FORSCHUNG !

Turbulenzen im Plasma simuliert

23.9.1998

Mit Hilfe eines Supercomputers am amerikanischen Lawrence Berkeley National Laboratory in New Jersey ist es Wissenschaftlern gelungen, neue physikalische Erkenntnisse zu gewinnen, die Kernfusionsexperimente weiterbringen könnten. Wie die Forscher im Wissenschaftsmagazin Science berichten, gelang es, Mikroturbulenzen im Plasma in drei Dimensionen zu simulieren.
Kernfusion - der Vorgang, aus dem Sterne ihre Energie beziehen - findet in heißem, ionisiertem Gas, dem sogenannten Plasma, statt. Damit die Atome verschmelzen können, muß das Plasma extrem heiß und dicht sein. Es wird dazu durch Magnetfelder eingesperrt.
Ein Problem dabei: Durch Turbulenzen können erhebliche Mengen von Teilchen und Energie verloren gehen. Die Wissenschaftler vom Princeton Plasma Physics Laboratory (PPPL) simulierten die Turbulenzen in drei Dimensionen mit Hilfe der gesamten Rechenleistung eines Cray T3E Supercomputers. Sie konnten das Verhalten von 400 Millionen Teilchen über 5000 Zeitschritte berechnen - eine Leistung, die nur dank eines speziellen Prozessors möglich war. Der Chef des PPPL, William Tang, sagte, daß Computersimulationen nun zu dem Punkt gereift seien, an dem sie Experiment und Theorie als drittes Werkzeug der Physik vervollständigen.

[Quelle: Ute Kehse, Lawrence Berkeley National Laboratory]

 

Weiterer Forschritt in der Kernfusionsforschung

23.9.1998

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Obwohl weltweit eher Ernüchterung beim Thema Fusion als Energiequelle vorherrscht, konnten nun Wissenschaftler des Princeton Plasma Physics Laboratory ein Problem wenigstens in einer Simulation lösen. Mit der vollen Leistung eines Cray-Computers untersuchten sie die Mikroturbulenzen, die im Brennmaterial eines Fusionsreaktors auftreten. Dieses Plasma, heißes ionisisiertes Gas, wird im Reaktor mit einem starken Magnetfeld konzentriert, um dann durch Aufheizen auf mehrere Millionen Grad Celsius das Sonnenfeuer auf der Erde zu entfachen. Prinzipiell sollen dabei Wasserstoffkerne zu Heliumkernen verschmelzen. Diese Reaktion läuft seit Jahrmillionen in unserer Sonne ab und kann riesige Mengen an Energie freisetzen.
Jedoch schaffen es die Fusionsforscher noch nicht, diese Reaktion dauerhaft in Gang zu setzen. Noch wird mehr Energie eingesetzt als gewonnen. Die Stabilität des Plasmas spielt dabei eine große Rolle. Kleinste Turbulenzen vermindern diese Stabilität, wie Experiment und Simulation zeigen. Bei ihren Berechnugen fanden die Forscher nun erstaunlicherweise, daß das turbulente Plasma bei der Zufuhr von zusätzlicher Energie sich selbst organisiert. Die Turbulenzen nehmen ab.
Diese Erkenntnisse könnten in Fusionsreaktoren des Tokamak-Typs demnächst angewendet werden.
In Deutschland setzt man derweil auf das Stellerator-Prinzip und hofft in wenigen mit dem Wendelstein 7-X, der zur Zeit in Greifswald gebaut wird, der Fusion als Energiequelle einen Schritt näher zu kommen.

[Quelle: Jan Oliver Loefken, Science]

 

