ehutsam, fast zärtlich hob Moira
Bullys schlaffen Körper an.
Zuvor hatte sie mit einer schnellen Bewegung den Kopf des Kommissars in
einem Beutel verschwinden lassen.
Es stimmte also, sie war wirklich eine Kopfjägerin.
Der Siga-Blue wagte noch immer kein Wort zu sagen - mir ging es nicht
wesentlich anders.
Wie erstarrt sah Yltriel zu dem leblosen Körper hinüber, noch immer
unfähig sich zu rühren.
Ich verfolgte stumm, wie die Ayindi ohne größere Kraftanstrengung den
schlaffen Körper des Terraner anhob und langsam zur Wohnkuppel in der Platzmitte trug.
Ich folgte ihr.
Die Erscheinung der Ayindi war beeindruckend.
Der muskulöse, humanoide Körper wirkte bedrohlich.
Ich beruhigte mich selbst damit, das ich mir immer wieder sagte, daß
sie an meinem Kopf bestimmt nicht interessiert war.
Als sie Bullys Wohnquartier erreicht hatte, legte sie den müden Mann
auf das Konturbett und streichelte ihm sanft mit ihren großen Klauenhänden über die
Haare.
»Schlafe mein Freund schlafe.«
Ich räusperte mich leise, worauf ihr Kopf herumfuhr.
Ihre seltsamen Haare machten die Bewegung des Kopfes fast starr mit.
Ihre Augen funkelten warnend.
Ich nickte leise und wagte kein Ton mehr von mir zu geben.
Nach etwa einer Stunde erhob sich die Ayindi und verließ ohne sich
umzudrehen die Behausung.
Ich folgte ihr schnell nach draußen wo sie nach einigen Schritten
stehen blieb und ohne sich umzudrehen sagte:
»Was willst du, Terraner? Warum folgst du mir?«
Ihre Stimme hatte nicht weniger laut geklungen als die des toten
Kommissars.
»Ich brauche....«
Meine Stimme hatte leise und unbeherrscht geklungen, ich stand noch
immer unter den Nachwirkungen des Schocks.
Moira drehte sich um und sah mich prüfend an.
Fast schien es mir als ob sie meinen Halsansatz abschätzend musterte.
»Was willst du Terraner?«, sagte sie nochmals etwas lauter.
Yltriel begann neben mir wieder zu wimmern.
Ich wußte nicht wie oft der Siga-Blue seit der Landung auf Kahalo schon
mit seinem Leben abgeschlossen hatte.
»Ich brauche deine Hilfe, Ayindi!«, sagte ich etwas lauter und fester.
Ihr massiger Körper schob sich pfeilschnell an mich heran.
Die Bewegung verlief so schnell, das ich sie fast nicht erfassen konnte.
Ich fühlte mich angehoben, sah plötzlich ihr kantiges Gesicht vor mir
und roch ihren Atem.
Es war mir unangenehm, trotzdem wagte ich nicht mich abzuwenden.
»Warum sollte ich dir helfen, einem terranischen Wicht, der nur mit
großem Glück dem knappen Tod entkommen ist?«
Ich faßte meinen Mut zusammen.
»Weil ich dich darum bitte, Moira,«, schnell fügte ich hinzu, »Und
weil du es mir schuldest.«
In ihrer Mimik ging eine Veränderung vor. Die harten Züge wichen einen
fragenden Blick.
»Weil ich es dir schulde?«
Ich glaubte sie würde mir jede Sekunde mit einem schnellen Griff das
Genick brechen.
Mein Herz raste wie wild.
Gerade rechtzeitig besann ich mich über die Dinge die ich im
terranischen Zentralarchiv über Moira gelesen hatte.
Demnach war die Ayindi zwar eine brutale Kämpferin, hatte sich aber am
Ende als hilfreiche Verbündete bei den Geschehnissen an der Großen Leere erwiesen.
Ich deutete mit dem Daumen an den Beutel der an ihrem breiten Gürtel
baumelte.
»Die Trophäe! Ohne uns hättest du sie niemals bekommen, denn ohne uns
hätte der Kommissar niemals leichtfertig seinen undurchdringlichen Individualschirm
abgeschaltet, undurchdringlich auch für dich!«
Ich wartete auf einen Donnerschlag oder darauf, daß mein Kopf über den
Belag des alten Kahalo Raumhafens rollte, doch nichts dergleichen geschah.
Sie maß mich mit einem abschätzenden Blick.
»Ihr Terraner seit ein merkwürdiges Volk. Am stärksten wenn es euch
am schlechtesten geht. Was willst du von mir?«
Ich atmete auf.
