich von einem Summton
geweckt.
Ich ging in die Steuerkabine und sah auf den Hauptbildschirm.
Vor mir stand eine gelbweiße Sonne im Raum. Ich erkannte sie als
Hortans Stern. Dann fielen mir die kleinen Punkte auf, die im Licht des Gestirns
aufblitzten. Ich suchte den drittnächsten zur Sonne und programmierte die automatische
Steuerung darauf und holte den kleinen Lichtpunkt per Bildvergrößerung zu mir heran, bis
er zu einer blauen Scheibe angewachsen war.
Das war also Goron, der Zielplanet. Der dritte Himmelskörper von zehn,
die die Sonne Hortans Stern umkreisten. Wie ich wußte, besaß der Planet keinen
natürlichen Satelliten und wies auch keine besonders großen Landmassen auf. 89 % seiner
Oberfläche waren mit Wasser bedeckt. Nicht gerade vielversprechend für eine
Howalgoniumförderung. Doch das würde sich noch ergeben.
Nachdem die ARTEMIS in die Umlaufbahn um Goron eingeschwenkt hatte, nahm
ich mit den bordeigenen Kameras eine Serie von Bildern auf, die für spätere
Untersuchungsgruppen von Nutzen sein konnten. Dann ging ich zum Landeanflug über. Mein
Ziel war ein großer Inselkontinent, der wie eine Mondsichel geformt war. Er lag in der
südlichen Hemisphäre des Planeten und maß in der Länge 260 km. Ohne Schwierigkeiten
brachte ich den kleinen Raumkreuzer in die Mitte des Kontinents und landete das Schiff
sicher auf seinen Stelzenbeinen. Eine halbe Stunde später stieg ich, in einen leichten
Raumanzug gehüllt, durch die große Mannschleuse aus.
Um mich herum erstreckte sich eine felsige Hügellandschaft ohne
jegliche Vegetation. Ich erkannte, daß vor nicht einmal zweihunderttausend Jahren ein
schweres Erdbeben den Kontinent erschüttert haben mußte, denn überall entdeckte ich
Gesteinsformationen, die nur in großen Tiefen entstanden sein konnten und von einer
gewaltigen seismischen Kraft an die Oberfläche befördert worden sein mußten. Ich sah
mich weiter um und fand den Grund für das Beben, einen vom Wind noch nicht ausreichend
verwitterten Meteoritenkrater, der gut und gerne 4 km Durchmesser besaß.
Ich wollte gerade einige Gesteinsproben sammeln, um meine Beobachtungen
wissenschaftlich zu überprüfen, als plötzlich ein Blitz aus gleißender Energie an mir
vorbeizuckte und in den Boden fuhr. Glutflüssiges Gestein spritzte unter der Wucht der
spontanen Erhitzung davon. Ich stand verdutzt da und rührte mich nicht.
Unvermittelt tauchte ein großer Schatten über mir auf und senkte sich
zu Boden. Es handelte sich um einen ovalen Gleiter einer mir unbekannten Bauart. Zwar
konnte ich die Luken des Fluggerätes nur für eine Zehntelsekunde sehen, doch diese Zeit
reichte aus, um zu erkennen, daß es vier auf jeder Seite der Maschine gab und daß die
Luken kreisrunde Form besaßen. Ich überlegte mir, ob ich ins Schiff zurückkehren
sollte. Doch da erkannte ich den klobigen Gegenstand, den ein Roboter auf Prallfeldern an
die ARTEMIS herantrug.
Ich hatte bisher nur zweimal richtig Angst verspürt. Einmal als mich
der zwölfbeinige oxtornische Drachenkopfläufer umzurennen drohte, da war ich gerade
sechs Jahre alt gewesen. Das andere Mal geriet ich in Furcht, als ich am Krater eines
Vulkans auf Rigel VII stand und der Sims, auf dem ich Halt gefunden hatte, abzubrechen
drohte. Doch das war alles nichts gegen die plötzliche Panik, die mich unerwartet gepackt
hatte. Ohne Sinn und Verstand rannte ich davon, als der Gleiter landete.
Meine oxtornische Konstitution und Kraft brachten mich auf mindestens 98
km / h, als ich erkannte, wie weitere Roboter aus dem Gleiter kamen. Ich rannte wie
besessen. Mein Gehirn hatte offenbar alle höheren Funktionen eingestellt und sich auf
sein rein instinktives Niveau zurückgezogen. Doch was hätte es mir eingebracht, wenn ich
stehengeblieben wäre. Das gleiche, was es mir einbrachte, als ich fortlief. Denn keine
zwei Kilometer vom Landeplatz der ARTEMIS entfernt lief ich blindlings einer Horde von
Humanoiden vor schußbereite Waffen. Ohne Warnung drückte einer der Fremden auf den
Auslöser. Dann spürte ich meine Beine nicht mehr und fiel zu Boden. Ich empfand jedoch
keinen Schmerz. Mein ganzer Körper war wie taub. Und auch meine Wahrnehmung schwand, wenn
auch nicht vollständig. Die Angreifer hoben mich vom Boden und trugen mich zu einem
anderen Gleiter, der gerade landete. Sie warfen mich in einen großen Frachtraum und
beließen ein Individuum als Wache bei mir. Dann startete der Gleiter.
Ein greller Blitz und ein unheilverkündendes Donnern machten mir
unmißverständlich klar, daß die ARTEMIS soeben in einer nuklearen Explosion vernichtet
worden war. Die Frage, was nun mit mir geschehen würde, wollte mein langsam wieder
erwachender Verstand nicht beachten.
Denn so oder so beinhaltete jede mögliche Antwort etwas unangenehmes,
dies wußte ich.
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