Kleiner geht's nicht: Mini-Magnete aus Nickelchlorid-Clustern entwickelt

25.9.1998

Winzig kleine Magnete nicht viel größer als einige Atome haben Forscher des Weizmann Instituts im israelischen Rehovot herstellen können. Diese neuen Magnete sind damit sehr viel kleiner als die bisher verwendeten metallorganischen Verbindungen. Die Nickelchlorid-Moleküle ordnen sich dabei zu wenige Nanometer großen Röhren oder Bällen aneinander. Solche Strukturen sind in der Nanotechnologie bereits von Kohlenstoffclustern, den sogenannten Fullerenen, bekannt.
Bei der Herstellung können die Forscher exakt die Größe ihrer Minimagneten bestimmen und sie so je nach Anwendung zurechtschneidern. Solche molekularen Magnete lassen sich als Speichermedium in der Mikroelektronik anwenden. Prinzipiell kann eine Computer-Festplatte aus Milliarden solchen Minimagneten bestehen. Je nachdem wie der Magnet ausgerichtet ist, kann er die Information für eine 0 oder 1 tragen. Der ideale magnetische Schlater reagiert auf eine extrem kleine magnetische Kraft. Zudem sollte er die Stellung, in die er einmal geschaltet wurde, möglichst lange beibehalten. Nur so können Daten über einen längeren Zeitraum zuverlässig gespeichert werden.
Die Nickelchlorid-Cluster zeigen diese Eigenschaft. Zudem beeinflussen sie sich gegenseitig kaum. Eine gegeseitige Beeinflussung trat bei den bisherigen molekularen Magneten auf und führte zu Datenverlust. Für die Mikroelektronik stellen solche molekularen Bauteile die physikalische Grenze der fortschreitenden Minituarisierung dar, denn unterhalb dieser Größe weisen die Atome und Moleküle keine magnetischen Eigenschaften mehr auf.

[Quelle: Jan Oliver Loefken,Eurekalert]

 

Wichtiger Schritt auf dem Weg zum Quantencomputer: Fehler können korrigiert werden

9.9.1998

Wissenschaftlern des Los Alamos National Laboratory im US-Bundesstaat Neu-Mexiko ist es zum ersten Mal gelungen zu zeigen, daß Quantencomputer verläßlich rechnen können. Dazu manipulierten sie den Spin eines Drei-Bit Quantencomputersystems mit Hilfe der Nuklearen Magnetischen Resonanz, wie die Wissenschaftler in den Physical Review Letters schreiben.
Im Gegensatz zu gewöhnlichen Computern, die mit Hilfe eines Binärsystems aus Einsen und Nullen rechnen, wird eine Information bei einem Quantencomputer in einem einzigen Atom oder Molekül gespeichert, das verschiedene Zustände annehmen kann. Die Informationseinheiten, Qubits genannt, können nicht nur den Zustand Eins oder Null annehmen, sondern auch jeden anderen Wert dazwischen. Nach den Gesetzen der Quantenmechanik können die Qubits sogar mehrere Zustände gleichzeitig annehmen.
Bis vor kurzem nahm man an, daß das Hauptproblem von Quantencomputern darin bestehe, daß sie keine Fehler korrigieren können. Wie Wissenschaftler aus Los Alamos zeigten, läßt sich dieses Problem allerdings beheben, indem alle Rechnungen mehrmals durchgeführt werden.
Nun probierten Raymond Laflamme und seine Kollegen aus Los Alamos die Fehlerkorrektur erstmals in der Praxis aus: Sie veränderten den Spin von Molekülen mit Hilfe der Nuklearen Magnetischen Resonanz. Da sie die Fehlerquellen dabei kannten, konnten sie das Schema zur Fehlerkorrektur testen.
Laflamme glaubt zwar, daß der Einsatz von Quantencomputern noch Jahre entfernt ist. Allerdings meint er, daß die Schwierigkeiten überwindbar sind und weniger mathematischer als mechanischer Art sind.

[Quelle: Ute Kehse, Los Alamos National Laboratory ]

 

