Ich hatte mich gestern Abend für
das klassischste aller Wecksignale entschieden: ein helles Piepsen holte mich auf unsanfte
Weise aus dem Schlaf. Sofort schwang ich meine Beine über die Kante der Liege und stand
auf. Die Servoautomatik registrierte mein Erwachen und schaltete den Wecker ab, drehte
dafür das gedämpfte Nachtlicht auf. Körperlich noch leicht betäubt aber geistig
hellwach setzte ich mich an den Tisch und nahm die Folie mit meinem Terminplan für heute
zur Hand.
Die Iso-Suite war speziell für meine Bedürfnisse hergerichtet worden.
Zum einen war sie natürlich mit einer für mich atembaren Methanathmosphäre erfüllt,
zum anderen hatten sich die Terraner bemüht, die Inneneinrichtung dem Maahkschen
Ästhetikempfinden anzupassen. Gelungen war es ihnen allerdings nicht; auf mich wirkte die
Suite unvollendet.
»Fensterabdeckungen öffnen!«, befahl ich dem Servo, und prompt fuhren
diese nach oben und gaben durch eine breite Fensterwand die Sicht nach draußen frei. Viel
mehr als einige Fassaden von hohen Wohntürmen bot die Aussicht aber nicht. Wahrscheinlich
war auch das Berechnung, denn wäre meine Iso-Suite höher gelegen gewesen als hier im 23.
Stock, hätte ich sehr viel mehr von den Verwüstungsspuren der Dscherro mitbekommen. Den
Terranern war verständlicherweise nicht viel daran gelegen, die tiefen Wunden, die die
grünhäutigen Wesen mitten ins Zentrum terranischer Macht gerissen hatten, einem
Maahkschen Boschafter allzu offen zu präsentieren.
Mein Auftrag als Botschafter hier in Terrania beinhaltete vor allem die
Erneuerung der diplomatischen Beziehungen zwischen der Andromedanischen Föderation und
der LFT, die seit unserem Rückzug von der galaktischen Bühne eingeschlafen waren. Sinn
und Hintergründe meines Auftrags waren mir nicht ganz klar, trotzdem hatte ich mich
natürlich an meine genaue Order, die ich auf einem Chip am Körper trug, zu halten. Sie
forderte unter anderem eingehende Gespräche mit der ersten Terranerin. Das war der erste
Punkt auf meinem Terminplan. Der zweite war ein Treffen mit Melbar Astord, einem
TLD-Major, der sich um die leidige Angelegenheit mit dem Angriff während meiner Anreise
kümmerte.
Ich hob meinen Kopf ein wenig, um die Zeit am Chronometer an der Wand
abzulesen.
»Was wünschst du zum Frühstück?« fragte die Servostimme in
freundlichstem Kraahmak.
Eins musste man den Terranern lassen: Ihren Servo hatten sie sehr gut
auf mich abgestimmt.
Der Gleiter, der mir zur Verfügung gestellt wurde, flog mich ohne mein
Zutun von meiner Diplomatenunterkunft in Monggon-Ost zum Regierungsviertel nahe des
Hanserings, wo die Gespräche mit Paola Daschmagan stattfinden sollten. Zu meiner Linken
zog das öde, ausgebrannte Stück Land vorbei, das die Burg der Dscherro bei ihrem Start
hinterlassen hatte. Unten wälzten sich die Massen durch die Straßen, ohne den erst halb
instandgesetzten Bauten Beachtung zu schenken; sie hatten es bereits geschafft, die
Katastrophe zu vergessen.
In einem weiten Bogen senkte sich mein Gleiter dem Boden zu. Ich
fixierte meinen treibenden Blick auf dem Platz, wo er landen würde: vor einem
Nebengebäude des Parlaments. Mit einem eleganten Schlenker vollendete mein Gefährt seine
Bahnkurve und setzte auf. Ich öffnete das Verdeck und stieg aus.
»Bist du der Maahksche Diplomat?« fragte mich eine kühle
Stimme, durch meinen Anzug übersetzt in Kraahmak, von hinten.
Ich drehte mich um und registrierte überrascht, dass mich nicht, wie
ich erwartet hatte, eine uniformierte Eskorte, sondern eine junge Terranerin in
gewöhnlicher Straßenkleidung angesprochen hatte.
»Ja, der bin ich.«
Ich musterte die Frau neugierig. Ich kannte mich dank meiner
Diplomatenschulung ein wenig mit terranischer Mimik aus und glaubte zu erkennen, dass sie
angespannt war, sich aber Mühe gab, diesen Umstand zu verhehlen.