»Zu aller erst einmal Informationen....«
Bevor ich ausreden konnte geschahen zwei Dinge gleichzeitig.
Der Körper der Ayindi spannte sich. Sie sah mich mit weit aufgerissenen
Augen an.
Dann fühlte ich einen zerrenden Schmerz im Nacken.
Bevor ich verstand wie mir geschah, wechselte die Umgebung und ich stand
in der Zentrale eines Schiffes. Der Siga-Blue schwebte noch immer neben mir und schien
genauso desorientiert zu sein wie ich.
Auf einer Holoprojektion sah ich wie Kahalo schnell kleiner wurde.
Mir wurde klar, das wir uns mit rasender Geschwindigkeit aus dem Orbon
System entfernten.
Die Ayindi sah mich durchdringend an.
»Woher kommst du?«, stieß sie gepreßt zwischen den Zähnen hervor.
Bevor ich etwas sagen konnte machte sie eine schnelle Geste.
»Du trägst die Uniform der LFT Flotte, wie sie vor ungefähr 30000
Jahren ausgesehen hat. Die Styx hat mir gerade die Daten bestätigt.«
Ihr Blick schien mich zu sezieren. Sie hatte die Lage schnell und
treffend analysiert.
»Ich wurde vor langer Zeit in das Amagorta Black Hole geschleudert und
unterlag allem Anschein nach einem Zeiteffekt. In der Jetztzeit hielt mich wohl jemanden
für den erhofften Letzten Ritter und fischte mit mitsamt meiner Rettungskapsel aus dem
Ereignishorizont.«
Moiras Augen wurden zu schmalen Schlitzen.
Welche Erinnerung hast du von deinem Aufenthalt im Black Hole?
Ich sah sie verwundert an.
»Keine, warum fragst du?«
Sie schien sich nicht weiter um mich zu kümmern und wandte sich ihren
Kontrollen zu.
Über die Schulter hinweg sagte sie plötzlich.
»Weil ein alter Freund von mir einst in diesem Schwarzen Schlund
verloren ging.«
Ich lächelte stumm, denn ich kannte die Geschichte über Rhodans
Verschwinden vom Verkünder auf Arkon.
»Und, hast du je nach ihm gesucht?«
Überraschender Weise erfolgte eine prompte Antwort.
»In allen Galaxien....«
Ich schluckte betroffen. Erst jetzt wurde mir klar das die Ayindi
verzweifelt war.
»Rhodan wird zurückkehren!«, sagte ich in die Stille hinein.
»Und er wird der HESPIES alles heimzahlen!«
Moira sah zu der Holoprojektion hinüber, auf der die Sonne Orbon als
ein Stern unter vielen mit der Zentrumsballung verschmolz.
»Warum hast du so überstürzt den Planeten verlassen? Ich hatte
gehofft Reginald Bull mit deiner Technik doch noch helfen zu können.«
Moira wirkte das erste Mal betroffen. Sie schien nach Worten zu suchen.
»Ich war schon oft auf Kahalo und hatte meinen alten Freund besucht.
Ich habe es jedoch niemals fertig gebracht mich ihm zu erkennen zu geben, denn ich wollte
ihm keine Hoffnung machen. Ich kann ihm nicht helfen.«
Sie sah mir wieder direkt in die Augen. Ich glaubte ihr.
»Wir mußten den Planeten schnell verlassen, denn die Styx hat
zahlreiche Objekte geortet die sich aus dem Hyperraum näherten. Wenn es Schiffe oder
Inkarnationen der HESPIES sind, dann verschwinden wir besser.«
»Aber Bull?«
Die Ayindi klang traurig.
»Ihm wird nichts geschehen solange die HESPIES glaubt, daß er als
Falle für Rhodan taugt. Wenn sie doch eines Tages seinen Tod beschließen sollte und das
Zellaktivierungsfeld um die Pyramiden abschaltet dann ist es seine Erlösung!«
Meine Stimme zitterte.
»Aber warum hast du es nie versucht...«
Sie sagte leise:
»Wir Ayindi können keine Zellaktivatoren bauen und ES wurde von der
HESPIES geschlagen, genau wie alle anderen Ordnungskräfte.«
Ich atmete schwer.
»Was weißt du über die HESPIES?«
Die Ayindi spannte sich plötzlich.
»Sie ist das absolute Böse. Über ihr wahres Gesicht habe ich jedoch
nur Vermutungen die ich nicht teilen möchte, denn wenn es stimmt was ich denke, dann gibt
es für dieses Universum keine Rettung mehr.«
Mir wurde plötzlich kalt.
»Kommen wir zum Geschäft!«
Ich sah verwundert auf.