Konstanzer Physiker überlisten Unschärferelation

9.9.1998

Nach dem Heisenbergschen Unschärfeprinzip ist es unmöglich von einem Teilchen gleichzeitig den Aufenthaltsort und seine Geschwindigkeit exakt zu bestimmen. Deutlich wird dieses Grundgesetz bei dem mysteriösen Wechsel zwischen Welle und Teilchen, den Photonen und andere Teilchen bei bestimmten Experimenten zeigen. Physiker um Gerhard Rempe von der Universität Konstanz haben nun ein Experiment entwickelt, um dieses Rätsel der Quantenmechanik elegant zu umgehen.
Das berühmteste Experiment zum sogenannten Welle-Teilchen-Dualismus ist der Doppelspalt-Versuch. Wenn ein Beobachter nicht analysiert, durch welchen von zwei Spalten ein Elektron fliegt, erscheint auf der Rückseite der Spalte ein Interferenzmuster. Das Elektron ist dann in Form einer Welle quasi durch beide Spalte geflogen und die sich überlagernden Elektron-Wellen erzeugen die Interferenz. Wird nun aber der Flugweg des Elektrons beobachtet, wechselt das Elektron in seiner Teilchennatur und das Interferenzmuster verschwindet, weil ein Teilchen nur durch einen Spalt fliegen kann.
Die Konstanzer Physiker wollten nun die Flugbahn eines Teilchens beobachten ohne den Interferenzeffekt zu zerstören. Dazu nutzen sie gekühlte Rubidiumatome in einer magnetischen Falle. Nun passierten die Atome einen Lichtstrahl, der die Atome zur Hälfte geradeaus und zur anderen Hälfte abgelenkt weiter fliegen läßt. Diese beiden Strahlen wurden darauf mit einem weiteren Lichtstrahl wieder in jeweils zwei Atomstrahlen aufgeteilt. Am Ende des Experiments können nun zwei der insgesamt vier Atomstrahlen ein Interferenzmuster erzeugen. Einzelne Atome sortierten die Forscher aus, indem sie mit Mikrowellen den Spin, die Drehung um sich selbst, der Atome änderten. Mit der einen Spinrichtung fliegen die Atome geradeaus durch den Lichtstrahl, mit der anderen werden sie abgelenkt.
Nun beobachteten die Forscher, daß auch ohne die Bestimmung des Atomspins das Interferenzmuster verschwindet. Gerade dieser Punkt begeistert die Forscher. Denn dieses Ergebnis würde bedeuten, daß nicht die Unschärferelation verantwortlich ist für das Verschwinden der Interferenz. Vielmehr ist der Zusammenhang der Flugbahn eines Atoms von seinem jeweiligen Spin der Grund für diesen Effekt.
Auch oder gerade weil diese Interpretation ein Grundgesetz der Quantenmechanik umgeht, bestreiten einige Physiker, darunter Dan Walls von University of Auckland, vehement diese Entdeckung.

[Quelle: Jan Oliver Loefken, Inscight]

 

Neuer Detektor mißt Energie einzelner Photonen

4.9.1998

Physiker der Stanford-Universität haben einen Detektor weiterentwickelt, der die Energie und Ankunftszeit einzelner Lichtteilchen mit hoher Präzision messen kann. Mit diesem Gerät, das Blas Cabrera und seine Mitarbeiter in den Applied Physics Letters beschreiben, hoffen die Forscher die optische Astronomie zu revolutionieren.
Ihr "Transition Edge Sensor" (TES) kann Photonen aus dem infraroten, dem optischen und dem ultravioletten Teil des Spektrums registrieren. Der Sensor ist eine Weiterentwicklung eines Meßgerätes, mit dem die Astronomen bestimmte Elementarteilchen, die sogenannten Wimps (Weakly Interacting Massive Particles) aufspüren wollen. Er besteht aus haarfeinen Quadraten aus Wolframfilm, die auf 80 Tausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt werden. Bei dieser Temperatur wird Wolfram supraleitend. Da Wolfram einen sehr scharfen Übergang zwischen metallischem und supraleitendem Verhalten zeigt, lassen sich winzige Temperaturveränderungen exakt registrieren. Ein einziges eintreffendes Photon erhöht die Temperatur und damit den Widerstand des Wolframs auf meßbare Weise. Um das Metall wieder auf die ursprüngliche Temperatur abzukühlen, muß eine bestimmte Energie aufgewendet werden, aus der sich die Energie des Photons bestimmen läßt. Die hochgenauen Messungen könnten optische Teleskope deutlich verbessern. Bislang können diese nur die Position der Photonen exakt bestimmen. Um die Energie festzustellen, muß das Licht aufwendig gefiltert werden, wofür eine größere Menge Photonen vorhanden sein müssen.
Noch können die TES-Detektoren nur wenige Bildpunkte auflösen. Ein ganzes Feld aus solchen Sensoren könnte ein zukünftiges Weltraumteleskop wesentlich leistungsfähiger machen als das Hubble-Teleskop: Auch die entferntesten Objekte des Universums, von denen nur ein extrem schwaches Leuchten eintrifft, könnten mit Hilfe der Sensoren sichtbar werden.

