Es ist Nacht auf diesem Teil der
Welt. Vor einem Gebilde, das sich nahtlos in die unberührte Natur einfügt und die Form
des unteren Teiles eines der riesenhaften Knollenbäume besitzt, sitzen zwei
grundverschiedene Wesen. Umgeben von der in Dunkelheit liegenden Natur, die erfüllt ist
von unzähligen, von Leben zeugenden Geräuschen, und die immer in Bewegung ist durch die
vielfältigen Wesen, aus denen sie besteht, und die von ihr leben, sind die beiden Stimmen
beim leisen Gespräch zu hören.
Die Eine ist die eines Menschen; trotz seiner grauen Haupthaare und
seines grauen Bartes, seines erfahrenen, markant scharf geschnittenen Gesichts nicht alt,
sondern zeitlos aussehend.
Das andere Wesen ist ein Kind dieser Welt, von hoher, schlanker Gestalt.
Der lange, schmale Kopf von einer Sehleiste in der Mitte umrundet; darunter, unter einem
schützenden Kranz von fleischigen Tastfortsätzen verborgen, die Hör- und Sprachorgane.
Der Rest des Körpers bedeckt mit Haaren in allen möglichen Grüntönen, zwischen denen
regelmäßig verteilt sechs unbehaarte Gliedmaßen herausragen. Die beiden Wesen werden
nur vom Licht zweier Monde und dem der Sterne beschienen. Der Mensch beginnt soeben, nach
einer längeren Pause, mit einer neuen Geschichte: »So werde ich nun also dir, mein
Freund, die Geschehnisse berichten, die dazu führten, dass ich meine eigene Heimatwelt
verließ und in den Weltraum aufbrach. Viele der Ereignisse werden dir fremd vorkommen;
doch ich werde versuchen, die wichtigen Dinge so zu schildern, dass sie verständlich
sind. Nun beginnt also die Geschichte zweier grundverschiedener Wesen, die sich, durch
Zufall oder Vorherbestimmung mag ich nicht beurteilen, trafen und schließlich Freunde
wurden.«

Obwohl seine Lebensspanne erst ein viertel Sonnenalter betrug, wurden
seine Gedanken davon beherrscht, die schützende Nähe seines Geburtssterns zu verlassen
und in den Weiten des Lebensraums nach Erkenntnissen zu suchen. Seine Ungeduld war wohl
darin begründet, dass die Älteren oft von den Wundern berichtet hatten, die der
Lebensraum bereithielt. Wieder und wieder war den Jüngeren während den Schulungen auch
von den schier unendlichen Möglichkeiten, im Lebensraum Erfahrungen zu machen, berichtet
worden. Es sah also nicht ein, wieso es ein weiteres viertel Sonnenalter ausharren sollte,
bis es sich endlich in die Ferne aufmachen durfte, nachdem seine Neugier so sehr geschürt
worden war. So kam es, dass es einen günstigen Moment abwartete, indem es von den Anderen
unbewacht war, und sich trotz aller Warnungen und Mahnungen der Älteren aufmachte, die
Wunder des Lebensraums zu erkunden.

Es war ein Morgen, wie viele andere auch. Punkt sechs Uhr machte die
Videowand ihren ersten Weckversuch, den ich natürlich wie immer diskret ignorierte. Zehn
Minuten später schraubte die Automatik den Ton empfindlich in lautere Gegenden hoch, ganz
nach dem Programm, das ich meinem Computer (leider) eingegeben hatte. Nun gab es keine
Möglichkeit mehr, weiter zu schlafen, denn wie meistens, wenn man das Fernsehprogramm
einschaltete, lief eine penetrante Werbebotschaft nach der anderen. Was waren das noch
für Zeiten als die Werbeblöcke gesetzlich in der Dauer und Häufigkeit beschränkt
waren!
Ich stand also schließlich auf, duschte kurz und fing an mich zu
rasieren. Was ich im Spiegel sah, gefiel mir eigentlich nicht schlecht; die leicht
angegrauten Haare, das markante Gesicht mit der nicht zu großen Nase und mein kleiner
Schnäuzer.
Das einzige, was störte, waren die schrecklichen Ringe unter den Augen.
Aber die würden wieder verschwinden, und schließlich war nur einmal im Jahr Polizeiball.
Als ich nun auf meine Uhr blickte, fiel mir auf, dass ich ob meiner
Eitelkeit wieder mal Zeit vertrödelt hatte, genauer gesagt, die Zeit fürs Frühstück.