»Geschäft?«
Die Ayindi sah auf mich herab.
»Einen Gefallen hast du frei, Terraner. Und sogar ohne Bezahlung.«
Ich schluckte.
»Bezahlung?«
Moira lachte laut.
»An deinem Kopf liegt mir nichts. Wie ich schon sagte, du gehörst zu
einer seltenen Art und stehst unter Naturschutz.«
Ich lachte gepreßt.
»Was für ein Glück. Aber du könntest uns wirklich einen Gefallen
tun. Was weißt du über TEKLOS?«
Über das Gesicht der Ayindi huschte ein wissendes Lächeln.
»Alles!«, sagte sie nur.
Ich spürte Erregung in mir aufsteigen. Ich zog den seltsamen Gegenstand
aus der Tasche den mir Bully gegeben hatte und hielt ihn ihr hin.
Sie erschrack und fuhr zurück.
»Wo hast du das her!«
Sie schien äußerst erregt zu sein.
»Reginald Bull gab es mir.«, sagte ich verwundert.
Die Ayindi beherrschte sich mühsam.
»Es war in seinem Besitz?«
Ich nickte stumm.
Einen Moment schien sie mit sich zu kämpfen, gerade so als wolle sie
ihre Klauen ausstrecken und mir den eiförmigen, schwarzen Gegenstand entreißen.
»Du Unwürdiger! Du weißt ja nicht was du da in den Händen hältst!«
Mir war als ob der Gegenstand leicht vibrierte. Plötzlich glaubte ich
Stimmen zu vernehmen, Stimmen wie aus großer Ferne.
Ich lauschte in mich hinein.
Moira sah mich interessiert an.
»Du hörst es?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Einen Moment hatte ich geglaubt das ich....«
»Du hörst es!«, sagte sie bestimmt. »Es hat dich angenommen!«
Ich sah sie an.
»Was ist es?«
Anstelle einer Antwort gab Moira der Styx den Befehl für eine
Kurskorrektur. Ich sah bestürzt wie die Galaxis unter hinter uns zurückfiel.
»Wo bringst du uns hin?«, fragte ich unsicher.
»Nach TEKLOS, mein kleiner, unwissender Freund.«
Die Galaxis war nur noch als milchige Scheibe zu erkennen.
Weitab, ebenfalls nur diffus, drehte sich M33.
»Wir fliegen aus der Lokalen Gruppe hinaus«, flüsterte ich Yltriel
zu.
Der Siga-Blue verstand das alles nicht.
Bis vor kurzem reichte sein Horizont nur über einige wenige Planeten
der Milchstraße, die er per Transmitterverbindung noch erreichen konnte.
Moira verharrte bewegungslos in der Mitte der Zentrale.
Ab und zu gab sie ein paar erklärende Bemerkungen ab.
»Wir verlassen in Kürze die ehemalige Mächtigkeitsballung von ES.«
Ich sah interessiert zu den Hologrammen hinüber.
Dieses Schiff war ein Wunder! Noch niemals hatte ich so einen
leistungsstarken Antrieb gesehen.
»Wie weit reicht der Einfluß der HESPIES?«, fragte ich beiläufig.
Moira gab einen knurrenden Ton ab.
»Wie weit reicht der Einfluß der Kosmokraten?«, kam die Gegenfrage.
Meine Lippen bebten.
»Über das ganze Universum?«,fragte ich ungläubig.
»Die HESPIES hat die Kosmokraten zu stumpfsinnigen Kreaturen
devolutioniert. Sie hat dem Universum die ordnenden Kräfte genommen. Selbst wenn sie noch
nicht in allen Galaxien bekannt ist und viele Kulturen noch nichts von dem ahnen was
gerade geschieht, der Untergang und das Chaos ist vorprogrammiert.«
Ich sah ungläubig zu ihr hinüber und schüttelte den Kopf.
»Warum hat sie sich ausgerechnet in der Milchstraße eingenistet?«
Moiras Augen wurden schmal.
»Die Milchstraße war viel zu oft der Knotenpunkt der Geschichte. Die
Terraner haben aktiv an der positiven Gestaltung des Parresums mitgearbeitet. Niemals hat
ein Hilfsvolk der Kosmokraten so gute Arbeit geleistet.«
Ich lehnte mich in den Kontursessel zurück und schloß einen Moment die
Augen.
»Die Terraner sind kein Hilfsvolk der Kosmokraten! Sie haben sich von
der Beeinflussung der Ordnungsmächte losgesagt!«
Moira lachte laut auf.