[Quelle: Ute Kehse, Stanford University]

 

Texas Instruments läßt Transistoren auf 0,10 Mikron schrumpfen

1.9.1998

Elektronik-Riese Texas Instruments (TI) hat mit neuen Herstellungsmethoden einen neuen Größenrekord aufgestellt: Mehr als 400 Millionen Transistoren passen auf einen fingernagelgroßen Chip. Bisher liegt die Zahl der Transistoren auf dieser Chip-Fläche bei 125 Millionen. Dieser Erfolg werde Drahtlos- und Multimedia-Kommunikation "weit über die Grenzen heutiger Technologie hinaus" bringen, so Yoshio Nishi, Leiter der Abteilung "Forschung und Entwicklung" bei TI. Geräte mit den neuen Chips wären nicht nur deutlich kleiner als heutige Versionen, sie wären auch leichter, verbrauchten weniger Energie und könnten Programmbefehle sehr viel schneller ausführen. Neue Transistoren im "Miniformat" sollen im Jahr 2000 entwickelt werden und ab 2001 in die Massenproduktion gehen.
Doch auch die Konkurrenz scheint nicht zu schlafen: Andere Vertreter der Halbleiter-Industrie kündigten an, ähnliche Produktionsverbesserungen in Kürze präsentieren zu können. Nach Ansicht von Marktkennern ist TI seinen Konkurrenten allerdings mindestens eine Größengeneration voraus: Die Transistoren auf heute produzierten Computer-Chips messen rund 0,18 Mikrons (Millionstel Meter), setzt man die Standardmessung der Industrie an. Derzeit versuche "alle Welt", Transistoren von 0,13 Mikron herzustellen, so Dan Hutcheson vom Marktforschungsunternehmen VLSI Research. Die neue Technologie von Texas Instruments schrumpft die Transistoren aber sogar auf 0,10 Mikron, bzw. 0,07 Mikron, setzt man TIs leicht abweichenden Meßstandard an. Je kürzer die Distanzen, die ein Elektron "wandern" muß, desto höher die Arbeitsgeschwindigkeit der Transistoren, der Chips und der zugehörigen Geräte.

[Quelle: Dörte Saße, NandoNet]

 

Bestätigt entfernte kosmische Strahlung das SO-Teilchen?

28.8.1998

Fünf extrem weit entfernte Quasare sollen die Quelle für hochenergetische kosmische Strahlungen sein, die Astronomen des Max-Planck Instituts für Radioastronomie in Bonn untersucht haben. Falls sich diese Ergebnisse betsätigen, müßte der Teilchenzoo der Physik um ein weiteren subatomaren Vertreter ergänzt werden (Physical Review Letters).
Nach bisherigen Erkenntnissen kann kein Bestandteil der kosmischen Strahlung –Protonen, Atomkerne oder Photonen - weiter als 150 Millionen Lichtjahre durch das All reisen. Durch Stöße mit anderen Teilchen verliert es nach und nach an Energie und wird abgebremst. Die Quelle für die nun entdeckte kosmische Strahlung liege aber circa 12.000 Millionen Lichtjahre entfernt in dem Quasar 1204+281. Erklären ließe sich diese Strahlung nur mit einem neuen Teilchen, daß schon in den sogenannten "supersymetrischen Theorien" vorhergesagt wurde, um die Schwerkraft mit den anderen drei Kräften in einer Theorie zu vereinigen. Die Theoretiker nennen das Teilchen S0. Es soll aus einem Quark - ein Bestandteil des Protons oder Neutrons - und aus einem Gluino bestehen. Das Gluino stellt den "Superpartner" zum bekannten Gluon dar. Nach der supersymetrischen Theorie hat nämlich jedes Teilchen zusätzlich einen "Superpartner". Das Gluon (aus dem engl. To glue=kleben) selbst sorgt dafür, die einzelnen Quarks zu einem Proton oder Neutron zusammenzukleben. Die Astronomen halten das S0-Teilchen für sehr wahrscheinlich, da nur dieses eine derart weite Strecke im All zurücklegen könne.