Also stieg ich in meinen Wagen und beeilte mich, rechtzeitig zur Polizeistation zu kommen.
Dank meiner Autorität, die ich mit einem Einsatz des Blaulichtes den
anderen Verkehrsteilnehmern bewusst machte, schaffte ich es gerade noch.
Doch als ich mich meinem Schreibtisch näherte, wusste ich schon, dass
der heutige Tag alles andere als normal ablaufen würde. Ich wollte schon wieder
unauffällig verschwinden, als ich die Stimme meines allseits gehassten Vorgesetzten nach
mir rufen hörte. Das allein wäre eigentlich nicht besonders besorgniserregend gewesen,
wenn nicht neben ihm Frank Hollows, Sicherheitsbeauftragter der vereinigten
Weltstreitkräfte in Kalifornien, gestanden hätte.
Das konnte eigentlich nur eins bedeuten: irgend eine bedeutende
militärische Person bei einem öffentlichem Auftritt zu beschützen. Dies wiederum
bedeutete nur Ärger. Denn falls meine Truppe Erfolg hatte, würde dieser Erfolg von allen
als selbstverständlich angesehen werden. Was noch schlimmer war, ich würde von meinem
Chef wieder vorgeschlagen werden, wenn wieder mal so ein Auftrag anstand. Wenn hingegen
dieser sogenannten Persönlichkeit etwas geschehen sollte, konnte ich meinen Job
vergessen.
Ich drehte also missmutig um und ging in Richtung meines Schreibtisches.
Lieutenant Parker schien meine Gedanken erraten zu haben, denn er sagte: »Da sind Sie ja
endlich, Dawson. Mr. Hollows hat einen Auftrag für Sie, hören Sie also genau zu.«
Ich wollte schon protestieren, doch Parker erstickte meinen Einwand,
indem er dazwischenrief: »Ruhe, Dawson. Ich weiß, dass sie einander nicht gerade lieben,
aber ich habe jetzt nicht den Nerv für Ihre Spielchen. Kommen Sie mit, wir sprechen in
meinem Büro weiter.«
Na, das war jetzt wirklich ungewöhnlich. Sonst scheute sich der Chef
nicht, mir vor allen Kollegen die Unangenehmsten Aufgaben aufzubrummen oder mich zur
Schnecke zu machen. Wenn niemand mithören durfte, musste es sich um mehr handeln, als bei
irgendeiner Rede Präsenz zu üben. Aber wenn es wirklich etwas wichtiges war, warum
betraute Parker dann mich damit?
Wir verließen also die große Bürohalle und begaben uns in das mit
Glaswänden abgegrenzte Arbeitszimmer meines Chefs.

Zuerst durchquerte es den Lebensraum wahllos, und bewunderte völlig
überwältigt die zahllosen Wunder, deren Wege es zufällig kreuzte. Es spürte Sonnen,
die ähnlich waren wie die, der es seine eigene Existenz verdankte, es spürte aber auch
völlig anders geartete Lebensgründer, einige jung und erst im Entstehen begriffen,
andere unglaublich alt, in deren Gegenwart es sich nicht mehr erfahren und weise vorkam,
sondern jung und töricht. Im Angesicht solch geballter Erhabenheit kamen ihm auch
manchmal Zweifel auf, ob sein Verlangen nach der Ferne, nach den Schätzen des Lebensraums
gerechtfertigt war, oder ob es für ein so junges und unerfahrenes Wesen nicht töricht
und vermessen war, alles wissen und sehen zu wollen.
Doch solche Empfindungen vergingen spätestens dann wieder, wenn es das
nächste Wunder entdeckte und ob seiner Strahlenden Schönheit alles andere vergaß.
Aber nicht nur Wunderbares, sondern auch die Gefahr wartete auf einen
neugierigen Wanderer. Es traf auch auf tote Sonnen, die sich in alles verschlingende
Ungeheuer verwandelt hatten, und deren erste Tat die Vernichtung der Planeten und der
Wesen darauf gewesen war, denen sie vor langer Zeit das Leben geschenkt hatten. Es, dessen
Namen nicht mit Worten ausgedrückt werden konnte, war traurig darüber; doch gleichzeitig
wusste es, dass das oberste Gesetz des Universums, das ewige Entstehen und Vergehen aller
Dinge und Lebewesen, die sind, wichtig und gut war. Denn ohne den Tod würde es auch keine
Neugeburten geben, ohne Vergehen keinen Fortschritt. Und so setzte es seinen Weg durch den
Lebensraum fort, bedrückt durch den Tod ungezählten Lebens, aber gleichzeitig auch
überwältigt von der ungeheuren Weisheit dieses unverrückbaren Gesetzes.