»Du siehst nicht aus, als seist du meine Eskorte.«
»Die bin ich auch nicht«, meinte die Terranerin und strich sich
nervös eine lange Strähne aus dem Gesicht. »Ich heiße Elma Staller und bin Reporterin.
Ich möchte dir ein paar Fragen stellen.«
Blitzschnell jagten die Gedanken durch meinen Kopf. Eigentlich konnte
diese Frau noch gar nicht von meiner Ankunft auf Terra wissen; das war bis jetzt, so gut
es ging, geheim gehalten worden. Die andere Ungereimtheit betraf meine Eskorte. Eigentlich
sollte ich hier abgeholt werden. Ein kurzer Rundblick bestätigte mir aber, dass sich
unter der vorbeihastenden Menge niemand befand, der nach meiner Eskorte aussah.
Bestechung? Oder lag es daran, dass ich ein wenig zu früh dran war?
»Ich glaube nicht, dass ich dir etwas Interessantes berichten kann«,
sagte ich ausweichend.
»Doch, doch, komm ein wenig mehr hier hinüber«, meinte Elma Staller
eifrig und ergriff meinen Arm.
Rasch überdachte ich meine Situation und kam zum Schluss, dass es wohl
das beste war, wenn ich der Frau einige nichtssagende Antworten gab, damit sie mich danach
in Ruhe ließ. Sie hatte meinen Arm wieder losgelassen, schritt aber sehr kräftig aus, so
dass ich ihr kaum folgen konnte. In einigen winzigen Punkten über uns erkannte ich
Mikrokameras.
»Kannst du mir deine Fragen nicht hier stellen?«
»Nein«, erwiderte die Reporterin ohne ihren Schritt zu verlangsamen.
Die nervöse Kühle von vorhin war einer befehlenden Härte gewichen.
Am äußersten Rand meines Gesichtsfeld registrierte ich, dass sich zwei
Männer aus der Menge lösten und sich auf uns zu bewegten. Die Terranerin schien das
ebenfalls zu bemerken und nahm es zum Anlass, ihr Tempo nochmal zu beschleunigen.
Jetzt wurde es mir zuviel. Ich blieb stehen und sagte: »Es besteht kein
Grund zur Eile.«
Elma Saller drehte sich abrupt um und zog wieder an meinem Arm.
»Komm, schneller!« zischte sie.
Sie war kräftiger, als ich erwartet hatte, und so musste ich
gezwungenermaßen einige Schritte mittun, bis ich mich aus ihrem Griff befreien konnte.
Ich blickte kurz zurück und sah, dass die zwei Männer nun rannten. Die Reaktion der
Reporterin fiel unerwartet heftig aus. Instinktiv warf ich mich zu Boden, als sie aus
ihren Taschen einen Strahler zog und schoss. Der Schutzschild meines Anzuges, der sich
automatisch eingeschalten hatte, leuchtete nur kurz auf. Aber nun nahm die Frau ein
anderes Gerät zur Hand. Offenbar ein Antigrav-Projektor, denn plötzlich fühlte ich mich
emporgehoben.
Mein Verstand analysierte die Lage. Offensichtlich versuchte die
»Reporterin« mich zu entführen. Die zwei Männer, die uns immer noch rennend folgten,
hingegen versuchten, dass zu verhindern; wahrscheinlich waren es TLD-Agenten, die zu
meiner Bewachung abgestellt wurden. Die Frau, die sich als Elma Staller ausgegeben hatte,
konnte nicht ewig weiter rennen. Entweder hatte sie für sich auch einen Antigrav und hob
gleich ab, oder sie hatte einen Gleiter in der Hinterhand. Welche Möglichkeit auch immer
zutraf, ich musste mich befreien.
»Voller Gegenschub!« befahl ich meinem Anzug. Mit einem Ruck kam ich
frei und schoss hoch hinauf. Aber meine Freiheit war nur von kurzer Dauer: Schon wieder
spürte ich den Sog eines Antigravs, den eines viel stärkeren. Ich riss den Kopf herum
und sah mich mit irrwitziger Geschwindigkeit auf einen schwebenden Gleiter zu fliegen. Der
Aufprall war so heftig, dass die wenige leistungsfähigen Absorber und der Schild meines
Anzugs nichts dagegen ausrichten konnten. Ich sah noch, wie die Terranerin dem Gleiter
heftig zuwinkte und dann von einem Schuss getroffen zusammenbrach. Ich fühlte Hände mich
in den Gleiter zerren, dann wurde mir schwarz vor den Augen.