[Quelle: Olaf Loefken, New Scientist, Physical Review Letters]

 

Richtfest für neuen Forschungsreaktor in Garching

25.8.1998

Heiß umstritten ist er, der neue Forschungsreaktor FRM-II in Garching bei München. Jetzt feiert man Richtfest und in drei Jahren soll der Reaktor Neutronen für die Materialforschung und für die Entwicklung neuer Werkstoffe liefern. Dann soll das aus dem Jahr 1957 stammende und veraltete "Atomei" stillgelegt werden.
Während Vertreter von Politik, Wissenschaft und Forschung das Projekt als Motor für den wissenschaftlichen Fortschritt in Deutschland beschrieben, protestieren Reaktorgegner vor dem Baugelände. Sie fordertend ie Einstellung des auf mindestens 760 Millionen Mark veranschlagten Reaktorbaus. Sie halten das atomwaffenfähige Uran, mit dem die Anlage betrieben werden soll, für zu gefährlich.
Bei dem neuen Forschungsreaktor handelt es sich um eine Neutronenquelle für kernphysikalische Experimente. Mit seiner 1,80 Meter dicken Betonhülle soll das Gebäude gegen die Folgen eines Flugzeugabsturzes geschützt und dadurch das sicherste Reaktorgebäude der Welt sein. Im Inneren des Reaktors sollen Neutronen als Sonden und äußerst präzise Meßgeräte eingesetzt werden. Sie sollen der Neuentwicklung von Werkstoffen, der Materialforschung und der Weiterentwicklung der Strahlemmedizin bei der Tumorbekämpfung dienen

[Quelle: Karin Hollricher, bmbf, TU München,]

 

Kernfusionsexperiment Wendelstein 7-X: Richtfest der Experimentierhalle

25.8.1998

Ein neues Großprojekt der Atomtechnik hat Richtfest gefeiert: Im Mecklenburg-Vorpommer‘schen Greifswald wurde der Rohbau der Hauptgebäude - Experimentierhalle sowie drei Bürogebäude - fertiggestellt. Besonders ins Auge fiel während der Bautätigkeiten die 25 Meter hohe Experimentierhalle, in im Jahr 2005 das Experiment "Wendelstein 7-X" zur Kernfusion starten soll. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik wollen dort Experimente zur Kernfusion durchführen.
Ziel der Fusionsforschung ist es, die Energieproduktion der Sonne auf der Erde nachzuvollziehen: Da die für den Fusionsprozeß nötigen Grundstoffe in nahezu unbegrenzter Menge vorhanden und über die ganze Welt verteilt sind und ein Fusionskraftwerk günstige Sicherheits- und Umwelteigenschaften verspricht, könnte die Fusion einen größeren Beitrag zur Energieversorgung der Zukunft leisten. Brennstoff ist ein dünnes ionisiertes Gas, ein "Plasma" aus den Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium. Zum Zünden des Fusionsfeuers muß es gelingen, das Plasma wärmeisoliert in Magnetfeldern einzuschließen und auf Temperaturen über 100 Millionen Grad aufzuheizen. Hier ist WENDELSTEIN 7-X ein Schlüsselexperiment: Die Anlage soll untersuchen, ob Fusionsanlagen vom Typ Stellarator zum Bau eines Kraftwerks geeignet sind. Dazu wird das Experiment ein besonderes Bauprinzip für den Magnetfeldkäfig testen. Das Spulensystem aus 50 speziell geformten, supraleitenden Magnetspulen ist das Kernstück der Anlage. Mit ihrer Hilfe soll WENDELSTEIN 7-X die wesentliche Eigenschaft der Stellaratoren demonstrieren, den Dauerbetrieb. Der erzeugte Magnetfeldkäfig soll ein Plasma einschließen, das mit Temperaturen bis 50 Millionen Grad überzeugende Schlüsse auf die Kraftwerkseigenschaften der Stellaratoren ermöglicht, ohne ein bereits energielieferndes Fusionsplasma herzustellen. Die Anlage wird daher auch ohne den radioaktiven Brennstoffbestandteil Tritium experimentieren. Hierfür sind nur wesentlich größere Anlagen geeignet. Informationen über das Verhalten eines brennenden Plasmas sollen von dem in weltweiter Zusammenarbeit geplanten Internationalen Thermonuklearen Experimentalreaktor ITER gewonnen werden.