Es beschloss nun, kurzlebige Wesen, von denen es von den Älteren
erfahren hatte, selbst aufzusuchen, um mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Es machte sich also
zu einem Ort auf, den die Älteren vor nicht allzu langer Zeit besucht hatten, und sie
hatten auch Kontakt mit den Kurzlebigen dort gehabt. Es wusste jedoch, dass eine
Zeitspanne, die für seine Art kurz erschien, für die Kurzlebigen viele Generationen
umspannen konnte; es brannte darauf zu erfahren, was aus diesen Wesen geworden war, und ob
sie sich noch an seine Art erinnerten. Voller Vorfreude machte es sich auf, dies alles in
Erfahrung zu bringen.

»Lieutenant, können sie mir sagen was das alles soll? Und warum haben
sie ausgerechnet mich dafür vorgeschlagen?«
Hollows hatte in Rätseln gesprochen. Er hatte irgend etwas von einem
kosmischen Ereignis erzählt, von einem Meilenstein in der Erforschung des Universums,
aber auch von einer eventuellen Gefahr, die den ganzen Planeten bedrohen könnte.
Parker antwortete, mit einem undefinierbaren Lächeln auf den Lippen:
»Ich weiß auch nicht mehr darüber, als was Mr. Hollows gerade erzählt hat. Aber ich
habe sie vorgeschlagen, weil sie mein bester Mann sind.«
Zuerst war ich sprachlos. So etwas aus dem Mund meines Chefs zu hören,
überraschte mich nicht schlecht. Doch dann gewann Misstrauen die Oberhand. Ich
entgegnete: »Kommen sie, Lieutenant. Sie wollen mir doch nur Honig um den Bart streichen,
damit ich dankbar diesen natürlich unangenehmen Auftrag annehme. Aber nicht mit mir!«
Parkers Lächeln verschwand, und sein Gesicht bekam einen Ausdruck, der
jede weiteren Spielchen meinerseits verbot. »Hören sie, Dawson. Ich meine das wirklich
ernst. Ich brauche jemanden, der vor einer Kamera sprechen kann und einen kompetenten
Eindruck macht. Außerdem sollte diese Person ein guter Polizist und fähig sein, die
Dinge objektiv zu betrachten.«
Ich gab mich weiterhin kritisch, denn ich wusste, dass die Leute vom
Militär mit der Einschätzung, etwas sei eine Bedrohung für die allgemeine Sicherheit,
oft etwas schnell zur Stelle waren.
»Sir, sie nehmen das Gerede von einem kosmischen Ereignis und einer
globalen Gefahr doch nicht etwa ernst?«, antwortete ich daher meinem Chef.
Doch Parker schien anderer Meinung zu sein.
»Ich glaube schon, dass es diesmal wirklich wichtig ist, Danny. Wenn
zum Militär auch noch das FBI, die CIA und andere Geheimdienste der ganzen Welt
auftauchen, kann es sich kaum um ein Windei handeln. Ich möchte, dass sie diese Sache
gewissenhaft und ohne Vorurteile behandeln. Ich überlasse sie nun Mr. Hollows und werde
mich zurückziehen. Er ist der Meinung, je weniger Leute die Einzelheiten wissen, desto
geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass frühzeitig etwas an die Öffentlichkeit
gelangt.«
Nachdem mein Chef das Büro verlassen hatte, forderte mich Hollows auf,
ihm zu folgen.
»Kommen sie, Dawson. Draußen wartet ein Wagen auf uns.«
»Und wohin verschleppen sie mich? Wissen sie, ich bin immer ein wenig
misstrauisch wenn das Militär mich irgendwohin bringt ohne dass jemand Anderes weiß, wo
ich bin. Da kann es leicht passieren, dass ich auf Nimmerwiedersehen verschwinde«,
stichelte ich.