»Wie naiv ihr doch seit und wie wichtig für das Universum! Glaubst du
im ernst Terraner, ihr hättet nur eine Sekunde allein über Eure Zukunft entscheiden
können? All die Dinge die Dein Volk durchgemacht hat waren nur Vorprüfungen auf diesen
Tag!«
»Wir wurden vorbereitet?«
Moira nickte nach terranischer Manier.
»Natürlich wurdet ihr das. ES wußte was einmal geschehen könnte und
auch die Terraner wären darauf gekommen, hätten sie sich nur einen Moment wirklich
kosmische Gedanken gemacht und nicht nur von Jahrhundert zu Jahrhundert in den Tag
hineingelebt!«
Das waren harte Worte. Was meinte sie nur damit?
Alle weiteren Bemühungen mehr über die Zusammenhänge zu erfahren
scheiterten an ihrer Verschwiegenheit, so zog ich es vor das Gesprächsthema zu wechseln.
»Was ist TEKLOS IV?«
Die Ayindi verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Sollte das ein Lächeln
sein?
»TEKLOS IV ist der Deckname für einen Planeten.«
Ich horchte interessiert auf.
»Deckname? Warum hat dieser Planet einen Codenamen und wo liegt er?«
Die Ayindi kam ganz nahe heran und starrte mit einem Seitenblick auf
meine Tasche in welcher der seltsame Gegenstand steckte, der sie so erschreckt hatte.
»Der Planet um den es geht konnte als einziger seiner Art erfolgreich
vor der Zerstörung durch die HESPIES Schwadronen verteidigt werden. Ein ganzes Volk hat
sich für diesen Planeten geopfert! Du siehst, wir steuern historischen Boden an.«
Ich fror plötzlich und war mir nicht mehr sicher ob es eine gute Idee
gewesen war, den Planeten anzufliegen.
Nach weiteren 10 Stunden Flugzeit erreichten wir die Außenbereiche
einer großen Spiralgalaxis.
Ich hatte längst das Gefühl für Raum und Zeit verloren und hatte
keine Ahnung wo wir uns befanden.
Moira projizierte das Abbild der Galaxis in die Mitte der Zentrale der
Styx und aktivierte einen Laserpointer.
Sie markierte einen Bereich des Spiralnebels und sah zu mir herüber.
Hier liegt unser Ziel.
TEKLOS IV, wie der Planet jetzt genannt wird.
»Warum sagst du mir nicht um welchen Planeten es sich handelt? Was ist
das für eine Galaxis?«
Moira legte den Kopf schief und sah mich an.
»Du hast sie nicht erkannt? Ich dachte du warst bei der LFT Flotte?«
Ich wurde ärgerlich.
Die Heimlichtuerei begann mich zu ärgern.
»Muß ich deshalb jede Galaxis sofort erkennen? Es gibt hunderte, die
aussehen wie diese!«
»Millionen«, korrigierte mich die Ayindi sanft.
Ich gab es auf.
Ich konnte nur hoffen, das mich das Wesen nicht ins verderben führte.
Unbestimmt hatte ich das Gefühl, das die Stimmen in meinem Kopf lauter
wurden, aber ich konnte mich täuschen.
Die ganze Geschichte wurde mir immer unheimlicher.
Moira hatte mich nach meiner Erinnerung über den Sturz in das
Black-Hole befragt.
Ich konnte mich an nichts mehr erinnern.
Meine Gedanken drehten sich nur im Kreis, wenn ich an den Unfall
zurückdachte.
War das normal?
Konnte man sich überhaupt an eine Fahrt durch einen Ereignishorizont
erinnern, oder hatte mein Verstand einfach ausgesetzt?
Die Galaxis schien mich anzuspringen.
Ich erschrak, dann bemerkte ich, das nur die Holoprojektion einen
größeren Ausschnitt zeigte.
»Was für Völker leben hier?«, fragte ich nach.
Der Blick der Ayindi verfinsterte sich.
»Keines mehr. Die Galaxis ist Tod.«
Wieder spürte ich die Gänsehaut über meinen Rücken laufen.
»Tod? Eine ganze Galaxis?«
Moira sah mich an.
»Ich war damals hier, als die Völker mutig das Portal verteidigten. Es
war mehr als nur ein technisches Etwas, es war ihnen heilig. Die HESPIES hatte
Probleme den Widerstand zu brechen, also setzte sie ihre DNA-Waffe ein und ließ alle
organischen Wesen sterben. Ich entkam nur knapp aus dem Wirkungsfeld, das die gesamte
Galaxis umspannte.«
Meine Hände zitterten.
»Was ist das für ein Geschöpf? Sag es mir!«, hauchte ich der Ayindi
zu.
»Du wirst ihr begegnen, bald.«