[Quelle: Karin Hollricher, MPG]

 

Roboterbaby und "großer Bruder" sollen Künstliche Intelligenz erwerben

25.8.1998

Wissenschaftler der Abteilung "künstliche Intelligenz" am Massachusetts Institute of Technology (MIT) suchen einen neuen Zugang zur Entwicklung künstlicher Intelligenz. Während bei traditionelle Methoden der Computer mit vielen Fakten über seine Umgebung gefüttert wird, in der Hoffnung, daß sich schließlich künstliche Intelligenz herausbildet, setzt das MIT-Team auf interaktives Lernen: der Roboter soll durch das Auffassen einfacher Verhaltensweisen und soziale Interaktion eine Intelligenz entwickeln.
Das Projekt kombiniert dabei die Entwicklung zweier verschiedenartiger Roboter: ein 3,6 kg schwerer Roboterkopf namens "Kismet" lernt wie ein menschliches Babys, drückt Gefühle aus und ist völlig auf die Zuwendung seiner menschlichen "Eltern" angewiesen; sein großer Bruder "Cog", ein menschenähnlicher Roboter von zwei Meter Größe, mit Armen, Händen und drei Sinnesorganen, soll von "Kismets" Erfolgen zehren und für seine eigene "Intelligenzentwicklung" nutzen. Die Ergebnisse beider Forschungsgruppen sollen zur schnelleren Entwicklung regelmäßig ausgetauscht werden.
Soziale Interaktion ist das Kernstück von "Kismets" Entwicklung: das Roboterbaby, ausgestattet Sicht und Gehör, soll nicht nur Information aus seiner Umgebung aufnehmen, es soll mittels beweglicher Gesichtszüge und "Gebrabbel" auch Reaktionen zeigen können. Das "Kind" kann auf diese Weise seine "Eltern" wissen lassen, wenn es mehr bzw. weniger Stimulation und Anregung braucht – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem intelligenten Roboter, so hoffen die Forscher, der ein "grundlegendes Verständnis" der Welt erwirbt.
Cynthia Breazeal, die "Mutter" von "Kismet", hat ihren Zögling bisher mit einem simplen "Seh-Sinn" ausgestattet, der dem eines Babys gleicht: zwei CCD-Farbkameras als Augen sehen am schärfsten auf die Entfernung von rund 60 Zentimetern. Das Gehör und die Fähigkeit zum "Brabbeln" sollen in Kürze folgen. Auch ist "Kismet" mit einem Repertoire typischer Reaktionen ausgestattet, die von Gefühls- und Verhaltensmechanismen gesteuert werden: Das "Kind" muß stets sein emotionales Gleichgewicht halten. Wenn es beispielsweise keine visuellen Anreize bekommt, etwa ein Gesicht oder ein Spielzeug, so wird es sich zunehmend traurig und allein "fühlen" und nach Menschen zum Spielen suchen. Aber auch ein Zuviel an Stimulation kann "Kismet" aus dem Gleichgewicht bringen. Wird er lange ein und derselben Stimulation ausgesetzt, wie etwa beim endlosen Schwenken einer Puppe vor dem Gesicht, so langweilt er sich und wird ärgerlich. Und überschüttet man ihn mit Information, wird er wahrscheinlich ermüden und einschlafen. Um diese Gefühle deutlich machen zu können, ist das Roboterbaby mit beweglichen Gesichtszügen ausgestattet: das Gesicht hat Augenlider, Brauen, Ohren und einen Mund, der sich zu baby-ähnlicher Mimik verformen läßt. Einfache Stimmungen wie Überraschung, Angst, Interesse, etc. werden deutlich erkennbar, eine Grundlage für soziale Interaktion. Alle Fortschritte von "Kismet" sollen an "Cog" weitergegeben werden, der letztendlich mit ähnliche "sozialen Fähigkeiten" die Intelligenzstufe eines zweijährigen Kindes erreichen soll. "Cogs" technische Konstruktion steht kurz vor dem Abschluß, an "Kismets" Sinnesorganen wird noch gearbeitet. Sine Reaktionen sind im Stadium der Feinabstimmung. In den kommenden Wochen bzw. innerhalb eines Jahres soll mit dem "Lernprozeß" begonnen werden.

[Quelle: Dörte Saße, MIT, NewScientist]