»Na, sie werden schon noch früh genug erfahren, wohin es geht. Die
Wände haben Ohren; das sollten sie doch wissen!«, antwortete er mit einem genüsslichen
Grinsen auf den Lippen. »Außerdem sollten Sie nicht denken, wir wären etwa auf Sie
angewiesen. Ich will sie nur als Repräsentant und Kenner der hiesigen Verhältnisse und
Bevölkerung. Laut ihrem Chef kennen Sie die Presse und wissen wie die Leute reagieren
könnten.«
Es machte ihm richtig Spaß, mich in Ungewissheit schmoren zu lassen. Da
mir aber nichts anderes übrig blieb, fügte ich mich und folgte ihm, mein Interesse
langsam erwachend, ob der ganzen großartigen Ankündigungen.

Als es den schnellen Raum in der Nähe der Welten dieser Wesen, die es
besuchen wollte verließ, begann es gleich mit der Suche nach Signalen und Ausstrahlungen,
die für Wesen der vermuteten Entwicklungsstufe typisch waren. Doch es konnte keinerlei
Anzeichen von schneller oder langsamer Strahlung spüren, die meist zur Kommunikation
zwischen Kurzlebigen verwendet wurde. Zuerst war es darüber beunruhigt, doch dann kam ihm
ein aufregender Gedanke: sollten diese Wesen so viel weiter entwickelt sein als es gedacht
hatte und sich nur noch Kraft ihrer Gedanken untereinander verständigen? Doch auch im
Gedankenspektrum konnte es keinerlei Signale wahrnehmen. Voller schlimmer Vorahnungen
überquerte es die Grenze zum Weltensystem. Als es sich der künstlich geschaffen
Überlebenshülle näherte, bei der die Älteren zuletzt Kontakt gehabt hatten, sah es
seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Riesige Löcher mit
unregelmä&szli g;igen, gezackten Rändern, aus denen die zerstörten
Streben wie die todbringenden Zähne aus dem Mund eines Ungeheuers von Taltema ragten, von
dem es von den Älteren gehört hatte, bedeckten weite Teile des geschundenen Körpers der
Hülle. An anderen Stellen waren ganze Teile abgerissen worden, durch eine feindselige,
gewalttätige Macht, die scheinbar ohne Grund alle Wesen, die einst die Hülle bewohnten,
aus dem Leben gerissen hatte.
Obwohl ohne große Hoffnungen, näherte es sich den einstmals bewohnten
Welten des Systems. Auch sie waren zu verlassenen, lebensverunmöglichenden Wüsten
geworden; voller Schrecken wurde dem Reisenden nun endgültig und mit schrecklicher
Konsequenz bewusst, das hier kein einziges lebendes Wesen mehr existierte.
Schon wollte es sich voller Abscheu vor diesen Untaten unbekannter,
fremder Aggressoren abwenden und sich so schnell wie möglich von diesem Ort der sinnlosen
Vernichtung entfernen, als es doch noch ein schwaches, undeutliches Signal, das aus
langsamer Strahlung bestand, bemerkte. Zwar war die Quelle künstlich, denn es hatte hier
keine Wesen gegeben die sich von Natur aus der langsamen Strahlung bedienen konnten, doch
bestand wenigstens Hoffnung, etwas über das genauere Schicksal der Wesen herauszufinden.
Es konzentrierte sich also auf die Nachricht, und begann, nachdem sie
sich das erste Mal wiederholt hatte, mit der Übersetzung. Es dauerte eine Zeit lang, bis
es ihm möglich war den Sinn zu verstehen. Das lag nicht daran, das der Text schwierig zu
übersetzen war. Es lag an seinem Inhalt. Er lautete: »Zentraler Angriffsrechner bereit.
Abschussrampen mit nuklearen Angriffseinheiten bereit. Erwarte Definierung der
Einschlagskoordinaten auf Stratomkosch.«
Wenige, einfache Worte, und doch von so großer Tragweite, dass der
Besucher erst jetzt begriff, was geschehen war. Stratomkosch war der zweite der beiden
ehemals bewohnten Planeten. Der Ursprung der Nachricht war der erste Planet. Kein Angriff
einer fremden Macht hatte die Morde zu verschulden. Die einst friedlich zusammenlebenden
Wesen hatten sich gegenseitig vernichtet.

Nach etwa einer halben Stunde Fahrt, Hollows saß selbst hinter dem
Steuer, kamen wir an unserem Ziel an. Es war das Stanford Ames Institute for Space
Research von San Jose, was der ganzen Sache neue Glaubwürdigkeit verlieh, denn das
Institut war angesehen und seriös.
Als wir ausgestiegen waren und uns dem Gebäude näherten, war ich
beeindruckt. Ich hatte zwar vom Neubau gelesen und Bilder gesehen, war aber bis jetzt nie
persönlich in seine Nähe gekommen.
Das neue Institutsgebäude war erst seit etwa einem halben Jahr
fertiggestellt, nachdem man mit dem Bau vor zwei Jahren begonnen hatte. Damals war der
alte Institutskomplex vom großen Erdbeben im Jahre 2029 vollkommen vernichtet worden,
zusammen mit großen Teilen der Stadt San Jose und ihrer weiteren Umgebung. Der Bau hatte
ziemliche Kontroversen hervorgerufen, denn er war, vorsichtig ausgedrückt, recht
unkonventionell. Das Gebäude bestand aus einer 100 Metern durchmessenden Kugel, die auf
einem 20 Meter breiten und 6 Meter hohem Sockel ruhte. Die Kugel selbst war so gefärbt
worden, dass die Kontinente, Inseln und Meere unseres Planeten die Oberfläche bedeckten;
kurz gesagt, das ganze Gebäude war ein riesiger Globus. Was immer Kritiker sagen mochten,
mir gefiel es.
Wir betraten also das Institut; Hollows wandte sich der Reception zu und
meldete sich dort beim Portier an: »Guten Tag. Mein Name ist Frank Hollows, das ist Mr.
Dawson. Professor Wang erwartet uns.«
»Ja, sie sind im Besucherverzeichnis eingetragen. Nehmen sie einfach
den Aufzug in die 5. Etage, und gehen sie den Korridor entlang bis sie zu einer Tür mit
seinem Namen kommen. Er erwartet sie dort.«
Daraufhin durchquerten wir die große Empfangshalle, in deren Mitte ein
beeindruckend gigantomanisches Modell unserer Sonne und ihrer inneren Planeten stand,
welche sich um die Sonne bewegten, und begaben uns zu den Aufzügen an der dem Eingang
gegenüber gelegen Seite der kreisrunden Lobby. Die Aufzüge waren hochmoderne,
sprachgesteuerte Modelle; Hollows bestellte einen nach oben. Im fünften Stock gingen wir
den Korridor entlang, an dessen Wänden Bilder von Galaxien und einzelnen Sonnen hingen.
Ob es echte Photos oder Computerbilder waren, konnte ich nicht erkennen. Bei der Tür zu
Wangs Büro angelangt, ging diese auch sogleich von alleine auf; es schien, das uns
verborgene Kameras registriert und als berechtigt eingestuft hatten. Drinnen saß ein
junger Mann von schätzungsweise dreißig Jahren am Computer und schien gerade eine
Sternenkarte zu betrachten, soweit ich es beurteilen konnte. Er war recht klein, trug
langes, schwarzes Haar und hatte ein asiatisch aussehendes Gesicht. Nachdem er
aufgestanden war kam er auf uns zu und begrüßte uns beide mit Namen.
»Ah, Mr. Hollows und Mr. Dawson. Schön sie kennenzulernen. Ich bin
Professor Wang.«
Wir grüßten zurück und schüttelten ihm die Hand.
»Kann ich ihnen einen Kaffee anbieten?«, fragte der Professor.
Ich wollte schon dankend annehmen, doch Hollows schnitt mir das Wort ab.
»Vielen Dank, Professor, aber ich habe heute noch einiges zu tun. Ich
würde gerne sofort anfangen.«
»Wie sie wollen. Aber bitte, nennen sie mich nicht Professor. Ich
heiße Jim.«
Der Mann war mir gleich sympathisch. Ich sagte zu ihm: »Wissen sie Jim,
die ganze Geheimnistuerei hat mich ziemlich neugierig gemacht. Aber ich denke, wir können
trotzdem einen Kaffee trinken während sie alles erklären.«
»Einverstanden. Ich werde drei Tassen holen gehen.«
»Ach nein, ich denke sie sollten gleich anfangen zu erzählen. Mr.
Hollows hat es ja eilig, da wird es ihm sicher nichts ausmachen, uns einzugießen während
sie schon beginnen. Nicht wahr, Frank?«
Da konnte er nicht mehr ablehnen, und ging wohl oder übel in Richtung
Kaffeekanne davon.
Ich zwinkerte Jim grinsend zu, und er grinste zurück.

Das Wandernde blieb lange Zeit bewegungslos an der gleichen Stelle. Es
hatte von den Älteren davon gehört, dass es Wesen gab die voller Aggression waren und
ihre Zerstörungswut auch an ihren eigenen Artgenossen ausließen. Doch bis jetzt hatte es
nicht glauben wollen, das intelligente Wesen zu solcher Grausamkeit und Dummheit fähig
sein konnten. Doch nun hatte es selbst erlebt, dass es doch möglich war. Schließlich,
nach langem Nachdenken, wurde es ihm möglich, die Geschehnisse als Bestandteil des
Universums zu akzeptieren. Wo kein Schatten war, war entweder kein Licht oder nichts, das
ihn warf. Aber verstehen konnte es die Katastrophe nicht.
Als es sich wieder aufraffen konnte, seine Reisen fortzusetzen,
beschloss es eine Welt zu besuchen, die, nach Aussage der Älteren, nur primitives Leben
auf dem Weg zur Intelligenz beherbergte. Da konnte keine Gefahr bestehen, dass sich eine
ähnliche Katastrophe ereignet hatte.
Nachdem der Entschluss erst einmal gefasst war, beeilte es sich in den
schnellen Raum einzutauchen und machte sich auf den Weg. Am Ziel angekommen, wollte es
sich auf der Welt niederlassen und erst einmal beobachten, ohne Kontakt aufzunehmen.

Es begann schon dunkel zu werden, als ich alleine mitten im ehemaligen
Silicon Valley stand, vor mir das Objekt, das in den letzten drei Monaten so sehr die
Öffentlichkeit beschäftigt hatte. Hier, in diesem Tal, das früher einmal der wichtigste
Ort für die Computerindustrie gewesen war bevor man die biologisch-neuronalen Rechner
entwickelt hatte, war das Objekt eingeschlagen. Glücklicherweise war die Gegend jetzt
unbewohnt, sonst hätte man es schon im Weltraum vernichten müssen. Obwohl ich nicht
sicher war, dass dies auch möglichen gewesen wäre. Denn schon beim ersten Versuch, den
riesigen Felsbrocken, denn nichts anderes war es, mit Lasern aufzuschneiden, hatte sich
auf seiner Oberfläche eine Schicht unbekannten Materials gebildet, die jedem weiteren
Öffnungsversuch problemlos widerstanden hatte.
Jim Wang hatte mir bei unserem Treffen erzählt, das dieser 238 Meter
messende Meteor mitten ins Valley einschlagen würde. Das wäre aber den ganzen Aufmarsch
der Geheimdienste und des Militärs nicht wert gewesen, hätten die Wissenschaftler nicht
ein Funksignal angemessen, das so regelmäßig und strukturiert gewesen war, das es von
dem Meteor künstlich erzeugt werden musste und auf Intelligenz schließen ließ. Sofort
und viel zu schnell, wie ich fand, sind einige Forscher auf den Gedanken gekommen,
anorganisches Leben gefunden zu haben, was wiederum das Militär auf den Plan gerufen
hatte.
Hier stand ich also, nachdem nach dreimonatigen Fehlversuchen, etwas
herauszufinden oder eine Art Kommunikation mit dem vermeintlichen Lebewesen zu starten,
das Interesse verschwunden war. Ich hatte nie daran geglaubt, dass es funktionieren
würde. Aber da gab es trotzdem einige Ungereimtheiten, wie zum Beispiel die Tatsache,
dass beim Sturz durch die Atmosphäre kein Gramm Material verglüht war, oder die Herkunft
dieses seltsamen Funksignals. Das alles hatte zuerst mein Interesse geweckt, obwohl ich
nun meine Vermutung bestätigt sah, dass ich nichts weiter als einen besonders stabilen
Klumpen kosmischen Drecks vor mir hatte.
Ab morgen würde ich nun wieder meinen normalen Pflichten nachgehen
können, und so fuhr ich nach Hause und legte mich schlafen.

Und dann, eines Tages, zwei Jahre nachdem meine geliebte Frau
umgekommen war, nach zwei Jahren des Schmerzes und der Depressionen, geschah es. Ich hatte
wieder mal einen dieser seltsamen Träume, in dem mich eine fremdartige Stimme rief. Ich
befand mich in einem undurchdringlichen Nebel, in dem nichts anderes existierte als ich
selbst und die Stimme, die meinen Namen rief. Doch diesmal war es anders. Diesmal lichtete
sich der Nebel, und ich sah was nach mir rief. Es war der Meteor, an den ich in den
vergangenen zehn Jahren kaum je gedacht hatte.
Ich wachte schweißgebadet auf. Ich konnte mir nicht erklären, wie ein
toter Felsbrocken nach mir rufen konnte, und wollte es als dummen Traum abtun. Doch es war
mir nicht möglich, diese Stimme wieder zu vergessen.
Ich hatte von nun an keine Ruhe mehr, bis ich mich entschloss, in meinen
Wagen zu steigen und zur Einschlagstelle zu fahren. Obwohl ich wusste, das mein Verhalten
dumm und unvernünftig war, konnte ich nicht widerstehen. Der Meteor war schon vor vielen
Jahren als unbedenklich eingestuft worden und war jetzt ein Touristenmagnet. Es war
völlig unmöglich dass der Fels der Urheber meines Traumes sein konnte, zumindest sagte
mir das mein Verstand. Doch gleichzeitig fühlte ich mit einer Intensität, die ich
bis zu diesem Moment nicht gekannt hatte, dass er lebte. Und ich fühlte auch, dass es der
größte Fehler meines Lebens gewesen wäre, hätte ich diesen Eindruck ignoriert.
Als ich dort ankam war es schon dunkel, und es schien, als habe sich in
den vergangen zehn Jahren nichts verändert. Ich wollte schon wieder umkehren, als ich den
Reflex des Mondlichtes auf der Meteoroberfläche sah. Ich betrat den gigantischen Krater
und ging näher heran, um nachzusehen wodurch der Lichtstrahl zurückgeworfen wurde, als
ich wie angewurzelt stehenblieb. In der Oberfläche des Felsens war eine Öffnung
vorhanden. Sie konnte noch nicht lange da sein, sonst hätte sie vor mir schon jemand
entdeckt.
Ich dachte nach, was jetzt geschehen sollte. Das letzte, was ich tun
wollte, war, den Meteor zu betreten. Doch da war wieder dieses Gefühl, und ich hatte den
Eindruck als ob es, nun da ich näher an seinem Urheber war, langsam in Gewissheit
umschlug; dieser bizarre Felsen war ein lebendes Wesen. Ich überwand also meine Furcht
und durchschritt die Öffnung. Nachdem ich mich im Innern befand schaute ich mich
vorsichtig um. Ich befand mich in einer kugelförmigen Höhle von etwa 50 Metern
Durchmesser, und überall um mich herum ragten Kristalle von verschiedener Größe aus der
Oberfläche, in allen nur möglichen Farben sanft strahlend. Ich drehte mich voller
Bewunderung im Kreis, um alles zu sehen, und bemerkte plötzlich, dass die Öffnung
verschwunden war. Ich war gefangen! Ich würde langsam ersticken!
Voller Panik rannte ich zu der Stelle, von der ich glaubte dass die
Öffnung dort gewesen war, und schlug mit der Taschenlampe, die ich mitgenommen hatte um
den Weg zum Meteor zu finden, außer mir vor Angst auf die Kristalle ein, in der sinnlosen
Hoffnung, eine Öffnung schaffen zu können.
Kaum hatte ich damit begonnen, als ich nur noch sah wie energetische,
gezackte Bahnen wie Blitze den ganzen Innenraum ausfüllten; dann versank ich in
Dunkelheit und verlor das Bewusstsein.

Ich weiß nicht, wie lange es dauerte bis ich langsam wieder erwachte.
Doch im Halbschlaf, bevor mein Bewusstsein zurückkehrte, hörte ich wieder diese Stimme,
die mich auch schon in meinen Träumen gerufen hatte, beruhigend zu mir sprechen.
Gleichzeitig ging von ihr eine solch friedliche und wohlwollende Ausstrahlung aus, das
jegliche Angst verflogen war, als ich langsam wieder aufwachte.
Hab keine Angst, Danny Dawson. Dir wird nichts geschehen, du bist
nicht gefangen. Du kannst jederzeit wieder gehen und mich verlassen. Es tut mir leid, dass
ich dich so überraschend in den zeitlosen Schlaf versetzen musste, doch ich konnte nicht
zulassen, dass du meine empfindliche innere Struktur verletzt.
Es war, als ob diese Worte direkt in meinem Kopf entstünden, und doch
wusste ich, dass sie von dem Wesen kamen, das mich umgab. Nachdem ich erst einmal
minutenlang vor Staunen kein Wort herausbekam, schaffte ich es schließlich zu fragen:
»Du warst es, der mich in meinen Träumen gerufen hat, nicht war?«
Ja, Danny Dawson.
»Was... was bist du?«
Ich bin das Kind einer Sonne, und der Weltraum, wie du es nennst, ist
meine Heimat. Doch höre nun genau zu, Danny Dawson. Ich werde dir berichten, woher ich
komme und warum ich hier bin.
Ich hörte nun Dinge, die so phantastisch und unglaublich schön, aber
manchmal auch unglaublich traurig waren, wie ich sie mir nie vorzustellen gewagt hatte.
Das Wesen erzählte mir von den Älteren wie sie es unterrichteten, von seinem Entschluss
den Weltraum zu entdecken. Es berichtete von unglaublichen kosmischen Ereignissen und
einer ganzen Zivilisation, die sich selbst vernichtet hatte. Nachdem es geendet hatte,
ließ es mir Zeit, alles zu verarbeiten. In diesem Moment wurde mir klar, wie unglaublich
weise, friedfertig und wissend dieses Wesen war. Und plötzlich erkannte ich, dass ich
mich nicht mehr von ihm trennen wollte; denn seine unglaublich positive Ausstrahlung war
so überwältigend, das mir alle meine alltäglichen Sorgen und der Kummer um meine Frau
plötzlich überwindbar erschienen. Mir wurde bewusst, dass es für mich nur einen Weg gab
wieder glücklich zu werden: wenn ich für immer bei diesem Wesen blieb.
Überwältigt fragte ich: »Aber warum hast du gerade mich gerufen?«
Du warst der Erste, dessen Gedanken ich bewusst wahrnehmen konnte,
denn du warst oft körperlich und im Geist in meiner Nähe. Du musst wissen, das ich eine
nach deinen Begriffen recht lange Zeit gebraucht habe, bis ich mich auf die Gehirne der
Bewohner dieser Welt einstellen konnte. Noch länger hat es gedauert, bis ich mit dir
kommunizieren und mich dir endgültig offenbaren konnte. In der ganzen Zeit, in der ich
versucht habe dich über deine Träume zu rufen, um mit einer Lebensform dieser Welt zu
kommunizieren, habe ich dein Schicksal verfolgt. Ich habe dein großes Glück gespürt,
als du deinem seelenverwandten Wesen begegnet bist. Und dann spürte ich deinen großen
Schmerz, als du es verloren hast.
Danny Dawson, ich möcht dich wieder glücklich machen und deinem Leben
einen Sinn geben. Ich frage dich, willst du mit mir den Weltenraum bereisen und seine
Wunder sehen, seine Lebewesen besuchen?
Ich zögerte keinen Moment mit der Antwort: »Natürlich! Es gibt nichts
was mich hier noch hält. Ich wüßte nicht, was ich mir mehr wünschen könnte, als mit
dir mitzukommen!«
Dann, Danny Dawson, werde ich dich in den zeitlosen Schlaf versetzen.
Habe keine Angst, es ist die einzige Möglichkeit für dich, die langen Reisen zu
überstehen. Doch ich verspreche dir, an unserem Ziel wirst du Dinge sehen, deren Existenz
du dir nicht mal erträumen könntest.
»Warte noch. Hast du einen Namen?«
Oh ja, Danny Dawson. Doch in deiner Sprache gibt es keine
Möglichkeit, ihn irgendwie zu begreifen oder auszudrücken. Nenne mich statt dessen Äon
1254. Es beschreibt am besten, was ich bin.

Der Mensch beendet seine Erzählung, als die rotleuchtende Sonne langsam den Horizont
überschreitet. Nach langem Schweigen, während dem das hochgewachsene, grüne Wesen das
Gehörte verarbeitet, sagt der Mensch: »Nun weißt du also, mein Freund, wie es gekommen
ist, dass ich meine eigene Welt verlassen habe und in den Weltraum aufgebrochen bin. Was
ich auf meinen Reisen alles erlebt und gesehen habe, das ist jedoch eine andere
Geschichte.«
Zum Schluss ein Dank an den geneigten Leser. Diese Geschichte ist mein
»Erstlingswerk«, ich bitte daher eventuelle Ungereimtheiten zu übersehen.
Trotzdem bin ich sehr an deiner Meinung interessiert. Schreib mir doch deine Kritik oder
vielleicht sogar Lob, denn nur durch Feedback macht das Schreiben wirklich Spaß.
Jetzt schon vielen Dank für allfällige Mails,
Marc Annaheim